Berline Behindertenzeitung - HSP-Selbsthilfegruppe Deutschland EV
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BBZ März 2011 Woh n e n<br />
11<br />
Wohnen und Leben im Stadtteil<br />
Die <strong>Berline</strong>r „Kundenstudie“ fordert Weiterentwicklung des Systems Behindertenhilfe<br />
Die <strong>Berline</strong>r „Kundenstudie“ hat<br />
den Stand der Behindertenhilfe<br />
im Bereich des Wohnens von Erwachsenen<br />
mit sog. geistiger und mehrfacher<br />
Behinderung untersucht und<br />
Empfehlungen zur Weiterentwicklung<br />
der Hilfen unter der Leitorientierung<br />
Inklusion vorgelegt (vgl. Art. 19<br />
BRK). 1<br />
Dabei haben die Sichtweisen<br />
von Menschen mit Behinderung – als<br />
Nutzer(innen) der wohnbezogenen<br />
Angebote – einen zentralen Stellenwert.<br />
Die Wohnvorstellungen der<br />
befragten Frauen und Männer zielen<br />
auf ein Leben inmitten der Gemeinde,<br />
mit tragfähigen sozialen Beziehungen<br />
und einem Umfeld, in dem<br />
Verschiedenheit willkommen ist.<br />
Der städtische Raum bietet durch<br />
die Vielfalt seiner Quartierskulturen<br />
und Beteiligungsstrukturen gute<br />
Chancen zur sozialen Einbindung<br />
von Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />
bzw. geistiger und mehrfacher<br />
Behinderung. Viele Ressourcen<br />
bleiben jedoch ungenutzt, weil das<br />
System der Behindertenhilfe sich in<br />
vielen Bereichen als eigenständiger<br />
Raum entwickelt hat, der Separationstendenzen<br />
begünstigt:<br />
− Inklusives Denken ist in<br />
der Behindertenhilfe nicht selbstverständlicher<br />
Bestandteil bei der Realisierung<br />
von Angeboten. Mitarbeitende<br />
von Einrichtungen und Diensten<br />
sind für sozialraumbezogene Aufgaben<br />
nur unzureichend vorbereitet.<br />
Vernetzungsstrukturen mit sozialen<br />
Einrichtungen und Diensten der<br />
Region bedürfen der Intensivierung.<br />
− Die Teilhabe am Leben in<br />
der Gesellschaft wird in erster Linie<br />
durch Teilnahme an freizeitbezogenen,<br />
kulturellen oder sportlichen<br />
Angeboten und durch Inanspruchnahme<br />
von Dienstleistungen im<br />
Wohnumfeld realisiert. Die soziale<br />
Einbindung von Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />
in das Gemeinwesen<br />
ist nur punktuell gelungen. Als „Türöffner“<br />
in die Gemeinde kommt dem<br />
Bürgerschaftlichen Engagement eine<br />
wichtige Rolle zu.<br />
− Vorhandene Beteiligungsstrukturen<br />
in den <strong>Berline</strong>r Bezirken<br />
sind für Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />
kaum erschlossen, obwohl<br />
auf Seiten der stadtteilbezogenen<br />
Einrichtungen Offenheit für gemeinsame<br />
Projekte zur regionalen Einbindung<br />
des Personenkreises besteht.<br />
− Die Chancen zur Wahrnehmung<br />
der politischen Dimension von<br />
Teilhabe im Sinne von Mitwirkung<br />
in Angelegenheiten, die für Menschen<br />
mit Behinderung selbst und<br />
für andere bedeutsam sind, sind für<br />
Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />
gering. Ihre Selbstvertretungsgruppen<br />
werden in Berlin bislang kaum<br />
öffentlich wahrgenommen. Zur wirksamen<br />
Partizipation benötigen sie Assistenz.<br />
− In der Integrationsdebatte<br />
wird die Situation von Menschen mit<br />
Behinderung und Migrationshintergrund<br />
bislang eher selten thematisiert.<br />
Interkulturelle Ansätze in der<br />
Behindertenhilfe werden eher zögerlich<br />
umgesetzt; eine Zusammenarbeit<br />
mit Migrantenorganisationen<br />
und -verbänden bei der Entwicklung<br />
kultursensibler Angebote steckt noch<br />
in den Anfängen.<br />
Trotz des bestehenden Handlungsbedarfs<br />
findet ein fachlicher Diskurs<br />
über notwendige Strategien für eine<br />
Neuausrichtung der Arbeit mit Menschen<br />
mit Lernschwierigkeiten bzw.<br />
geistiger und mehrfacher Behinderung<br />
im Land Berlin nur ansatzweise<br />
statt. Es fehlt ein auf Konsens basierender<br />
Orientierungsrahmen für die<br />
Gestaltung der Hilfen unter der Zielperspektive<br />
Inklusion einschließlich<br />
der Verankerung der Partizipation<br />
von Menschen mit Behinderung als<br />
integraler Bestandteil des Prozesses.<br />
Die Ergebnisse der Studie wurden in<br />
Eckpunkten für ein Strategiekonzept<br />
zur Weiterentwicklung der Behindertenhilfe<br />
in ressortübergreifender Verantwortungspartnerschaft<br />
verdichtet.<br />
Sie werden in einer der nächsten<br />
BBZ-Ausgaben vorgestellt.<br />
Monika Seifert, Berlin<br />
1<br />
Monika Seifert (2010): „Kundenstudie“<br />
– Bedarf an Dienstleistungen zur Unterstützung<br />
des Wohnens von Menschen mit<br />
Behinderung. Berlin: Rhombos-Verlag (ca.<br />
420 Seiten, 35,00 Euro; Bestellung: bestellung1@rhombos.de).<br />
Kurzfassungen sind<br />
beim Paritätischen Wohlfahrtsverband LV<br />
Berlin erhältlich, auch in LL-Version.<br />
„Barrierefreies Wohnen – (k)ein Problem?“<br />
Unter diesem Thema fand Ende<br />
letzten Jahres eine gemeinsame<br />
Verstaltung des Bezirksbürgermeisters<br />
von Reinickendorf<br />
Frank Balzer und der Bezirksbehindertenbeauftragten<br />
Claudia<br />
Meier im „Vitanas Senioren Centrum<br />
Märkisches Viertel“ statt.<br />
Ein Mangel an barrierefreien<br />
und rollstuhlgerechten Wohnungen<br />
ist bereits heute schon<br />
zu verzeichnen - auch in Reinickendorf.<br />
Aufgrund des demografischen<br />
Wandels wird die Nachfrage<br />
nach diesen Wohnungen<br />
weiterhin stark zunehmen. Rechtzeitige<br />
Umbaumaßnahmen in eine<br />
altersgerechte oder barrierefreie<br />
Wohnung schaffen Abhilfe und<br />
sind eine gute Investition in die<br />
Zukunft.<br />
Die Frage „Können wir auch im<br />
hohen Alter oder mit Behinderung<br />
in unseren Wohnungen weiterhin<br />
leben?“ wurde mit Experten<br />
der Wohnungswirtschaft, Architekten<br />
und Vertretern der Politik<br />
diskutiert. Neben den geladenen<br />
Wohnungsbaugesellschaften und<br />
Hausverwaltungen waren auch<br />
Mitglieder des Behindertenbeirates<br />
und betroffene Personen anwesend.<br />
Als Referent sprach Herr Hubert<br />
Hüppe, Bundesbeauftragter für die<br />
Belange von Menschen mit Behinderung,<br />
zu dem Thema „Barrierefrei<br />
wohnen – Inklusion fördern“.<br />
Herr Eckard von Schwerin, Vertreter<br />
der Kf W-Bank, stellte das Förderprogramm<br />
„Altersgerecht Umbauen“<br />
vor. Herr Torsten Rasch,<br />
vom „Projekt Mobidat - barrierefrei<br />
leben in Berlin“, präsentierte<br />
die Einrichtung der berlinweiten<br />
umfassenden Wohnungsdatenbank.<br />
Anschließend gab ein kleiner<br />
Imbiss den Anwesenden die<br />
Gelegenheit zum Informationsaustausch<br />
und zum Kennenlernen.<br />
Als Nachklang zu der Veranstaltung<br />
hat das Bezirksamt Reinickendorf<br />
ein Informationsblatt erstellt.<br />
Dieses soll einen ersten Überblick<br />
über erforderliche Umbaumaßnahmen,<br />
individuelle Finanzierungsmöglichkeiten<br />
und Ansprechpartner<br />
im Bezirk Reinickendorf geben.<br />
Die Fördermöglichkeiten richten<br />
sich an Wohnungsbaugesellschaften<br />
sowie Privatpersonen.<br />
Das Informationsblatt ist ab<br />
März 2011 im Büro der Behindertenbeauftragten<br />
unter der Telefonnummer<br />
030 - 90 294 - 5007/ - 5021<br />
erhältlich.<br />
a n z e i g e<br />
Jasmin Pollert,<br />
Mitarbeiterin der Beauftragten<br />
für Menschen mit Behinderung<br />
von Berlin-Reinickendorf