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Leben in Literatur zwischen Orient und Okzident. Else Lasker ...

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Yücel Aksan<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne skizziert Fritz Mart<strong>in</strong>i das Künstlertum der Dichter<strong>in</strong> <strong>in</strong> folgenden<br />

Worten:<br />

Je älter <strong>Else</strong> <strong>Lasker</strong>- Schüler wurde, umso mehr hat sie ihr Dichten<br />

als e<strong>in</strong>e Sprachwerdung, als e<strong>in</strong>e Wirklichwerdung überpersönlicher<br />

Mächte der Weltversöhnung <strong>und</strong> Gottversöhnung begriffen.<br />

E<strong>in</strong>e lyrische Dichtung, die mit dem Bekennen aller subjektiven<br />

Triebe <strong>und</strong> Träume begann, weitete sich mehr <strong>und</strong> mehr zur<br />

Erfahrung <strong>und</strong> Vision überpersönlicher Mächte. Ihr Gedicht wurde<br />

zur Beschwörung des E<strong>in</strong>heitsgr<strong>und</strong>es von Mensch, Welt <strong>und</strong><br />

Gott - jenes Seelengr<strong>und</strong>es, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>heit der Menschheit<br />

wiederherstellt <strong>und</strong> Gott vernommen werden kann. (Ebd.: 5)<br />

Die ihr von der Gesellschaft zugewiesene Randposition als Dichter<strong>in</strong>, Jüd<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

Frau wendet sie <strong>in</strong>s Positive. Die Dichter<strong>in</strong> münzt die Ohnmacht des Opfers um<br />

<strong>in</strong> die Macht der Elite. Als Ausgegrenzte erhöht sie sich zur Auserwählten <strong>und</strong><br />

entwirft die literarische Figur des Pr<strong>in</strong>zen <strong>in</strong> ihren verschiedenen Gestaltungen<br />

von Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> T<strong>in</strong>o über den Pr<strong>in</strong>zen von Theben. Sie erhebt sich zum Adel<br />

<strong>und</strong> ihre Erhebung zum Prophetentum benutzt sie als Strategie für ihre Selbstpräsentation<br />

im Schriftstellerleben. Sie stellt sich als göttlich <strong>in</strong>spirierte, nahe<br />

der Prophetie stehende dar, schafft somit e<strong>in</strong>e Identität, die angeblich von „höherer<br />

Warte beglaubigt ist. Sie f<strong>in</strong>det Kraft im Judentum. Die Erfahrung von<br />

Fremdheit wird zum konstruktiven Movens des Schreibens- im entrückten Zustand<br />

des schöpferischen Vorgangs“ (Grossmann 2001: 25).<br />

Da die überlieferten Frauenimag<strong>in</strong>ationen von Männern geprägt s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> deshalb<br />

von deren Interessen gestaltete Projektionen s<strong>in</strong>d, werden den Frauen die<br />

Fähigkeiten zum Schöpferischen gr<strong>und</strong>sätzlich verweigert. Um sich diesen geläufigen<br />

Anschauungen widersetzen zu können, schlüpft die Dichter<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

unterschiedlichen Geschlechtscharakter, den androgynen Selbstentwurf e<strong>in</strong>es<br />

knabenhaften Dritten. Für Uta Grossmann ist die Loslösung, die die Dichter<strong>in</strong><br />

erlebt, als e<strong>in</strong> Prozess zu sehen, die sich als<br />

e<strong>in</strong>e Identität, die sich aus der Erf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es ursprünglichwilden<br />

Judentums, der Unterwanderung herrschender Frauenbilder<br />

<strong>und</strong> dem Entwurf e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>spirierten Künstlertums zusammensetzt.<br />

Die Überw<strong>in</strong>dung bürgerlicher Konventionen <strong>und</strong> Rollenzuschreibungen<br />

ermöglicht ihr mehr Freiheit <strong>und</strong> Unabhängigkeit<br />

als den meisten jüdischen Frauen dieser Epoche. <strong>Lasker</strong>- Schülers<br />

<strong>Leben</strong>sweise <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere ihr Prosawerk s<strong>in</strong>d ihrer Zeit weit<br />

voraus. Dieser Abstand, aber auch der radikale Individualismus<br />

der Künstler<strong>in</strong> bewirken Unverständnis <strong>und</strong> Ablehnung. (Grossmann<br />

2001: 25)<br />

<strong>Else</strong> <strong>Lasker</strong>-Schüler verb<strong>in</strong>det Figuren aus der hebräischen Bibel <strong>und</strong> anderen<br />

jüdischen Quellen, bereichert sie mit orientalischen, exotischen <strong>und</strong> märchen­<br />

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