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Leben in Literatur zwischen Orient und Okzident. Else Lasker ...

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Yücel Aksan<br />

Aufbegehrenden erblickt, flattert se<strong>in</strong>e große Hand <strong>in</strong> den Schoss T<strong>in</strong>os. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>zestuöse Handlung ist symbolisch ausgesprochen, daraufh<strong>in</strong> werden blutende,<br />

abgetrennte Köpfe, Blut, welches <strong>in</strong> der Umgebung fließt <strong>und</strong> die große Hand,<br />

gegen die sich T<strong>in</strong>o nicht wehren kann, gleichzeitig dargestellt. Das Trauma der<br />

Vergewaltigung kann <strong>in</strong> der Welt nur durch das Blut, das überall <strong>in</strong> der Umgebung<br />

fließt, ausgelöscht werden. Die Wut, die angestaute Angst, ist mit diesen<br />

Bildern offen dargestellt. Daraufh<strong>in</strong> stirbt der Onkel auf unerklärliche Weise.<br />

Diese große Hand, die viele Besonderheiten trägt, ist nicht imstande den Onkel<br />

zu schützen. „Me<strong>in</strong> Oheim, der Kalif, liegt im Palast tot auf se<strong>in</strong>er großen<br />

Hand“ (TvB: 66/ Der Tod des Kalifen ist düster <strong>und</strong> dunkel, womit auch vielleicht<br />

der Wunsch T<strong>in</strong>os zum Ausdruck gebracht wird: wer ihr Schlimmes antut,<br />

wird mit dem Tode bestraft. In<strong>zwischen</strong> tanzen <strong>und</strong> beten Derwische, wobei<br />

dunkle Sterne um ihre Seelen kreisen. Die angestaute Wut entlädt sich nur <strong>in</strong><br />

den Flüchen <strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>igungen des Grabes, ausgeführt von Knaben <strong>und</strong> Mädchen.<br />

T<strong>in</strong>o schweigt, ihre Lippen s<strong>in</strong>d tot, jedoch steigen aus ihren Augen Feuersäulen,<br />

ihre Wut entlädt sie durch ihren Tanz, der über Bagdad, die Wüste <strong>und</strong><br />

über den Palast rauscht.<br />

Als Aufruhr gegen die patriarchalische Macht, setzt T<strong>in</strong>o die Kraft ihres Körpers<br />

e<strong>in</strong> <strong>und</strong> überschreitet mit ihrem Tanz die gestellten Grenzen, Horizonte <strong>und</strong><br />

Zeiten, geht h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong>s Kosmische <strong>und</strong> will Befreiung. Die Darstellung e<strong>in</strong>er<br />

autoritären Instanz personifiziert <strong>in</strong> der Figur des Oheims ist offenk<strong>und</strong>ig. Aus<br />

diesem Text ist das Aufbegehren gegen männliche Willkür <strong>und</strong> sozialen Stand<br />

zu erschließen. H<strong>in</strong>ter dem mächtigen Oheim, dessen Macht mit der großen<br />

Hand dargestellt ist, kann so Vivian Liska „die Figur des Ehemanns <strong>Lasker</strong> <strong>und</strong><br />

jene des Onkels mütterlicherseits, Leopold Sonnemann, stehen, der <strong>Lasker</strong>-<br />

Schülers <strong>Leben</strong>swandel im Kreis der Boheme missbilligte“ (Liska 1998: 97).<br />

Im Der Tempel Jehovah zieht T<strong>in</strong>o ihre goldenen Schuhe aus <strong>und</strong> tritt unverhüllt<br />

<strong>und</strong> entblößt auf den Gipfel des Berges. Um sich zu verewigen, baut sie<br />

e<strong>in</strong>en Tempel von ewigem Himmelslicht. Und wieder tanzt T<strong>in</strong>o als Mumie<br />

e<strong>in</strong>en Tanz als Ausdruck des Übergangs <strong>zwischen</strong> Diesseits <strong>und</strong> Jenseits. Der<br />

Wunsch T<strong>in</strong>os unsterblich zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> sich zu verewigen ist durch den Bau<br />

e<strong>in</strong>es Tempels dargestellt, umgedeutet ist das ganze literarische <strong>Leben</strong>swerk der<br />

Dichter<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem Bau des Tempels symbolisiert. Die Dichter<strong>in</strong> schreibt <strong>und</strong><br />

baut somit e<strong>in</strong>en Tempel aus Sprache.<br />

M<strong>in</strong>n, Sohn des Sultans <strong>in</strong> der Geschichte M<strong>in</strong>n, der Sohn des Sultans von Marokko,<br />

ist mit se<strong>in</strong>er Kleidung das Gegenbild se<strong>in</strong>es Vaters. Der Sultan trägt e<strong>in</strong><br />

Kleid aus weißer Seide, das mit e<strong>in</strong>em taubeneigroßen Smaragd zusammengehalten<br />

wird. M<strong>in</strong>n jedoch ist barfuss <strong>und</strong> <strong>in</strong> Kamelfell gekleidet. Er besitzt die<br />

Gabe über verbotene Wege zu wandeln, die nur den Frauen gestattet s<strong>in</strong>d. T<strong>in</strong>o<br />

wünscht sich mit M<strong>in</strong>n zu tanzen; sie will se<strong>in</strong>e Kraft, die verhüllt ist, erfahren.<br />

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