Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
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− Sexten als Ausdruck <strong>von</strong> Klagen oder flehentlichen Bitten<br />
Die rahmende Rolle des ersten und des letzten Spruchs wird bei Lechner durch einen<br />
besonders großen Reichtum an Figuren hervorgehoben, <strong>Distler</strong> hebt die beiden Ecksätze<br />
durch die motettische Anlage <strong>von</strong> den übrigen ab. Bei den Schlüssen hat <strong>Distler</strong><br />
typische Renaissance – Manieren übernommen, <strong>zum</strong> Beispiel synkopisch gestaltete<br />
Vorhaltsbindungen oder die picardische Terz. Er hat sich ferner die ästhetische Forderung<br />
des 16. Jahrhunderts nach „Varietas“ (Vielfältigkeit, Mannigfaltigkeit) 33) zu Eigen<br />
gemacht.<br />
Der <strong>von</strong> <strong>Distler</strong> erwähnte Friedrich Blume hat in seiner „Geschichte der evangelischen<br />
Kirchenmusik““ (Kassel, 2. Auflage, 1965, S. 302) zu dem Vergleich zwischen <strong>Distler</strong>s<br />
„<strong>Totentanz</strong>“ und dem Vorbild <strong>von</strong> Lechner geschrieben: „Das Ergebnis dieser Identifizierung<br />
mit dem verehrten historischen Vorbild verdient schon deshalb höchste Bewunderung,<br />
weil es trotz dieser bis zur Selbstaufgabe führenden Bindung die stilistische<br />
Eigennote des nachahmenden Komponisten ungebrochen hervortreten lässt“. Die<br />
Unterstellung einer Selbstaufgabe ist sicher übertrieben. Es ist wohl eher so, dass<br />
<strong>Distler</strong> mehrere, ihm besonders wertvoll erscheinende künstlerische Prinzipien verwendet<br />
hat für seine ansonsten durchaus dem 20. Jahrhundert verpflichtete Komposition<br />
mit einem gegenüber dem Vorbild andersartigen Inhalt. So verwendet <strong>Distler</strong> keine<br />
Takt- sondern nur Mensurstriche, so dass es keine Taktschwerpunkte gibt. Diesem<br />
Prinzip entsprechen die häufigen Taktwechsel, die es bei Lechner nicht gibt.<br />
Leonhard Lechner lebte <strong>von</strong> etwa 1553 bis 1606. Er erhielt seine erste musikalische<br />
Ausbildung vermutlich als Chorknabe in Südtirol, kam später als ebensolcher in die<br />
bayerische Hofkapelle nach Landshut unter der Leitung <strong>von</strong> Orlando di Lasso und Ivo<br />
de Vento (bis etwa 1570). So wurde er frühzeitig mit dem Werk Lassos und dessen<br />
Kompositionstechnik vertraut. In seinen anschließenden Wanderjahren hat er vermutlich<br />
auch Italien bereist und nach Art der fahrenden Schüler hohe Schulen besucht. Ab<br />
1575 hatte er eine Stellung in Nürnberg und brachte <strong>von</strong> da an Jahr für Jahr Sammlungen<br />
seiner Werke heraus, die ihn nach Konrad Ameln 34) schon in den ersten Jahren als<br />
33 Der Begriff „Varietas“ wurde <strong>von</strong> dem flämischen Komponisten und <strong>Musik</strong>theoretiker der Renaissance Johannes<br />
Tinctoris (1435 – 1511) geprägt. Er erhob die „varietas“ in seinem 1477 geschriebene Buch „liber de arte di contrapuncti“<br />
<strong>zum</strong> Kompositionsprinzip.<br />
34 Konrad Ameln (1899 – 1994), Hymnologe, 1928 Leiter der Singwochen des Finkensteiner Bundes, ab 1939 Privatdozent<br />
für evangelische Kirchenmusik an der Universität Münster, dort weigerte er sich 1933, kommunistische und sozialdemokratische<br />
Studenten <strong>von</strong> den Abschlussprüfungen auszuschließen, die Folgen, Gefängnis, vorläufiger Ruhestand,<br />
Zwangspensionierung. Nach der NS-Zeit Dozent für Hymnologie und Geschichte der evangelischen Kirchenmusik an<br />
D:\Neu-ab-2005\Privat\<strong>Musik</strong>alisches\<strong>Distler</strong>\Entwurf.doc<br />
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