13.01.2014 Aufrufe

HROLIVE - HRO·LIFE - Das Magazin für die Hansestadt Rostock

HROLIVE - HRO·LIFE - Das Magazin für die Hansestadt Rostock

HROLIVE - HRO·LIFE - Das Magazin für die Hansestadt Rostock

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

22<br />

serie<br />

dezember 2008 • Ausgabe 11<br />

Hinter <strong>Rostock</strong>er Fassaden (11)<br />

<strong>Das</strong> Sudhaus der<br />

Voss’schen Brauerei<br />

Wer kennt das nicht: Man ist an einem schönen<br />

Haus schon hundertmal vorbeigegangen, hat<br />

vielleicht auch ab und an bewundernd den Blick<br />

über das Bauwerk schweifen lassen. Aber was<br />

genau sich hinter den Mauern verbirgt, welche<br />

Geschichten sie erzählen könnten, davon weiß<br />

man rein gar nichts. In <strong>die</strong>ser Serie wollen wir<br />

Ihnen einige Türen öffnen und Sie einladen, mit<br />

uns hinter Fassaden zu blicken. Teil 11 führt in<br />

das einstige Sudhaus der Voss´schen Brauerei.<br />

<strong>Das</strong> Zuhause der Familie Matthäus ist von der<br />

Straße aus fast nicht zu sehen. Mancher Spaziergänger<br />

betrachtet fasziniert <strong>die</strong> Fassade des<br />

historischen Kornspeichers, der vorn an der<br />

Wollenweberstraße 62 steht. Nur wer den alten<br />

Backsteinschlot entdeckt, der darüber hinaus<br />

ragt, ahnt, dass sich dahinter ein Stück Industriegeschichte<br />

verbirgt: das einstige Sudhaus<br />

der Voss´schen Brauerei.<br />

Genau wie der Rest des<br />

Ensembles, war auch das<br />

Sudhaus noch 2004 eine<br />

einsturzgefährdete Ruine.<br />

15 Jahre lang hatten <strong>die</strong><br />

Gebäude leergestanden.<br />

Immer wieder waren interessierte<br />

Investoren aufgetaucht,<br />

immer wieder<br />

waren sie nach näherer Betrachtung<br />

der Bausubstanz<br />

doch verschwunden. Erst Torsten Matthäus,<br />

seines Zeichens Planungsingenieur, Bausachverständiger<br />

und unabhängiger Bauherrenberater,<br />

nahm sich schließlich des Denkmals<br />

an. Den Kornspeicher aus dem Jahr 1730 sowie<br />

den 1930 dazu gekommenen Anbau auf dem<br />

Hof sanierte der Warnemünder, um <strong>die</strong> Fläche<br />

anschließend als Büros zu vermieten bzw. als<br />

Wohnungen zu verkaufen. <strong>Das</strong> Herz der 1679<br />

Die Voss´sche Brauerei wurde im Jahre 1679<br />

gegründet und bis ins Jahr 1922 von den<br />

nachfolgenden Generationen geführt. Um<br />

wachsenden Konkurrenzdruck zu kompensieren,<br />

spezialisierte sich das Unternehmen<br />

auf <strong>die</strong> Produktion von Weißbier, Malzbier<br />

und Karamell. Dennoch wurde es schließlich<br />

von der Brauerei Mahn & Ohlerich,<br />

der heutigen Hanseatischen Brauerei <strong>Rostock</strong>,<br />

übernommen und kurz darauf an den<br />

Kaufmann Claus Schelten verkauft. Später<br />

wurden <strong>die</strong> Gebäude teils als Lagerraum der<br />

HO, teils für den Keramikhandel der Familie<br />

Koeppen genutzt.<br />

gegründeten Voss´schen Brauerei dagegen bezog<br />

er selbst mit seiner Familie.<br />

Wer durch das zweiflügelige Holztor unterm<br />

Kornspeicher hindurch auf den kopfsteingepflasterten<br />

Innenhof kommt, der muss erst<br />

einmal einige Außentreppen zum Sudhaus<br />

hinaufsteigen. Es steht auf den Kellergewölben<br />

des benachbarten, aber dennoch deutlich höher<br />

gelegenen Stammhauses der Brauerei Am<br />

Wendländer Schilde 7, <strong>die</strong> bis in <strong>die</strong>ses Grundstück<br />

hineinragen.<br />

Torsten Matthäus lebt mit seiner Familie im einstigen Sudhaus<br />

<strong>Das</strong> Tonnengewölbe im unteren Bereich des<br />

Sudhauses hat sich Torsten Matthäus als Planungsbüro<br />

eingerichtet. Er mag den Gedanken,<br />

dass jeder Stein, der ihn umgibt, Geschichten<br />

erzählen könnte - von jener Zeit zum Beispiel,<br />

als hier noch Braumeister aus geschrotenem<br />

Malz, Wasser und Maische ihre Bierwürze gekocht<br />

haben. Und seine Frau Astrid versichert:<br />

„In eine Neubauwohnung würde ich heute<br />

nicht mehr einziehen. Nichts als viereckige<br />

Räume ohne Atmosphäre...“ Die Radiologin<br />

winkt ab.<br />

Zur Wohnung, in der <strong>die</strong> beiden gemeinsam<br />

mit ihren beiden Söhnen zuhause sind, geht<br />

es eine Metalltreppe hinauf, direkt an jenem<br />

Schornstein entlang, den man schon von der<br />

Straße aus sieht. Während das Sudhaus möglicherweise<br />

um 1800, vielleicht sogar früher gebaut<br />

wurde, stammt der Schlot aus dem Jahre<br />

1916. Noch immer prangt an seinem Fuße das<br />

Schild der Firma A. Eggert aus Wismar, <strong>die</strong><br />

den einst 30 Meter hohen Bau errichtete.<br />

Oben, im ersten Wohngeschoss, schlägt das<br />

heutige Herz des Hauses: <strong>die</strong> 16 Quadratmeter<br />

große Küche. Weiß getünchte Wände auf der<br />

einen Seite, rohe blassrote Ziegel auf der anderen.<br />

Mit Grauen erinnern sich <strong>die</strong> beiden an<br />

<strong>die</strong> mühsame Arbeit, <strong>die</strong> notwendig war, um<br />

das Mauerwerk freizulegen. Und noch heute<br />

sieht man ihnen das Entsetzen an, das sie<br />

ergriff, als ein Maler <strong>die</strong> schönen Backsteine<br />

plötzlich entgegen aller Vereinbarungen wieder<br />

übergeschlemmt hatte.<br />

Weiter geht’s <strong>die</strong> Holzstufen hinauf direkt<br />

ins Wohnzimmer. Vom einstigen Innenleben<br />

des Sudhauses ist nur noch wenig geblieben.<br />

Sämtliche Zwischendecken sind abgebrochen<br />

und neu eingezogen worden. Insbesondere <strong>die</strong><br />

vorderen, knapp drei Meter hohen Räume sind<br />

dabei über drei Etagen vollkommen offen.<br />

Torsten Matthäus zeigt auf den Kaminofen neben<br />

dem Sofa und schmunzelt: „Der ist leider<br />

doch ein bisschen zu klein ausgefallen.“<br />

Er führt weiter durch Kinderzimmer, Schlafzimmer<br />

und Bad. Dabei weist er kurz auf <strong>die</strong><br />

Fenster zum nur<br />

knapp vier Meter<br />

entfernten alten<br />

Nachbarhaus und<br />

ärgert sich: „Weil<br />

<strong>die</strong> Gebäude so<br />

dicht beieinander<br />

stehen, mussten<br />

wir über 15 000<br />

Euro in Brandschutzverglasung<br />

investieren.“<br />

Ganz oben, direkt über dem Wohnzimmer,<br />

gibt es schließlich noch eine Etage:<br />

ein Kreuzgewölbe, unter dem gerade mal<br />

eine kleine Sitzecke Platz findet. An alten<br />

Zugankern, <strong>die</strong> hier erhalten blieben, baumelt<br />

einladend eine bunte Hängematte. Wer<br />

darin liegt, kann ganz entspannt durch ein<br />

gut anderthalb Meter großes, rundes Loch in<br />

den Himmel sehen. Torsten Matthäus erklärt:<br />

„Hier stand ursprünglich der Schornstein des<br />

Sudhauses drauf.“<br />

Ein Stück <strong>Rostock</strong>er Industriegeschichte, in<br />

dem es sich offenbar gut leben lässt.<br />

Fotos: Katja Bülow, André Illing<br />

HRO LIVE

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!