Berline Behindertenzeitung - HSP-Selbsthilfegruppe Deutschland EV
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BBZ März 2011<br />
Soz iale s<br />
<br />
Zur sprachlichen Diskriminierung des Alters<br />
Unter den verschiedenen Begriffen<br />
für die gegenwärtig stattfindenden<br />
Veränderungen, die man auch „demographischer<br />
Wandel“ nennt, gibt<br />
es einige, die einen deutlich negativen<br />
Beiklang haben wie „Überalterung“,<br />
„Rentnerschwemme“, „Alterslawine“<br />
und andere. Daran zeigt sich,<br />
dass mit dem Alter immer wieder<br />
Vorurteile verknüpft werden, dass<br />
das Alter allzu oft nur mit Pflegebedürftigkeit<br />
und mangelnder geistiger<br />
Beweglichkeit in Verbindung<br />
gebracht wird.<br />
Auf einer Fachtagung zu diesem<br />
Thema, die am 6. Oktober 2008 im<br />
Rathaus Schöneberg stattgefunden<br />
hat, hat Frau Dr. Undine Kramer mit<br />
ihrem damaligen Vortrag „’Rentnerschwemme’<br />
und andere Unwörter<br />
– zur sprachlichen Diskriminierung<br />
des Alters“ darauf hingewiesen, dass<br />
eine solche sprachliche Diskriminierung<br />
des Alters schon länger immer<br />
wieder geschieht. Ihres Erachtens<br />
vermittelt die deutsche Sprache ein<br />
überwiegend negatives Altersbild;<br />
neuere Beobachtungen und Forschungen<br />
dokumentieren aber offenbar<br />
eine veränderte Sicht auf die<br />
Älteren und auf das Alter, ja, einen<br />
beginnenden der Altersdiskriminierung<br />
entgegenwirkenden Wertewandel.<br />
Immer wieder seien es besonders<br />
deutlich abwertende Begriffe gewesen,<br />
die in der jüngsten Vergangenheit<br />
sprachliche Altersdiskriminierung<br />
deutlich machten: die Bezeichnung<br />
„Runzelrabatt“ für den<br />
Bundesbahn-Seniorentarif, „Altenplage“<br />
oder „Rentnerschwemme“ als<br />
Unwörter der Jahre 1995/96 oder die<br />
Charakterisierung der Altersstruktur<br />
von Parteien mit Wörtern wie „gerontophil“<br />
oder „Greisentruppe“.<br />
Daneben sei aber Altersdiskriminierung<br />
schon lange auf allen Ebenen<br />
des deutschen Wortschatzes anzutreffen:<br />
im Dialekt mit den Bezeichnungen<br />
„Olle“ und „Olsche“, in der<br />
Umgangssprache mit Wörtern wie<br />
„Greisendiskothek“, „Rentnerfunzel“,<br />
„greiseneinfach“ oder anderen.<br />
Ja, schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
habe Jakob Grimm auf die<br />
Geringschätzung hingewiesen, die<br />
Alter und Alte in der Literatur seiner<br />
Zeit erfahren. So kann nach Frau<br />
Dr. Kramer für die deutsche Sprache<br />
eine sprachliche Diskriminierung<br />
des Alters „in großer Breite und über<br />
einen langen Zeitraum hinweg belegt<br />
werden“.<br />
Obwohl die deutsche Sprache also<br />
ein überwiegend negatives Altersbild<br />
vermittelt, klingen offenbar Schlagzeilen<br />
zum demographischen Wandel<br />
nach der Jahrtausendwende deutlich<br />
positiver: So heißt es 2005 im „Tagesspiegel“:<br />
„Die Alten kommen. Sind<br />
deutsche Unternehmen darauf vorbereitet?“<br />
Und im selben Jahr ist in derselben<br />
Zeitung unter der Überschrift<br />
„Mit Runzeln zum Erfolg?“ zu lesen:<br />
„Plötzlich sieht graues Haar nicht<br />
mehr wie zu verschrottendes Alteisen<br />
aus, sondern wie Erfahrung, Belastbarkeit<br />
und Sachkenntnis.“<br />
Offenbar machen neuere Beobachtungen<br />
und Forschungen eine veränderte<br />
Sicht auf die Älteren und das<br />
Alter deutlich, „(…) ein beginnender<br />
– auch sprachlich nachweisbarer<br />
Wertewandel wirkt der Altersdiskriminierung<br />
bereits ansatzweise entgegen.“<br />
Doch obwohl offenbar eine Revision<br />
des negativen Altersbildes beginnt,<br />
der demographische Wandel<br />
mehr und mehr positiv thematisiert<br />
wird, muss für Frau Dr. Kramer die<br />
Frage, ob sprachliche Altersdiskriminierung<br />
kein Thema mehr sei,<br />
immer noch mit einem Nein beantwortet<br />
werden. Nur zaghaft zeige<br />
sich sprachlich eine positiver ausgerichtete<br />
Bewertung des Alters, und<br />
diese beruhe zum einen auf der (ökonomischen)<br />
Einsicht, dass ‚die Alten’<br />
wohl eben doch von großem Nutzen<br />
für unser Land sind, zum anderen<br />
auf der Tatsache, dass Altersdiskriminierung<br />
in jeder, auch in sprachlicher<br />
Form nicht mehr unwidersprochen<br />
hingenommen wird.<br />
Nachzulesen ist der Vortrag von<br />
Frau Dr. Undine Kramer in einer<br />
von der Landesstelle für Gleichbehandlung<br />
– gegen Diskriminierung<br />
herausgegebenen Broschüre mit dem<br />
Titel „Altersdiskriminierung – (k)ein<br />
Thema?“, dem Heft 3 der „Schriften<br />
der Landesstelle für Gleichbehandlung<br />
- gegen Diskriminierung“, erschienen<br />
im Jahr 2009.<br />
R. S.<br />
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© Gabriele Becker<br />
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