Sicherheit für Senioren - Polizei Bayern
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Claus Fussek<br />
Expertenstatements<br />
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Ich mache den Pflegekräften keinen Vorwurf, dass sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />
(zwei Pflegekräfte für 25 Bewohner, 2 Nachtwachen für 120 und mehr<br />
Bewohner) eine menschenwürdige Pflege nicht erbringen können.<br />
Ich mache ihnen, und den Ärzten, den gesetzlichen Betreuern, den Angehörigen den<br />
Vorwurf, wenn sie schweigen! Hier handelt es sich u. a. um Verletzung der Aufsichtspflicht,<br />
um unterlassene Hilfeleitung, fahrlässige Körperverletzung u. U. mit Todesfolge.<br />
Bei Unterbesetzung in einem Pflegheim handeln Mitarbeiter grob fahrlässig bis vorsätzlich<br />
– Zustände, die wir in keinem Kindergarten oder in einem Zoologischen Garten dulden<br />
würden! Es gibt für diese Zustände eine Menge Erklärungen, aber keine einzige<br />
Entschuldigung und Rechtfertigung!<br />
Es geht selbstverständlich auch anders! Selbstbestimmung ist auch im Alter, bei Behinderung<br />
und Pflegebedürftigkeit möglich! Es gibt – zu wenige – Beispiele für menschenwürdige<br />
häusliche und stationäre Pflege, Wohn- und Hausgemeinschaften! Eine ehrliche<br />
Antwort auf die berechtigten Ängste vor Einsamkeit, Schmerzen, würdeloser und emotionsloser<br />
Pflege kann eigentlich nicht allein die Patientenverfügung sein! Vielmehr müssen<br />
die Bedingungen in der häuslichen Pflege, in Krankenhäusern und Pflegeheimen endlich<br />
massiv verbessert werden. Auch der Ausbau der Schmerzmedizin und Hospize würde<br />
viele Fragen und Probleme mit der Umsetzung der „Patientenverfügung“ von selbst<br />
erledigen!<br />
Ich möchte diese Gelegenheit auch dafür nutzen, kritisch anzumerken, dass ich leider<br />
auch von den Mitgliedern bzw. dem Gremium der Ethikkommission bisher noch keine<br />
offensive, öffentliche Stellungnahme zu den Zuständen, zu der organisierten Unverantwortlichkeit<br />
in der Altenpflege, dem System der Minuten- und Fließbandpflege in zahlreichen<br />
bundesdeutschen Pflegeheimen gehört habe.<br />
Ich bin daher sehr froh und erleichtert, dass ab heute auch die Menschenrechtsverletzungen<br />
in der Pflege für dieses Gremium ein zentrales Thema geworden sind und<br />
dass dieses Elend nicht mehr stillschweigend zur Kenntnis und in Kauf genommen wird.<br />
Eine Altenpflegerin schrieb mir verzweifelt eine Art Selbstanzeige: „Ich habe jahrelang<br />
ein System menschlicher Entwürdigung aufrechterhalten und den Erhalt meines Arbeitsplatzes<br />
über die Menschenwürde gestellt! Aber jetzt möchte ich mein Schweigen durchbrechen.<br />
Wer schweigt macht sich mitschuldig!“<br />
Das höchste Rechtsgut in unserer Verfassung ist die Menschenwürde!<br />
Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, der hat schon verloren!<br />
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!<br />
Kämpfen wir gemeinsam für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen in der<br />
Alten- und Behindertenpflege!<br />
MINDESTANFORDERUNGEN für eine menschenwürdige Grundversorgung,<br />
die jedes Pflegeheim in Deutschland garantieren muss (Art. 1 Grundgesetz, § 80 SGB XI) –<br />
bei ca. 2.500 – 3.500 Euro/Monat.<br />
Diese Anforderungen sind nicht kompromissfähig und können daher auch nicht<br />
Gegenstand von Verhandlungen sein!!!<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH seine Mahlzeiten und ausreichend<br />
Getränke/Flüssigkeit in dem Tempo erhalten, in dem er kauen und schlucken kann.<br />
Magensonden und Infusionen dürfen nur nach ausdrücklicher und (regelmäßig) kontrollierter<br />
medizinischer Indikation verordnet werden. Die Notwendigkeit muss ständig hinterfragt<br />
werden! Eine Magensonde als pflegeerleichternde und damit auch pflegevermeidende<br />
Maßnahme ist menschenunwürdig und Körperverletzung!<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH so oft zur Toilette gebracht oder geführt<br />
werden, wie er es wünscht! (Windeln und Dauerkatheter als pflegeerleichternde Maßnahmen<br />
sind menschenunwürdig und Körperverletzung!) .<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss TÄGLICH (wenn gewünscht!) gewaschen, angezogen,<br />
gekämmt werden und sein Gebiss erhalten (Mundpflege!).<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss (auf Wunsch) TÄGLICH die Möglichkeit bekommen<br />
sein Bett zu verlassen und an die frische Luft zu kommen.<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die Möglichkeit haben, wenigstens seinen/ihren<br />
Zimmerpartner zu wählen bzw. abzulehnen. (Doppelzimmer und Mehrbettzimmer sind<br />
menschenunwürdig).<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die Möglichkeit haben, dass wenigstens ein Mitarbeiter<br />
auf Station ist, der die Muttersprache spricht. Kommunikation ist ein Grundrecht!<br />
(Trösten, zuhören, geduldig in den Arm nehmen, ein paar freundliche, liebevolle, verständliche,<br />
einfühlsame Worte dürfen nicht als „Kaviarleistung“ („nicht finanzierbar“) gelten).<br />
■ JEDER pflegebedürftige Mensch muss die <strong>Sicherheit</strong> haben, dass ihm in der Todesstunde<br />
wenigstens jemand die Hand hält, damit er nicht alleine und einsam sterben muss ...!!!<br />
Claus Fussek<br />
Expertenstatements<br />
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Diese „Standards“ müssen in einem reichen Land, das den Anspruch hat, die Menschenrechte<br />
besonders zu achten, selbstverständlich sein ...!<br />
Die Grundvoraussetzungen für MENSCHENWÜRDIGE ARBEITSBEDINGUNGEN sind selbstverständlich<br />
ausreichendes, motiviertes, kompetentes und auch menschlich qualifiziertes<br />
Personal!!!<br />
DIE WÜRDE AUCH DES PFLEGEBEDÜRFTIGEN MENSCHEN IST UNANTASTBAR!!!<br />
Claus Fussek