zkm_gameplay - Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
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Bewegungen wie dem Futurismus,<br />
Dadaismus <strong>und</strong> Fluxus wurde der Produktionshergang<br />
von <strong>Kunst</strong> unter strikten<br />
Regelsetzungen prominent eingeführt.<br />
Der Frage, ob Computerspiele mit großen<br />
Werken des Thea ters, des Films, usw. vergleichbar<br />
sind, kann nur nachgegangen<br />
werden, wenn ihnen ein Platz in Museen<br />
eingeräumt wird. Erst eine solche Verortung<br />
macht diesen Vergleich überhaupt<br />
erst möglich. Die große Herausforderung<br />
zeigt sich im Moment der genuinen Sinnlosigkeit<br />
des Spielens, welche durch die<br />
gesteigerte Erfahrung elektronischer, virtueller<br />
Welten im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert radikal<br />
erweitert wird. ZKM_Gameplay offenbart<br />
jedoch, dass Spiele einerseits den freien<br />
Fluss der Fantasie <strong>und</strong> der Improvisation<br />
beflügeln (play) <strong>und</strong> andererseits system<strong>und</strong><br />
kulturgebende Mechanismen hervorbringen,<br />
die es uns erlauben, gemeinsam<br />
unser Realitätsbild zu formen (game). Die<br />
große Stärke der Plattform ist es, den<br />
Besucher <strong>für</strong> beide Extreme zu sensibilisieren<br />
<strong>und</strong> mit dem Vorurteil aufzuräumen,<br />
dass Spiele nicht Spaß machen <strong>und</strong><br />
zugleich ein kritisches Potenzial haben<br />
können.<br />
Spieldesign ist Erfahrungdesign. Entsprechend<br />
muss ein Ausstellungsdesign,<br />
das Spiele zum Gegenstand hat, selbst zu<br />
einem Ort werden, in dem Spiele gespielt<br />
<strong>und</strong> zugleich reflektiert werden können.<br />
Wird der Raum zu sehr determiniert, so<br />
läuft man Gefahr den Reflexionsraum<br />
des Museums zu hintergehen. Bleibt er<br />
zu vage, dann geht man das Risiko ein,<br />
dem ästhetischen Potenzial der Werke<br />
nicht gerecht zu werden. ZKM_Gameplay<br />
hält jedoch die notwendige Balance <strong>und</strong><br />
erlaubt es, uns eine Brücke zwischen der<br />
Geschichte, der Kultur <strong>und</strong> dem künstlerischen<br />
Potenzial des Spiels mit dem<br />
Medium zu schlagen. Johan Huizinga<br />
hat in seinen Werk Homo Ludens: Vom<br />
Ursprung der Kultur im Spiel aufgezeigt,<br />
inwiefern der Reiz, ein Experiment einzugehen,<br />
dessen Ausgang ungewiss ist, mit<br />
der Generierung von Kulturgütern zusammenhängt.<br />
Konsequenterweise muss das<br />
Museum zu einem hochkonzentrierten<br />
Spielfeld <strong>und</strong> Experimentierlabor werden,<br />
<strong>für</strong> welches das ZKM in <strong>Karlsruhe</strong> seiner<br />
Ausrichtung <strong>und</strong> Beschaffenheit nach<br />
prädestiniert ist.<br />
Spiele müssen gespielt werden, um die<br />
Möglichkeit zu haben, ihre Argumentation<br />
zu entfalten. Zu Spielen bedeutet, sich zu<br />
öffnen <strong>für</strong> den ungewissen Ausgang des<br />
Spiels oder, wie man so schön sagt: etwas<br />
auf’s Spiel zu setzen. In ihnen finden wir<br />
jene Magie, welche wir in dem Staunen<br />
des ›Ersten-Mals‹ ausdrücken. Um mit<br />
Huizinga zu sprechen: »Um wirklich zu<br />
spielen, muß der Mensch, solange er spielt,<br />
wieder Kind sein.« /3 Spiele leben von der<br />
prozedualen Rhetorik, /4 die sich erst in<br />
der Ausführung ihres Regelwerks ausdrückt,<br />
<strong>und</strong> implizieren damit als Medium<br />
eine Unabgeschlossenheit. Dies kann<br />
nur unter der Prämisse eines Wir-tun-soals-ob<br />
sinnstiftend sein. /5 Daher stellt die<br />
Präsentation von Spielen das Museum vor<br />
ähnliche Herausforderungen, wie man<br />
sie z.B. bei Ausstellungen von Fluxus-Objekten<br />
oder der Land Art vorfindet: Sobald<br />
sie in den abgesicherten <strong>und</strong> abgeklärten<br />
Raum des Museums überführt werden,<br />
verlieren diese nur zu oft die Möglichkeit,<br />
sich überhaupt noch zu entfalten. Künstlerische<br />
Spielformen sind unausstellbar,<br />
wenn sie nicht die Möglichkeit haben,<br />
ausgeführt zu werden <strong>und</strong> damit ganz<br />
den Raum <strong>und</strong> ihre Zeit <strong>für</strong> sich zu beanspruchen.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> passt sich<br />
ZKM_Gameplay auch dem offenen, unabgeschlossenen,<br />
unsicheren Charakter<br />
seiner Exponate an. Mit anderen Worten:<br />
Der Museumsbesucher <strong>und</strong> die Institution<br />
müssen gemeinsam zu Spielern werden,<br />
um Zugang zum Werk zu erlangen.<br />
Das Museum als Spielwiese<br />
Wenn Fotografien Bilder sind <strong>und</strong> Filme<br />
bewegte Bilder, dann sind Videospiele Handlungen.<br />
Soviel zur Videospieltheorie. Ohne<br />
Handlungen bleiben Spiele in den Seiten eines<br />
abstrakten Regelbuchs verhaftet. Ohne die<br />
aktive Teilnahme der Spieler <strong>und</strong> der Apparate<br />
existieren Videospiele nur als statischer<br />
Computer code. Videospiele entstehen erst,<br />
wenn der Apparat eingeschaltet <strong>und</strong> Software<br />
ausgeführt wird; sie existieren, wenn sie ausgeführt<br />
werden. /6<br />
alexander galloway<br />
Übersetzung des Verfassers<br />
Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde noch angenommen,<br />
dass Menschen durch die bloße<br />
Ausstellung von Objekten Zugang zu<br />
Wissen gewinnen könnten. Heute wissen<br />
wir jedoch, dass Lernen ein aktiver Prozess<br />
ist. Viele Museen neigen dennoch auch<br />
heute noch dazu, dieser Vorstellung der<br />
didaktischen Informationsvermittlung<br />
nachzugehen. Das ZKM jedoch lädt seine<br />
BesucherInnen dazu ein, am Prozess der<br />
Sinngenerierung im gemeinsamen Spiel<br />
teilzunehmen. »Der Mensch spielt nur, wo<br />
er in voller Bedeutung des Worts Mensch<br />
ist, <strong>und</strong> er ist nur da ganz Mensch, wo er<br />
spielt.« /7 Das museale Schauspiel kann<br />
der Kultur des Spiels nur gerecht werden,<br />
wenn sie dieser Einsicht Friedrich Schillers<br />
Raum gibt. Hier wird die Ausstellung zu<br />
einer lebendigen Bühne <strong>und</strong> der Besucher<br />
zum Interpreten <strong>und</strong> Performer.<br />
Kuratoren, Künstler <strong>und</strong> Besucher dieser<br />
<strong>Kunst</strong>- <strong>und</strong> Diskursform geben sich<br />
nicht einfach damit zufrieden, mit einer<br />
Konstellation von Werken konfrontiert zu<br />
werden, die prinzipiell vorhersehbar sind.<br />
Das Anliegen von ZKM_Gameplay ist es<br />
daher, eine Balance zwischen dem spielimmanenten<br />
Staunen des Ersten-Mals<br />
(play) <strong>und</strong> dem diskursgebenden, kulturellen<br />
Wert der Spiele mit dem Medium<br />
zu finden (game). In diesem Sinne sind<br />
Besucher dazu eingeladen, nicht nur passiv<br />
zu sein, sondern verschiedene Rollen<br />
in dem Museumsritual, z.B. des Gelehrten,<br />
des Touristen, des Experten, der kulturinteressierten<br />
Person, des Romantikers, des<br />
Führers einer Gruppe, etc. auszuführen.<br />
Dadurch erlaubt es die Ausstellungsplattform,<br />
den Museumsbesuch mit anderen<br />
Augen wahrzunehmen <strong>und</strong> durch die<br />
Konfrontation mit der Kultur des Spiel zu<br />
erweitern. Die BesucherInnen sind daher<br />
aufgefordert, sich gemeinsam mit dem<br />
ZKM | Medienmuseum in ihren mannigfaltigen<br />
Rollen als Koproduzenten von<br />
ZKM_Gameplay zu verstehen <strong>und</strong> gemeinsam<br />
mit uns zu spielen.<br />
—<br />
Anmerkungen<br />
/1<br />
Flusser, Vilém: Gesellschaftsspiele, in:<br />
Hartwagner et al. [Hrsg.]: Künstliche<br />
Spiele, München, 1993, S. 114.<br />
/2<br />
Jenkins, Henry: Games, The New Lively Art,<br />
in: Hartley, John [Hrsg.]: Creative industries,<br />
Malden, Mass., 2005, S. 313.<br />
URL: http://web.mit.edu/cms/People/<br />
henry3/GamesNewLively.html [11.06.2013].<br />
/3<br />
Johan Huizinga: Homo Ludens. Vom<br />
Ursprung der Kultur im Spiel, 1987, S. 215.<br />
/4<br />
Vgl. Bogost, Ian: Persuasive games:<br />
the expressive power of videogames,<br />
Cambridge, Mass., 2007.<br />
/5<br />
Vgl. Bateson, Gregory: Eine Theorie des<br />
Spiels <strong>und</strong> der Phantasie, in: Pias, Claus<br />
<strong>und</strong> Holtorf, Christian [Hrsg.]: Escape!<br />
Computerspiele als Kulturtechnik, Köln,<br />
2007, S. 193—208.<br />
/6<br />
Galloway, Alexander R.: Gaming. Essays on<br />
algorithmic culture, Minneapolis, 2006, S. 2.<br />
/7<br />
Schiller, Friedrich: Über die ästhetische<br />
Erziehung des Menschen, Stuttgart, 1986<br />
(1795/96), S. 63.<br />
14<br />
15