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Leben in Literatur zwischen Orient und Okzident. Else Lasker ...

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<strong>Leben</strong> <strong>in</strong> <strong>Literatur</strong> <strong>zwischen</strong> <strong>Orient</strong> <strong>und</strong> <strong>Okzident</strong><br />

derts unternommen wurde15 zu erkennen <strong>und</strong> <strong>Else</strong> <strong>Lasker</strong>- Schüler macht auch<br />

hier ke<strong>in</strong>e Trennung.<br />

Interessant ist bei der Wahl des Ortes, dass e<strong>in</strong>e Vorausdeutung politischen<br />

Inhalts auf den Ersten Weltkrieg zu sehen ist <strong>und</strong> die Interessen der westlichen<br />

Welt <strong>in</strong> Bezug auf den Balkan gezeigt werden: „Könige mit spitzen Krummschnäbeln<br />

drohen schon lange den Balkan aufzufressen <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> die Geschicklichkeit<br />

des Grossmoguls verschanzte die Beute“ (TvB: 78).<br />

In dieser Episode kommt T<strong>in</strong>o zunächst als Heiler<strong>in</strong> an den Hof des Grossmoguls,<br />

fällt dann aber <strong>in</strong> Ungnade <strong>und</strong> wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlichen Ritual gedemütigt.<br />

Valent<strong>in</strong>a di Rosa (2006: 167) <strong>in</strong>terpretiert diese Szene als e<strong>in</strong>e „unmittelbar<br />

an das Trauma vom Verlust des Paradieses“ Verb<strong>in</strong>dung herstellende Darstellung,<br />

was besonders <strong>in</strong> der Anspielung auf T<strong>in</strong>os Nacktheit deutlich wird.<br />

Durch den Ratschlag ihrer klugen Tante Diwatgatme, die die dreißigste Frau<br />

des Oheims ist, soll T<strong>in</strong>o durch ihre Gabe zu dichten e<strong>in</strong>en Spruch f<strong>in</strong>den, der<br />

den Grossmogul heilt. Auch hier deutet <strong>Else</strong> <strong>Lasker</strong> ihr Auserwähltse<strong>in</strong> an <strong>und</strong><br />

die Heilkraft der Worte, die sie ausspricht, ist von großer Bedeutung. T<strong>in</strong>o hofft<br />

auf die Erlaubnis zur Heirat mit ihrem Vetter Hassan. Sie hat die Aufgabe wegen<br />

des Verstummens des Oheims se<strong>in</strong>e politischen Entscheidungen zu verkünden.<br />

Sie macht jedoch Fehler <strong>und</strong> geht so weit, Entscheidungen zu verkünden,<br />

die nicht des Grossmoguls s<strong>in</strong>d. So wird sie bestraft:<br />

Man reißt mir das Gewand vom Körper, den Schleier vom Antlitz,<br />

schneidet me<strong>in</strong>e langen Locken ab, <strong>und</strong> der Sultan hat den Zorn<br />

über mich gesprochen - vertrieben werde ich aus dem Garten des<br />

Reichspalastes. (TvB: 82)<br />

Durch ihr verändertes Auftreten erkennt ihr Vetter Hassan sie nicht wieder.<br />

T<strong>in</strong>o wird zum Eselstreiber <strong>und</strong> deutet ihr Schicksal <strong>in</strong> der faltigen Haut ihres<br />

Esels. Ausgestattet mit w<strong>und</strong>ersamer Begabung, ist sie jedoch nicht fähig ihr<br />

<strong>Leben</strong> zum Guten zu lenken. Ihre Fähigkeit mit zaubernden Lippen w<strong>und</strong>ertätige,<br />

trostreiche <strong>und</strong> beruhigende Worte zu sprechen, helfen ihr nicht. Ihre Auszeichnung<br />

wird ihr zum Verhängnis. Ihrer Strafe gemäß wird ihr das Gewand<br />

vom Körper geraubt, der Schleier entrissen <strong>und</strong> ihre Locken werden abgeschnitten,<br />

sie wird ihrer weiblichen Attribute beraubt, so dass sie für ihren vielgeliebten<br />

Hassan nicht erkennbar ist. In ihrer vermännlichten Art <strong>und</strong> Weise nimmt<br />

sie die Identität e<strong>in</strong>es Eseltreibers, nicht e<strong>in</strong>er Eselstreiber<strong>in</strong>, an. Ihre Berufung<br />

zu dichten <strong>und</strong> die Macht ihrer Phantasie Ausdruck geben zu können, scheitert<br />

auch <strong>in</strong> ihrer Imag<strong>in</strong>ation, dem literarischen Raum ihrer Dichtung. Denn auch<br />

hier kann sie sich gegen die männlich bestimmte Realität nicht wehren, T<strong>in</strong>o<br />

resigniert.<br />

15 Siehe dazu He<strong>in</strong>richs (2011).<br />

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