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Die Rückkehr italienischer Immigranten in ihre Heimat - Gymnasium ...

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<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong><br />

<strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Matura-Arbeit 2005<br />

Fabio Mussi<br />

1987<br />

Betreuer<strong>in</strong>:<br />

Beatrice Moser<br />

Korreferent:<br />

Giuseppe Cimirro<br />

<strong>Gymnasium</strong> Thun Seefeld, Kanton Bern


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Vorwort ..................................................................................................................................................................3<br />

2. E<strong>in</strong>leitung..............................................................................................................................................................4<br />

3. Theoretischer Teil ............................................................................................................................................5<br />

3.1. Der Mythos <strong>Rückkehr</strong> ........................................................................................................................5<br />

3.2. <strong>Die</strong> drei Entscheidungsmöglichkeiten.......................................................................................6<br />

3.2.1. Zurückkehren...........................................................................................................................6<br />

3.2.2. Bleiben.........................................................................................................................................6<br />

3.2.3. Pendeln .......................................................................................................................................6<br />

3.3. Entscheidende Faktoren...................................................................................................................7<br />

3.3.1. F<strong>in</strong>anzielle Lage......................................................................................................................7<br />

3.3.1.1. Rente............................................................................................................................... 7<br />

3.3.1.2. Ergänzungsleistungen ................................................................................................. 7<br />

3.3.1.3. Haus im heimatlichen Dorf......................................................................................... 8<br />

3.3.2. Familiensituation....................................................................................................................8<br />

3.3.2.1. K<strong>in</strong>der.............................................................................................................................. 8<br />

3.3.2.2. Zivilstand ...................................................................................................................... 11<br />

3.3.3. Gesundheitlicher Zustand ..............................................................................................11<br />

3.3.3.1. Arbeitsbed<strong>in</strong>gte Beschwerden .................................................................................11<br />

3.3.3.2. Gesundheits- und Alters<strong>in</strong>stitutionen..................................................................... 11<br />

3.3.4. Emotionale Gründe............................................................................................................12<br />

3.3.4.1. <strong>Heimat</strong>gefühle............................................................................................................. 12<br />

3.3.4.2. Haus im heimatlichen Dorf.......................................................................................14<br />

3.3.5. Integration .............................................................................................................................14<br />

3.4. Zahlen und Statistiken ...................................................................................................................15<br />

4. Empirischer Teil .............................................................................................................................................17<br />

4.1. Interviews mit betroffenen Personen....................................................................................17<br />

4.1.1. Vorstellen der Interviewpartner.................................................................................17<br />

4.1.2. Zusammenstellung der Aussagen der <strong>Immigranten</strong> der ersten<br />

Generation..............................................................................................................................19<br />

4.1.3. Zusammenstellung der Aussagen der verschiedenen Generationen....25<br />

5. Gegenüberstellung von Theorie und Empirie ...............................................................................29<br />

6. Schlussfolgerungen......................................................................................................................................31<br />

7. Zusammenfassung .......................................................................................................................................33<br />

8. Schlusswort ......................................................................................................................................................34<br />

9. Quellenverzeichnisse...................................................................................................................................35<br />

9.1. Literaturverzeichnis..........................................................................................................................35<br />

9.2. Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................................35<br />

10. Anhang............................................................................................................................................................36<br />

2


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vorwort<br />

1. Vorwort<br />

Als me<strong>in</strong>e Grosseltern nach Italien zurückkehrten, war ich noch zu kle<strong>in</strong> um diese Situation<br />

und <strong>ihre</strong> Bedeutung wirklich zu verstehen.<br />

Auch später habe ich mir eigentlich nur selten Gedanken über diese Begebenheit gemacht.<br />

Erstmals angeregt wurde me<strong>in</strong> Interesse durch e<strong>in</strong>en Artikel über italienische Gastarbeiter,<br />

über welchen ich im Französischunterricht e<strong>in</strong>en Bericht schreiben durfte: „Travailler en Suisse?<br />

Cela n’en vaut plus la pe<strong>in</strong>e“ (L’Hebdo, 18. Mai 2000, S. 24).<br />

Mir wurde bewusst, dass ich me<strong>in</strong> Wissen <strong>in</strong> dieser Thematik vertiefen möchte.<br />

Auch wenn ich me<strong>in</strong>e Verwandtschaft mit Absicht nicht <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Arbeit mit e<strong>in</strong>bezogen habe,<br />

erhoffe ich mir <strong>in</strong>sgeheim, auch für mich persönlich und me<strong>in</strong>e Familie e<strong>in</strong>ige hilfreiche Erkenntnisse<br />

zu sammeln, um diese Familiensituation besser verstehen zu können.<br />

Ich möchte folgenden Personen ganz herzlich danken:<br />

• Me<strong>in</strong>en Eltern, Grosseltern und me<strong>in</strong>er Schwester für <strong>ihre</strong> Unterstützung und <strong>ihre</strong> Geduld.<br />

• Me<strong>in</strong>en Interviewpartnern und Interviewpartner<strong>in</strong>nen für ihr Vertrauen und dafür, dass<br />

sie sich die Zeit genommen haben, sich für e<strong>in</strong> Gespräch mit mir zur Verfügung zu stellen.<br />

• Frau Beatrice Moser für die kompetente und engagierte Begleitung.<br />

3


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

2. E<strong>in</strong>leitung<br />

Lange Zeit g<strong>in</strong>g man davon aus, dass die italienischen <strong>Immigranten</strong>, nachdem sie <strong>ihre</strong> Beschäftigung<br />

<strong>in</strong> der Schweiz abgeschlossen haben, <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong> zurückkehren. Heute weiss<br />

man, dass dies nicht der Fall se<strong>in</strong> muss. Viele Italiener haben sich <strong>in</strong> der Schweiz zurechtgefunden,<br />

sich e<strong>in</strong>e eigene Existenz aufgebaut und e<strong>in</strong>e Familie gegründet.<br />

Mit der Pensionierung rückt auch die Phase der Ause<strong>in</strong>andersetzung näher mit der Frage, wo<br />

man se<strong>in</strong>en Lebensabend verbr<strong>in</strong>gen will. Ob <strong>in</strong> der Schweiz oder <strong>in</strong> Italien. Viele verschiedene<br />

Faktoren nehmen auf diese Entscheidung E<strong>in</strong>fluss und machen sie zu e<strong>in</strong>er heiklen, oft<br />

von Konflikten begleiteten Angelegenheit.<br />

<strong>Die</strong>sen Faktoren will ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten, theoretischen Teil me<strong>in</strong>er Arbeit näher auf den<br />

Grund gehen.<br />

Dazu beschaffte ich mir e<strong>in</strong>e breite Auswahl an aktueller Fachliteratur und konnte zudem e<strong>in</strong><br />

Interview mit e<strong>in</strong>er Fachperson auf diesem Gebiet vere<strong>in</strong>baren (Paul Sütterl<strong>in</strong>, Adjunkt, Eidgenössische<br />

Ausländerkommission).<br />

In e<strong>in</strong>em zweiten, empirischen Teil stehen betroffene Personen im Mittelpunkt.<br />

Anhand von Gesprächen will ich herausf<strong>in</strong>den, wie sie die Situation erleben, was sie persönlich<br />

zu <strong>ihre</strong>r Entscheidung bewegt hat und wie sie diese im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> beurteilen.<br />

Da von der Entscheidung der Eltern auch die K<strong>in</strong>der direkt betroffen s<strong>in</strong>d, aber die Entscheidung<br />

auch stark von den K<strong>in</strong>dern bee<strong>in</strong>flusst wird, habe ich mich entschieden, mit e<strong>in</strong>em<br />

Gespräch mit e<strong>in</strong>er Angehörigen der zweiten Generation ebenfalls die Ansicht der K<strong>in</strong>der zu<br />

berücksichtigen.<br />

Daraus haben sich folgende Leitfragen ergeben:<br />

Welches s<strong>in</strong>d die Entscheidungskriterien für, bzw. gegen e<strong>in</strong>e <strong>Rückkehr</strong> nach Italien<br />

der Familien Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i, Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli und Liliana<br />

und Onorio Mart<strong>in</strong>elli?<br />

Wie erlebt Tiziana D’Amico, Tochter zurückgekehrter <strong>Immigranten</strong>, die Situation?<br />

Me<strong>in</strong> Ziel ist es nicht, e<strong>in</strong>e der Entscheidungsmöglichkeiten als die Bessere darzustellen, sondern<br />

zu veranschaulichen, <strong>in</strong> welchem Zwiespalt sich diese Personen bef<strong>in</strong>den.<br />

Me<strong>in</strong>e Vermutung ist jedoch, dass die Entscheidung, nach Italien zurückzukehren, sich als<br />

die grössere Herausforderung erweist, respektive die Entscheidung, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben,<br />

weniger Probleme mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

Es gilt zu erwähnen, dass me<strong>in</strong>e Interviews aufgrund der ger<strong>in</strong>gen Anzahl nicht repräsentativ<br />

s<strong>in</strong>d, sondern als exemplarische Untersuchung zu betrachten s<strong>in</strong>d.<br />

Der Leserlichkeit halber verwende ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit durchgehend die männliche Form der<br />

Begriffe <strong>Immigranten</strong>, Italiener, usw. Selbstverständlich s<strong>in</strong>d damit immer beide Geschlechter<br />

geme<strong>in</strong>t.<br />

4


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Der Mythos <strong>Rückkehr</strong><br />

3. Theoretischer Teil<br />

3.1. Der Mythos 1 <strong>Rückkehr</strong><br />

Der ursprüngliche Plan zur <strong>Rückkehr</strong>, mythologisiert und immerzu aufgeschoben, ist längst<br />

verraten; nun dreht sich die Spirale der Ambivalenz 2 : Gehen oder bleiben, bleiben oder gehen?<br />

<strong>Die</strong> neu erworbenen Werte und Normen gew<strong>in</strong>nen immer mehr Macht über die alten,<br />

doch wirken auch diese nun fort: man kann nicht überleben, ohne die eigene Vergangenheit<br />

<strong>in</strong> sich wachzuhalten, aber auch nicht, ohne die Gegenwart, <strong>in</strong> der ja die Zukunft enthalten<br />

ist, für sich zu erschliessen. Der Emigrant 3 sitzt also <strong>in</strong> der Falle, gleich e<strong>in</strong>em Bergsteiger,<br />

der festgeklemmt <strong>in</strong> der Felswand hängt, ohne vorwärts oder zurück zu können.<br />

(Frigessi Castelnuovo/Risso, zitiert nach Frigerio Mart<strong>in</strong>a/Merhar, 2004, S. 363)<br />

<strong>Die</strong> Emigration war von der ersten Generation immer nur als vorübergehendes Ereignis geplant.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>in</strong>s <strong>Heimat</strong>land war oft das Ziel der gesamten Anstrengungen, die man<br />

<strong>in</strong> der Schweiz auf sich nahm.<br />

Das Festhalten am Gedanken, dass die Emigration nur vorübergehend sei, erlaubte den <strong>Immigranten</strong>4,<br />

die Gegenwart mit all <strong>ihre</strong>n Erniedrigungen <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten zu lassen.<br />

Immer wieder wurde das Thema <strong>Rückkehr</strong> <strong>in</strong> die Alltagsgespräche der <strong>Immigranten</strong> e<strong>in</strong>geflochten.<br />

Das Erwähnen des <strong>Rückkehr</strong>wunsches stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und half zudem etwaige Schuldgefühle, die <strong>Heimat</strong> verlassen und sich von der eigenen Kultur<br />

entfernt zu haben, zu beruhigen.<br />

(Frigerio Mart<strong>in</strong>a/Merhar, 2004, S. 361)<br />

Damals sowohl von den italienischen <strong>Immigranten</strong> der ersten Generation als auch von der<br />

Schweizer Gesellschaft noch als Notwendigkeit angesehen, ist die Heimkehr heute nur noch<br />

e<strong>in</strong>e mögliche Option. <strong>Die</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> der Schweiz haben mehr Rechte errungen und<br />

sich somit e<strong>in</strong>e grössere Entscheidungsfreiheit verschafft.<br />

1 Mythos = Legendär gewordene Begebenheit, der man grosse Verehrung entgegenbr<strong>in</strong>gt (Duden, 1974, S. 484)<br />

2 Ambivalenz = Doppelwertigkeit bestimmter Phänomene (Duden, 1974, S. 54)<br />

3 Emigrant/Emigration = Auswanderer/Auswanderung<br />

4 Immigrant/Immigration = E<strong>in</strong>wanderer/E<strong>in</strong>wanderung<br />

5


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

<strong>Die</strong> drei Entscheidungsmöglichkeiten<br />

3.2. <strong>Die</strong> drei Entscheidungsmöglichkeiten<br />

3.2.1. Zurückkehren<br />

Zur <strong>Rückkehr</strong> nach Italien entschliessen sich oft k<strong>in</strong>derlose <strong>Immigranten</strong>. Sie haben die wichtigen<br />

B<strong>in</strong>dungen mit <strong>ihre</strong>r <strong>Heimat</strong> bewahrt und über Presse und Fernsehen <strong>in</strong>teressiert das<br />

italienische Tagesgeschehen verfolgt. Vom Ruhestand und von Italien haben sie e<strong>in</strong> positives<br />

Bild. (Halter (Hrsg.), 2003, S. 246). Es ist wichtig, dass die Zurückkehrenden darüber <strong>in</strong>formiert<br />

s<strong>in</strong>d, welche Änderungen <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r <strong>Heimat</strong> vor sich gegangen s<strong>in</strong>d. Denn Italien hat sich<br />

weiter entwickelt, auch <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r Abwesenheit.<br />

S<strong>in</strong>d sie sich dessen nicht bewusst, kann die <strong>Rückkehr</strong> zur grossen Enttäuschung werden. Sie<br />

werden sich <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r <strong>Heimat</strong> erneut als Fremde fühlen.<br />

3.2.2. Bleiben<br />

Bei den Personen, die beabsichtigen <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, gibt es zwei Gruppen: jene,<br />

die sich <strong>in</strong> diesem Land e<strong>in</strong>gegliedert fühlen und jene, die bleiben, weil sie ke<strong>in</strong>e andere<br />

Wahl haben.<br />

Der ersten Gruppe gehören jene Personen an, die die örtliche Sprache beherrschen, e<strong>in</strong>en<br />

grossen Freundeskreis und e<strong>in</strong>e gute wirtschaftliche Perspektive haben.<br />

<strong>Die</strong> Personen der zweiten Gruppe bleiben nicht aus freiem Willen <strong>in</strong> der Schweiz. <strong>Die</strong> Hälfte<br />

von ihnen hat ernsthafte gesundheitliche Probleme. <strong>Die</strong> mediz<strong>in</strong>ische Versorgung <strong>in</strong> der<br />

Schweiz halten sie für besser als die <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r <strong>Heimat</strong>, doch vor allem s<strong>in</strong>d sie der Me<strong>in</strong>ung,<br />

e<strong>in</strong> Recht darauf zu haben, <strong>in</strong> diesem Land zu bleiben, für dessen Entwicklung sie sich mit<br />

<strong>ihre</strong>r Arbeit die Gesundheit ru<strong>in</strong>iert haben.<br />

(Halter (Hrsg.), 2003, S. 246)<br />

3.2.3. Pendeln<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die sich dafür entscheiden, abwechslungsweise <strong>in</strong> Italien und <strong>in</strong> der Schweiz zu<br />

wohnen, s<strong>in</strong>d im Allgeme<strong>in</strong>en die jüngeren unter den älteren <strong>Immigranten</strong>. Gesundheitlich<br />

s<strong>in</strong>d sie noch <strong>in</strong> guter Verfassung und auch f<strong>in</strong>anziell s<strong>in</strong>d sie eher besser gestellt als der<br />

durchschnittliche italienische Immigrant.<br />

Oft stellt die Entscheidung zu pendeln e<strong>in</strong>en Kompromiss dar zwischen den verschiedenen<br />

Existenzansichten der beiden Ehepartner. Sie kann aber auch als Versuch <strong>in</strong>terpretiert werden,<br />

die endgültige Entscheidung weiter h<strong>in</strong>auszuschieben.<br />

(Halter (Hrsg.), 2003, S. 246)<br />

Basierend auf dieser Aussage b<strong>in</strong> ich zu dem Entschluss gekommen, der Entscheidungsmöglichkeit<br />

„pendeln“ <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit weniger Beachtung zu schenken. Ich gehe davon aus,<br />

dass <strong>in</strong> den meisten Fällen früher oder später e<strong>in</strong>e endgültige Entscheidung gefällt werden<br />

muss.<br />

Ich werde deshalb die Pendlerexistenz mit ke<strong>in</strong>em Interview berücksichtigen.<br />

6


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

3.3. Entscheidende Faktoren<br />

3.3.1. F<strong>in</strong>anzielle Lage<br />

3.3.1.1. Rente<br />

Italienische Staatsangehörige <strong>in</strong> der Schweiz s<strong>in</strong>d den Schweizer<strong>in</strong>nen und Schweizern <strong>in</strong><br />

Sachen Rente grundsätzlich gleichgestellt.<br />

Auch ihnen wurden während <strong>ihre</strong>r Erwerbstätigkeit <strong>in</strong> der Schweiz Lohnbeiträge für die Altersvorsorge<br />

abgezogen. Ist das Pensionsalter erreicht, kommt dieses Geld zurück. <strong>Die</strong> AHV-<br />

Rente wird bis ans Lebensende ausbezahlt.<br />

Dazu haben die <strong>Immigranten</strong> Recht auf Leistungen der Pensionskasse. <strong>Die</strong>sen Betrag können<br />

sie sich als Rente oder <strong>in</strong> ganz bestimmten Fällen auch als Kapital auszahlen lassen.<br />

Um nicht Gefahr zu laufen, sich nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit <strong>in</strong> Saus und Braus wieder sehr<br />

stark e<strong>in</strong>schränken zu müssen, ist man auf der sichereren Seite, wenn man sich das Geld der<br />

Pensionskasse <strong>in</strong> monatlichen Beträgen auszahlen lässt.<br />

AHV und Pensionskasse garantieren zudem e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>terlassenenrente.<br />

Auch wenn italienische <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong> zurückkehren, verlieren sie ihr Anrecht<br />

auf AHV-Rente wie auch auf Leistungen der Pensionskasse nicht. <strong>Die</strong>sen Vorteil gegenüber<br />

anderen Ausländern verdanken sie dem Sozialversicherungsabkommen der Schweiz mit der<br />

EU. In diesem Fall laufen die Überweisungen über das Istituto Nazionale della Previdenza<br />

Sociale.<br />

(EKA – Eidgenössische Ausländerkommission/Pro Senectute Schweiz/Migros-Kultur-prozent,<br />

2001, S. 8 ff.)<br />

Um sich e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> der Schweiz mit angemessenem Standard f<strong>in</strong>anzieren zu können, s<strong>in</strong>d<br />

jedoch <strong>Immigranten</strong> häufig auf Ergänzungsleistungen angewiesen. 2,5-mal häufiger als bei<br />

Schweizern gleichen Alters liegen die E<strong>in</strong>künfte der italienischen <strong>Immigranten</strong> unter der Armutsgrenze<br />

(unter 1000 Franken pro Monat).<br />

(Halter (Hrsg.), 2003, S. 245)<br />

3.3.1.2. Ergänzungsleistungen<br />

Mit dem Bilateralen Abkommen mit der EU, Verabschiedung 2002, hat sich im Bezug auf die<br />

Ergänzungsleistungen die Situation für <strong>Immigranten</strong> stark verbessert.<br />

<strong>Immigranten</strong>, die vor 2002 <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong> zurückkehrten, verloren nach sechs Monaten im<br />

Ausland ihr Anrecht auf Ergänzungsleistungen <strong>in</strong> der Schweiz. Um dieses Recht wieder zu<br />

erlangen, mussten sie erneut zehn Jahre <strong>in</strong> der Schweiz verweilen.<br />

Auch wer heute die Schweiz verlässt, hat ke<strong>in</strong> Anrecht mehr auf Ergänzungsleistungen. <strong>Die</strong>ses<br />

wird e<strong>in</strong>em jedoch sofort wieder zugesprochen, sobald man erneut <strong>in</strong> die Schweiz zurückkehrt.<br />

<strong>Die</strong>se Neuregelung erlaubt den italienischen <strong>Immigranten</strong>, die <strong>Rückkehr</strong> auch nur für e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Zeit lang auszuprobieren. Um die Vor- und Nachteile des Lebens <strong>in</strong> Italien wirklich<br />

zu spüren, waren sechs Monate e<strong>in</strong>deutig zu kurz.<br />

7


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

3.3.1.3. Haus im heimatlichen Dorf<br />

Während <strong>ihre</strong>m Aufenthalt <strong>in</strong> der Schweiz haben viele italienische <strong>Immigranten</strong> e<strong>in</strong>e grosse<br />

Menge Geld <strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenes Haus im heimatlichen Dorf <strong>in</strong>vestiert.<br />

Wurde <strong>in</strong> den Nachrichten über e<strong>in</strong> Erdbeben <strong>in</strong> Italien berichtet, herrschte bei den italienischen<br />

<strong>Immigranten</strong> immer e<strong>in</strong>e riesige Angst und Ungewissheit. Wäre ihr Haus dabei zerstört<br />

worden, hätte dies bedeutet, dass sich der gesamte Aufwand hier <strong>in</strong> der Schweiz nicht gelohnt<br />

hat.<br />

Ist das Pensionsalter erreicht, s<strong>in</strong>d diese Häuser meist fertiggestellt, stehen aber vielmals<br />

leer oder haben die Funktion e<strong>in</strong>es Ferienhauses.<br />

Für f<strong>in</strong>anziell eher schlecht gestellte Familien kann dieses Haus aber entscheidend se<strong>in</strong>. <strong>Immigranten</strong><br />

haben häufig grosse Mühe, die im Vergleich zu anderen Ländern <strong>in</strong> der Schweiz<br />

sehr teure Miete zu bezahlen. So ist es naheliegend, dass man sich gut überlegt, ob man<br />

nicht <strong>in</strong> das oftmals bereits abbezahlte Haus im heimatlichen Dorf ziehen möchte. Nicht selten<br />

ist dieses nicht nur günstiger, sondern auch luxuriöser.<br />

Das Haus zu verkaufen fällt vielen <strong>Immigranten</strong> und auch deren K<strong>in</strong>dern sehr schwer.<br />

3.3.2. Familiensituation<br />

3.3.2.1. K<strong>in</strong>der<br />

Immer häufiger setzten die K<strong>in</strong>der die entscheidenden Ste<strong>in</strong>e für die Zukunft <strong>ihre</strong>r Eltern.<br />

Denn sie haben sich <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong>e Existenz aufgebaut, allenfalls e<strong>in</strong>e Familie gegründet.<br />

Den Eltern bleibt dann die schwierige Entscheidung, ohne <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der zurückzukehren<br />

oder zu bleiben. Oft werden sie unsicher und geben <strong>ihre</strong> <strong>Rückkehr</strong>wünsche auf.<br />

(Frigerio Mart<strong>in</strong>a/Merhar, 2004, S. 364)<br />

<strong>Die</strong>s ist auch e<strong>in</strong> wichtiger Grund, warum die Frauen lieber <strong>in</strong> der Schweiz bleiben als die<br />

Männer. Es fällt ihnen schwerer als den Männern, weit weg von den eigenen K<strong>in</strong>dern und<br />

Enkelk<strong>in</strong>dern zu leben. Oft muss der Mann diesem Bedürfnis nachgeben.<br />

<strong>Die</strong> Vorstellung, dass die eigenen K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>mal für sie sorgen werden, ist <strong>in</strong> der Mentalität<br />

der italienischen <strong>Immigranten</strong> der ersten Generation noch tief verankert.<br />

Auch wenn die K<strong>in</strong>der mit nach Italien zurückkehren oder die Eltern hier <strong>in</strong> der Schweiz bleiben,<br />

ist diese Wunschvorstellung heute doch nur <strong>in</strong> den wenigsten Fällen realisierbar. <strong>Die</strong><br />

Mentalität der Jungen hat sich verändert, sowohl <strong>in</strong> der Schweiz als auch <strong>in</strong> Italien. <strong>Die</strong> Eltern<br />

zeigen sich <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> der Regel verständnisvoll.<br />

<strong>Die</strong> zweite Generation ist heute kaum mehr rückkehrorientiert. Oft wurde früher diese Entscheidung<br />

von den Eltern als Verrat und als Wunsch gewertet, sich von den eigenen Wurzeln<br />

zu entfernen. Heute haben die K<strong>in</strong>der aber meistens auch <strong>in</strong> diesem Punkt die Unterstützung<br />

<strong>ihre</strong>r Eltern. Gerne betrachten die Eltern mit Stolz das Leben, das sich <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der<br />

Schweiz verwirklicht haben.<br />

Natürlich tut es ihnen weh, wenn sie ohne <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der nach Italien zurückkehren müssen,<br />

dennoch machen sie ihnen ke<strong>in</strong>e Vorwürfe. Den Gedanken, wie ihr Leben zu e<strong>in</strong>em späteren<br />

Zeitpunkt aussehen wird, wenn sie vielleicht e<strong>in</strong>mal nicht mehr selbständig und pflegebedürftig<br />

se<strong>in</strong> werden, verdrängen sie lieber.<br />

Beschäftigen tut dieser Gedanke jedoch <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der. Ihren Eltern gegenüber verspüren sie<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Verantwortung. Kehren diese nach Italien zurück, werden die Möglichkeiten, sie<br />

auf irgend e<strong>in</strong>e Art und Weise zu unterstützen, doch sehr stark e<strong>in</strong>geschränkt. Viele versuchen<br />

darum, <strong>ihre</strong> Eltern so oft wie möglich <strong>in</strong> Italien zu besuchen.<br />

8


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

(Frigerio Mart<strong>in</strong>a/Merhar, 2004, S. 366)<br />

Es ist wichtig, dass die Entscheidung zurückzukehren gut mit der gesamten Familie diskutiert<br />

wird. <strong>Die</strong> Situation kann sonst für alle Beteiligten sehr unbefriedigend werden.<br />

9


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

Fotoroman für Migranten und Migrant<strong>in</strong>nen<br />

Abb. 1<br />

10


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

3.3.2.2. Zivilstand<br />

Der Zivilstand hat ke<strong>in</strong>en allzu grossen E<strong>in</strong>fluss auf die Entscheidung. Tendenziell kann man<br />

jedoch behaupten, dass vor allem verwitwete <strong>Immigranten</strong> eher <strong>in</strong> der Schweiz bleiben.<br />

Verstirbt der Ehepartner/die Ehepartner<strong>in</strong> nach der <strong>Rückkehr</strong>, beschliessen die Alle<strong>in</strong>gebliebenen<br />

oft <strong>in</strong> die Nähe <strong>ihre</strong>r K<strong>in</strong>der zu ziehen. <strong>Die</strong>s kann allenfalls auch bedeuten, erneut <strong>in</strong><br />

die Schweiz auszuwandern.<br />

Hauptsächlich kommt es aber auf das Umfeld drauf an. Haben sie <strong>in</strong> Italien noch andere<br />

Verwandte und viele Freunde, können ihnen diese allenfalls mehr Zeit widmen als <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der<br />

<strong>in</strong> der Schweiz.<br />

3.3.3. Gesundheitlicher Zustand<br />

3.3.3.1. Arbeitsbed<strong>in</strong>gte Beschwerden<br />

Der Gesundheitszustand der älteren <strong>Immigranten</strong> ist besorgniserregend. Jeder 6. Mann und<br />

jede 10. Frau ist <strong>in</strong>folge Arbeitsunfähigkeit vor dem Pensionsalter frühzeitig aus dem Arbeitsmarkt<br />

ausgeschieden. Bed<strong>in</strong>gt ist diese Invalidität durch e<strong>in</strong>e über Jahrzehnte h<strong>in</strong>weg<br />

ohne Unterbruch ausgeführte aufreibende Tätigkeit unter den prekärsten Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />

(Halter (Hrsg.), 2003, S. 244)<br />

3.3.3.2. Gesundheits- und Alters<strong>in</strong>stitutionen<br />

Vor allem <strong>in</strong> Süditalien ist die Gesundheitliche Versorgung schlecht, doch auch im Norden<br />

zeigen sich schon gewisse Mängel. Gesundheitlich angeschlagene <strong>Immigranten</strong> bevorzugen<br />

deshalb <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben. Zudem s<strong>in</strong>d sie vor allem der Ansicht, Anrecht auf die<br />

Gesundheits<strong>in</strong>stitutionen des Landes zu haben, für welches sie <strong>ihre</strong> Gesundheit ru<strong>in</strong>iert haben.<br />

Für jene, welche f<strong>in</strong>anziell etwas knapp bei Kasse s<strong>in</strong>d, bietet jedoch das italienische Gesundheitssystem<br />

wesentliche Vorteile. In Italien erhalten die Hausärzte e<strong>in</strong>e pro Kopf Pauschale<br />

für <strong>ihre</strong> Patienten. Dadurch entfallen die hohen Krankenkassenprämien. <strong>Die</strong>s ist jedoch<br />

nur e<strong>in</strong> Vorteil, solange man nicht ernsthaft erkrankt und e<strong>in</strong>er sofortigen Behandlung<br />

bedarf. Denn das staatliche italienische Gesundheitssystem ist sehr <strong>in</strong>effizient und daher ist<br />

mit sehr langen Wartezeiten zu rechnen.<br />

Häufig lassen sich darum Italiener von privaten E<strong>in</strong>richtungen behandeln. <strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d zwar<br />

qualitativ hochstehend, jedoch enorm teuer. Für die Arbeiterschicht, <strong>in</strong> welcher sich auch der<br />

grösste Teil der zurückgekehrten <strong>Immigranten</strong> bef<strong>in</strong>det, also kaum bezahlbar.<br />

Altersheime s<strong>in</strong>d bei Italienern im Allgeme<strong>in</strong>en eher unbeliebt. Sie gehen darum nur, wenn<br />

es wirklich ke<strong>in</strong>e andere Lösung mehr gibt und auch dann nur widerwillig. Es steckt <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r<br />

Kultur, dass die älteren Familienmitglieder <strong>ihre</strong>n Lebensabend <strong>in</strong> der Familie der Tochter oder<br />

des Sohnes verbr<strong>in</strong>gen. Doch auch <strong>in</strong> Italien ist dies heute <strong>in</strong> der Regel nur noch e<strong>in</strong>e<br />

Wunschvorstellung, die vor allem für zurückgekehrte <strong>Immigranten</strong> sicherlich niemals realisierbar<br />

se<strong>in</strong> wird. Ausschlaggebend ist jedoch <strong>in</strong> allen Fällen, dass sich die Mentalität der<br />

Jungen verändert hat.<br />

Während für alte Leute <strong>in</strong> Italien der Umzug <strong>in</strong>s Altersheim die grosse Enttäuschung bedeutet,<br />

ist es für italienische <strong>Immigranten</strong>, die <strong>in</strong> der Schweiz <strong>in</strong>s Altersheim gehen, vielmehr<br />

e<strong>in</strong> Schock. Jugendträume, Traditionen sowie zum Beispiel auch Essensgewohnheiten gehen<br />

verloren. Zudem ist für jene, welche die Sprache nur schlecht beherrschen, die Kommunika-<br />

11


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

tion mit anderen Heimbewohnern e<strong>in</strong> riesiges Problem. Sie werden sich aus der Gesellschaft<br />

zurückziehen.<br />

(Gerl<strong>in</strong>d, 2003, S. 16)<br />

In den Städten Bern und Zürich gibt es nun Projekte, die den <strong>Immigranten</strong> den Gang <strong>in</strong>s<br />

Altersheim erleichtern sowie den Aufenthalt dort angenehmer machen sollen. In vere<strong>in</strong>zelten<br />

Altersheimen sollen speziell Abteilungen für <strong>Immigranten</strong> e<strong>in</strong>gerichtet werden. <strong>Die</strong> Umgangssprache<br />

soll Italienisch se<strong>in</strong>, die E<strong>in</strong>richtung, die Mahlzeiten, usw. der südländischen Kultur<br />

entsprechend.<br />

(Im Altersheim Erlenhof <strong>in</strong> Zürich wird diese Abteilung bereits mit Erfolg betrieben.)<br />

3.3.4. Emotionale Gründe<br />

3.3.4.1. <strong>Heimat</strong>gefühle<br />

E<strong>in</strong>er der wichtigsten Entscheidungsfaktoren ist natürlich die Verbundenheit mit der eigenen<br />

<strong>Heimat</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Pensionierung wird von Männern und Frauen sehr unterschiedlich erlebt. Für die Männer<br />

ist die Arbeit, die sie hier <strong>in</strong> der Schweiz leisteten, immer „alles“ gewesen. <strong>Die</strong> Schweiz wurde<br />

von ihnen immer nur als Arbeitsplatz angesehen. Ist das Pensionsalter erreicht, macht<br />

das Se<strong>in</strong> am Arbeitsplatz ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n mehr.<br />

Sie sehnen sich nach dem gemütlichen Beisammense<strong>in</strong> auf der Piazza, nach den Kollegen,<br />

mit welchen sie sich früher immer <strong>in</strong> der Bar getroffen haben um zu schwatzen.<br />

12


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

Sogno dell’emigrante<br />

Vecchio caro paese<br />

da quanto tempo<br />

non ti vedo più<br />

quando, con lacrime amare<br />

ti ho lasciato,<br />

per cercar un pane<br />

che non potevi<br />

darmi tu!<br />

Ho fame, son stanco<br />

ma ti ammiro ancora<br />

perché non sei cambiato<br />

e ti rivedo come allora.<br />

Oh!!! …quante lacrime di gioia<br />

la gente passa<br />

<strong>in</strong>differente<br />

ed io smarrito<br />

guardo ancora.<br />

Chi sei? Nessuno me lo chiede<br />

la gente passa<br />

ma non mi vede.<br />

Da troppo tempo<br />

io son lontano<br />

sono straniero<br />

nella mia terra<br />

sotto il mio cielo.<br />

Confuso fra la gente<br />

sento che l’aria<br />

sol m’appartiene<br />

come un uccello<br />

senza frontiere.<br />

Traum des Emigranten<br />

Altes liebes Land<br />

seit wie langer Zeit<br />

sehe ich dich nicht mehr<br />

als, mit bitteren Tränen<br />

ich dich verlassen habe,<br />

um das Brot1 zu suchen<br />

das nicht du<br />

mir geben konntest!<br />

Ich habe Hunger, ich b<strong>in</strong> müde<br />

aber immer noch bewundere ich dich<br />

weil du dich nicht verändert hast<br />

und sehe dich wie damals wieder.<br />

Oh!!! ...wie viele Freudentränen<br />

die Leute gehen vorbei<br />

gleichgültig<br />

und ich verwirrt<br />

schaue immer noch.<br />

Wer bist du? Niemand fragt mich danach<br />

die Leute gehen vorbei<br />

aber sehen mich nicht.<br />

Seit zu langer Zeit<br />

b<strong>in</strong> ich weit weg<br />

ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Fremder<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Land<br />

unter me<strong>in</strong>em Himmel.<br />

Verirrt unter den Leuten<br />

spüre ich dass nur die Luft<br />

alle<strong>in</strong> mir gehört<br />

wie e<strong>in</strong> Vogel<br />

ohne Grenzen.<br />

Sergio Poletto, 1970<br />

(Mäder, 1972, S. 37)<br />

Dem lebendigen Treiben auf der Piazza trauern die Frauen nur wenig nach. Noch immer treffen<br />

sich dort hauptsächlich die Männer mit Kollegen, nicht die Frauen.<br />

Hier <strong>in</strong> der Schweiz haben sie mehr Kontakte. Im Gegensatz zu den Männern haben sie hier<br />

gelebt, sie haben Bekanntschaften geknüpft und s<strong>in</strong>d Freizeitbeschäftigungen nachgegangen.<br />

Sie haben sich besser als <strong>ihre</strong> Männer <strong>in</strong>tegrieren können und fühlen sich mittlerweile<br />

auch <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong> wenig zu Hause.<br />

(Gerl<strong>in</strong>d, 2003, S. 14)<br />

1 Brot im S<strong>in</strong>ne von Lebensunterhalt<br />

13


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Entscheidende Faktoren<br />

Weiter stellt sich die Frage, <strong>in</strong> wessen <strong>Heimat</strong> man denn überhaupt zurückkehren würde.<br />

Dass Mann und Frau aus dem selben Dorf stammen, kann zwar vorkommen, ist <strong>in</strong> der Regel<br />

aber nicht der Fall.<br />

Wie es <strong>in</strong> dieser Generation noch so üblich ist, ist es doch vor allem der Mann, der über die<br />

f<strong>in</strong>anziellen Angelegenheiten zu bestimmen hat. Deshalb wurde auch meis-tens <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Haus<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Heimat</strong>dorf <strong>in</strong>vestiert. Es liegt daher auf der Hand, dass man mit grösster Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

dorth<strong>in</strong> zurückkehren wird.<br />

3.3.4.2. Haus im heimatlichen Dorf<br />

Das Haus im heimatlichen Dorf hat nicht nur materiell e<strong>in</strong>en grossen Wert, sondern auch<br />

symbolisch. Es bietet zwar ke<strong>in</strong>en Schutz vor Arbeitslosigkeit, ist aber immer als Ort da, an<br />

den man sich zurückziehen kann und von dem man nicht mehr vertrieben werden kann.<br />

Durch se<strong>in</strong>e Existenz wird die bevorstehende <strong>Rückkehr</strong> immer angekündigt.<br />

Bleiben die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz, verliert es jedoch se<strong>in</strong>e Bedeutung, denn die <strong>Immigranten</strong><br />

der ersten Generation s<strong>in</strong>d gerne davon ausgegangen, dass man als gesamte Familie zurückkehren<br />

wird.<br />

Darum dient dieses Haus heute oft vielmehr als Ferienhaus (Pendlerexistenz).<br />

(Frigerio Mart<strong>in</strong>a/Merhar, 2004, S. 360)<br />

3.3.5. Integration<br />

„Alles <strong>in</strong> Allem war es e<strong>in</strong>e gute Wahl, <strong>in</strong> die Schweiz auszuwandern“<br />

(Federazione colonie libere italiane <strong>in</strong> Svizzera, 2000, S. 10)<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong> der Schweiz lebenden Italiener der ersten Generation s<strong>in</strong>d zwar grösstenteils zufrieden,<br />

aber nur schlecht <strong>in</strong>tegriert.<br />

E<strong>in</strong>e von der Federazione colonie libere italiane <strong>in</strong> Svizzera befragte Gruppe bestätigt, dass<br />

die schweizerische Regierung für die Integration der italienischen Staatsangehörigen zu wenig<br />

unternommen hat. <strong>Die</strong>se Aussage wird unterstützt durch folgende Antworten:<br />

• 78% haben sich noch nie im Bedarfsfalle an schweizerische Institutionen gewandt,<br />

• 52% wollen nie Schweizerbürger werden.<br />

<strong>Die</strong>se Schwierigkeiten mit der schweizerischen Gesellschaft s<strong>in</strong>d teilweise mit den mangelnden<br />

Sprachkenntnissen zu begründen. Nur gerade 14% der Befragten geben an, noch nie<br />

wegen der Sprache Kommunikationsprobleme gehabt zu haben.<br />

Der niedrige Integrationsgrad der älteren italienischen <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> der Schweiz wird auch<br />

durch die Tatsache bekräftigt, dass:<br />

• 83% angegeben haben, wenige Schweizer Freunde zu besitzen,<br />

• nur 8% oft Schweizer Bücher oder Zeitungen lesen,<br />

• nur 11% häufig das Schweizer Fernsehen schauen,<br />

• nur 5% das Schweizer Radio hören,<br />

• 86% der Befragten wenig oder gar nicht aus touristischen Gründen die Schweiz bereisen.<br />

(Federazione colonie libere italiane <strong>in</strong> Svizzera, 2000, S. 10)<br />

<strong>Die</strong> schlechte Integration der älteren <strong>Immigranten</strong> nimmt zwar E<strong>in</strong>fluss auf die Entscheidung<br />

zurückzukehren, ist aber nur <strong>in</strong> den seltensten Fällen ausschlaggebend.<br />

14


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Zahlen und Statistiken<br />

3.4. Zahlen und Statistiken<br />

Allgeme<strong>in</strong> ist zu beachten, dass <strong>Immigranten</strong>, welche sich e<strong>in</strong>bürgern liessen, <strong>in</strong> diesen Statistiken<br />

nicht mehr berücksichtigt werden. <strong>Die</strong>s hat e<strong>in</strong>e leichte Verfälschung der Zahlen zur<br />

Folge.<br />

Grob kann man sagen, dass sich je e<strong>in</strong> Drittel der <strong>Immigranten</strong> zum Zurückkehren, Hierbleiben<br />

oder Pendeln entschliesst.<br />

<strong>Die</strong>se Zahlen verändern sich jedoch, wenn man beachtet, dass sich Pendler früher oder später<br />

doch noch für das E<strong>in</strong>e oder das Andere entscheiden müssen. Somit ist das Leben <strong>in</strong> der<br />

Schweiz die meist gewählte Option.<br />

Zur Zeit leben <strong>in</strong> der Schweiz 303‘770 Italiener. <strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d 20.7% der ständigen ausländischen<br />

Wohnbevölkerung. Davon s<strong>in</strong>d 29.7% über 55 Jahre alt.<br />

Ständige ausländische Wohnbevölkerung nach Alter und Geschlecht, Stand Ende Dezember<br />

2003<br />

Italien<br />

In Prozent<br />

Abb. 2<br />

<strong>Die</strong> Alterspyramide der italienischen Bevölkerung <strong>in</strong> der Schweiz zeigt e<strong>in</strong> starkes Ungleichgewicht<br />

zwischen jung und alt sowie Männern und Frauen. Der Grund dafür liegt <strong>in</strong> der grossen<br />

Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften <strong>in</strong> den 60er-Jahren. Gut ersichtlich ist<br />

auch, dass e<strong>in</strong> grosser Teil der älteren <strong>Immigranten</strong> nach der Pensionierung <strong>in</strong> der Schweiz<br />

bleibt.<br />

64% der italienischen <strong>Immigranten</strong> verweilen länger als zwanzig Jahre <strong>in</strong> der Schweiz.<br />

Dennoch hat der Anteil der italienischen Staatsangehörigen <strong>in</strong> der Schweiz abgenommen.<br />

<strong>Die</strong>ser Rückgang ist etwa gleichermassen auf Auswanderungen als auch auf E<strong>in</strong>bürgerungen<br />

zurückzuführen. Im Jahr 2003 betrug der Rückgang 4‘485 Personen.<br />

(IMES – Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung, 2003, S. 22 ff)<br />

15


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Zahlen und Statistiken<br />

In den 90er-Jahren kehrten durchschnittlich etwa 11‘500 Personen nach Italien zurück. <strong>Die</strong><br />

über 55 jährigen stellten unter ihnen im Durchschnitt 20% dar.<br />

(Halter (Hrsg.), 2003, S. 242)<br />

16


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

4. Empirischer Teil<br />

4.1. Interviews mit betroffenen Personen<br />

4.1.1. Vorstellen der Interviewpartner<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i:<br />

Mit 23 Jahren kamen Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i im Jahre 1967 aus e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en norditalienischen<br />

Dorf namens Strada (TN) <strong>in</strong> die Schweiz, nach Thun (BE).<br />

Diana bekam sofort e<strong>in</strong>e Anstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Konditorei, wo sie arbeitete bis <strong>ihre</strong> beiden K<strong>in</strong>der<br />

zur Welt kamen. Seit die K<strong>in</strong>der dreizehn und vierzehn Jahre alt s<strong>in</strong>d, ist sie <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik<br />

Hohmad <strong>in</strong> Thun als Putzfrau angestellt.<br />

Aurelio arbeitet seit se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> der Schweiz bei e<strong>in</strong>er Thuner Firma namens Meier als<br />

Schlosser.<br />

Mittlerweile haben Diana und Aurelio drei Grossk<strong>in</strong>der.<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli:<br />

Ebenfalls aus Norditalien, aus e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Dorf namens Bondo (TN), kam Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

mit nur 16 Jahren im Jahre 1958 <strong>in</strong> die Schweiz, nach Liestal (BL).<br />

Zusammen mit se<strong>in</strong>em Bruder, Onorio Mart<strong>in</strong>elli, gründete er dort e<strong>in</strong> eigenes Bauunternehmen.<br />

Se<strong>in</strong>e Frau Rita, e<strong>in</strong>e Schweizer<strong>in</strong>, lernte er <strong>in</strong> der Schweiz kennen.<br />

Beide s<strong>in</strong>d heute pensioniert und leben, nach e<strong>in</strong>em 40-jährigen Aufenthalt <strong>in</strong> der Schweiz,<br />

seit e<strong>in</strong>iger Zeit <strong>in</strong> Donatos <strong>Heimat</strong>dorf <strong>in</strong> Italien.<br />

Rita und Donato haben ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der.<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli:<br />

Onorio ist Donato Mart<strong>in</strong>ellis Bruder. Er kam vor se<strong>in</strong>em jüngeren Bruder im Jahre 1948 <strong>in</strong><br />

die Schweiz, vorerst nach Appenzell. Se<strong>in</strong>e Frau Liliana, ebenfalls aus Bondo, folgte ihm e<strong>in</strong><br />

Jahr darauf. Sie war damals 24 Jahre alt.<br />

Onorio arbeitete als Maurer, <strong>in</strong> den ersten Jahren als Angestellter, später gründete er zusammen<br />

mit se<strong>in</strong>em Bruder e<strong>in</strong> eigenes Unternehmen.<br />

Liliana fand e<strong>in</strong>e Stelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fabrik. Sie arbeitete dort, bis sie ihr erstes K<strong>in</strong>d bekam. Von<br />

da an g<strong>in</strong>g sie <strong>in</strong> diversen Familien putzen.<br />

In <strong>ihre</strong>n ersten Jahren <strong>in</strong> der Schweiz lebten Liliana und Onorio unter den prekärsten Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Sie wohnten <strong>in</strong> Ställen, stillgelegten Fabriken und Estrichen. Erst als ihr<br />

eigenes Geschäft zu rentieren begann, konnten sie sich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wohnung leisten.<br />

Für die Geburt <strong>ihre</strong>r ersten beiden K<strong>in</strong>der reiste Liliana zweimal nach Italien. Bei <strong>ihre</strong>m zweiten<br />

Aufenthalt <strong>in</strong> Italien, kam die erste Tochter bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall ums Leben.<br />

Erst später wurde das Gesetz e<strong>in</strong>geführt, dass auch Familienangehörige die Aufenthaltsbewilligung<br />

<strong>in</strong> der Schweiz erhalten konnten, so brachte Liliana drei weitere K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz<br />

zur Welt.<br />

Mit 37 Jahren starb ihr ältester Sohn an e<strong>in</strong>em Tumor.<br />

17


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

Seit <strong>ihre</strong>r Pensionierung leben Liliana und Onorio wieder <strong>in</strong> Italien. Ihre Tochter hat <strong>in</strong> Italien<br />

geheiratet und wohnt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nahegelegenen Dorf. Ihre beiden Söhne leben weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

der Schweiz.<br />

Tiziana D’Amico:<br />

Tiziana ist als K<strong>in</strong>d <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> der Schweiz zur Welt gekommen.<br />

Ihre gesamte Schulzeit und Berufsausbildung hat Tiziana <strong>in</strong> der Schweiz absolviert. Erst als<br />

sie diese abgeschlossen hatte, beschlossen <strong>ihre</strong> Eltern nach Italien <strong>in</strong> ihr kle<strong>in</strong>es <strong>Heimat</strong>dorf<br />

<strong>in</strong> der Süditalienischen Region Molise zurückzukehren. Zusammen mit <strong>ihre</strong>n Eltern und <strong>ihre</strong>m<br />

jüngeren Bruder kehrte Tiziana nach Italien zurück. Ihr älterer Bruder blieb weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

Schweiz.<br />

Es stellte sich aber schon bald heraus, dass die <strong>Rückkehr</strong> <strong>in</strong> die alte <strong>Heimat</strong> nicht so e<strong>in</strong>fach<br />

war, wie sich das die Familie vorgestellt hatte. Tiziana hatte grosse Mühe e<strong>in</strong>e Stelle auf <strong>ihre</strong>m<br />

Beruf zu f<strong>in</strong>den. Ihre Ausbildung als Drogist<strong>in</strong> hatte <strong>in</strong> Italien jeden Wert verloren. <strong>Die</strong><br />

Integration <strong>in</strong> Italien gelang ihr nicht, so kehrte Tiziana nach zwei Monaten, gegen den Willen<br />

<strong>ihre</strong>r Eltern, wieder <strong>in</strong> die Schweiz zurück. Sie arbeitet hier nun als Sozialarbeiter<strong>in</strong>.<br />

Vor e<strong>in</strong>igen Monaten verstarb ganz plötzlich und unerwartet Tizianas Vater. Ihre Mutter hat<br />

sich jedoch dazu entschieden, weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> Italien zu bleiben. Ihre weitere Verwandtschaft<br />

hat sie zwar <strong>in</strong> nächster Nähe, jedoch bef<strong>in</strong>den sich zwei <strong>ihre</strong>r K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz und<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> Norditalien.<br />

18


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

4.1.2. Zusammenstellung der Aussagen der <strong>Immigranten</strong> der ersten Generation<br />

1. Frage:<br />

Was war ausschlaggebend für die Entscheidung,<br />

<strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben?<br />

Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, nach Italien zurückzukehren?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Als Diana und Aurelio <strong>in</strong> die Schweiz kamen,<br />

hatten sie nie die Absicht gehabt, nach Italien<br />

zurückzukehren. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Schweiz ausgewandert,<br />

weil sie etwas Neues ausprobieren<br />

wollten, weil es ihnen <strong>in</strong> Italien nicht mehr<br />

gefiel, nicht etwa weil sie dort ke<strong>in</strong>e Arbeit<br />

gefunden hätten. Sie haben sich <strong>in</strong> der<br />

Schweiz sofort zurechtgefunden und hier wohl<br />

gefühlt.<br />

Hier <strong>in</strong> der Schweiz lebt <strong>ihre</strong> Familie, ihr Sohn<br />

und <strong>ihre</strong> Tochter, die auch selber e<strong>in</strong>e Familie<br />

gegründet haben und hier <strong>in</strong> der Schweiz zuhause<br />

s<strong>in</strong>d. Mittlerweile haben Diana und Aurelio<br />

auch drei Enkelk<strong>in</strong>der.<br />

Diana und Aurelio haben zwar <strong>in</strong> Italien immer<br />

noch ihr eigenes Haus, dieses dient aber nur<br />

noch als Ferienwohnsitz, an den sie sich drei<br />

bis vier mal im Jahr für e<strong>in</strong>ige Tage zurückziehen.<br />

Um Ferien zu machen gefällt es ihnen<br />

dort, leben könnten sie <strong>in</strong> Italien aber nicht,<br />

darüber waren sie sich immer im Klaren. In<br />

diesem kle<strong>in</strong>en Dorf wären sie zu sehr e<strong>in</strong>ge-<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Donato und se<strong>in</strong> Bruder erhielten für ihr<br />

schlecht laufendes Baugeschäft e<strong>in</strong>e Menge<br />

Geld angeboten. Sie beschlossen zu verkaufen,<br />

denn es war abzusehen, dass sich <strong>in</strong> der<br />

nächsten Zeit ke<strong>in</strong> nicht nur annähernd so gutes<br />

Angebot mehr hätte f<strong>in</strong>den lassen.<br />

Donato war damals 54 Jahre alt. In der<br />

Schweiz bedeutete dies, noch elf Jahre Arbeit<br />

vor sich zu haben. In Italien war damals mit<br />

54 Jahren das Pensionsalter bereits erreicht.<br />

So beschlossen Rita und Donato sich frühzeitig<br />

pensionieren zu lassen und mit dem aus der<br />

Firma gewonnenen Geld nach Italien zurückzugehen.<br />

Nachrechnungen haben ergeben, dass die<br />

Rente nur m<strong>in</strong>im höher gewesen wäre, wenn<br />

Donato <strong>in</strong> der Schweiz noch weiter gearbeitet<br />

hätte.<br />

Sowieso erwies sich das Leben <strong>in</strong> der Schweiz<br />

um e<strong>in</strong>iges teurer als das Leben <strong>in</strong> Italien. Entscheidende<br />

Unterschiede gab es bei den Steuern,<br />

den Krankenkassenprämien und den Bau-<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Schon als Liliana und Onorio <strong>in</strong> die Schweiz<br />

kamen, war ihnen immer bewusst, dass sie<br />

irgende<strong>in</strong>mal nach Italien zurückkehren werden.<br />

<strong>Die</strong>s wirkte sich auch auf ihr Verhalten<br />

hier <strong>in</strong> der Schweiz aus. Sie lebten beispielsweise<br />

immer <strong>in</strong> provisorischen Unterkünften<br />

und <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der schickten sie nach Italien <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Internat.<br />

<strong>Die</strong> ganze Zeit über behielten sie ihr Haus im<br />

heimatlichen Dorf und s<strong>in</strong>d so ständig mit Italien<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung geblieben.<br />

Sie seien zu fest an <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong> gebunden, als<br />

dass sie <strong>in</strong> der Schweiz hätten bleiben können.<br />

Zudem hätten sie den Rest <strong>ihre</strong>s Lebens nicht<br />

<strong>in</strong> diesem Appartement verbr<strong>in</strong>gen wollen, wo<br />

sie doch <strong>in</strong> Italien e<strong>in</strong> wunderschönes Haus<br />

haben.<br />

Unterstützend für die <strong>Rückkehr</strong> war auch, dass<br />

die Tochter <strong>in</strong> Italien geheiratet hat und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

benachbarten Dorf wohnt. Zwar leben die<br />

beiden Söhne noch <strong>in</strong> der Schweiz, doch hälfen<br />

e<strong>in</strong>em die Töchter sowieso mehr als die Söhne.<br />

19


Fabio Mussi<br />

schränkt.<br />

E<strong>in</strong>e wirkliche Entscheidung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

plötzlichen Beschlusses gab es also nie, da die<br />

<strong>Rückkehr</strong> gar nie zur Diskussion stand.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

kosten <strong>ihre</strong>s lang ersehnten eigenen Hauses.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

Für sie war die Schweiz der Arbeitsort, Italien<br />

ist das Zuhause.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

Unterschiede<br />

• <strong>Die</strong> Existenz von K<strong>in</strong>dern spielte bei der Entscheidung e<strong>in</strong>e Rolle • Nur für Rita und Donato waren f<strong>in</strong>anzielle Gründe ausschlaggebend.<br />

• Nur Liliana und Onorio kehrten aufgrund von <strong>Heimat</strong>gefühlen zurück.<br />

2. Frage:<br />

Stellte sich e<strong>in</strong>mal die Frage, nach Italien zurückzukehren?<br />

Stellte sich e<strong>in</strong>mal die Frage, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Wie bereits erwähnt, war die <strong>Rückkehr</strong> für Diana<br />

und Aurelio nie e<strong>in</strong> Thema.<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

<strong>Die</strong> Frage, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, stellte<br />

sich e<strong>in</strong>deutig. <strong>Die</strong>s zeigt auch die ganze<br />

Rechnerei wegen Rente, Krankenkasse, usw.<br />

Als sie sich dazu entschlossen hatten, nach<br />

Italien zurückzugehen, hatten sie jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

Zweifel.<br />

<strong>Die</strong>se folgten erst später (siehe nächste Frage).<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Liliana und Onorio haben während <strong>ihre</strong>m Aufenthalt<br />

<strong>in</strong> der Schweiz alles für die <strong>Rückkehr</strong><br />

vorbereitet. Als es soweit war, galt es als<br />

selbstverständlich, dass man jetzt zurückkehren<br />

wird. <strong>Die</strong> Frage, ob man <strong>in</strong> der Schweiz<br />

bleiben möchte, erübrigte sich somit oder wurde<br />

vielleicht auch e<strong>in</strong> wenig unterdrückt.<br />

Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> tauchte sie jedoch auf e<strong>in</strong>mal<br />

auf (siehe nächste Frage).<br />

20


Fabio Mussi<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

Unterschiede<br />

Ke<strong>in</strong>e Übere<strong>in</strong>stimmungen. • Rita und Donato haben als e<strong>in</strong>zige auch die andere Möglichkeit <strong>in</strong><br />

Betracht gezogen.<br />

3. Frage:<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung, <strong>in</strong> der Schweiz zu blei-ben,<br />

wurde sie geme<strong>in</strong>sam getroffen oder gab es<br />

Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten?<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung, nach Italien zurückzukehren, wurde sie geme<strong>in</strong>sam getroffen oder gab es<br />

Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung wurde geme<strong>in</strong>sam getroffen.<br />

Diana und Aurelio s<strong>in</strong>d bereits geme<strong>in</strong>sam<br />

mit dem selben Ziel ausgewandert, <strong>in</strong> der<br />

Schweiz e<strong>in</strong> neues Leben anzufangen.<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Als sie sich dazu entschieden die Schweiz zu<br />

verlassen, waren sich Rita und Donato noch e<strong>in</strong>ig.<br />

Erst später gab es erste Unstimmigkeiten.<br />

Erstaunlicherweise war es Donato, der die<br />

<strong>Rückkehr</strong> bereute. Vom Leben <strong>in</strong> Italien hatte<br />

er schon bald die Nase voll und wäre gerne<br />

wieder <strong>in</strong> die Schweiz zurückgekehrt. Donato<br />

hatte Mühe mit der Umstellung vom Stadtaufs<br />

Landleben. Als er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Heimat</strong>dorf<br />

se<strong>in</strong> eigenes Haus baute, hatte er noch<br />

Beschäftigung. Doch nachher wusste er nicht<br />

mehr, was er mit se<strong>in</strong>er Zeit anfangen sollte.<br />

Wer e<strong>in</strong> eigenes Geschäft hat, sei ständig im<br />

Stress. Dann e<strong>in</strong>es Morgens aufzuwachen, ohne<br />

zu wissen was zu tun ist, sei unvorstellbar<br />

schwer.<br />

Es war Rita, die ihn <strong>in</strong> Italien behalten konn-<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Liliana und Onorio wollten beide wieder nach<br />

Italien zurückkehren, da waren sie sich e<strong>in</strong>ig.<br />

Onorio äusserte jedoch dann später e<strong>in</strong>ige Male<br />

den Wunsch, <strong>in</strong> die Schweiz zurückzugehen,<br />

um se<strong>in</strong>en Bruder im Baugeschäft unterstützen<br />

zu können. Liliana g<strong>in</strong>g jedoch nicht darauf<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Onorios Gesundheitszustand hätte ihm gar<br />

nicht mehr erlaubt, se<strong>in</strong>em Bruder zu helfen.<br />

21


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

te, denn sie hatte sich dort gut e<strong>in</strong>gelebt und<br />

hatte absolut ke<strong>in</strong>e Lust dazu, wieder <strong>in</strong> die<br />

Schweiz zurückzugehen.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• <strong>Die</strong> ursprüngliche Entscheidung wurde <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung geme<strong>in</strong>sam<br />

getroffen.<br />

• Bei beiden Paaren, die sich zur <strong>Rückkehr</strong> entschieden hatten, zeigten<br />

sich die Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. In beiden<br />

Fällen wären die Männer wieder <strong>in</strong> die Schweiz zurückgekehrt.<br />

Unterschiede<br />

• Im Gegensatz zu Diana und Aurelio, die <strong>in</strong> der Schweiz blieben,<br />

waren sich die Zurückgekehrten im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nicht mehr e<strong>in</strong>ig.<br />

4. Frage:<br />

Welches s<strong>in</strong>d die Vorteile/die Nachteile des<br />

Lebens <strong>in</strong> der Schweiz?<br />

Welches s<strong>in</strong>d die Vorteile/die Nachteile des Lebens <strong>in</strong> Italien?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

<strong>Die</strong> Schweiz habe ihnen und vor allem auch<br />

<strong>ihre</strong>n K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>en gewissen Wohlstand und<br />

gewisse Sicherheit gegeben. Obwohl die<br />

Schweiz heute auch nicht mehr so ruhig sei,<br />

wie sie sie damals vorgefunden hätten, gefällt<br />

ihnen die Schweizer Art zu leben.<br />

Zudem sei die Nähe der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Vorteil.<br />

Der e<strong>in</strong>zige Nachteil sei immer die Sprache<br />

gewesen. Zwar sprechen beide heute ziemlich<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Der grösste Nachteil des Lebens <strong>in</strong> Italien sei<br />

das kle<strong>in</strong>e Dorf. Es ist nichts los. H<strong>in</strong>zu kommt<br />

die schlechte Qualität der Spitäler.<br />

<strong>Die</strong>se schlechte Qualität der Spitäler sei aber<br />

auf e<strong>in</strong>en der wenigen Vorteile des Lebens <strong>in</strong><br />

Italien zurückzuführen, nämlich dass man im<br />

Pensionsalter ke<strong>in</strong>e Krankenkassenprämien<br />

zahlen muss.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Vorteil Italiens sei, dass man e<strong>in</strong>fach<br />

freier sei <strong>in</strong> allem was man tut.<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Das Leben <strong>in</strong> Italien habe weder Vor- noch<br />

Nachteile. Sie leben ruhig und glücklich <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>m<br />

eigenen Haus und es fehle ihnen an<br />

nichts.<br />

Doch, der e<strong>in</strong>zige Nachteil sei vielleicht, dass<br />

die beiden Söhne so weit entfernt leben. Sie<br />

s<strong>in</strong>d aber der Me<strong>in</strong>ung, dass <strong>ihre</strong> Söhne das<br />

e<strong>in</strong>zig Richtige getan haben. In der Schweiz<br />

hätten sie mehr Möglichkeiten als <strong>in</strong> Italien.<br />

Deshalb s<strong>in</strong>d sie doch irgendwie glücklich dar-<br />

22


Fabio Mussi<br />

gut deutsch, wünschen sich aber, sie hätten<br />

<strong>ihre</strong> Sprachkenntnisse früher etwas vertieft.<br />

Schwierig werde es an Sitzungen und bei Diskussionen,<br />

wenn über Fachthemen gesprochen<br />

wird. <strong>Die</strong> Sprache hätte sie jedoch nie<br />

davon abgehalten, mit Schweizern Kontakte<br />

zu knüpfen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

über und auch e<strong>in</strong> wenig stolz darauf, dass<br />

sich <strong>ihre</strong> Söhne <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong> besseres<br />

Leben ermöglichen konnten, als es ihnen damals<br />

erlaubt war.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der haben <strong>in</strong> der Schweiz mehr Möglichkeiten als <strong>in</strong> Italien.<br />

• <strong>Die</strong> Nähe der K<strong>in</strong>der ist e<strong>in</strong> wichtiger Faktor.<br />

• Sowohl Diana und Aurelio (vgl. 1. Frage) als auch Rita und Donato<br />

bemängeln die fehlende Attraktivität <strong>ihre</strong>s <strong>Heimat</strong>dorfes.<br />

Unterschiede<br />

• Nur Diana und Aurelio haben Sprachprobleme zu bewältigen.<br />

• Diana und Aurelio nehmen im Gegensatz zu Rita und Donato das<br />

teure Leben <strong>in</strong> der Schweiz nicht als Nachteil wahr.<br />

• Nur Rita und Donato kritisieren die schlechte Qualität der italienischen<br />

Spitälern.<br />

5. Frage:<br />

Wie beurteilen sie <strong>ihre</strong> Entscheidung, <strong>in</strong> der<br />

Schweiz zu bleiben, im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>?<br />

Wie beurteilen sie <strong>ihre</strong> Entscheidung, nach Italien zurückzukehren, im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Es war die richtige Entscheidung. Diana und<br />

Aurelio s<strong>in</strong>d sehr zufrieden mit <strong>ihre</strong>m Leben <strong>in</strong><br />

der Schweiz. Sie hätten es nie anders gewollt.<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Rita fühlt sich <strong>in</strong> Italien sehr wohl und ist froh<br />

darüber, dass sie Donato dort behalten konnte.<br />

<strong>Die</strong>ser hat sich mittlerweile wieder e<strong>in</strong>igermassen<br />

<strong>in</strong> Italien e<strong>in</strong>gelebt.<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Liliana und Onorio s<strong>in</strong>d glücklich, sich für das<br />

Leben <strong>in</strong> Italien entschieden zu haben. Zwar<br />

ist es schwierig zu beurteilen, wie ihr Leben<br />

wohl <strong>in</strong> der Schweiz ausgesehen hätte, doch<br />

s<strong>in</strong>d sie sich e<strong>in</strong>ig, dass es sicher nicht besser<br />

gewesen wäre.<br />

23


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• Alle s<strong>in</strong>d heute der Überzeugung, die richtige Entscheidung getroffen<br />

zu haben.<br />

Unterschiede<br />

• Im Gegensatz zu den Zurückgekehrten hatten Diana und Aurelio<br />

nie Zweifel.<br />

6. Frage:<br />

Wird sich die Frage, nach Italien zurückzukehren,<br />

noch e<strong>in</strong>mal für sie stellen?<br />

Wird sich die Frage, <strong>in</strong> die Schweiz zurückzugehen, noch e<strong>in</strong>mal für sie stellen?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Ne<strong>in</strong>, nie.<br />

Sie werden höchsten e<strong>in</strong> wenig mehr nach<br />

Italien <strong>in</strong> die Ferien fahren, wenn sie <strong>in</strong> der<br />

Schweiz nicht mehr arbeiten müssen.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

<strong>Die</strong> Frage stellt sich ab und zu wieder, oder<br />

besser gesagt, Donato stellt diese Frage ab<br />

und zu wieder. Ernsthaft e<strong>in</strong> Thema ist es jedoch<br />

nicht mehr. In der Schweiz würden sie<br />

ke<strong>in</strong>e Pension mehr erhalten, e<strong>in</strong> Rücktransfer<br />

des Geldes wäre gar nicht möglich. Sie haben<br />

jedoch weiterh<strong>in</strong> ihr Haus <strong>in</strong> der Schweiz und<br />

gehen regelmässig dorth<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Ferien.<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Ne<strong>in</strong>. In die Schweiz gehen sie nur noch <strong>in</strong> die<br />

Ferien. Aber auch dann nur für e<strong>in</strong>ige Tage.<br />

Onorio muss <strong>in</strong> regelmässigen Abständen se<strong>in</strong>en<br />

Arzt aufsuchen, so dass e<strong>in</strong> längerer Aufenthalt<br />

<strong>in</strong> der Schweiz für ihn nicht mehr <strong>in</strong><br />

Frage kommt.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• E<strong>in</strong> Wohnsitzwechsel über die Grenzen ist ke<strong>in</strong> ernsthaftes Thema<br />

mehr.<br />

• Alle besitzen weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> zweites Haus <strong>in</strong> Italien oder <strong>in</strong> der<br />

Schweiz und gehen regelmässig dorth<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Ferien.<br />

Unterschiede<br />

Ke<strong>in</strong>e Unterschiede.<br />

24


Fabio Mussi<br />

4.1.3. Zusammenstellung der Aussagen der verschiedenen Generationen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

1. Frage:<br />

Wurden Tiziana und <strong>ihre</strong> Geschwister bei der<br />

Entscheidung, nach Italien zurückzukehren,<br />

mite<strong>in</strong>bezogen?<br />

Tiziana D’Amico<br />

(2. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Grundsätzlich nicht. <strong>Die</strong>se Entscheidung wurde<br />

vorwiegend von Tizianas Vater getroffen.<br />

Doch war schon, seit sich Tiziana er<strong>in</strong>nern<br />

konnte, immer von der <strong>Rückkehr</strong> die Rede<br />

gewesen. So kam also diese Entscheidung für<br />

niemanden überraschend, da man immer von<br />

der <strong>Rückkehr</strong> ausgegangen war. Es war e<strong>in</strong>fach<br />

so.<br />

Jedoch hatte niemand e<strong>in</strong>e realistische Vorstellung<br />

davon, was dieser Entscheid alles mit<br />

sich br<strong>in</strong>gen würde.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Haben Diana und Aurelio <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der bei der<br />

Entscheidung, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, mite<strong>in</strong>bezogen?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Ob man <strong>in</strong> der Schweiz bleiben oder nach Italien<br />

zurückkehren wollte, war <strong>in</strong> der Familie<br />

Mar<strong>in</strong>i nie e<strong>in</strong> Gesprächsthema, denn Diana<br />

und Aurelio s<strong>in</strong>d ja nie von e<strong>in</strong>er <strong>Rückkehr</strong><br />

ausgegangen. So wurden eigentlich auch die<br />

K<strong>in</strong>der nie direkt gefragt, ob sie lieber <strong>in</strong> Italien<br />

leben möchten. <strong>Die</strong>se Frage erledigte sich<br />

dann aber gewissermassen von selbst, als <strong>ihre</strong><br />

Tochter e<strong>in</strong>en Schweizer und ihr Sohn e<strong>in</strong>e<br />

Schweizer<strong>in</strong> heirateten.<br />

Auch dass Diana und Aurelio sich entschieden<br />

<strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, musste nie <strong>in</strong> der<br />

Familie besprochen werden, da dies ja bezüglich<br />

Eltern-K<strong>in</strong>der-Beziehung ke<strong>in</strong>e Schwierigkeiten<br />

mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

Haben Liliana und Onorio <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der bei der<br />

Entscheidung, nach Italien zurückzukehren,<br />

mite<strong>in</strong>bezogen?<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Als sich Liliana und Onorio dazu entschieden,<br />

nach Italien zurückzukehren, befand sich <strong>ihre</strong><br />

Tochter bereits <strong>in</strong> Italien. <strong>Die</strong> beiden Söhne<br />

gaben ihnen jedoch klar zu verstehen, dass es<br />

ihnen freigestellt sei, wie sie sich entscheiden,<br />

mit nach Italien kämen sie jedoch nicht.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• Sowohl <strong>in</strong> der Familie D’Amico als auch <strong>in</strong> der Familie Mar<strong>in</strong>i s<strong>in</strong>d<br />

die K<strong>in</strong>der mit dem Gedanken aufgewachsen, zu e<strong>in</strong>em späteren<br />

Unterschiede<br />

• Liliana und Onorio haben als e<strong>in</strong>zige <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der direkt mit der Frage,<br />

nach Italien zurückzukehren, konfrontiert. Dennoch nahm<br />

25


Fabio Mussi<br />

• Zeitpunkt nach Italien zurückzukehren, bzw. <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben.<br />

<strong>Die</strong>se Begebenheit war für sie selbstverständlich und wurde<br />

deshalb auch nicht h<strong>in</strong>terfragt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

• die Entscheidung der K<strong>in</strong>der auf das Verhalten der Eltern nur wenig<br />

E<strong>in</strong>fluss.<br />

2. Frage:<br />

Wor<strong>in</strong> liegen die Vorteile/die Nachteile, dass<br />

die Eltern <strong>in</strong> Italien leben?<br />

Tiziana D’Amico<br />

(2. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Der e<strong>in</strong>zige Vorteil, den Tiziana <strong>in</strong> der <strong>Rückkehr</strong><br />

<strong>ihre</strong>r Eltern sieht, ist, dass sie sich damit<br />

<strong>ihre</strong>n Wunsch erfüllen konnten.<br />

Als grössten Nachteil würde sie ganz allgeme<strong>in</strong><br />

die Distanz bezeichnen, die auf verschiedene<br />

Aspekte E<strong>in</strong>fluss nimmt. Grundsätzlich<br />

erachtet sie die Beziehungspflege als besondere<br />

Schwierigkeit. Tiziana lebt rund 1000<br />

km von <strong>ihre</strong>n Eltern entfernt, spontanes Zusammenkommen<br />

ist also ganz sicher nicht<br />

möglich.<br />

Zwar versucht Tiziana, <strong>ihre</strong> Eltern so oft wie<br />

möglich <strong>in</strong> Italien zu besuchen, doch gel<strong>in</strong>gt<br />

es ihr manchmal aus unterschiedlichen Gründen<br />

halt nur e<strong>in</strong> Mal im Jahr diese Reise vorzunehmen.<br />

Wor<strong>in</strong> liegen die Vorteile/die Nachteile, dass<br />

die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz leben?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Nachteile gibt es sicher ke<strong>in</strong>e, Vorteile dafür<br />

viele.<br />

Man kann immer zusammen se<strong>in</strong>, wenn man<br />

gerade Lust dazu hat. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der wohnen beide<br />

<strong>in</strong> der Nähe.<br />

Sie können <strong>ihre</strong> Enkelk<strong>in</strong>der hüten, wenn die<br />

Tochter oder der Sohn mal alle<strong>in</strong>e etwas unternehmen<br />

will.<br />

Grundsätzlich haben sie die selben Möglichkeiten,<br />

wie e<strong>in</strong>e Schweizerfamilie, die nahe beisammen<br />

wohnt.<br />

Ihre K<strong>in</strong>der konnten sich <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong><br />

besseres Leben verwirklichen, als es ihnen <strong>in</strong><br />

Italien möglich gewesen wäre.<br />

Wor<strong>in</strong> liegen die Vorteile/die Nachteile, dass<br />

die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz leben?<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Der Vorteil sei vor allem für die K<strong>in</strong>der. Liliana<br />

und Onorio s<strong>in</strong>d froh darüber, dass <strong>ihre</strong> beiden<br />

Söhne <strong>in</strong> der Schweiz geblieben s<strong>in</strong>d. Klar fehlen<br />

sie ihnen und sie würden sich wünschen<br />

sie etwas öfter zu sehen, doch <strong>in</strong> der Schweiz<br />

hätten <strong>ihre</strong> Söhne e<strong>in</strong>deutig mehr Möglichkeiten<br />

als <strong>in</strong> Italien.<br />

Vorteile für Liliana und Onorio selber gäbe es<br />

ke<strong>in</strong>e. Ihre K<strong>in</strong>der fehlen ihnen e<strong>in</strong>fach.<br />

26


Fabio Mussi<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• <strong>Die</strong> grosse Distanz zu den nächsten Familienangehörigen wird allgeme<strong>in</strong><br />

als schwerwiegender Nachteil empfunden.<br />

• Sowohl Diana und Aurelio als auch Liliana und Onorio s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung,<br />

dass sich <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong> besseres Leben verwirklichen<br />

konnten, als es ihnen <strong>in</strong> Italien möglich gewesen wäre.<br />

Unterschiede<br />

Ke<strong>in</strong>e Unterschiede.<br />

3. Frage:<br />

Spürt Tiziana <strong>ihre</strong>n Eltern gegenüber Verpflichtungen,<br />

denen sie auf diese Distanz nicht<br />

nachkommen kann?<br />

Tiziana D’Amico<br />

(2. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Tiziana hatte sich immer Gedanken darüber<br />

gemacht, wie sie wohl mit der Situation umgehen<br />

würde, wenn e<strong>in</strong>es der beiden Elternteile<br />

pflegebedürftig werden sollte und aus<br />

kultureller Tradition Pflege durch die eigenen<br />

K<strong>in</strong>der, <strong>in</strong>sbesondere der Tochter, erwartet<br />

würde.<br />

Es kam noch schlimmer. Tizianas Vater verstarb<br />

vor e<strong>in</strong>igen Monaten ganz unerwartet.<br />

<strong>Die</strong>s erforderte auch von den K<strong>in</strong>dern grossen<br />

Aufwand. Für diese Angelegenheit musste und<br />

wollte Tiziana natürlich nach Italien reisen.<br />

<strong>Die</strong> Unterstützung <strong>ihre</strong>r Mutter ist ihr im Moment<br />

sehr wichtig und deshalb reist sie häufi-<br />

Erwarten Diana und Aurelio von <strong>ihre</strong>n K<strong>in</strong>dern,<br />

dass sie sich e<strong>in</strong>mal um sie kümmern werden,<br />

wenn es nötig se<strong>in</strong> wird?<br />

Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> der Schweiz)<br />

Darüber, wie es mal aussehen wird, wenn sie<br />

gesundheitlich nicht mehr <strong>in</strong> so guter Verfassung<br />

se<strong>in</strong> sollten wie heute, haben sie sich<br />

noch ke<strong>in</strong>e Gedanken gemacht.<br />

Doch eigentlich hätten sie nicht vor, <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der<br />

zu belasten, diese führen ihr eigenes Leben.<br />

Erwarten Liliana und Onorio von <strong>ihre</strong>n K<strong>in</strong>dern,<br />

dass sie sich e<strong>in</strong>mal um sie kümmern werden,<br />

wenn es nötig se<strong>in</strong> wird?<br />

Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli<br />

(1. Generation, wohnhaft <strong>in</strong> Italien)<br />

Von <strong>ihre</strong>n Söhnen erwarten Liliana und Onorio<br />

gar nichts. Erstens seien sie weit weg und<br />

zweitens hätten sie e<strong>in</strong>e Arbeit.<br />

Zudem haben sie diese Situation geklärt. Ihre<br />

Söhne haben gegenüber ihnen ke<strong>in</strong>e Verpflichtungen,<br />

doch auch sie gegenüber <strong>ihre</strong>n Söhnen<br />

nicht. Sie haben für <strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der schon sehr<br />

viel getan.<br />

Hier <strong>in</strong> Italien haben sie die Tochter, die sich<br />

um sie kümmern kann.<br />

27


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Interviews<br />

ger als sonst nach Italien. Tiziana versucht im<br />

Rahmen des Möglichen zu handeln, denn sie<br />

kann ihr Leben <strong>in</strong> der Schweiz nicht e<strong>in</strong>fach<br />

aufgeben.<br />

Gegenüberstellung der Kernaussagen:<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• Wie dies Tiziana auch <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r Familie befürchtete, erwarten Liliana<br />

und Onorio mehr Hilfeleistung von <strong>ihre</strong>r Tochter als von <strong>ihre</strong>n Söhnen.<br />

Unterschiede<br />

• Im Gegensatz zu Liliana und Onorio erwarten Diana und Aurelio<br />

von ke<strong>in</strong>em <strong>ihre</strong>r K<strong>in</strong>der, dass es sich e<strong>in</strong>mal um sie kümmern<br />

wird, wenn es nötig se<strong>in</strong> sollte.<br />

• Liliana und Onorio haben mit <strong>ihre</strong>n Söhnen die Situation klar geregelt<br />

(mit der Tochter jedoch nicht).<br />

• Im Gegensatz zu Tiziana, die sich sehr viele Gedanken über die gesundheitliche<br />

Versorgung <strong>ihre</strong>r Eltern im Alter macht, haben Diana<br />

und Aurelio sowie Liliana und Onorio diesbezüglich noch ke<strong>in</strong>e konkreten<br />

Vorstellungen.<br />

28


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Theorie - Empirie<br />

5. Gegenüberstellung von Theorie und Empirie<br />

Vergleicht man die gewonnenen Erkenntnisse aus der Literatur, also den theoretischen Teil,<br />

mit den Aussagen me<strong>in</strong>er Interviewpartner, bemerkt man nebst vielen Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

doch auch gewisse Differenzen.<br />

Da sich me<strong>in</strong>e Arbeit im Rahmen e<strong>in</strong>er exemplarischen Untersuchung bewegt, will ich die<br />

Literatur, die grösstenteils auf statistischen Auswertungen beruht, ke<strong>in</strong>eswegs <strong>in</strong> Frage stellen.<br />

Trotzdem möchte ich aber die wichtigsten Übere<strong>in</strong>stimmungen und Unterschiede von<br />

Theorie und Empirie hervorheben:<br />

Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />

• Das Festhalten am Gedanken, dass die<br />

Emigration nur vorübergehend sei, gab<br />

den <strong>Immigranten</strong> die Kraft, die Gegenwart<br />

mit all <strong>ihre</strong>n Erniedrigungen <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund treten zu lassen. (S. 5, 3.1.<br />

Der Mythos <strong>Rückkehr</strong>)<br />

Im Falle von Liliana und Onorio trifft dies<br />

zu. (vgl. S. 17, 4.1.1. Vorstellen der Interviewpartner)<br />

• Zur <strong>Rückkehr</strong> nach Italien entschliessen<br />

sich oft k<strong>in</strong>derlose <strong>Immigranten</strong>. (S. 5,<br />

3.2.1. Zurückkehren)<br />

Im Falle von Rita und Donato zutreffend.<br />

(vgl. S. 17, 4.1.1. Vorstellen der Interviewpartner)<br />

• Bei den Personen, die beabsichtigen <strong>in</strong><br />

der Schweiz zu bleiben, gibt es zwei<br />

Gruppen: jene, die sich <strong>in</strong> diesem Land<br />

e<strong>in</strong>gegliedert fühlen und jene, die bleiben,<br />

weil sie ke<strong>in</strong>e andere Wahl haben.<br />

Der ersten Gruppe gehören jene Personen<br />

an, die die örtliche Sprache beherrschen,<br />

e<strong>in</strong>en grossen Freundeskreis und<br />

e<strong>in</strong>e gute wirtschaftliche Perspektive haben.<br />

(S. 6, 3.2.2. Bleiben)<br />

Diana und Aurelio gehören der ersten<br />

Gruppe an. (vgl. S. 19, 4.1.2. Zusammenstellung<br />

der Aussagen der <strong>Immigranten</strong><br />

der ersten Generation, 1. Frage)<br />

• Für italienische <strong>Immigranten</strong> ist das Leben<br />

<strong>in</strong> der Schweiz oftmals zu teuer. (S.<br />

7, 3.3.1.1. Rente)<br />

Rita und Donato verliessen aus f<strong>in</strong>anziellen<br />

Gründen die Schweiz. (vgl. S. 19,<br />

4.1.2. Zusammenstellung der Aussagen<br />

der <strong>Immigranten</strong> der ersten Generation,<br />

1. Frage)<br />

• Den Gedanken, wie ihr Leben zu e<strong>in</strong>em<br />

späteren Zeitpunkt aussehen wird, wenn<br />

sie vielleicht e<strong>in</strong>mal nicht mehr selbstän-<br />

Unterschiede<br />

• Immer häufiger setzen die K<strong>in</strong>der die<br />

entscheidenden Ste<strong>in</strong>e für die Zukunft<br />

<strong>ihre</strong>r Eltern. (S. 8, 3.3.2.1. K<strong>in</strong>der)<br />

Ist <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Falle me<strong>in</strong>er Interviewpartner<br />

zutreffend. (vgl. S. 17f, 4.1.1.<br />

Vorstellen der Interviewpartner und S.<br />

19, 4.1.2. Zusammenstellung der Aussagen<br />

der <strong>Immigranten</strong> der ersten Generation,<br />

1. Frage)<br />

• <strong>Die</strong> Frauen bleiben eher <strong>in</strong> der Schweiz,<br />

da sie sich <strong>in</strong> der Schweiz besser <strong>in</strong>tegrieren<br />

konnten als <strong>ihre</strong> Männer. (S. 12f,<br />

3.3.4.1. <strong>Heimat</strong>gefühle)<br />

Sowohl <strong>in</strong> Rita und Donatos Situation als<br />

auch für Liliana und Onorio ist das Gegenteil<br />

der Fall. (vgl. S. 21, 4.1.2. Zusammenstellung<br />

der Aussagen der <strong>Immigranten</strong><br />

der ersten Generation, 3.<br />

Frage)<br />

29


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Theorie - Empirie<br />

• dig und pflegebedürftig se<strong>in</strong> werden,<br />

verdrängen sie lieber.<br />

Beschäftigen tut dieser Gedanke jedoch<br />

<strong>ihre</strong> K<strong>in</strong>der. Ihren Eltern gegenüber verspüren<br />

sie e<strong>in</strong>e gewisse Verantwortung.<br />

(S. 8, 3.3.2.1. K<strong>in</strong>der)<br />

Trifft sowohl im Falle von Liliana und<br />

Onorio als auch <strong>in</strong> Tizianas Situation zu.<br />

(vgl. S. 28, 4.1.3. Zusammenstellung der<br />

Aussagen der verschiedenen Generationen,<br />

3. Frage)<br />

30


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Schlussfolgerungen<br />

6. Schlussfolgerungen<br />

<strong>Die</strong> Leitfragen, die ich durch me<strong>in</strong>e Arbeit zu beantworten versuche, s<strong>in</strong>d folgende:<br />

Welches s<strong>in</strong>d die Entscheidungskriterien für, bzw. gegen e<strong>in</strong>e <strong>Rückkehr</strong> nach Italien<br />

der Familien Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i, Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli und Liliana<br />

und Onorio Mart<strong>in</strong>elli?<br />

Wie erlebt Tiziana D’Amico, Tochter zurückgekehrter <strong>Immigranten</strong>, die Situation?<br />

Sowohl der Fragestellung als auch dem darauf basierenden Aufbau me<strong>in</strong>er Arbeit ist zu entnehmen,<br />

dass ich davon ausgegangen b<strong>in</strong>, dass die Entscheidung älterer <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong>,<br />

wo sie <strong>ihre</strong>n Lebensabend verbr<strong>in</strong>gen wollen, nach gewissen Kriterien vollzogen wird.<br />

Weder die verwendete Literatur noch die Fachperson widerlegten me<strong>in</strong>e Annahme.<br />

Erst während des Durchführens der Interviews und während deren Auswertung bemerkte<br />

ich, dass es sehr schwierig ist, von e<strong>in</strong>er Entscheidung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es klar umgrenzten Aktes<br />

zu sprechen.<br />

E<strong>in</strong>e Entscheidung <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne gab es <strong>in</strong> Wirklichkeit nie. Dafür verantwortlich, wo me<strong>in</strong>e<br />

Interviewpartner heute leben, ob <strong>in</strong> der Schweiz oder <strong>in</strong> Italien, ist im Grunde genommen die<br />

E<strong>in</strong>stellung, mit der sie damals <strong>in</strong> die Schweiz e<strong>in</strong>wanderten.<br />

<strong>Die</strong>s trifft jedenfalls <strong>in</strong> drei Fällen me<strong>in</strong>er Interviewpartner zu:<br />

• Diana und Aurelio hatten nie das Gefühl, nur provisorisch <strong>in</strong> der Schweiz zu se<strong>in</strong>. Sie<br />

leben hier, gleich wie sie es <strong>in</strong> Italien tun würden und fühlen sich somit auch <strong>in</strong> der<br />

Schweiz zu Hause.<br />

• Im Gegensatz dazu s<strong>in</strong>d Liliana und Onorio immer von e<strong>in</strong>er <strong>Rückkehr</strong> ausgegangen. Sie<br />

haben <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong> sparsames und eher erniedrigendes Leben geführt, um sich<br />

dann später <strong>in</strong> Italien e<strong>in</strong> um so schöneres zu ermöglichen.<br />

• Auch <strong>in</strong> Tizianas Familie stellte sich nie die konkrete Frage, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben<br />

oder nach Italien zurückzukehren. <strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> war immer die Absicht gewesen und dies<br />

wurde den K<strong>in</strong>dern auch so mitgeteilt.<br />

In jeder dieser drei Familien ist man also von e<strong>in</strong>em gewissen Verlauf <strong>ihre</strong>s <strong>Immigranten</strong>dase<strong>in</strong>s<br />

<strong>in</strong> der Schweiz ausgegangen. Bereits die erste Generation hatte, als sie <strong>in</strong> die Schweiz<br />

e<strong>in</strong>wanderte, e<strong>in</strong>e konkrete Vorstellung davon und gab diese an die nachkommende Generation<br />

weiter.<br />

Man hat sich also auf diesen Verlauf e<strong>in</strong>gestellt und ihn kaum mehr <strong>in</strong> Frage gestellt.<br />

Anders war die Situation für Rita und Donato:<br />

• Ich glaube nicht, dass Donato, als er <strong>in</strong> die Schweiz kam, schon e<strong>in</strong>e genaue Vorstellung<br />

von se<strong>in</strong>er Zukunft hatte. Er genoss das Leben <strong>in</strong> der Schweiz und liess die Entscheidung<br />

auf sich zukommen. Auch die Tatsache, dass Donato e<strong>in</strong>e Schweizer<strong>in</strong> zur Frau hat,<br />

machte für ihn beide Entscheidungsmöglichkeiten etwa gleichermassen wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />

Rita und Donato handelten nach <strong>ihre</strong>m momentanen Bef<strong>in</strong>den.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidungskriterien, wie ich sie im theoretischen Teil me<strong>in</strong>er Arbeit erläutert habe,<br />

waren also nur für Rita und Donato ausschlaggebend. In allen anderen Fällen nehmen sie<br />

nur bed<strong>in</strong>gt E<strong>in</strong>fluss.<br />

Mir ist aufgefallen, dass die Entscheidung, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, im Allgeme<strong>in</strong>en weniger<br />

Komplikationen mit sich brachte, als die Entscheidung, nach Italien zurückzukehren. Bei diesem<br />

Entscheid stellten sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gewisse Zweifel e<strong>in</strong>. Zwar s<strong>in</strong>d sich alle me<strong>in</strong>er<br />

31


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Schlussfolgerungen<br />

Interviewpartner sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, doch sehe ich deutliche<br />

Unterschiede dar<strong>in</strong>, wie sie mit <strong>ihre</strong>r momentanen Lebenssituation zufrieden s<strong>in</strong>d.<br />

Diana und Aurelio sche<strong>in</strong>en wirklich glücklich zu se<strong>in</strong>. Sie haben weder Probleme, noch gab<br />

es Zweifel. Bei den zurückgekehrten Paaren hatte ich mehr den E<strong>in</strong>druck, dass das Leben <strong>in</strong><br />

Italien doch nicht ganz <strong>ihre</strong>n Bedürfnissen und Vorstellungen entspricht. Wohl oder übel haben<br />

sie sich mittlerweile mit den Nachteilen der <strong>Rückkehr</strong> abgefunden.<br />

Ich will nicht behaupten, dass es ihnen besser ergangen wäre, wenn sie <strong>in</strong> der Schweiz<br />

geblieben wären. Jedoch habe ich die Vermutung, dass <strong>in</strong> beiden Fällen die Situation e<strong>in</strong>traf,<br />

wie ich sie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em ersten Teil unter dem Punkt 3.2.1. Zurückkehren geschildert habe.<br />

Auch Italien hat <strong>in</strong> <strong>ihre</strong>r Abwesenheit Entwicklungen durchgemacht. Ihre <strong>Heimat</strong> entsprach<br />

deshalb nicht mehr <strong>ihre</strong>n Er<strong>in</strong>nerungen und Vorstellungen. <strong>Die</strong>s führte dazu, dass sie sich <strong>in</strong><br />

<strong>ihre</strong>m eigenen Zuhause nicht wohl und erneut als Fremde gefühlt haben.<br />

Als e<strong>in</strong>zige haben Liliana und Onorio mit <strong>ihre</strong>n Söhnen klar geregelt, wie die Situation aussehen<br />

würde, im Falle, dass sie beide oder auch nur e<strong>in</strong>es von ihnen pflegebedürftig werden<br />

sollte. Grundsätzlich wurden die K<strong>in</strong>der aber nur wenig mite<strong>in</strong>bezogen, was die Entscheidung<br />

zurückzukehren anbelangt. Für Diana und Aurelio erübrigt sich e<strong>in</strong>e Diskussion weitgehend.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich wäre auch für Tiziana e<strong>in</strong>e klare Abmachung von Vorteil, doch kann natürlich<br />

auch dies die Gefühle der Verantwortung gegenüber <strong>ihre</strong>r Eltern nur wenig bee<strong>in</strong>flussen. Ich<br />

habe den E<strong>in</strong>druck, dass sich die K<strong>in</strong>der wahrsche<strong>in</strong>lich mehr mit diesem Thema ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

als <strong>ihre</strong> Eltern oder dass diese diesen Gedanken gerne e<strong>in</strong> wenig verdrängen und<br />

die Situation auf sich zukommen lassen.<br />

Nebst den Problemen, die bei zunehmendem Alter auftreten könnten oder <strong>in</strong> Tizianas Familie<br />

auch schon aufgetreten s<strong>in</strong>d, ist natürlich die Beziehungspflege auf diese Distanz e<strong>in</strong>e ganz<br />

besondere Schwierigkeit. Spontanes Zusammenkommen ist unmöglich. Da <strong>in</strong> der italienischen<br />

Kultur das Zusammense<strong>in</strong> mit der Familie e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert hat, bedeutet dies<br />

für alle Generationen e<strong>in</strong>en grossen Verlust.<br />

Me<strong>in</strong>e Vermutung, dass die Entscheidung, nach Italien zurückzukehren, e<strong>in</strong>e grössere Herausforderung<br />

bedeutet, als der Entschluss, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, hat sich im Falle me<strong>in</strong>er<br />

Interviewpartner bestätigt.<br />

32


Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Zusammenfassung<br />

7. Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> Leitfragen, die ich durch me<strong>in</strong>e Arbeit zu beantworten versuche, s<strong>in</strong>d folgende:<br />

Welches s<strong>in</strong>d die Entscheidungskriterien für, bzw. gegen e<strong>in</strong>e <strong>Rückkehr</strong> nach Italien<br />

der Familien Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i, Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli und Liliana<br />

und Onorio Mart<strong>in</strong>elli?<br />

Wie erlebt Tiziana D’Amico, Tochter zurückgekehrter <strong>Immigranten</strong>, die Situation?<br />

Um diese beantworten zu können, habe ich mir durch die Lektüre ausgewählter Fachliteratur<br />

e<strong>in</strong> breites Basiswissen erarbeitet. Zusätzlich hatte ich die Möglichkeit, mit e<strong>in</strong>em Spezialisten<br />

auf diesem Gebiet e<strong>in</strong> äusserst <strong>in</strong>teressantes Gespräch zu führen.<br />

<strong>Die</strong>se Informationen dienten mir als Grundlage für den theoretischen Teil me<strong>in</strong>er Arbeit, <strong>in</strong><br />

welchem ich alle wichtigen Faktoren erläutere, die auf die Entscheidung älterer <strong>italienischer</strong><br />

<strong>Immigranten</strong>, wo sie <strong>ihre</strong>n Lebensabend verbr<strong>in</strong>gen möchten, E<strong>in</strong>fluss nehmen.<br />

Als entscheidende Faktoren stellten sich heraus: die f<strong>in</strong>anzielle Lage, die Familiensituation,<br />

der gesundheitliche Zustand, emotionale Gründe und die Integration.<br />

Nebst der Lektüre von Literatur und dem Gespräch mit e<strong>in</strong>er Fachperson unterhielt ich mich<br />

mit betroffenen <strong>Immigranten</strong>: Mit Diana und Aurelio Mar<strong>in</strong>i, die sich dazu entschieden haben<br />

<strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, mit Rita und Donato Mart<strong>in</strong>elli und Liliana und Onorio Mart<strong>in</strong>elli,<br />

die nach Italien zurückgekehrt s<strong>in</strong>d, sowie mit Tiziana D’Amico, als Tochter zurückgekehrter<br />

<strong>Immigranten</strong>.<br />

Anhand dieser konkreten Beispiele will ich zeigen, wie diese heikle Angelegenheit <strong>in</strong> der Realität<br />

abläuft.<br />

In e<strong>in</strong>em empirischen Teil verglich ich die Aussagen me<strong>in</strong>er Interviewpartner der ersten Generation<br />

und stellte sie anschliessend den Aussagen me<strong>in</strong>er Interviewpartner<strong>in</strong> der zweiten<br />

Generation gegenüber.<br />

Zusätzlich versuchte ich hervorzuheben, <strong>in</strong> welchen Punkten Theorie und Empirie übere<strong>in</strong>stimmen,<br />

bzw. sich unterscheiden.<br />

<strong>Die</strong> beiden augenfälligsten Differenzen s<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der, die im Gegensatz zu dem, was die<br />

Theorie sagt, im Falle me<strong>in</strong>er Interviewpartner für die Entscheidung e<strong>in</strong>e erstaunlich kle<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielten und die Tatsache, dass die Männer gemäss Literatur lieber nach Italien zurückkehren,<br />

jedoch <strong>in</strong> zwei von mir befragten Paaren das Gegenteil der Fall ist.<br />

Bereits während der Durchführung der Interviews wurde mir bewusst, dass es schwierig ist<br />

von e<strong>in</strong>er Entscheidung <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne zu sprechen, wie ich dies bislang tat. Nämlich von e<strong>in</strong>er<br />

Entscheidung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es plötzlichen Beschlusses. Bereits die E<strong>in</strong>stellung, mit der me<strong>in</strong>e<br />

Interviewpartner damals <strong>in</strong> die Schweiz e<strong>in</strong>wanderten, ist für den Verlauf <strong>ihre</strong>s <strong>Immigranten</strong>dase<strong>in</strong>s<br />

ausschlaggebend.<br />

Infolgedessen wurde die Bedeutung der verschiedenen Faktoren, wie ich sie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em ersten<br />

Teil geschildert habe, etwas relativiert.<br />

Me<strong>in</strong>e Vermutung, dass die Entscheidung, nach Italien zurückzukehren, e<strong>in</strong>e grössere Herausforderung<br />

bedeutet, als der Entschluss, <strong>in</strong> der Schweiz zu bleiben, hat sich im Falle me<strong>in</strong>er<br />

Interviewpartner bestätigt.<br />

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Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Schlusswort<br />

8. Schlusswort<br />

Durch die <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Thematik der <strong>Rückkehr</strong> von italienischen<br />

<strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong> durfte ich feststellen, dass sich <strong>in</strong> den letzten paar Jahren speziell<br />

<strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>iges verbessert hat und sich manches am tun ist. Als konkretes Beispiel<br />

möchte ich die Broschüren „Heimweh“, „Vorbereitung“ und „Pensionierung“ nennen, die<br />

<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Arbeit von der Eidgenössischen Ausländerkommission EKA, dem Migros-<br />

Kulturprozent und der Pro Senectute Schweiz herausgegeben wurden. Sie dienen älteren<br />

<strong>Immigranten</strong> als Orientierungshilfe, wenn es ums Abwägen geht, ob man sich für e<strong>in</strong> Leben<br />

<strong>in</strong> der Schweiz oder <strong>in</strong> Italien entscheiden will. Vor noch nicht sehr langer Zeit waren sie <strong>in</strong><br />

dieser Angelegenheit noch völlig auf sich alle<strong>in</strong>e gestellt.<br />

Mir persönlich ist es wichtig, dass auch die Öffentlichkeit vermehrt auf diese Problematik<br />

aufmerksam gemacht wird. Me<strong>in</strong>es Erachtens br<strong>in</strong>gt sie ihr Interesse durchaus entgegen.<br />

<strong>Die</strong>s zeigt auch das breite Angebot an aktueller Fachliteratur. Zudem möchte ich festhalten,<br />

dass ich, wenn ich auf me<strong>in</strong> Matura-Arbeitsthema angesprochen wurde, immer auf offene<br />

Ohren stiess.<br />

Auch für mich persönlich und für me<strong>in</strong>e Familie konnte ich e<strong>in</strong>ige wichtige Erkenntnisse<br />

sammeln. So zum Beispiel, dass diese heikle Angelegenheit mit der gesamten Familie ausführlich<br />

besprochen werden sollte.<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit eröffnete mir die Möglichkeit, offene Fragen zu beantworten und diese besondere<br />

Familiensituation besser zu verstehen.<br />

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Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Quellenverzeichnisse<br />

9. Quellenverzeichnisse<br />

9.1. Literaturverzeichnis<br />

• Duden: Band 5. Das Fremdwörterbuch. 3. Auflage. Mannheim: Bibliographisches Institut<br />

AG, 1974<br />

• EKA – Eidgenössische Ausländerkommission/Pro Senectute Schweiz/Migros-<br />

Kulturprozent: Vorbereitung auf die Pensionierung von Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten. 1.<br />

Auflage. Bern: 2001<br />

• Federazione colonie libere italiane <strong>in</strong> Svizzera: Umfrage 2000. <strong>Die</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

der italienischen Betagten <strong>in</strong> der Schweiz. Bern: 2000<br />

• Frigerio Mart<strong>in</strong>a, Mar<strong>in</strong>a/Merhar, Susanne: „...Und es kamen Menschen“. <strong>Die</strong><br />

Schweiz der Italiener. 1. Auflage. Zürich: Rotpunktverlag, 2004<br />

• Gerl<strong>in</strong>d, Mart<strong>in</strong>: Bedürfnisabklärung Deutsch-„Kurs“ für ältere ItalienerInnen. Bern:<br />

2003<br />

• Halter, Ernst (Hrsg.): Das Jahrhundert der Italiener <strong>in</strong> der Schweiz. 1. Auflage. Zürich:<br />

Offiz<strong>in</strong> Verlag, 2003<br />

• IMES – Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung: Ausländerstatistik<br />

2003. Teil 1: Bestand und Bewegungen. Bern: 2004<br />

• Mäder, Rolf (Hrsg.): Il pane degli altri. Autori italiani emigrati <strong>in</strong> Svizzera. 1. Auflage.<br />

Bern: Verlag Paul Haupt, 1972<br />

9.2. Abbildungsverzeichnis<br />

Titelseite:<br />

Bachman <strong>Die</strong>ter (Hrsg.): Il lungo addio_Der lange Abschied_. Una storia fotografica<br />

sull’emigrazione italiana <strong>in</strong> Svizzera dopo la guerra_138 Fotografien zur italienischen Emigration<br />

<strong>in</strong> die Schweiz nach 1945. 1. Auflage. Zürich: Limmat Verlag, 2003, S. 29<br />

Bild von Uliano Lucas: Conf<strong>in</strong>e italo-svizzero_Italienisch-schweizerische Grenze_Lu<strong>in</strong>o, Lombardia,<br />

1973<br />

Abb. 1:<br />

EKA – Eidgenössische Ausländerkommission/Pro Senectute Schweiz/Migros-Kulturprozent:<br />

Heimweh. Fotoroman für Migranten und Migrant<strong>in</strong>nen. 1. Auflage. Bern: 2001,<br />

S. 7<br />

Abb. 2:<br />

IMES – Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung: Ausländerstatistik<br />

2003. Teil 1: Bestand und Bewegungen. Bern: 2004, S. 23<br />

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Fabio Mussi<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rückkehr</strong> <strong>italienischer</strong> <strong>Immigranten</strong> <strong>in</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Anhang<br />

10. Anhang<br />

Interviewfragebogen für:<br />

• das Interview mit e<strong>in</strong>er Fachperson<br />

• das Interview mit <strong>in</strong> der Schweiz gebliebenen Personen<br />

• die Interviews mit nach Italien zurückgekehrten Personen<br />

• das Interview mit e<strong>in</strong>er Angehörigen der zweiten Generation<br />

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