FEST - Badische Neueste Nachrichten
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<strong>FEST</strong>-MAGAZIN<br />
3<br />
Nein, wir stehen nicht aufeinander<br />
…und so kennen die Besucher<br />
beim „Fest“ den gleichen Ort an<br />
drei Tagen im Jahr.<br />
Foto: Hora<br />
GEWACHSEN STATT HINGEKLOTZT: Wie „Das Fest“ über die Jahre so groß geworden ist<br />
„War da schon vorher ein Hügel<br />
oder steht ihr aufeinander?“, fragte<br />
der Rapper Doktor Renz von „Fettes<br />
Brot“ staunend beim „Fest“-Auftritt<br />
2008. Nein, lieber Herr Doktor, in<br />
Karlsruhe steht niemand aufeinander.<br />
Nicht einmal 2009, als der Andrang<br />
zu Peter Fox alle Rahmen sprengte,<br />
ist etwas passiert – auch wenn danach<br />
die „Fest“-Struktur gründlich<br />
überarbeitet worden ist, umso etwas<br />
nicht noch einmal vorkommen zu lassen<br />
(siehe Text unten).<br />
Das eine sind die Sicherheitsmaßnahmen,<br />
das andere ist das besondere<br />
„Fest“-Publikum. Das ist nämlich<br />
gemeinsam mit dem Ereignis gewachsen.<br />
Es ist ja nicht so, dass man<br />
irgendwann beschlossen hätte, ein<br />
Mega-Event in Karlsruhes grüne Lunge<br />
zu klotzen (so viel Wortspielzeit<br />
muss sein). Nein: Die ersten „Fest“-<br />
Ausgaben ab Mitte der 80er waren<br />
gemütliche Happenings mit ein paar<br />
Tausend Besuchern, die nachmittags<br />
auf der Wiese lagerten und abends,<br />
wenn auf der Bühne das Tempo mal<br />
angezogen wurde, sich auch mal zum<br />
abrockenden Pulk zusammenfanden.<br />
Wer da auftrat, war damals nicht<br />
ausschlaggebend. „Es war die erste<br />
Gelegenheit, all die Leute wiederzutreffen,<br />
die man sechs Wochen lang<br />
nicht gesehen hatte“, erinnert sich<br />
der heutige Fest-GmbH-Geschäftsführer<br />
Martin Wacker an jene Zeit, in<br />
der „Das Fest“ noch am letzten Wochenende<br />
der (damals früher beginnenden)<br />
Sommerferien lag.<br />
OB SONNE, OB REGEN:<br />
ZEHNTAUSENDE FEIERN<br />
Weil die Stimmung aber so gut war,<br />
wurde der Hügel immer stärker belagert.<br />
Denn jedes Jahr kam eine neue<br />
Generation nach, aber die „Alten“<br />
blieben auch nicht Zuhause. Das<br />
sprach sich in Musikerkreisen herum<br />
– und die Veranstalter konnten immer<br />
dickere Fische an Land ziehen. So<br />
bedeutete der Auftritt der Simple<br />
Minds 1997 im Rückblick den Schritt<br />
in die nächste Dimension, dem 1998<br />
angesagte Stars wie den Guano Apes,<br />
Tito & Tarantel und vor allem die grandiosen<br />
Faithless folgten.<br />
Dabei hatten schon der damals verantwortliche<br />
Stadtjugendausschuss<br />
und sein Band-Booker Rolf Fluhrer<br />
immer betont, nicht durch Top-Acts<br />
das Festival vergrößern zu wollen,<br />
sondern auf dessen chronische Vergrößerung<br />
zu reagieren: Aus dem<br />
5000-Leute-pro-Tag-Festival war eine<br />
50000-Leute-pro-Tag-Sause geworden<br />
(knapp kalkuliert), und das bedeutete<br />
einen Zuwachs an Infrastruktur<br />
und entsprechenden Kosten. Kosten,<br />
die seit jeher über Verzehr-Einnahmen<br />
gedeckt werden mussten –<br />
auch wenn das Wetter mal nicht mitspielte.<br />
Kurz gesagt: Ein verregnetes<br />
„Fest“ mit lauter Nobodys auf der<br />
Bühne wäre wohl der finale finanzielle<br />
Kollaps gewesen. Als hingegen 2003<br />
Silbermond im Dauerregen standen,<br />
feierten Zehntausende bis zum letzten<br />
Akkord wacker mit und blieben<br />
dabei so friedlich, wie man es vom<br />
„Fest“ seit jeher kennt.<br />
Dennoch schwelte in den „Nuller-<br />
Jahren“ (wenn man denn das vergangene<br />
Jahrzehnt mal so nennen will)<br />
die Diskussion, ob durch immer mehr<br />
Stars denn nicht erst die Notwendigkeit<br />
für immer mehr Infrastruktur befeuert<br />
würde. Der Auftritt von Peter<br />
Fox, bei dem das Gelände wirklich<br />
auch auf dem letzten Quadratmeter<br />
gefüllt gewesen sein dürfte, hat diese<br />
Diskussion beendet: Seither ist klar,<br />
wie viele Menschen man auf und vor<br />
den Hügel lassen kann und will. Und<br />
wie die vergangenen drei Jahre gezeigt<br />
haben, sieht es trotzdem noch<br />
so aus, als sei halb Karlsruhe übereinander<br />
gestapelt. Nur hat man jetzt<br />
Luft zum Atmen und noch kräftigeren<br />
Mitsingen.<br />
Andreas Jüttner<br />
Wozu die Tickets gut sind<br />
GEBÜHR STATT EINTRITT: Fünf Euro für die Sicherheit<br />
Umsonst und draußen und fünf<br />
Euro Eintritt pro Tag – wie geht das zusammen?<br />
Eigentlich ja nicht, beim<br />
„Fest“ aber doch. Denn erstens ist<br />
ein Großteil des Programms nach wie<br />
vor „für umme“ zugänglich: Die<br />
Bands auf der Feldbühne (bis 2012:<br />
Zeltbühne), die Kleinkünstler auf der<br />
Kulturbühne, das Abtanz-Areal bei<br />
der DJ-Bühne ebenso wie das Familienangebot<br />
und der große Sportpark.<br />
Und zweitens sind die fünf Euro nicht<br />
direkt Eintritt, sondern gewissermaßen<br />
eine Gebühr für die Sicherheitsstruktur:<br />
Mit diesem Geld werden die<br />
Absperrung und die Kontrollanlagen<br />
rund um die Hauptbühne finanziert,<br />
die es seit 2010 gibt.<br />
Na toll, könnte man da sagen – man<br />
bezahlt also, damit es eine Barriere<br />
gibt, die es ohne das Bezahlen nicht<br />
gäbe? Gewissermaßen schon, aber<br />
das wäre nicht mal die halbe Wahrheit.<br />
Die Alternative wäre wohl: Kein „Fest“<br />
mehr. Denn im Gegensatz zum Besucherandrang<br />
hat jedes Gelände Grenzen<br />
– und jenseits davon droht die<br />
Massenpanik. Um den Andrang sinnvoll<br />
zu kontrollieren, wird beim „Fest“<br />
registriert, wie viele Menschen gerade<br />
auf dem Gelände vor der Hauptbühne<br />
sind. Die Tageskarte gilt wirklich für<br />
den ganzen Tag und wird beim Eintritt<br />
nicht abgerissen, sondern gesperrt<br />
und beim Auslass wieder freigeschaltet,<br />
so dass sie später erneut genutzt<br />
werden kann (auch von einer anderen<br />
Person, aber immer nur von einer auf<br />
einmal). Kurz: Sie soll verhindern,<br />
dass sich statt der verkraftbaren<br />
50000 plötzlich 90 000 Leute vor die<br />
Hauptbühne drängen.<br />
Testlauf der Tickets: Die „Fest“-Projektleiter Sven Varsek und Markus Wiersch (Erster und<br />
Zweiter von links) bei der Vorstellung der Ticket-Technik 2010.<br />
Foto: Fabry<br />
Dieser Dreh, nur die Hauptbühne<br />
abzuriegeln, hat den gordischen Knoten<br />
gelöst, der jahrelang die Eintrittsfrage<br />
beim „Fest“ dominierte. Denn<br />
einfach von den Zehntausenden, die<br />
da kommen, einen kleinen Obolus<br />
zur Finanzierung zu verlangen, hätte<br />
man zwar schon früher gekonnt –<br />
aber allein der Aufwand für das Eintreiben<br />
hätte ihn wieder amortisiert.<br />
Das jetzige Modell wagt den Spagat<br />
zwischen Eintrittskontrolle und Umsonst-und-Draußen-Prinzip<br />
– und erhält<br />
so das „Fest“ für alle.<br />
AJ