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V e r b i n d u n g s s z e n e<br />

Pogo im Bullerjahn<br />

Statt sich um die Rettung ihres angekratzten Images zu bemühen,<br />

tut die Göttinger Verbindungsszene das, was sie am<br />

besten kann: Bier trinken und singen.<br />

A n t i f o l k<br />

Social Studies with a Twist<br />

Musikalische Szenarien voller Wortwitz: Die tolle neufundländische<br />

Band The Burning Hell spielt in Göttingen.<br />

Manuel Schaper<br />

Die Verbindungsszene hat ein Imageproblem, und zwar zu recht. Immer<br />

wieder machten in den letzten zwei Jahren Vorgänge in der Deutschen<br />

Burschenschaft negative Schlagzeilen. Dass es aber auch abseits von Totalausfällen<br />

wie der rassistischen Diskussion um den „Ariernachweis“ <strong>als</strong> Mitgliedschaftsbedingung<br />

einiges an Studentenverbindungen zu kritisieren gibt,<br />

darauf weisen insbesondere linke Kreise immer wieder hin: Sexistisches und<br />

nationalistisches Weltbild gehen bei diesen Männerbünden mit antiquiertem<br />

Elitedünkel einher. Zuletzt lud die Göttinger Gruppe Sub*Way zu einem kritischen<br />

Stadtrundgang zu den Göttinger Verbindungshäusern, um die öffentliche<br />

Wahrnehmung für diese Dinge zu sensibiliseren.<br />

Nach wie vor aber erscheinen die Studentenverbindungen in der lokalen<br />

Berichterstattung regelmäßig schlicht <strong>als</strong> traditionsbewusste Vereine junger<br />

Gesellen, die gerne mal zusammen ein Bier trinken und dabei Lieder anstimmen.<br />

So erfuhr man beispielsweise aus dem „Göttinger Tageblatt“ über die<br />

Bemühungen, den „Bullerjahn“ wiederzubeleben, ein wöchentliches Szenetreffen<br />

im Bullerjahn, das bis in die 70er Jahre mit dreistelligen Teilnehmerzahlen<br />

stattfand – und zwar wöchentlich.<br />

Nun kann man dem „Göttinger Tageblatt“ nicht ernsthaft vorhalten, dass<br />

es über solche lokalen Ereignisse berichtet, ohne auf ideologische Verbindungslinien<br />

der Schärpenträger hinzuweisen. Tatsächlich erlangt man sogar<br />

wertvolle Einblicke in die mysteriöse Halbwelt des Verbindungswesens à<br />

la: „Je weiter der Abend fortschritt, je mehr Bier floss, desto lauter war der<br />

Gesang, desto mehr Angetrunkene mussten zu ihren Plätzen begleitet werden,<br />

desto häufiger mussten die Alten die Jungen maßregeln.“ Wer hätte<br />

gedacht, dass es auf dem Bullerjahn fast wie auf einem Punkkonzert zugeht?<br />

Wenn man nicht wüsste, wo sie politisch stehen bzw. torkeln – man könnte<br />

in Anbetracht solcher Bilder fast Sympathien für die Verbinder entwickeln.<br />

Aber eben nur fast.<br />

The Burning Hell spielen am<br />

18.12. um 20:00 Uhr im Heimathafen<br />

im Pools. Das Album<br />

„People“ ist bei BB*Island/Cargo<br />

erschienen.<br />

Markus von Schwerin<br />

„Denn das Beste im Leben sind leider immer noch die Menschen“, sang Max<br />

Goldt vor zwanzig Jahren in einem der schönsten Songs von Foyer des Arts.<br />

Ob Matthias Kom, Kopf der neufundländischen Band The Burning Hell, während<br />

seiner zahlreichen Deutschlandaufenthalte diesen „Ratschlag eines reformierten<br />

Herren“ vernommen hat, ist nicht belegt, doch die empathischschonungslose<br />

Art, mit der er auf „People“, dem jüngsten Album seiner<br />

Band, die unterschiedlichsten Charaktere zeichnet, hat manches mit den Sittenstudien<br />

des Berliner Humoristen gemein.<br />

Ob es um die Postkarte eines Schulfreundes geht, der ihn voller Vaterstolz<br />

zu einer Familienfeier locken möchte („Grown-Ups“), um die Nöte eines verklemmten<br />

Kavaliers („Wallflower“) oder um den Nutzen buddhistischer Praktiken<br />

im Umgang mit Türstehern in Toronto („Realists“) – die Szenarien des<br />

bärtigen Ukulele-Spielers sind voller Wortwitz und Situationskomik. Qualitäten,<br />

die im Antifolk seit jeher eine entscheidende Rolle spielen. Doch nur wenigen<br />

glückt es so elegant wie Matthias Kom, dabei das richtige musikalische<br />

Kleid für seine Suaden zu finden.<br />

Während er sich bisher vor allem an der Music-Hall-Tradition orientierte,<br />

kommt auf „People“ nun auch Koms Vorliebe für Fuzz-Gitarren und krautrockige<br />

4/4-Takte zum Zuge, die an Smog und Pavement denken lassen. Oder<br />

an den Berliner Horror Me, dessen „Barcade Song“ schon beim 2011er The-<br />

Burning-Hell-Konzert im Apex auf der Setlist stand. Dam<strong>als</strong> präsentierten<br />

sich die Kanadier <strong>als</strong> Sextett mit Bläsersektion und Violine, nun kommt Kom<br />

mit der Klarinettistin und Co-Sängerin Ariel Sharratt für ein Duokonzert in<br />

den Heimathafen im Pools. Wie bei seinem letztem Göttinger Abstecher mit<br />

dem Seitenprojekt Spring Breakup (<strong>als</strong> Vorprogramm für die befreundete Susie<br />

Asado) werden dann wohl die leisen Töne dominieren. Dafür geeignete<br />

Balladen wie „Travel Writers“ oder „Sentimentalists“, bei denen Koms lakonischer<br />

Vortragsstil angenehm an Kurt Wagner und Kevin Ayers erinnert, enthält<br />

das neue Album zur Genüge.

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