10/2013 - Die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen
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Rubrik<br />
Im Strom der Zeit<br />
Geiz ist gottlos<br />
Ich war dieses Mal nicht auf dem <strong>Kirche</strong>ntag und konnte manches nur am Rande mitverfolgen. Manchmal habe ich<br />
dies besonders bedauert, denn das Thema sprach mich an: „So viel Du brauchst“ setzt e<strong>in</strong>en wohltuenden Gegenakzent<br />
gegen den penetranten Slogan „Geiz ist geil“, der – auch ohne Zutun der Werbung von „saturn“ – längst<br />
die Köpfe und Herzen unserer Zeit beherrscht. Mit dieser Grenzboten-Ausgabe möchte die Redaktion die Vielfalt<br />
des <strong>Kirche</strong>ntages aufgreifen. <strong>Die</strong>s kann nur ansatzweise geschehen mit den verschiedenen Texten und Bildern, die<br />
e<strong>in</strong>ige Teilnehmer dankenswerterweise zügig bis zum Redaktionsschluss e<strong>in</strong>reichten. Der <strong>Kirche</strong>ntag gehört <strong>in</strong>zwischen<br />
der Vergangenheit an, se<strong>in</strong> Motto „So viel Du brauchst...“ aber hat hoffentlich noch e<strong>in</strong>e Zukunftschance.<br />
Todsünden<br />
In der kirchlichen Tradition gibt es die sogenannten „Todsünden“,<br />
dazu zählen Eigenschaften wie Hochmut/Eitelkeit, Geiz/Habgier,<br />
Wollust/Begierde, Zorn/Wut, Völlerei/Maßlosigkeit, Neid/<br />
Missgunst und Faulheit/Feigheit. Nach alter katholischer Lehre<br />
ist Voraussetzung für deren Vergebung zunächst die E<strong>in</strong>sicht<br />
und dann natürlich e<strong>in</strong>e entsprechende Reue. Auch <strong>in</strong> anderen<br />
Konfessionen wurde diese Reue bei besonderen Vergehen angemahnt,<br />
denken wir nur an die Strafbank <strong>in</strong> unseren <strong>Kirche</strong>n,<br />
auf denen Paare saßen, die „heiraten mussten“ und <strong>in</strong> aller Öffentlichkeit<br />
vor der Geme<strong>in</strong>de Buße zu leisten hatten. So hat<br />
man zumeist junge Erwachsene vor versammelter Geme<strong>in</strong>de<br />
gedemütigt, die Versetzungen h<strong>in</strong>terließen manchmal tiefe<br />
Spuren. Bezeichnenderweise wurde bei offensichtlichem sexuellen<br />
Vergehen rigoros verfahren. Dass aber bei den Ermahnungen<br />
des Paulus die Unzucht stets neben dem Geiz steht, hat<br />
nicht dazu geführt, dass irgendwo e<strong>in</strong> Geiziger vor der Geme<strong>in</strong>de<br />
Buße tun musste. Und wegen Völlerei wurde <strong>in</strong> unseren Geme<strong>in</strong>den<br />
me<strong>in</strong>es Wissens auch noch niemand abgemahnt.<br />
Ke<strong>in</strong> Kavaliersdelikt<br />
Beim Geiz tun wir uns also schwer, die D<strong>in</strong>ge beim Namen zu<br />
nennen. Dabei macht der Geiz nach Auskunft der Beitragsbeauftragten<br />
unserer Geme<strong>in</strong>den offensichtlich Schule. Selbst<br />
eifrige Kirchgänger können, wie ich hörte, mit ihren <strong>Kirche</strong>nbeiträgen<br />
manchmal weit unter den erwarteten Beträgen liegen.<br />
Geiz ist nicht erst e<strong>in</strong> Thema, seitdem herausgekommen ist,<br />
dass sogar jemand wie Uli<br />
Endlich e<strong>in</strong>er, der sagt:<br />
Ich habe selbst genug<br />
und kann etwas abgeben!<br />
und nicht:<br />
Geiz ist geil!<br />
Endlich e<strong>in</strong>er, der sagt:<br />
Ihr seid me<strong>in</strong>e Brüder und Schwestern –<br />
ich b<strong>in</strong> für euch verantwortlich!<br />
und nicht:<br />
Es ist mir egal, was mit dir passiert!<br />
Endlich e<strong>in</strong>er, der sagt:<br />
Geben ist besser als nehmen!<br />
und nicht:<br />
Pass auf, dass du nicht zu kurz kommst!<br />
Endlich e<strong>in</strong>er, der sagt:<br />
Ich b<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>t!<br />
und nicht:<br />
Das geht mich nichts an –<br />
es s<strong>in</strong>d ja noch genug andere da!<br />
Hoeneß se<strong>in</strong>e Millionengew<strong>in</strong>ne<br />
am Fiskus vorbei<br />
auf Schweizer Konten<br />
deponierte. Inzwischen<br />
aber wird Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
als krim<strong>in</strong>elle Tat<br />
beim Namen genannt,<br />
mit der die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
um dr<strong>in</strong>gend benötigte<br />
Gelder zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
geme<strong>in</strong>samer Aufgaben<br />
geprellt wird. Ob die private<br />
Schwarzarbeit auch<br />
mal verpönt se<strong>in</strong> wird,<br />
vermag ich nicht e<strong>in</strong>zuschätzen.<br />
Aber „e<strong>in</strong> bisschen<br />
Uli Hoeneß s<strong>in</strong>d wir<br />
doch alle“, sagte jemand<br />
im Zuge der vielen Diskussionen<br />
um Steuerbetrug.<br />
Echter Reichtum<br />
Jesus sagte mal: „Seht zu und hütet<br />
euch vor aller Habgier, denn niemand<br />
lebt davon, dass er viele Güter hat“<br />
(Lk. 12, 15) und erzählte anschließend<br />
das Gleichnis vom reichen Kornbauern.<br />
Dessen Scheunen s<strong>in</strong>d voll, dafür hat<br />
er hart gearbeitet, auf vieles verzichtet,<br />
und plötzlich war er tot. Auf se<strong>in</strong>er<br />
Beerdigung hat man wohl se<strong>in</strong>en Fleiß<br />
gelobt, irgendwas Positives muss ja gesagt<br />
werden. Gott aber spricht <strong>in</strong> dem<br />
Gleichnis e<strong>in</strong>e brutale Wahrheit aus: Nur<br />
Arbeit war De<strong>in</strong> Leben? Du Narr! Du hast ©<br />
Adveniat, 2004<br />
am Leben vorbei gelebt und Dir ke<strong>in</strong>e<br />
Reichtümer bei Gott gesammelt.<br />
Wie sammeln wir Reichtum, an den die Motten nicht herankommen<br />
und der mit ke<strong>in</strong>er Börsenkrise dah<strong>in</strong> zerr<strong>in</strong>nt? Wer<br />
ist reich bei Gott? So ähnlich fragte jemand, wie er das ewige<br />
Leben f<strong>in</strong>det, und Jesus weist nicht auf Meditationen, Kirchgänge<br />
oder sonstige fromme Übungen, sondern auf die Liebe<br />
als Konsequenz des Glaubens, und erzählt das Gleichnis vom<br />
barmherzigen Samariter.<br />
Großzügig weil großmütig<br />
In der Geme<strong>in</strong>de Jesu muss also das Gegenmodell von „Geiz ist<br />
geil“ gelten: die Liebe, die Großzügigkeit. Wer ist schon gern<br />
mit e<strong>in</strong>em Geizkragen befreundet? Geizige Menschen s<strong>in</strong>d<br />
oftmals nicht nur mit ihrem Geld knauserig, sondern auch mit<br />
ihrer Zeit und mit ihrer Liebe. Bloß alles für sich behalten, was<br />
geht mich der Andere an? Geizige s<strong>in</strong>d egozentrisch, auf sich<br />
und ihr eigenes kle<strong>in</strong>es Wohlergehen fixiert. Geiz ist also ganz<br />
und gar nicht geil. Geiz schreckt ab, schottet ab und stößt ab.<br />
Adveniat, das katholische Hilfswerk für Late<strong>in</strong>amerika, reagierte<br />
im Jahr 2004 auf die Werbung von „saturn“ mit e<strong>in</strong>er<br />
eigenen „Geiz ist gottlos“-Kampagne. Wer geizt, gibt nichts.<br />
Wer nichts gibt, liebt nicht. Und was ohne Liebe ist, ist ohne<br />
Gott: gottlos!<br />
Im Geben (!) liegt e<strong>in</strong> Segen, sei es Geld oder Zeit für die anderen:<br />
wer großzügig ist, der trägt dazu bei, die Schieflagen<br />
der Welt zu überw<strong>in</strong>den. Wer anderen Gutes gönnt und großherzig<br />
abgeben kann, der braucht se<strong>in</strong>em Geld nicht h<strong>in</strong>terher<br />
zu trauern: es ist gut angelegt! Wer aber denkt: „Hauptsache<br />
billig“, der nimmt <strong>in</strong> Kauf, dass Andere leer ausgehen – oder<br />
wie es das Drama <strong>in</strong> Bangladesch zeigte: Textilarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
werden ausgebeutet und <strong>in</strong> unsicheren Bauten beschäftigt.<br />
Für mehr Sicherheit und Gerechtigkeit ist die Welt zu geizig,<br />
vor allem jene Welt, für die sie produzieren: die Konsumenten<br />
<strong>in</strong> den reichen Ländern...<br />
Fritz Baarl<strong>in</strong>k, Veldhausen<br />
(aus: bistum-eichstaett.de)