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diagonal 2009-3 (pdf, 3.9Mb) - Psychiatrie Baselland PBL

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30 Jahre EPD Erlebnisbericht<br />

10<br />

«Zum ersten Mal in<br />

meinem Leben fühlte<br />

ich mich willkommen»<br />

Betrachtungen eines Patienten<br />

der Tagesklinik Liestal.<br />

Mitte 2007 trat ich nach einem längeren stationären und<br />

teilstationären Aufenthalt in der Kantonalen Psychiatrischen<br />

Klinik (KPK) in die Tagesklinik Liestal (TK) der Externen<br />

Psychiatrischen Dienste ein. Nach der Schnupperwoche<br />

konnte ich mir kaum vorstellen, mich dort wohl zu fühlen.<br />

Die Enge der Räume, die dicken Mauern und die fehlenden<br />

Rückzugsmöglichkeiten machten mir zu schaffen. Ich überwand<br />

jedoch meine innere Abneigung und liess mich auf<br />

die TK ein – in der Überzeugung, dass es mir nur gelingen<br />

würde, meine Probleme nachhaltig zu überwinden, wenn<br />

ich das Hilfsangebot der TK akzeptierte.<br />

Die Zugewandtheit der Betreuenden und Fachleute erleichterte<br />

mir den Einstieg. Zum ersten Mal in meinem<br />

Leben fühlte ich mich willkommen. Man freute sich auf<br />

mich und gab mir das Gefühl, wichtig zu sein. Ich hatte den<br />

Eindruck, endlich auch aufrecht gehen zu dürfen, mich<br />

nicht stets ducken und kleinmachen zu müssen. Für meine<br />

Beiträge, ob mündlicher Art, oder wenn ich Hand anlegte<br />

beim Einkaufen oder in der Küche, wurde mir gedankt,<br />

etwas, das ich mir bisher nicht gewohnt war.<br />

Der äussere Rahmen der TK unterstützte mich darin, meine<br />

Wochen zu strukturieren, das regelmässig wiederkehrende<br />

Programm bot mir Halt. Auch die Betreuung durch die<br />

Fachleute half mir, mich zu stabilisieren. Ich staunte jeden<br />

Tag über ihre Freundlichkeit, ihre Zugewandtheit und ihre<br />

Fröhlichkeit. Wollte ich Rat, erhielt ich ihn jedes Mal, nie<br />

wurde ich zurechtgewiesen, wenn ich etwas zum zweiten<br />

oder dritten Mal fragte. Brauchte ich ein stützendes Gespräch,<br />

wenn es mir nicht gut ging, war stets jemand da,<br />

nie wurde ich auf später vertröstet mit dem Hinweis, die<br />

Ressourcen seien nicht vorhanden. Nie wurde der moralisierende<br />

Zeigefinger erhoben, wenn ich über meine suizidalen<br />

Absichten sprach. Begegnete ich im Haus jemandem,<br />

sprach er mich mit meinem Namen an, selbst Ärzte und<br />

Therapeutinnen, mit denen ich nichts zu tun hatte und die<br />

ich nur flüchtig oder vom Sehen kannte.<br />

Mein Programm war individuell und auf meine Fähigkeiten<br />

und Neigungen zugeschnitten. Nie wurde ich zu einem Programmteil<br />

«verknurrt», mit dem ich Mühe hatte, wie beispielsweise<br />

«Körperwahrnehmung». Vielmehr führte man<br />

mich sachte und schrittweise an das mir Fremde heran,<br />

so dass ich mich langsam öffnen und auch diesen Dingen<br />

etwas Positives abgewinnen konnte.<br />

Geholfen haben mir ebenfalls meine Mitpatienten und Mitpatientinnen:<br />

Wir konnten uns nicht nur über unser oft<br />

nicht leichtes Schicksal austauschen, sondern auch über<br />

Alltägliches. So entging ich der Einsamkeitsfalle, konnte<br />

mehr und mehr am Leben teilnehmen und manchmal sogar<br />

meine Krankheit vergessen.<br />

Schwierig waren jeweils die Wochenenden und die Feiertage,<br />

wenn die TK geschlossen war und kein Programm<br />

angeboten wurde. Dann wurde mir schmerzlich bewusst,<br />

welche Anstrengung es kostete, die Tage selber gestalten<br />

zu müssen, in die Küche zu gehen, um mir eine Mahlzeit<br />

zuzubereiten, obwohl ich keinerlei Lust dazu verspürte und<br />

antriebslos in meiner Wohnung hockte. Wie oft habe ich<br />

mir da gewünscht, dass jemand da wäre für ein Gespräch,<br />

um die trüben Gedanken zu verscheuchen und die entsetzliche<br />

Einsamkeit zu bannen.<br />

Problematisch bleiben für mich die Räumlichkeiten. Obwohl<br />

sie durch Malarbeiten und Dekorationen freundlicher<br />

gestaltet worden sind, fehlen mir immer noch – insbesondere<br />

in der kalten Jahreszeit – Rückzugsmöglichkeiten und<br />

Räume, in denen ein ungestörtes Gespräch zu zweit oder<br />

dritt möglich ist oder man einfach schweigen und still sein<br />

kann. ■<br />

(Der Name des Verfassers ist der Redaktion bekannt)

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