Anmerkungen zum Totentanz von Distler - Musik
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St. Marien und St. Jacobi <strong>von</strong> dem neu eingesetzten NS-Landesbischof (‚Deutscher<br />
Christ’) gezwungen, in die Partei einzutreten“. In einem weiteren Brief an Dr. Möller<br />
schrieb sie: „[Ich möchte] zu dem Eintritt in die Partei noch zu bedenken geben, dass<br />
mein Mann <strong>von</strong> Hause aus völlig mittellos war, er die schlecht bezahlte Stellung in Lübeck<br />
überhaupt nur aus Not hatte annehmen müssen, dass er kein Zuhause, also keinen<br />
familiären Rückhalt hatte, im Begriff war zu heiraten (14.10.1933), und das Gespenst<br />
der allgemeinen Arbeitslosigkeit der zurückliegenden Jahre noch allzu deutlich<br />
vor Augen [hatte], um nicht dem Druck des Landesbischofs nachzugeben“ 19) .<br />
Dass eine Zugehörigkeit zur NSdAP kein ausreichendes Indiz für eine stramme nationalsozialistische<br />
Gesinnung ist, dafür ist der Münchner Professor für Philosophie und<br />
<strong>Musik</strong>wissenschaft, das spätere Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, Kurt<br />
Huber, ein deutliches Beispiel. Nachdem Kurt Huber 1938 ein Lehrauftrag an der Berliner<br />
Universität wegen seiner "katholisch-weltanschaulicher Bindung" untersagt worden<br />
war, kehrte er nach München zurück, wo er nach dem NSDAP-Eintritt 1940 außerplanmäßiger<br />
Professor wurde. Huber trat bis zu seiner Ermordung durch die Nazis<br />
nicht aus der NSdAP aus, auch nicht als er für die „Weiße Rose“ arbeitete (persönliche<br />
Auskunft <strong>von</strong> der Denkstätte „Weiße Rose“ in der LMU München).<br />
Zu <strong>Distler</strong>s anfänglich positiver Einstellung zur NS-Ideologie passt es, dass er 1934<br />
sowohl eine Komposition mit dem Titel „Ewiges Deutschland“ 20) verfasste als auch das<br />
Lied „Deutschland und Deutsch-Österreich“ vertonte. <strong>Distler</strong> distanzierte sich <strong>von</strong> diesen<br />
seinen Werken, indem er auf Drucklegung verzichtete und keine opus-Zahl vergab,<br />
wie dies auch viele seiner Zeitgenossen hielten, wenn sie Kompositionen für den Staat<br />
anfertigten.<br />
<strong>Distler</strong>s Einstellung veränderte sich im Laufe der Jahre. Dies geht unter anderem aus<br />
seinen Aufsätzen hervor. Bettina Schlüter schreibt in ihrer Dissertation: „Einzelne Aspekte<br />
in <strong>Distler</strong>s Aufsätzen des Jahres 1933, die mit den Positionen der "Deutschen<br />
Christen" konvergieren, werden <strong>von</strong> ihm später fallen gelassen. Wie aus privaten Dokumenten<br />
hervorgeht, ist dies einerseits das Resultat einer größeren Distanz zu parteipolitischen<br />
Aktivitäten und Zielen, andererseits jedoch auch ein Zeichen dafür, dass<br />
bestimmte Diskurse sich neu geordnet haben und Gesichtspunkte, die zuvor miteinan-<br />
19 Zitat aus Lüdemann, S. 95<br />
20 „Ewiges Deutschland“, eine monströse weltliche Kantate für den Mecklenburgischen Gemeindetag im Mai 1934<br />
D:\Neu-ab-2005\Privat\<strong>Musik</strong>alisches\<strong>Distler</strong>\Entwurf.doc<br />
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