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Sicherheit für Senioren - Polizei Bayern

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IV<br />

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IV.2<br />

IV.2<br />

Claus Fussek<br />

Expertenstatements<br />

66<br />

Ich mache den Pflegekräften keinen Vorwurf, dass sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />

(zwei Pflegekräfte für 25 Bewohner, 2 Nachtwachen für 120 und mehr<br />

Bewohner) eine menschenwürdige Pflege nicht erbringen können.<br />

Ich mache ihnen, und den Ärzten, den gesetzlichen Betreuern, den Angehörigen den<br />

Vorwurf, wenn sie schweigen! Hier handelt es sich u. a. um Verletzung der Aufsichtspflicht,<br />

um unterlassene Hilfeleitung, fahrlässige Körperverletzung u. U. mit Todesfolge.<br />

Bei Unterbesetzung in einem Pflegheim handeln Mitarbeiter grob fahrlässig bis vorsätzlich<br />

– Zustände, die wir in keinem Kindergarten oder in einem Zoologischen Garten dulden<br />

würden! Es gibt für diese Zustände eine Menge Erklärungen, aber keine einzige<br />

Entschuldigung und Rechtfertigung!<br />

Es geht selbstverständlich auch anders! Selbstbestimmung ist auch im Alter, bei Behinderung<br />

und Pflegebedürftigkeit möglich! Es gibt – zu wenige – Beispiele für menschenwürdige<br />

häusliche und stationäre Pflege, Wohn- und Hausgemeinschaften! Eine ehrliche<br />

Antwort auf die berechtigten Ängste vor Einsamkeit, Schmerzen, würdeloser und emotionsloser<br />

Pflege kann eigentlich nicht allein die Patientenverfügung sein! Vielmehr müssen<br />

die Bedingungen in der häuslichen Pflege, in Krankenhäusern und Pflegeheimen endlich<br />

massiv verbessert werden. Auch der Ausbau der Schmerzmedizin und Hospize würde<br />

viele Fragen und Probleme mit der Umsetzung der „Patientenverfügung“ von selbst<br />

erledigen!<br />

Ich möchte diese Gelegenheit auch dafür nutzen, kritisch anzumerken, dass ich leider<br />

auch von den Mitgliedern bzw. dem Gremium der Ethikkommission bisher noch keine<br />

offensive, öffentliche Stellungnahme zu den Zuständen, zu der organisierten Unverantwortlichkeit<br />

in der Altenpflege, dem System der Minuten- und Fließbandpflege in zahlreichen<br />

bundesdeutschen Pflegeheimen gehört habe.<br />

Ich bin daher sehr froh und erleichtert, dass ab heute auch die Menschenrechtsverletzungen<br />

in der Pflege für dieses Gremium ein zentrales Thema geworden sind und<br />

dass dieses Elend nicht mehr stillschweigend zur Kenntnis und in Kauf genommen wird.<br />

Eine Altenpflegerin schrieb mir verzweifelt eine Art Selbstanzeige: „Ich habe jahrelang<br />

ein System menschlicher Entwürdigung aufrechterhalten und den Erhalt meines Arbeitsplatzes<br />

über die Menschenwürde gestellt! Aber jetzt möchte ich mein Schweigen durchbrechen.<br />

Wer schweigt macht sich mitschuldig!“<br />

Das höchste Rechtsgut in unserer Verfassung ist die Menschenwürde!<br />

Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, der hat schon verloren!<br />

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!<br />

Kämpfen wir gemeinsam für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen in der<br />

Alten- und Behindertenpflege!<br />

MINDESTANFORDERUNGEN für eine menschenwürdige Grundversorgung,<br />

die jedes Pflegeheim in Deutschland garantieren muss (Art. 1 Grundgesetz, § 80 SGB XI) –<br />

bei ca. 2.500 – 3.500 Euro/Monat.<br />

Diese Anforderungen sind nicht kompromissfähig und können daher auch nicht<br />

Gegenstand von Verhandlungen sein!!!<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH seine Mahlzeiten und ausreichend<br />

Getränke/Flüssigkeit in dem Tempo erhalten, in dem er kauen und schlucken kann.<br />

Magensonden und Infusionen dürfen nur nach ausdrücklicher und (regelmäßig) kontrollierter<br />

medizinischer Indikation verordnet werden. Die Notwendigkeit muss ständig hinterfragt<br />

werden! Eine Magensonde als pflegeerleichternde und damit auch pflegevermeidende<br />

Maßnahme ist menschenunwürdig und Körperverletzung!<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH so oft zur Toilette gebracht oder geführt<br />

werden, wie er es wünscht! (Windeln und Dauerkatheter als pflegeerleichternde Maßnahmen<br />

sind menschenunwürdig und Körperverletzung!) .<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH (wenn gewünscht!) gewaschen, angezogen,<br />

gekämmt werden und sein Gebiss erhalten (Mundpflege!).<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss (auf Wunsch) TÄGLICH die Möglichkeit bekommen<br />

sein Bett zu verlassen und an die frische Luft zu kommen.<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die Möglichkeit haben, wenigstens seinen/ihren<br />

Zimmerpartner zu wählen bzw. abzulehnen. (Doppelzimmer und Mehrbettzimmer sind<br />

menschenunwürdig).<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die Möglichkeit haben, dass wenigstens ein Mitarbeiter<br />

auf Station ist, der die Muttersprache spricht. Kommunikation ist ein Grundrecht!<br />

(Trösten, zuhören, geduldig in den Arm nehmen, ein paar freundliche, liebevolle, verständliche,<br />

einfühlsame Worte dürfen nicht als „Kaviarleistung“ („nicht finanzierbar“) gelten).<br />

■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die <strong>Sicherheit</strong> haben, dass ihm in der Todesstunde<br />

wenigstens jemand die Hand hält, damit er nicht alleine und einsam sterben muss ...!!!<br />

Claus Fussek<br />

Expertenstatements<br />

67<br />

Diese „Standards“ müssen in einem reichen Land, das den Anspruch hat, die Menschenrechte<br />

besonders zu achten, selbstverständlich sein ...!<br />

Die Grundvoraussetzungen für MENSCHENWÜRDIGE ARBEITSBEDINGUNGEN sind selbstverständlich<br />

ausreichendes, motiviertes, kompetentes und auch menschlich qualifiziertes<br />

Personal!!!<br />

DIE WÜRDE AUCH DES PFLEGEBEDÜRFTIGEN MENSCHEN IST UNANTASTBAR!!!<br />

Claus Fussek

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