Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schienen waren. So sagte beispielsweise Hermann Grabner, Hugo <strong>Distler</strong>s Lehrer:<br />
"Ich sagte früher schon, dass der Chorgesang die idealste Verkörperung des Gemeinschaftsmusizierens<br />
ist. Auf dieses chorische Gemeinschaftsmusizieren kommt es aber<br />
heute besonders an, denn in ihm sprechen sich alle aufbauenden Volkstumskräfte wie<br />
freiwillige Bereitschaft, geistige Selbsttätigkeit, künstlerische Mitverantwortlichkeit,<br />
menschliche Sympathie und persönliches Vertrauen aus."<br />
In ihrer Dissertation schreibt Bettina Schlüter 17) : „Die vom politischen System geförderte<br />
und in der Hitlerjugend ebenso proklamierte ‚Gemeinschaft um der Gemeinschaft’<br />
bzw. ‚Bindung um der Bindung’ willen erzeugt in ihrer auf sich selbst bezogenen Ausrichtung<br />
jene Beschränktheit des Blicks, in der die ‚Bewegung’ [gemeint ist die Sing-<br />
Bewegung] sich über ihre Rolle im politischen Kontext keine Rechenschaft mehr gibt<br />
und für beliebige Ziele mobilisiert werden kann.“<br />
Theodor W. Adorno bemerkte zu dieser Thematik: "Immer wieder wird versichert, dass<br />
Einordnung in Gemeinschaften besser sei als Isolierung. Wäre sie es selbst, so hinge<br />
ihre Legitimation nicht bloß ab <strong>von</strong> dem, was sie den Mitgliedern seelisch verschafft.<br />
Viele damals Junge mögen in der Hitlerjugend die Art <strong>von</strong> Gemeinschaftserlebnissen<br />
empfangen haben, der heute manche Führer der <strong>Musik</strong>bewegung nachtrauern. Dennoch<br />
war jene Gemeinschaft <strong>von</strong> Grund auf schlecht und falsch, weil sie die Kräfte <strong>von</strong><br />
Nähe und Verbundenheit für Unterdrückung und Gewalt mobilisierte."<br />
Hugo <strong>Distler</strong> war in den ersten Jahren der NS-Zeit offensichtlich nicht in der Lage, hinter<br />
die Fassade zu schauen. Dazu war er wahrscheinlich durch seine Leipziger Lehrer<br />
zu stark voreingenommen. Aus dieser Sicht ist es nur folgerichtig, dass Hugo <strong>Distler</strong><br />
bereits am 1. Mai 1933 in die NSdAP eintrat. Es wird allerdings auch berichtet, dass er<br />
durch Druck <strong>von</strong> Seiten der Kirchenbehörde <strong>zum</strong> Parteieintritt gezwungen wurde. Danach<br />
habe bereits im Frühjahr 1933 Erwin Balzer 18) , der Leiter des neuen Lübecker<br />
Kirchenregiments, verlangt, dass die Organisten und Küster <strong>von</strong> St. Jacobi und St Marien<br />
in die NSDAP eintreten müssen. Hierzu schrieb Waltraud <strong>Distler</strong> 1967 in einem<br />
Brief an Dr. Möller vom „Verband der durch das NS-Regime geschädigten Wissenschaftler<br />
e.V.“: “Mein Mann war nicht freiwillig Mitglied der NSDAP geworden. Er wurde<br />
1933 zusammen mit dem Organisten Walter Kraft, und den beiden Kirchendienern <strong>von</strong><br />
17<br />
Bettina Schlüter: „Hugo <strong>Distler</strong> - Zur Konzeptualisierung <strong>von</strong> Realität der Kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung“,<br />
Dissertation, Bochum, 1996<br />
18 Erwin Balzer (1901 – 1972), evangelisch-lutherischer Theologe, seit 1931 Mitglied der NSDAP, Im Alter <strong>von</strong> nur 33<br />
Jahren wurde er am 1. Juni 1934 <strong>zum</strong> Bischof <strong>von</strong> Lübeck ernannt, wobei ihm das NSDAP-Parteibuch Hilfe leistete. In<br />
Eisenach gründete er das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche<br />
Leben mit.<br />
D:\Neu-ab-2005\Privat\<strong>Musik</strong>alisches\<strong>Distler</strong>\Entwurf.doc<br />
15