Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
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digkeit des irdischen Lebens in den Liedern und Bildern des <strong>Totentanz</strong>es <strong>zum</strong> Ausdruck<br />
gebracht, stärker noch als in Vorhaltungen und Predigten.<br />
Die Todesvorstellung im christlichen Abendland vor der großen Pest 1348/9 hatte gerade<br />
einen Veränderungsprozess hinter sich. Grundlage der mittelalterlichen Vorstellung<br />
vom Leben und der ihm zugrunde liegenden moralischen Regeln war das durch<br />
das Christentum vermittelte Bild vom Tod. In seinem Brief an die Römer bezeichnet<br />
Paulus den Tod als "stipendia enim peccati" (Römer 6,23: „Denn der Sünde Sold ist<br />
Tod…“) und sieht in ihm ausdrücklich die Strafe für den Sündenfall (Römer 5,12: „... so<br />
ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben“). Tod<br />
und Sünde stehen in einem engen Zusammenhang, der <strong>von</strong> der Kirche auch bei ihrer<br />
praktischen Erziehungsarbeit in der Überzeugung genutzt wurde, dass die Furcht vor<br />
dem Tod das Leben auf Erden regulieren müsse.<br />
Die christliche Philosophie kennt vereinfacht zwei ′Arten′ des Todes: den leiblichen<br />
Tod, der die Abtrennung der Seele vom Körper bewirkt, und die endgültige Verdammnis<br />
der Seele in der Hölle (Offenbarung 2,11: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist<br />
den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen <strong>von</strong> dem zweiten<br />
Tode“). Dieser ′zweite Tod′ kann durch ein göttliches Gericht verhängt werden, das<br />
jeden Menschen für seinen irdischen Lebenswandel zur Verantwortung zieht. Dabei<br />
bestand im frühen Christentum die Auffassung, dass die Gestorbenen <strong>von</strong> ihrem leiblichen<br />
Tod an in ihren Gräbern ruhen, bis sie durch die Posaune des Jüngsten Gerichts<br />
wieder auferweckt werden, um dann vor einem allgemeinen Gottesgericht Rechenschaft<br />
über ihr Erdenleben abzulegen (‘iudicium universale’) (Johannes 5,28/29:<br />
„….Denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine<br />
Stimme hören. Und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung<br />
des Lebens, die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes“). Diese<br />
Vorstellung wich jedoch seit der Hochscholastik zunehmend der Anschauung, dass<br />
dieses Gericht sich unmittelbar nach dem leiblichen Tod vollzieht; der Verstorbene wird<br />
also sofort nach seinem Tod je nach individueller Sündenlage abgeurteilt, sei es um in<br />
ewige Verdammnis gestürzt, sei es um im anschließenden Fegefeuer einer vorläufigen<br />
Läuterung unterzogen zu werden", oder um im Paradies die Belohnung für ein gerechtes<br />
und gottgefälliges Leben zu empfangen. Diese Auffassung vom sog. ′iudicium<br />
particulare′ wird nach längeren Auseinandersetzungen 1336 durch Papst Benedikt XII.<br />
kanonisiert und offizielle kirchliche Lehrmeinung. Dieser Vorstellungswechsel dramatisierte<br />
die Bedeutung des Todes: Jüngster Tag konnte gleichsam jeder Tag sein. Da im<br />
Mittelalter der unerwartete Tod zugleich als der sündhafte Tod galt, hatten die Men-<br />
D:\Neu-ab-2005\Privat\<strong>Musik</strong>alisches\<strong>Distler</strong>\Entwurf.doc<br />
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