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Sicherheit für Senioren - Polizei Bayern

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IV.8<br />

Gabriele Tammen-Parr<br />

Expertenstatements<br />

82<br />

Aber auch:<br />

■ die öffentliche Wertschätzung für Pflegende (Angehörige und Pflegepersonal) zu<br />

fördern und<br />

■ diese gesellschaftlich wichtige Arbeit, die mit hohen Anforderungen an die einzelnen<br />

verknüpft ist, in ihrer Bedeutung anzuerkennen.<br />

Im Laufe unserer fünfjährigen Beratungstätigkeit hat sich unser Profil – auch entsprechend<br />

der Nachfragen – vom „Anwalt“ für Angehörige zu einer Spezialberatungsstelle<br />

für alle Akteure im Bereich Pflege entwickelt. Die zunehmende Inanspruchnahme durch<br />

Pflegeeinrichtungen, Pflegedienste und Pflegekräfte freut uns besonders, da das bedeutet,<br />

dass auch sie unsere Beratung und neutrale/schlichtende Begleitung als Unterstützung<br />

erleben.<br />

Die Empfehlungen unserer Stelle vor allem durch den MDK zeigen, dass wir neben den<br />

offiziellen Beratungs- und Prüforganen als unabhängige Beratungs- und Beschwerdeeinrichtung<br />

einen wichtigen Platz in der Stadt einnehmen. Viele Probleme, die im kommunikativen<br />

und zwischenmenschlichen Bereich liegen, kosten eine Pflegeeinrichtung/<br />

Diakoniestation viel Kraft und Geld. Sie können bei einer Prüfung festgestellt, aber nicht<br />

bearbeitet werden.<br />

Speziell die große Nachfrage nach Fortbildungen und Fallbesprechungen zeigt, dass der<br />

Wunsch nach Schulung und Begleitung durch Pflege in Not und dass sich die Bereitschaft,<br />

sich mit dem Thema auseinander zu setzen, sehr erhöht hat.<br />

Alte pflegebedürftige Menschen sind immer wieder Opfer von psychischer und physischer<br />

Gewalt. Sowohl in den Familien als auch in den Alten- und Pflegeheimen. Die<br />

pflegenden Angehörigen beschreiben starke konflikthafte Situationen in den Familien<br />

bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen. Die Ursachen und Bedingungen, die zur<br />

Eskalation führen, können vielfältig sein: die lange Pflegedauer, das Krankheitsbild, die<br />

finanzielle Ausstattung und vor allem die gemeinsame Beziehungsgeschichte.<br />

Innerfamiliäre Konflikte, die oft über Generationen hinweg die Familiendynamik beeinflussen,<br />

werden in der Pflegesituation aktualisiert. Bei Gewalt zwischen Ehepartnern ist<br />

dies oft eine Fortsetzung des bestehenden Beziehungsverhaltens miteinander, während<br />

bei pflegenden Kindern die alten Verletzungen und Kränkungen durch die Eltern in der<br />

Pflegesituation zum Tragen kommen. Ebenso ist der pflegebedürftige alte Mensch trotz<br />

starker Pflegebedürftigkeit und einem hohen Maß an Abhängigkeit in der Lage, die<br />

Konflikte z. B. durch Verweigerung von Dankbarkeit und Wertschätzung zu verstärken.<br />

Aus diesem Grund sind gerade in der Familienpflege die Stigmatisierungen in „Opfer<br />

und Täter“ völlig unangebracht. Sowohl der pflegende Angehörige als auch der alte<br />

Mensch können Opfer und Täter zugleich sein.<br />

Die Beschwerden von Angehörigen aus den Pflegeheimen reichen von mangelnder<br />

Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung, fehlenden Bewegungsmöglichkeiten (die<br />

Bewohner werden nicht regelmäßig aus dem Bett geholt, Spaziergänge oder Aufenthalt<br />

im Garten sind häufig nicht möglich), Windeln statt Toilettengang, unerlaubter Fixierung,<br />

willkürlicher Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen, unfreundlicher bis<br />

verachtender Umgangston etc.<br />

Neben den Angehörigen wenden sich Pflegekräfte an Pflege in Not, um sich zu schwierigen<br />

Problemen beraten zu lassen. Hierbei kann es sich um pflegerische Defizite bis hin<br />

zu gefährlicher Pflege handeln, Zweifel an der Personalausstattung ihres Wohnbereiches,<br />

Mobbing, Problemen mit Vorgesetzten, die für Problemanzeigen ihrer Mitarbeiterinnen<br />

als auch für Verbesserungen nicht offen sind.<br />

Die institutionellen Bedingungen einer Einrichtung – wie Personalsituation, bauliche<br />

Gegebenheiten, Ausstattung an Hilfsmitteln, Führungsstil der Institution, Angebote an<br />

Fortbildung etc. – spielen beim Entstehen von aggressiven Verhaltensweisen eine nicht<br />

zu unterschätzende Rolle.<br />

Daneben ist die Persönlichkeit der Pflegekraft und ihre Beziehung zum Bewohner eine<br />

wichtige Bedingung im Umgang mit Konflikten. Biographische Faktoren, Kommunikationsfähigkeit,<br />

soziale und fachliche Kompetenz, Umgang mit Macht etc. bestimmen<br />

den pflegerischen Alltag.<br />

Trotz aller Bedingungen stellen wir immer wieder fest, dass die Führungskräfte – als<br />

wichtige Schnittstelle – maßgeblich die Stimmung und den Stil eines Hauses bestimmen.<br />

Ihre Kompetenz und Haltung sind die ausschlaggebenden Faktoren für die Lebensbedingungen<br />

ihrer Bewohner.<br />

Pflege in Not bietet als eine präventive Maßnahme den Pflegeeinrichtungen Fortbildungen<br />

zum Thema Gewalt gegen alte Menschen an, um die Pflegekräfte für das Thema zu<br />

sensibilisieren, sie anzuregen, eigene Verhaltensweisen zu überprüfen und sich zum<br />

„Anwalt“ für sich und die Bewohner zu entwickeln. Ebenso bestärken wir in den<br />

Gesprächen mit den Pflegedienstleiterinnen ihren Wunsch nach Coaching. Dabei geht es<br />

darum einerseits eine Vorstellung zu entwickeln, wie ihre Einrichtung aussehen soll und<br />

eine Haltung als Führungskraft zu einzunehmen, andererseits aber auch darum, Kraft<br />

für Auseinandersetzungen mit dem Träger zu sammeln.<br />

Gabriele Tammen-Parr<br />

Expertenstatements<br />

83<br />

Aus diesem Grund erscheint uns eine präventive und begleitende Beratung für die<br />

Betroffenen am sinnvollsten. Strafrechtliche Maßnahmen sind nur in Einzelfällen<br />

geboten. In diesem Zusammenhang sind Professionelle aus dem sozialen Umfeld wie<br />

Sozialarbeiter, Ärzte und Pflegepersonal wichtig, um mit geschulter Aufmerksamkeit<br />

Gefährdungsmomente und ausgeübte Gewalt zu erkennen. Der Boden für jegliche<br />

Veränderung zu diesem Thema ist die öffentliche gesellschaftliche „Akzeptanz“, dass<br />

alte Menschen Gewalt in der Pflege erleben – sowohl in der Familie als auch in<br />

Alten- und Pflegeheimen.

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