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Gut gemacht N°09 2013 Erlebt - Kaufmännische Verband Zürich

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INTE<br />

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Wie hat sich der Freiheitsentzug angefühlt?<br />

Ich empfand die Situation als sehr schwierig. Dass<br />

Schweizer Gefängnisse schöner und sauberer sind<br />

als gewisse Hotels in armen Ländern verbessert<br />

zwar die Umstände, doch die Tatsache, dass man<br />

eingesperrt ist, bleibt. Und wenn das Leben nur<br />

noch aus Comics lesen, essen und schlafen besteht,<br />

ist man sich des Freiheitsentzuges noch viel stärker<br />

bewusst. Doch auch wenn Häftlinge entlassen<br />

werden, fühlen sie sich nicht alle gleich frei. Einige<br />

sind Wiederholungstäter oder einer Drogensucht<br />

verfallen. Ich war beides. Das Schlimmste<br />

im Gefängnis war der kalte Entzug. Ich war<br />

aggressiv, bekam Schweissausbrüche und weitere<br />

Entzugserscheinungen. Die Drogensucht dominierte<br />

mein Leben und als ich entlassen wurde, fiel ich<br />

in mein altes Muster zurück. Um Kokain kaufen<br />

zu können, wurde ich trotz Bewährungsauflagen<br />

wieder kriminell. Gefangen in diesem Teufelskreis,<br />

kam ich erneut ins Gefängnis und später in ein<br />

Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Richtig<br />

frei fühlte ich mich erst, als ich die Sucht bekämpft<br />

hatte.<br />

Wie hast du es geschafft, dein Leben doch noch in den<br />

Griff zu kriegen?<br />

Der zentrale Punkt für meine endgültige<br />

Veränderung war der Glaube. Ich hatte genügend<br />

Zeit, um nachzudenken, und gewisse Bibelverse<br />

gaben mir die nötige Kraft, die ich damals für eine<br />

Veränderung brauchte. Also habe ich beschlossen,<br />

den Drogen den Rücken zuzuwenden. Um mein<br />

Ziel zu erreichen, verbrachte ich 18 Monate in einer<br />

Entzugsklinik und danach wurde ich weiterhin<br />

lange Zeit begleitet und betreut. Alleine hätte ich es<br />

nicht geschafft.<br />

Bereust du, was du getan hast?<br />

Ja, das tue ich. Deshalb habe ich mich auch<br />

schriftlich bei meinen Opfern entschuldigt. Doch um<br />

Fortschritte machen zu können, ist es wichtig, mit<br />

der Vergangenheit abzuschliessen. Heute habe ich<br />

keine Angst mehr, wenn ich einen Polizisten sehe.<br />

Mein Leben hat sich grundlegend verändert.<br />

Was hast du aus diesen Erfahrungen gelernt?<br />

Ich habe meine Fehler eingesehen und nutze<br />

heute meine Vergangenheit, um <strong>Gut</strong>es zu tun. In<br />

Schulen, Heimen und Gefängnissen besuche ich<br />

Jugendliche und erzähle von meinem Leben. Die<br />

Drogenprävention dient dazu, sie vor der Sucht zu<br />

warnen und aufzuzeigen, dass es möglich ist, aus<br />

dem Teufelskreis der Kriminalität und der Drogen<br />

auszubrechen. Mein Wunsch ist es, dass noch mehr<br />

Leute diesen Schritt wagen.<br />

Was bedeutet Freiheit für dich?<br />

Es gibt sowohl die körperliche als auch die geistige<br />

Freiheit. Letztere ist für mich persönlich wichtiger.<br />

Freiheit bedeutet, nicht im eigenen Leben gefangen<br />

zu sein. Leider sind heutzutage viele junge<br />

Menschen süchtig. Durch die Abhängigkeit werden<br />

sie in ihrer Freiheit eingeschränkt. Das Tragische:<br />

Einige bemerken ihre Sucht erst gar nicht, da es<br />

sich nicht um die klassischen Beispiele wie Drogen<br />

oder Alkohol handelt. Vor allem das Internet mit<br />

Webseiten wie Facebook ist eine Gefahr. Die<br />

Menschen sollten sich fragen, ob sie ihr Leben<br />

wirklich davon dominieren lassen wollen und ob es<br />

sich lohnt, ihre Freiheit dafür aufzugeben.<br />

Interesse an einer<br />

ungewöhnlichen Freundschaft?<br />

Im Gefängnis kann es ganz schön einsam sein.<br />

Deshalb suchen Häftlinge im Internet nach<br />

einem Brieffreund. Auch wenn die Straftaten<br />

nicht in Vergessenheit geraten dürfen, ist es eine<br />

spannende Möglicheit, von Betroffenen zu erfahren,<br />

wie das Leben im Gefängnis ist und was<br />

Menschen dazu bewegt, kriminell zu werden.<br />

è Weiter Infos gibt's auf www.jail-mail.net<br />

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