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Mai 2013 - Falkensee - Falkenseer Stadtjournal

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Stadtgeschehen<br />

„Das einzige, was er noch<br />

besitzt, ist seine Ehre.“<br />

Der Mann auf der anderen Seite des Tisches guckt ernst, in seinen braunen<br />

Augen stehen immer wieder für Sekunden Tränen. Seine Wangen oberhalb<br />

des Kinnbartes sind schlecht rasiert, die Kleidung leicht zerknittert, der<br />

schlichte Tisch, an dem er sitzt, steht in der Haftanstalt Moabit. Der Mann<br />

ist der ehemalige Rechtsanwalt aus <strong>Falkensee</strong>, Marcel Eupen. Er sitzt<br />

weiterhin in Untersuchungshaft (Das Stadt-Journal berichtete) und hat an<br />

diesem Tag einen seiner zwei Termine im Monat, an dem er Besuch<br />

empfangen darf. Unter den Besuchern Roswitha Schiefelbein, Marcel<br />

Eupens Freundin. Sie trägt den gleichen Ring, wie er ihn während des<br />

Gesprächs immer wieder im Uhrzeigersinn an seinem Ringfinger dreht.<br />

„Ich melde Dich als meinen Partner in den nächsten Tagen offiziell bei mir<br />

an“, sagt sie und wedelt mit seinem Personalausweis, den sie Minuten<br />

vorher von der Haftanstalt ausgehändigt bekommen hat.<br />

Marcel Eupen (Mitte) im Landgericht<br />

mit seinen Anwälten Marianne Zagajewski<br />

und Karsten Beckmann.<br />

Foto: bvs<br />

Marcel Eupen berichtet aus seinem Alltag:<br />

„Ich bin jetzt in der Kleiderausgabe“,<br />

sagt er. Er ist im Haus 3 untergebracht<br />

und darf sich dort bis auf kurze<br />

Zeiten am Tag frei bewegen. In seiner<br />

Zelle stehen ein Mietfernseher und prall<br />

gefüllte Aktenordner: „Ich arbeite jeden<br />

Tag an meiner Verteidigung“.<br />

Der frühere Rechtsanwalt wohnte in<br />

<strong>Falkensee</strong> - bis er am 18. Juli vergangenen<br />

Sommers morgens um 7.30 Uhr<br />

verhaftet und seine Mietwohnung<br />

durchsucht wurde. Wegen Verdachtes<br />

auf Mitarbeit in organisierter Kriminalität:<br />

Er soll einer Bande von Immobilienbetrügern<br />

angehört haben, Menschen,<br />

die ahnungslosen Bürgern sogenannte<br />

Schrottimmobilien andrehten und dafür<br />

überteuerte Preise aufriefen. Damit<br />

Banken das Geld auszahlten, musste<br />

ein Notar diese verbindlichen Kaufangebote<br />

beurkunden. Einer der Notare,<br />

die für diese Ganoven arbeiteten, war<br />

Marcel Eupen. „Mitternachtsnotare“<br />

heißen die Notare in der Branche, weil<br />

sie viele Beurkundungen außerhalb der<br />

üblichen Bürozeiten und am Wochenende<br />

vornehmen. „Ich bin Dienstleister“,<br />

begründete Eupen bei Prozessbeginn,<br />

„ich wusste lange Zeit nicht, was<br />

die taten und ich war deren Werkzeug.“<br />

Warum er nicht - wie ein anderer Notar<br />

- sofort die Tätigkeit für Kai-Uwe Klug<br />

einstellte als er irgendwann stutztig<br />

wurde - das fragt er sich heute selbst...<br />

Die Betrügereien wurden aufgedeckt,<br />

den Beteiligten der Prozess gemacht.<br />

Kai-Uwe Klug war ihr Anführer, er wurde<br />

im Juni 2012 zu fünf Jahren Gefängnis<br />

verurteilt; sein Urteil fiel offenbar<br />

vergleichsweise milde aus, weil er in<br />

vollem Umfang geständig war und weil<br />

er wohl einen Deal mit der Staatsanwaltschaft<br />

gemacht haben soll, der unter<br />

anderem beinhalteten könnte, auch<br />

gegen den ehemaligen Notar Eupen<br />

auszusagen.<br />

Das jedenfalls versuchte Eupens Verteidigung<br />

in einem der Prozesstage aus<br />

Kai-Uwe Klug heraus zu locken. Aber<br />

dessen Nachname ist Programm: So<br />

großspurig der Zeuge der Anklage vor<br />

Gericht erklärte, wie er hunderte Menschen<br />

übers Ohr gehauen und wie pfiffig<br />

er seine Betrügergeschäfte organisiert<br />

habe, so schlau wich er allen Fragen<br />

in diese Richtung aus. „Er war unglaubwürdig<br />

und unsympathisch“, sagt<br />

Roswitha Schiefelbein, die bisher jeden<br />

Prozesstag besucht hat. Als ähnlich unglaubwürdig<br />

bewertet sie auch die bisherigen<br />

Aussagen von Kluges Mitarbeitern:<br />

„Die haben sicherlich Marcels<br />

Dienste genutzt, aber eine Art vertragliche<br />

Zusammenarbeit gab es nicht“, erzählt<br />

sie. Und auch Karsten Beckmann,<br />

Eupens Verteidiger, ist vorsichtig optimistisch:<br />

„Bisher hat es keine Aussage<br />

gegeben, die eine mögliche Bandenabrede<br />

bestätigt hat“.<br />

Das Gericht scheint das nicht so zu sehen.<br />

Der Versuch der Verteidigung, in<br />

den kommenden Sommermonaten mit<br />

weniger Verhandlungstagen eine Haftverschonung<br />

für Marcel Eupen zu erreichen,<br />

wurde Mitte April abgelehnt. „Sie<br />

haben 35 Minuten darüber diskutiert“,<br />

erzählt Marcel Eupen bei dem Besuchstermin<br />

mit einem zaghaften Hoffnungsschimmer<br />

in den Augen, „allein<br />

die Länge der Diskussion werte ich<br />

schon positiv“, sagt er - fast ein wenig<br />

stolz.<br />

Dennoch, am Ende entschied das Gericht<br />

auf Verbleib in der Untersuchungshaft<br />

– wegen fehlender sozialer Kontakte.<br />

Es bestehe das Risiko, dass er<br />

sich einer Verurteilung durch Flucht<br />

entziehen würde und es gäbe weiterhin<br />

keinen sozialen Grund, der ihn daran<br />

hindere. Als ob ein verheirateter Mann<br />

nicht ebenso fliehen könnte und als ob<br />

eine Freundin nicht auch eine Art sozialer<br />

bindender Kontakt wäre. Abgesehen<br />

von den mehr als 600 Briefen, die<br />

er von Freunden und Bekannten in der<br />

U-Haft erhalten und beantwortet habe<br />

und abgesehen von seit Monaten ausgefüllten<br />

Besuchsterminen…<br />

„Marcel Eupen hat nichts mehr außer<br />

seiner Ehre und die will er verteidigen“,<br />

schildert Verteidiger Karsten Beckmann<br />

und fügt hinzu: „Wenn er jetzt<br />

weglaufen würde, würde er die auch<br />

noch verlieren.“ Mehr ist Eupen wahrlich<br />

nicht geblieben: Nach seiner Verhaftung<br />

hat er Insolvenz angemeldet,<br />

seine Kanzlei in Schöneberg wurde geschlossen<br />

und liquidiert, die Mitarbeiter<br />

entlassen. Die Zulassung als Rechtsanwalt<br />

und Notar hat er freiwillig zurück<br />

gegeben, einen festen Wohnsitz hatte<br />

er bis vor wenigen Tagen nicht mehr.<br />

Ehrenämter wie den Aufsichtsratsvorsitz<br />

in der kommunalen <strong>Falkensee</strong>r<br />

Wohnungsbaugesellschaft Gegefa wurden<br />

gekündigt.<br />

Nur seine Katze ist ihm geblieben; die<br />

lebt bei der Freundin in Spandau.<br />

„Wenn ich entlassen werde, dann könnte<br />

es gut passieren, dass ich zwei Stunden<br />

auf dem Boden sitze und die Mieze<br />

kraule“, sagt er leise im Besucherzentrum.<br />

Diese Vorstellung dürfte aber sich<br />

noch nicht so bald realisieren: Das Gericht<br />

hat das Verfahren gerade auf 29<br />

Prozesstage verlängert, voraussichtliches<br />

Ende: Mitte September.<br />

„Das Gericht möchte noch mehr Zeugen<br />

hören, um sich ein möglichst objektives<br />

Bild von dem Fall zu machen“,<br />

sagt Karsten Beckmann.<br />

bvs<br />

16 FALKENSEER STADT - JOURNAL 5/<strong>2013</strong>

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