Wertevermittlung in Kindertageseinrichtungen - Ilse Wehrmann
Wertevermittlung in Kindertageseinrichtungen - Ilse Wehrmann
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sicher nichts e<strong>in</strong>zuwenden, es sei denn, die K<strong>in</strong>der würden überfordert. Zum Beispiel<br />
dadurch, dass Ihnen Jesus als moralisches Vorbild vorgesetzt wird, anstatt ihnen<br />
durch die Vermittlung dieser Geschichte die Möglichkeit zu geben, sich wie Zachäus<br />
trotz aller Ablehnung von Jesus akzeptiert fühlen zu können.<br />
Wenn sich religiöse Erziehung und die Vermittlung von biblischen Geschichten alle<strong>in</strong><br />
auf moralische Inhalte reduzieren, verzichten sie auf ihre besten Möglichkeiten <strong>in</strong><br />
Sachen <strong>Wertevermittlung</strong>. Religion ist e<strong>in</strong>e Quelle, aus der Menschen Kraft gew<strong>in</strong>nen<br />
können, moralisch zu leben, ke<strong>in</strong>esfalls jedoch ist sie als Katalog spezifischer<br />
Moralvorstellungen zu verstehen.<br />
E<strong>in</strong> weiteren Missverständnis bei der Werteerziehung ist der Versuch, angesichts der<br />
verwirrenden Vielfalt von Problemen klare Lösungen anzubieten. Doch hier ist<br />
Vorsicht geboten: Dieser Versuch, komplizierte aktuelle Fragen mit sche<strong>in</strong>bar<br />
e<strong>in</strong>fachen Antworten der Vergangenheit oder der christlichen Entstehungsgeschichte<br />
lösen zu wollen, endet im Fundamentalismus. Religiöse Erziehung ist nicht mit Hang<br />
nach fundamentalistischer Vere<strong>in</strong>fachung gleichzusetzen, vielmehr erzeugt<br />
lebendige Religion e<strong>in</strong>e Gegenkraft, e<strong>in</strong>e Kraft zum Aushalten des Une<strong>in</strong>deutigen<br />
und des Verwirrenden.<br />
E<strong>in</strong>e dritte Anmerkung bezieht sich auf die Grenzen religiöser Erziehung<br />
<strong>in</strong>sbesondere dann, wenn es darum geht, angesichts zunehmenden Werteverfalls<br />
und der Folgen bedrohlich gewordener gesellschaftlicher Amoralität Werte zu<br />
beschwören, die K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen ihre Pflichten zeigen und ihre Probleme<br />
lösen sollen. Hier mutet es zynisch an, mit e<strong>in</strong>er Werteerziehung der K<strong>in</strong>der<br />
korrigieren zu wollen, was die gesellschaftliche Moral der Erwachsenen hervorruft.<br />
Pädagogik kann nicht mit Moral gut machen, was e<strong>in</strong>e moralisch gleichgültige Politik<br />
und gesellschaftliche Wirklichkeit verursachen. Werteerziehung kann nicht gut<br />
machen, was Alltagswirklichkeit und Politik verfehlen. Pädagogik und religiöse<br />
Erziehung wird dabei zugleich überfordert und als e<strong>in</strong> Mittel zu anders def<strong>in</strong>ierten<br />
Zwecken missbraucht.<br />
Was also ist angesichts dessen zu tun? Evangelische K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />
sehen als e<strong>in</strong>e Aufgabe religiöser Erziehung, e<strong>in</strong>en Kanon richtiger Werte<br />
entschieden an die K<strong>in</strong>der weiterzugeben. Dabei ist besonders auf die Überw<strong>in</strong>dung<br />
der vorherrschenden Doppelmoral zu achten, zum e<strong>in</strong>en der Moral, die K<strong>in</strong>dern<br />
gegenüber vertreten wird, zum anderen der Moral, die für die Erwachsenen gilt. Die<br />
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