jüdisches leben in bayern - Landesverband der Israelitischen ...
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Im Jahr 1689 allerd<strong>in</strong>gs lassen sich m<strong>in</strong>destens<br />
sechs jüdische Familien im nunmehr Haanschen<br />
Freihof nachweisen: Götz und se<strong>in</strong>e<br />
Ehefrau Rachel, Nathan und Rifka, des alten<br />
Aron Söhne, <strong>der</strong>en Schutz auf e<strong>in</strong>en Schwiegersohn<br />
Arons überg<strong>in</strong>g, Mendel und se<strong>in</strong>e<br />
Frau H<strong>in</strong>del sowie Aron und se<strong>in</strong>e Gatt<strong>in</strong> Jendele,<br />
die pro Jahr „zwehn Gulden fraenkisch<br />
Gülten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de vor wasser und weidt zahlen“.<br />
[Michel, S. 46]<br />
Die Dissertation von<br />
Thomas Michel von 1988<br />
Dass wir aus dem örtlichen Geme<strong>in</strong>dearchiv<br />
solch ausführliche Informationen besitzen, ist<br />
dem Gaukönigshöfer Thomas Michel1 zu verdanken,<br />
<strong>der</strong> als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> ersten <strong>in</strong> Unterfranken<br />
nach dem Krieg die Geschichte e<strong>in</strong>er hiesigen<br />
Kehilla erforscht hat, dabei neben den lokalen<br />
Archiven auch noch mit über<strong>leben</strong>de Gaukönigshöfer<br />
Juden sprechen und korrespondieren konnte<br />
und als E<strong>in</strong>heimischer auch an<strong>der</strong>e persönliche<br />
Quellen zur Verfügung hatte, die e<strong>in</strong>em Auswärtigen<br />
noch vor 25 Jahren verschlossen gewesen<br />
waren.<br />
Hierzu muss allerd<strong>in</strong>gs noch gesagt werden, dass<br />
<strong>in</strong> Gaukönigshofen vor und während <strong>der</strong> Nazi-<br />
Jahre, wie wir noch sehen werden, e<strong>in</strong> gutes Verhältnisse<br />
zwischen Juden und vielen Christen bestand.<br />
Somit ist dieses 1988 <strong>in</strong> Wiesbaden publizierte,<br />
über 700 Seiten umfassende Werk, neben me<strong>in</strong>en<br />
eigenen Forschungen im Staatsarchiv Würzburg,<br />
im Synagogenarchiv Kitz<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong> Entdeckung<br />
<strong>der</strong> Liste des jüdischen Friedhofs des benachbarten<br />
Allersheim, woh<strong>in</strong> die Gaukönigshöfer Juden<br />
beerdigten, im Leo-Baeck-Institut <strong>in</strong> New York,<br />
Forschungen zur Familie von Hirsch auf Gereuth<br />
und neueren Publikationen wie dem Rabb<strong>in</strong>erhandbuch,<br />
die hauptsächliche Grundlage dieses<br />
kle<strong>in</strong>en Aufsatzes. Ich werde also im folgenden<br />
bei Erwähnungen aus <strong>der</strong> Michelschen Dissertation<br />
den Namen „Michel“ und die zugehörige<br />
Seitenzahl angeben, wo sich weitere Angaben<br />
über die Prov<strong>in</strong>ienz des Zitierten f<strong>in</strong>den werden.<br />
Streit von Anfang an<br />
Die renovierte Synagogengedenkstätte von Gaukönighofen.<br />
Die Echterschen Behörden haben, nachdem<br />
es ihnen nicht gelang, die Juden aus den ritterschaftlichen<br />
Gütern zu vertreiben, auf e<strong>in</strong>em<br />
an<strong>der</strong>en Weg versucht, die jüdische Bevölkerung<br />
zu schädigen. Sie versuchten um<br />
das Jahr 1574 die e<strong>in</strong>heimischen Juden von<br />
<strong>der</strong> Benutzung <strong>der</strong> für sie als Viehhändler <strong>leben</strong>snotwendigen<br />
Benutzung von Wald, Wasser<br />
und Weide auszuschließen. Michel bezieht<br />
sich hierbei auf e<strong>in</strong>e fragwürdige Abhandlung<br />
aus dem Jahr 1938, die sicherlich ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />
Betrachtung <strong>der</strong> Materie zur<br />
Grundlage hatte, wobei das oben erwähnte<br />
Faktum wahrsche<strong>in</strong>lich aber <strong>der</strong> Wahrheit<br />
entspricht.<br />
Auch hun<strong>der</strong>t Jahre später gab es <strong>in</strong> den Jahren<br />
1688 und 1689 immer noch diese Probleme,<br />
die sich durch die Geschichte <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />
ziehen: Sei es <strong>der</strong> Fleischverkauf des<br />
für Juden verbotenen H<strong>in</strong>terviertels am R<strong>in</strong>d<br />
an die christlichen Nachbarn o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um<br />
<strong>der</strong> Streit um „Wasser und Weydth“, wie dann<br />
nochmals 1773 den nunmehr Rosenbachschen<br />
Schutzjuden des Freihofs We<strong>in</strong>-, Ste<strong>in</strong>bruchund<br />
Brunnenwassergenuß streitig gemacht<br />
wurde. In diesem Zusammenhang schreibt<br />
J. B. Graser im Jahr 1828 über die Wohnverhältnisse<br />
<strong>der</strong> Juden auf dem Lande, die sich <strong>in</strong><br />
Gaukönigshofen – sicherlich etwas abgemil<strong>der</strong>t<br />
– heute noch nachempf<strong>in</strong>den lassen:<br />
„Dehnt erst aus den Blick auf die Wohnplätze<br />
dieser Unglücklichen <strong>in</strong> den Dörfern, schaut sie<br />
an, die erbärmlichen Hütten und Ställe, <strong>in</strong> welchen<br />
zahlreiche Haufen ihr Obdach, nur von<br />
Frost und Witterung den unbequemsten Schutz<br />
f<strong>in</strong>den.“ [Michel, S. 51]<br />
Nach <strong>der</strong> Vertreibung unter Julius Echter, die<br />
nur zum Teil die erwünschte Wirkung zeigte,<br />
ließen Echters Nachfolger wie<strong>der</strong> Juden <strong>in</strong><br />
das Hochstift, hatten doch die <strong>in</strong> den Rittergütern<br />
<strong>der</strong> Region Ansässigen weiterh<strong>in</strong> mit<br />
hochstiftischen Untertanen ihre Geschäfte getätigt,<br />
so dass 1621, fünfzig Jahre nach <strong>der</strong><br />
Vertreibung, zu Beg<strong>in</strong>n des Großen Krieges<br />
wie<strong>der</strong> 39 jüdische Familien im Hochstift<br />
Schutz gefunden haben.<br />
Auch <strong>in</strong> Gaukönigshofen wurden wenige Jahre<br />
später im Jahr 1636 mit <strong>der</strong> Familie des<br />
Moses die ersten Juden unter hochstiftischen<br />
Schutz genommen, so dass von nun an die<br />
jüdische Geme<strong>in</strong>de aus den Familien im Freihof<br />
und denen unter hochstiftischem Schutz<br />
bestand, was die Verhältnisse nicht e<strong>in</strong>facher<br />
machte, waren doch e<strong>in</strong>erseits verschiedene<br />
Gesetze, Vorschriften und Auflagen zu beachten,<br />
an<strong>der</strong>erseits sollte sich e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
jüdisches Geme<strong>in</strong>de<strong>leben</strong> entwickeln, das über<br />
die verschiedenen herrschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
h<strong>in</strong>aus auf e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Grundlage<br />
funktionieren sollte.<br />
Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er jüdischen Geme<strong>in</strong>de<br />
Wir können davon ausgehen, dass sich erst<br />
nach dem Dreißigjährigen Krieg e<strong>in</strong>e veritable<br />
jüdische Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Gaukönigshofen etabliert<br />
hat, die aus den wenigen hochstiftischen<br />
Juden [e<strong>in</strong>e bis drei Familien], <strong>der</strong>en Anzahl<br />
sich erst zu Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, vor<br />
allem durch die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie Hirsch<br />
auf sieben Familien erhöhte, und den bis<br />
Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf dreizehn Familien<br />
angewachsenen Rosenbachschen Schutzjuden,<br />
die im Freihof wohnten, bestand.<br />
Die Freihofschen Juden waren nach Michel<br />
zwar nicht zu Abgaben an das Hochstift und<br />
die politische Geme<strong>in</strong>de Gaukönigshofen verpflichtet,<br />
doch mussten sie für Wasser und<br />
Weide zahlen, was, wie schon erwähnt, immer<br />
wie<strong>der</strong> zu Problemen und Streitereien führte.<br />
Von nun an besaß die Geme<strong>in</strong>de sicherlich<br />
alle notwendigen E<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong>er Kehilla<br />
wie Synagoge bzw. Betsaal und Mikwe. Der<br />
Jüdisches Leben <strong>in</strong> Bayern · Nr. 123/2013 27