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Sicherheit für Senioren - Polizei Bayern

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Protokoll<br />

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Herr Professor Dr. Dr. Rolf Dieter Hirsch<br />

Gerade im häuslichen Kontext sind Pflegeabhängigkeit und Pflegebelastung Faktoren,<br />

die zu Gewalthandlungen führen können. Die Belastungen einer privaten, häuslichen<br />

Pflege können sich ins Unermessliche steigern. Die Familienangehörigen sind meist auf<br />

sich alleine gestellt. Beratungsstellen für alte Menschen sind oftmals lediglich Vermittlungsstellen<br />

für einen Platz im Altersheim. Eine umfassende Hilfe wird dabei nicht geleistet.<br />

Prävention muss bei Aufklärung, Information und Beratung ansetzen und Vermittlungsangebote<br />

in professionelle Hilfe einschließen. Niedrigschwellige Angebote von Selbsthilfegruppen<br />

können dabei im Vordergrund stehen. Kontraproduktiv wirken die gesamtgesellschaftlichen<br />

Diskussionen über den „Wert“ der pflegebedürftigen und pflegenden<br />

Menschen. Der diskriminierende Diskurs über die Unbezahlbarkeit der Pflege führt zu<br />

einer größeren Überforderung aller Personen. Primäre Prävention muss hier ansetzen.<br />

Daneben ist gerade die regionale Netzebene wichtig – Arbeit vor Ort sollte unter Einbindung<br />

von Ärzten, Richtern, Betreuern und Hilfeeinrichtungen stattfinden. Letztendlich<br />

ist bei dem Hilfsangebot auch die Zusammenarbeit mit und Einbindung von <strong>Senioren</strong><br />

zu fördern.<br />

Frau Christine Schröder<br />

Die Frauenberatungsstelle Verden, die sich mit frauenspezifischen Themen beschäftigt,<br />

kennt die Problematiken älterer Frauen aus der alltäglichen Praxis. Eine geschlechtsspezifische<br />

Rollenverteilung, welche für Frauen Selbstbestimmung ausblendet und die<br />

Verantwortung für Familie in den Mittelpunkt stellt, herrscht in der Generation der 60-<br />

Jährigen und Älteren noch deutlich vor. Gewalt, sexuelle Übergriffe und andere Formen<br />

der Erniedrigung werden ertragen, um das klassische Bild der „heilen Familie“ nach<br />

außen nicht zu zerstören. So finden Frauen zwischen 60 und 80 Jahren schwer den Weg<br />

in Hilfeeinrichtungen oder Frauenberatungsstellen. Eine Prävention muss diesen Umstand<br />

berücksichtigen: Ziel muss die langfristige Beratung, Begleitung und die Stabilisierung<br />

älterer Frauen in der Familie sein. Angebote müssen niedrigschwellig angelegt sein. Eine<br />

Vorstufe könnten z. B. Hausärzte oder Pastoren bilden, da diese oftmals direkt mit den<br />

Auswirkungen der Gewalt gegen ältere Frauen konfrontiert werden. Diese Vertrauenspersonen<br />

müssen über die Symptome von Gewalt sowie über Hilfs- und Hinwendungsmöglichkeiten<br />

Bescheid wissen. Grundlage einer erfolgreichen Arbeit ist letztendlich<br />

eine umfassende Erforschung der Thematik (Frau Christine Schröder weist auf die KFN-<br />

Studie „Jetzt bin ich so alt und das hört nicht auf. Sexuelle Viktimisierung im Alter“<br />

(Görgen u. a., KFN-Forschungsberichte Nr. 95, 2005) hin), der Ausbau niedrigschwelliger<br />

Angebote, eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sowie die Fortbildung und Schulung der<br />

Personen, die – auf allen Ebenen – mit älteren Frauen arbeiten.<br />

Frau Ines Behr<br />

Auch wenn die <strong>Polizei</strong> eine wichtige Rolle bei der Auseinandersetzung mit der Thematik<br />

spielt, müssen sämtliche gesellschaftliche Kräfte in die Prävention und innerhalb ihres<br />

Aufgabenspektrums eingebunden werden. In diesem Zusammenhang wird festgestellt,<br />

dass aussagekräftiges Zahlenmaterial bisher fehlt. Eine Ausweitung der Erfassung zur<br />

<strong>Polizei</strong>lichen Kriminalstatistik dieses Bereichs sollte daher angestrebt und daneben geeignete<br />

Verfahren zur Dunkelfelderhellung ausgebaut werden. Fundiertes Zahlenmaterial<br />

und auch eine dadurch begründete, umfassende gesamtgesellschaftliche Thematisierung<br />

trägt zur Enttabuisierung bei. Gleichzeitig muss ein zielgruppenspezifisches Informationsangebot<br />

zur Sensibilisierung auf allen Ebenen (<strong>Polizei</strong>, Gesundheitssystem, Pflegedienste,<br />

Seelsorge etc.) führen. Letztendlich ist eine Vernetzung von Initiativen, Behörden und<br />

Ressourcen zwingend notwendig, um der Problematik gerecht zu werden.<br />

Herr Claus Fussek<br />

Aus der alltäglichen Praxis werden drastische Beispiele angeführt, um die bestehenden<br />

Zustände in (vielen) Pflegeheimen zu verdeutlichen. Die Vereinigung Integrationsförderung<br />

(VIF e.V.) kämpft seit Jahrzehnten für menschenwürdige Bedingungen in Altenund<br />

Pflegeheimen. Durch die anhaltende Tabuisierung und Ausblendung der Problematik<br />

aus dem gesellschaftlichen Leben ist eine Umsetzung von Forderungen und Empfehlungen<br />

runder Tische nur begrenzt bis gar nicht möglich. Herr Claus Fussek plädiert für<br />

die Forderung und Formulierung von allgemeinen Menschenrechten (Essen, Trinken,<br />

Hygiene etc.) für alte Menschen in Heimen. Wissenschaftliche Forschung, runde Tische,<br />

Forderungen und Empfehlungen gäbe es zwischenzeitlich genug. Von dem Expertenworkshop<br />

sollten deshalb vor allem konkrete Handlungsanleitungen und praktische<br />

Konsequenzen ausgehen.<br />

Frau Kornelie Rahnema<br />

Die offene Thematisierung von Machtmissbrauch, Vernachlässigung und Qualitätsmangel<br />

in der Pflege muss forciert werden. Eine Kriminalisierung wäre dagegen nicht zielführend.<br />

Aus der alltäglichen Praxis kennt man die Missstände in stationärer und ambulanter<br />

Pflege, die über Einzelfälle weit hinausreichen (Verhalten des Pflegepersonals, Mängel<br />

in der Leitung und den Strukturen der Pflegeheime etc.). Der Bereich privater Pflege ist<br />

demgegenüber tabuisiert und schwer zugänglich. Es muss aber auch darauf hingewiesen<br />

werden, dass Gewalt – etwa aufgrund Frustration oder Einschränkungen – auch von<br />

den pflegebedürftigen Menschen ausgehen kann. Gefordert wird eine Sensibilisierung,<br />

Informationsvermittlung und Schulung im stationären und ambulanten Bereich der<br />

Altenpflege, die auf diesen Erkenntnissen basiert. Für die Angehörigen in der privaten<br />

Pflege müssen Beratungsangebote, Schulungen und unterstützende Pflegedienste bereitgestellt<br />

werden. Als Voraussetzung für die Pflegeleistung sollten Kurse für die Angehörigen<br />

verpflichtend sein. Ein breites Netz an Hilfsangeboten sollte gespannt werden. Auch<br />

rechtsmedizinische Untersuchungen müssen grundsätzlich möglich sein, um oftmals verschleierte<br />

Todesursachen aufdecken und ggf. Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen<br />

zu können.<br />

Frau Gabriele Tammen-Parr<br />

Die Beratungs- und Beschwerdestelle „Pflege in Not“ des Diakonischen Werkes Berlin<br />

Stadtmitte e.V. wird vorgestellt, die seit fünf Jahren im Bereich der Beratung (Telefonoder<br />

psychologische Beratung), Mediation (in Einrichtungen) und Fortbildung für Pflegekräfte<br />

aktiv ist. Diese Bereiche werden als erfolgreich in der Aufklärung, Informations-vermittlung<br />

und Bekämpfung der Gewalt auf praktischer Ebene beschrieben. Einer<br />

Tabu-isierung muss entgegengewirkt werden. Die vorhandenen Ressourcen müssen<br />

gebündelt und vernetzt werden. Die Gewalt kommt durch die Plattform „Pflege“ zum<br />

Ausdruck. Spätestens sobald die Pflege aufgenommen wird muss Beratung erfolgen –<br />

beim Erstgespräch im Haushalt. Die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen<br />

Kräften, z. B. der <strong>Polizei</strong>, wird ausdrücklich gefordert. Einseitige Täter- und Opferzuschreibungen<br />

sind dabei jedoch unerwünscht. Prävention setzt bei Beratung und<br />

Begleitung aller Betroffenen an, schließt Schulungen des sozialen Umfeldes sowie der<br />

professionellen Pflege mit ein und optimiert die personelle und materielle Situation in<br />

Einrichtungen. Der gesamtgesellschaftliche Aspekt wird in den Vordergrund gestellt.<br />

Protokoll<br />

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