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diagonal 2009-3 (pdf, 3.9Mb) - Psychiatrie Baselland PBL

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30 Jahre EPD Aus der Aufbauzeit<br />

Begeisterung und Pioniergeist<br />

standen am Anfang der EPD<br />

Als junger Pfleger war Paul Bächtold vor dreissig Jahren am Aufbau der Externen Psychiatrischen Dienste beteiligt.<br />

Der heutige Leiter des Pflegediensts KPK blickt auf die Gründungszeit zurück.<br />

6<br />

Der Start der Externen Psychiatrischen Dienste im Jahr<br />

1979 erfolgte quasi im «geschützten Rahmen» der KPK.<br />

Der neue Chefarzt EPD, Dr. Jakob Christ, bezog in der Klinik<br />

ein Büro und baute von dort aus die ersten sozialpsychiatrischen<br />

Strukturen auf. In der Klinik gab es in dieser<br />

Zeit – vor allem auch in der Pflege – Kräfte, die den Wandel<br />

von der kustodialen <strong>Psychiatrie</strong> zu einem sozialpsychiatrisch<br />

ausgerichteten Versorgungssystem herbeisehnten und<br />

aktiv unterstützten. Mit Dr. Jakob Christ erhielt Dr. Theodor<br />

Cahn, Chefarzt der KPK, einen Kollegen, der zusammen mit<br />

ihm die Umsetzung des <strong>Psychiatrie</strong>konzeptes tatkräftig und<br />

in fachlicher Übereinstimmung an die Hand nahm.<br />

Dr. Christ hatte in Amerika sozialpsychiatrische Strukturen<br />

erfolgreich auf- und ausgebaut. Er war gewohnt, mit verschiedenen<br />

– auch nicht-ärztlichen – Disziplinen zusammenzuarbeiten.<br />

Es war daher nicht verwunderlich, dass er<br />

die neu gegründete Nachsorgegruppe für klinikentlassene<br />

Patientinnen und Patienten zusammen mit einem jungen<br />

Pfleger und einer Sozialarbeiterin durchführte. Ich hatte<br />

das Glück, als junger Pfleger mit kaum zwei Jahren Berufserfahrung<br />

dabei zu sein.<br />

Aufbruchstimmung und Kulturwandel waren spürbar<br />

Ein paar Monate später war es so weit. Dr. Christ bezog mit<br />

einem kleinen Team die Räumlichkeiten in der Personalwohnsiedlung<br />

an der Goldbrunnenstrasse 14.<br />

Das Team der ersten Stunde bestand aus einer Handvoll<br />

Menschen: Eine erfahrene Sozialarbeiterin, ein junger Pfleger,<br />

eine sehr junge und, wie sich herausstellte, tüchtige<br />

Sekretärin sowie zwei erfahrene Assistenzärzte aus der<br />

Klinik machten sich daran, die EPD aufzubauen. Es war<br />

eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Die meisten hatten<br />

zuvor miteinander in der Klinik gearbeitet und gehörten zu<br />

den Protagonisten der «neuen <strong>Psychiatrie</strong>».<br />

Ich erinnere mich, dass ich nebst hoffnungsvoller Aufbruchstimmung<br />

auch starke Verunsicherung erlebte. Das<br />

Heraustreten aus der – nicht nur für die Patientinnen und<br />

Patienten – Schutz gewährenden Klinik, das Aufgeben einer<br />

klaren – wenn auch sehr beengenden – beruflichen<br />

Rolle hat mich stark gefordert. Vor allem für die nicht-ärztlichen<br />

Disziplinen war der Kulturwandel, der durch den<br />

Chefarzt geprägt wurde, mit einem enormen Selbstständigkeitsschub<br />

verbunden. Auf einmal gab es kaum noch<br />

begrenzende Rollenzuweisungen. Die Frage war vielmehr:<br />

Wer traut sich was zu aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung?<br />

Dr. Christ hat jeden einzelnen Mitarbeitenden<br />

wöchentlich supervidiert. Er verstand es meisterhaft, das<br />

persönliche Engagement und die berufliche Entwicklung<br />

der Mitarbeitenden sowie die Steuerung des «Projekts EPD»<br />

in Einklang zu bringen.<br />

Fingerspitzengefühl und Beharrlichkeit waren nötig<br />

Ich erinnere mich daran, dass dieser Kulturwandel bisweilen<br />

zu deutlichen Reaktionen aus dem beruflichen Umfeld<br />

führte. Nicht jeder Hausarzt konnte akzeptieren, dass er<br />

von einer Sozialarbeiterin oder einem <strong>Psychiatrie</strong>pfleger<br />

beraten wurde. Viel lieber hätte er einen Kollegen als Ansprechpartner<br />

gehabt. Viel Fingerspitzengefühl, aber auch<br />

Beharrlichkeit waren daher notwendig. Entscheidend aber<br />

war, dass uns der Chefarzt mit seiner klaren Haltung und<br />

Unterstützung den Rücken stärkte.<br />

Bei derart engagierten Menschen war es nicht verwunderlich,<br />

dass die Gruppendynamik im Team rasch in vollem<br />

Gange war. Bemerkenswert ist, dass entscheidende Aufgaben,<br />

wie zum Beispiel der Aufnahmedienst, auf alle Teammitglieder<br />

verteilt wurden. Eine «Machtstellung» erreichte<br />

man primär durch Machen, nicht durch Titel oder Ausbildung.<br />

Es ging daher in Teamsitzungen häufig äusserst<br />

lebendig zu… Eine Teamsupervision wurde installiert und<br />

rege genutzt. Ich erinnere mich an brisante Themen wie<br />

beispielsweise «gleicher Lohn für gleiche Arbeit». Trotz<br />

der deutlichen Aufweichung und Veränderung der traditionellen<br />

Berufsrollen blieb es in dieser Frage bei interessanten<br />

Diskussionen und moderaten Anpassungen.<br />

Fachliches Wissen und individuelle Fähigkeiten<br />

setzten Schwerpunkte<br />

Nach der anfänglichen Rollenverunsicherung bzw. Diffusion<br />

fanden alle Mitarbeitenden ihre disziplinenspezifischen<br />

Schwerpunkte. Die Sozialarbeiterin war sehr aktiv<br />

im Aufbau von intermediären Strukturen und freiwilligen<br />

Helfer/-innengruppen in den Gemeinden. Meine Schwerpunkte<br />

waren die Kriseninterventionen zu Hause und die<br />

Nachsorgegruppen. Diese wurden jeweils von einem Arzt<br />

und mir geleitet. Die Ärzte hatten «eigene» Patientinnen<br />

und Patienten und waren zudem medizinische Ansprechpersonen<br />

für die Patientinnen und Patienten der nichtärztlichen<br />

Mitarbeitenden.<br />

Wenig später ergänzten Psychologen das Team. Es wurden<br />

spezifische therapeutische Gruppen aufgebaut. Die Sekretärin<br />

gab Acht, dass vor lauter Innovation die Ordnung nicht<br />

auf der Strecke blieb. Bald zogen die ersten Praktikantinnen<br />

und Praktikanten ein. Die Beratungsstelle wurde sukzessive<br />

ausgebaut. Das Gruppenangebot wurde vervielfacht.<br />

Treffpunkte in den Gemeinden schossen wie Pilze aus dem<br />

Boden. Es war eine enorm dynamische Zeit!<br />

Mit Dankbarkeit und Freude denke ich an die ersten vier<br />

Jahre in den EPD zurück. An einem Innovationsprozess<br />

teilzuhaben und Veränderungen mitzugestalten, ist ein<br />

Privileg. ■<br />

Paul Bächtold, Leiter Pflegedienst<br />

Kantonale Psychiatrische Klinik KPK

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