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FokUS<br />

Engagement, Ehrenamt und <strong>Zusammen</strong>leben<br />

reitanS reflexionen<br />

Vom Wert<br />

der Freiwilligkeit<br />

Von Claus Reitan,<br />

Journalist<br />

Rabiaa Abu-Zeid, Sanitäterin und Fahrerin<br />

beim Samariterbund. Wie Paul Yulu<br />

ist auch die gebürtige Israelin bei Fußballmatches<br />

im Stadion vor Ort. „Wenn wir<br />

einen Notfall haben, klären wir zuerst, ob<br />

wir die Situation selber lösen können oder<br />

eine Notärztin brauchen“, erklärt Abu-<br />

Zeid, „in dem Fall versorgen wir die Person,<br />

bis die Notärztin eintrifft.“ Verletzten<br />

zu helfen ist ihr ein persönliches Anliegen:<br />

„Ich bin auf den Golanhöhen aufgewachsen.<br />

Als ich elf Jahre alt war, ist mein Vater<br />

an einem Herzinfarkt gestorben – weil es<br />

auf dem Golan keine Rettung gab“, erinnert<br />

sie sich, „ich wollte deshalb unbedingt<br />

Rettungsfahrerin werden und habe<br />

auch die Ausbildung zur Arzt-Assistentin<br />

gemacht.“<br />

JoBchance ehrenamt<br />

Als Abu-Zeid schließlich der Liebe wegen<br />

nach <strong>Österreich</strong> kam, engagierte sie sich<br />

beim Samariterbund. Zugleich nützte sie<br />

die ehrenamtliche Tätigkeit als Integrations-Sprungbrett:<br />

„Am Anfang hatte ich<br />

Angst davor, Deutsch zu sprechen. Ich<br />

habe zwar einen Kurs gemacht, aber so<br />

richtig gelernt habe ich die Sprache erst<br />

durch die Arbeit beim Samariterbund.“<br />

Schließlich gelang es ihr, aus dem Hobby<br />

einen Beruf zu machen: Seit vier Jahren ist<br />

Abu-Zeid hauptamtlich als Rettungsfahrerin<br />

tätig – was sie nicht davon abhält, an<br />

Wochenenden weiterhin freiwillige Dienste<br />

zu machen.<br />

auch Vereine müssen sich öffnen<br />

Statistisch gesehen stellt die engagierte<br />

Helferin Rabiaa Abu-Zeid jedoch eine<br />

Ausnahme dar – und dafür sind auch die<br />

Organisationen selbst verantwortlich, kritisiert<br />

Experte Kenan Güngör: „Sie sprechen<br />

seit Generationen die immer gleichen<br />

Schichten und Milieus an,<br />

reproduzieren sich also stark selbst.“ Die<br />

Folge sei ein starker Mitgliederschwund:<br />

Immer im Einsatz: Unter<br />

der Woche ist Rabiaa Abu-<br />

Zeid hauptberufliche Rettungsfahrerin,<br />

am Wochenende<br />

ehrenamtliche Sanitäterin.<br />

„Viele etablierte österreichische Vereine<br />

müssen sich umorientieren“, sagt Güngör,<br />

„sie brauchen diversitätsorientierte Strategien,<br />

um sich zu öffnen.“ Als Anreiz<br />

schlägt er Extra-Förderungen für jene Organisationen<br />

und Projekte vor, die sich<br />

darum bemühen, der neuen Vielfalt in der<br />

Gesellschaft gerecht zu werden.<br />

Besondere Kompetenz:<br />

sprachKenntnisse<br />

Die meisten einheimischen Vereine beschäftigen<br />

sich erst seit kurzem mit der<br />

Frage, wie sie die große Gruppe der Zuwanderer<br />

ansprechen können. Das bestätigt<br />

Elia Meier, Integrationsbeauftragte<br />

des Samariterbunds: „Das Thema spielt<br />

bei uns seit drei oder vier Jahren verstärkt<br />

eine Rolle. Das Bewusstsein ist gestiegen.“<br />

Dabei brächten Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund<br />

zahlreiche sprachliche<br />

und kulturelle Kompetenzen mit: „Wir<br />

haben schließlich auch unter unseren<br />

Klienten viele mit Migrationshintergrund.<br />

Gerade die Älteren tun sich oft schwer damit,<br />

Deutsch zu sprechen. Sie freuen sich<br />

darüber, wenn sie mit der Sanitäterin in<br />

der Muttersprache sprechen können.“<br />

InFo<br />

Warum<br />

migranten sich<br />

engagieren<br />

Helfen tut gut: Das gilt laut<br />

Freiwilligenbericht (siehe S. 20)<br />

für alle Menschen unabhängig<br />

von der Herkunft. So gut wie alle<br />

Freiwilligen, ob mit österreichischen<br />

oder ausländischen Wurzeln,<br />

nennen als ein Hauptmotiv<br />

für ihr Engagement das Bedürfnis,<br />

andere zu unterstützen. Vor allem<br />

unter Migranten stark ausgeprägt<br />

ist hingegen der Wunsch, neue<br />

Kontakte und Freundschaften<br />

zu gewinnen: 96 Prozent der türkischstämmigen<br />

und 82 Prozent<br />

der in Ex-Jugoslawien geborenen<br />

Freiwilligen nennen dieses Motiv.<br />

Auch das Streben nach gesellschaftlicher<br />

Anerkennung treibt<br />

vier Fünftel der Migranten mit<br />

türkischer und zwei Drittel jener<br />

mit ex-jugoslawischer Herkunft<br />

an. Umgekehrt nennen Zuwanderer<br />

seltener als Einheimische<br />

den Antrieb, als Ehrenamtliche<br />

Lebenserfahrung sammeln oder<br />

schlicht Spaß haben zu wollen.<br />

FOTOS: www.weinFranz.aT<br />

Schüler zum mitmachen motivieren<br />

Wie Vereine dieses Potenzial stärker nützen<br />

können? „Sie sollten vor allem auf die<br />

Schulen zurückgreifen“, sagt Freizeitforscher<br />

Peter Zellmann, „Vereine könnten<br />

sich vorstellen kommen und die Schüler<br />

so zum Mitmachen motivieren.“ So wären<br />

auch jene Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

erreichbar, in deren Familien<br />

ehrenamtliches Engagement bislang wenig<br />

üblich sei. Auch Soziologe Kenan<br />

Güngör sieht die Schule als idealen Ort,<br />

um Hemmschwellen abzubauen. Jugendliche<br />

Migranten seien die am besten erreichbare<br />

Zielgruppe: „In der zweiten und<br />

dritten Generation haben schon deutlich<br />

mehr Leute das Gefühl, dass die etablierten<br />

Vereine auch ‚ihre‘ Vereine sind.“<br />

„ich habe hier viel gelernt“<br />

Sanitäter Paul Yulu ist längst in „seinem“<br />

Verein, dem Samariterbund, verwurzelt.<br />

„Ich habe hier viel gelernt“, erzählt er<br />

nach Spielende, während die Zuschauer<br />

wieder aus dem Stadion strömen, „ich<br />

weiß jetzt, wie man mit Menschen in einer<br />

Notlage spricht, sie in einer Schocksituation<br />

beruhigt.“ Der freiwillige Arbeitstag ist<br />

für ihn auch nach dem Abpfiff noch nicht<br />

zu Ende: „Unser Job ist erst erledigt, wenn<br />

alle Fans weg sind – denn passieren kann<br />

bis zum letzten Moment etwas. Danach<br />

gibt es noch eine Nachbesprechung.“ Insgesamt<br />

sei er bei einem größeren Spiel<br />

vier bis fünf Stunden im Einsatz.<br />

engagement alS Wert<br />

Was zeichnet diese Menschen, die ihre<br />

Sonntagnachmittage für unbezahlte Arbeit<br />

opfern, aus? „Eine gewisse Selbstdisziplin<br />

ist natürlich nötig“, antwortet Yulu<br />

und lächelt, „aber wenn man gerne hilft,<br />

braucht’s dafür keine Überwindung.“ Im<br />

Moment habe er weniger Zeit als früher,<br />

da er gerade sein Studium abschließe.<br />

„Engagement ist auch von den Lebensumständen<br />

abhängig“, sagt der angehende<br />

Jurist. Dem schließen sich die Experten<br />

an: „Die Menschen müssen sich<br />

wohlfühlen und ihre Grundbedürfnisse<br />

müssen gedeckt sein, damit sie sich in die<br />

Gesellschaft einbringen können und wollen“,<br />

meint Kenan Güngör. „Wenn ich<br />

gerne in einem Land lebe, bin ich auch<br />

bereit, mich zu<br />

engagieren“, ergänzt<br />

Peter Zellmann.<br />

Ehrenamtliche<br />

Arbeit stelle<br />

einen Wert an sich<br />

dar:<br />

Schließlich trage<br />

sie dazu bei, dem<br />

eigenen Leben einen<br />

Sinn zu geben.<br />

Ob Paul Yulu<br />

das ebenfalls so<br />

sieht? „Klar“, sagt<br />

der ehrenamtliche<br />

Sanitäter, „ich fühle<br />

mich ja selber auch<br />

gut, wenn ich jemandem<br />

geholfen<br />

habe.“<br />

Selbstdisziplin<br />

ist natürlich<br />

nötig. Aber<br />

wenn man gerne<br />

hilft, braucht’s<br />

dafür keine<br />

Überwindung.<br />

Paul Yulu, Sanitäter<br />

Kennen Sie das, wenn ein<br />

Handwerker einem Professor eine<br />

Anweisung erteilt? Haben Sie<br />

schon einmal gehört, wenn ein<br />

Arbeiter zu einem Arzt sagt, er soll<br />

die C-Schlauch-Spritze holen? Wer<br />

das kennt, gehört zu jenen mehr<br />

als vierzig Prozent der Bevölkerung,<br />

die als Freiwillige tätig sind.<br />

In Kultur- wie in Sportvereinen,<br />

in kirchlichen oder religiösen<br />

Organisationen wie in einem der<br />

Hilfsdienste, die bei Katastrophen<br />

bereitstehen. Der Wert freiwilligen<br />

Engagements für die Integration<br />

kann nicht hoch genug eingeschätzt<br />

werden. Warum? Weil die Mitglieder<br />

in den tausenden Vereinen<br />

tätig sind, um Freunde zu treffen,<br />

um Menschen zu helfen, um Erfahrungen<br />

zu teilen und um Nutzen<br />

zu stiften. Das bestätigen Untersuchungen,<br />

wie das Sozialministerium<br />

zum Europäischen Freiwilligenjahr<br />

2011 berichtete.<br />

Wesentlich dabei ist: Freiwillige<br />

erleben mit anderen Menschen die<br />

gemeinsam gestalteten Werte. Ihre<br />

gemeinsame Tätigkeit fördert vertrauensvolle<br />

Beziehungen. Genau<br />

darum geht es: um Kontakt, Beziehung,<br />

Vertrauen. Und darum, mögliche<br />

Unterschiede der Herkunft,<br />

der Religion oder des sozialen<br />

Status für eine gemeinsame Sache<br />

aufzuheben. Daher führen in manchen<br />

Musikvereinen die Handwerker<br />

den Taktstock. Daher kann ein Arbeiter<br />

als Feuerwehr-Hauptmann<br />

einem sonst als Mediziner tätigen<br />

Feuerwehrmann sagen, was er zu<br />

tun hat. Wir Menschen sind nicht<br />

gleichartig, aber jedenfalls gleichwertig.<br />

Das zeigt sich im freiwilligen<br />

Engagement. Und es fördert die<br />

Integration.<br />

010 <strong>Zusammen</strong>:<strong>Österreich</strong><br />

<strong>Zusammen</strong>:<strong>Österreich</strong> 011

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