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DOKUMENTE DES MUSIKLEBENS

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Dokumente des Musiklebens - Sonderband 1995 5<br />

a) Institutionen, Vereine<br />

Im österreichischen Musiktheater zur Zeit des Ersten Weltkrieges zeigte sich deutlich<br />

das Forcieren bereits vorher vorhandener Phänomene, die auf ein bestimmtes<br />

"Österreich-Bild" bzw. auf eine gezielte Selbstdarstellung ausgerichtet waren. Ein Aspekt<br />

war die verstärkte Hinwendung zu einer rückwärtsgewandten Walzerseligkeit (Strauß,<br />

Lanner, ...); ein zweiter ein natürlich besonders ausgeprägter Patriotismus (an erster<br />

Stelle sind in diesem Zusammenhang Operettengrößen wie Stolz, Ziehrer, Benatzky,<br />

Lehar zu nennen - vgl. Kapitel D!), der vor allem in der Glorifizierung des Kaisers als<br />

Stellvertreter des Reiches, als "Vaterfigur", seinen Ausdruck fand. Bezeichnend war<br />

dabei das nur scheinbare Paradoxon, daß einerseits der Kaiser als Symbolfigur<br />

stellvertretend für das ganze Reich dargestellt wurde, andererseits aber die Devise<br />

"viribus unitis" als Karikatur oder in parodistischer Form seinen Niederschlag fand.<br />

Damit wurde aber nur eine Entwicklung fortgesetzt und verstärkt, die sich bereits<br />

vorher etwa auf dem Gebiet der Operette deutlich gezeigt hat, vor allem wenn man an<br />

das darin ausgebreitete Balkanbild denkt, das sich ja durchwegs negativ-abwertend (die<br />

meisten Personen aus diesem Bereich sind entweder dumm oder korrupt), bestenfalls<br />

befremdend-exotisch darbietet. Die Lage des Musiktheaters in der Zwischenkriegszeit<br />

ist gekennzeichnet von einer Entwicklung, die zunächst von einem noch eher breitgefächerten<br />

Horizont ausging, der sich z.B. in der zahlreichen Präsenz zeitgenössischer<br />

Stücke zeigte. Eine stärkere Polarisierung ging beim Musiktheater wie auch in anderen<br />

Bereichen des Musiklebens Hand in Hand mit der zunehmenden innenpolitischen<br />

Entfremdung und außenpolitischen Verschärfung der Lage, so daß in den Dreißigerjahren<br />

zunehmend Stücke wie "Das weiße Rössl" (Benatzky) oder "O du mein Österreich"<br />

(H. Marischka) die Theaterlandschaft prägten und dadurch eine unreflektierte<br />

Rückwärtsgewandtheit zur "guten, alten Zeit" als wesentlichen Parameter des vorherrschenden<br />

Österreich-Bewußtseins auswiesen.<br />

Im Zusammenhang mit der erwähnten Polarisierung spielten besonders die diversen<br />

Gesangsvereine eine wichtige Rolle. Einerseits sind hier die auf den Anschluß an<br />

Deutschland ausgerichteten Bestrebungen, andererseits eben die steigenden Differenzen<br />

zwischen bürgerlichen und sozialistischen Vereinen analog zur politischen Entwicklung<br />

bedeutsam. Das im Zusammenhang mit den Folgen des ersten Weltkrieges (St.<br />

Germain ...) mangelnde Selbstbewußtsein Österreichs sollte nicht zuletzt durch eine<br />

Bewahrung des "Kulturellen Erbes" gestärkt werden. Eine gewichtige Funktion spielten<br />

in dieser Hinsicht die Salzburger Festspiele, deren wohlgemeinte internationale,<br />

völkerverbindende Ausrichtung sehr bald abbröckelte zugunsten einer Selbstdarstellung<br />

der Kulturnation Österreich mit besonderer Betonung der führenden Rolle in der<br />

Musik. Diese propagierte führende Rolle als Musiknation fand allerdings durch den<br />

allzu einseitigen Rückgriff auf die "großen Klassiker" eine zunehmend engstirnige<br />

Ausrichtung, die sich zum Ständestaat hin zu einer explicit nationalistischen Gesinnung

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