22.02.2014 Aufrufe

Bionik - Tipps für Pflanzenfreunde - Bayern 1 - 28.12.2013

Bionik - Tipps für Pflanzenfreunde - Bayern 1 - 28.12.2013

Bionik - Tipps für Pflanzenfreunde - Bayern 1 - 28.12.2013

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Bayern</strong> 1 – <strong>Tipps</strong> <strong>für</strong> <strong>Pflanzenfreunde</strong> <strong>28.12.2013</strong><br />

<strong>Bionik</strong> – Lernen von der Natur<br />

Leonardo da Vinci erdachte Flugmaschinen, die sich am Bau eines Vogels orientierten. Die<br />

Schwimmblätter der Riesenseerose mit ihren massiven Blattrippen gaben die Idee zum Bau<br />

des Glaspalasts in London. Ein Pfefferstreuer funktioniert wie eine Mohnkapsel. Das<br />

Haftprinzip von Klettenfrüchten diente als Vorbild <strong>für</strong> den heute alltäglichen Klettverschluss.<br />

Oberflächen gestaltet man schmutzabweisend, nachdem man den Selbstreinigungseffekt der<br />

Lotosblätter erkannt hatte. All dies sind Beispiele <strong>für</strong> <strong>Bionik</strong>, der Wissenschaft, die von der<br />

Natur lernt.<br />

<strong>Bionik</strong>, eine junge, aber höchst aktive Wissenschaft<br />

Der Begriff <strong>Bionik</strong> setzt sich aus Biologie und Technik zusammen. Naturwissenschaftler und<br />

Ingenieure, Architekten, Philosophen und Designer schauen sich Tiere und Pflanzen,<br />

natürliche Prozesse und Lebensweisen ganz genau an, um deren geniale Konstruktion und<br />

ausgeklügelte Entwicklung auf die Technik zu übertragen. Nicht wenige Neuerungen haben<br />

unseren Alltag damit nachhaltig beeinflusst, etwa der weithin bekannte Lotoseffekt.<br />

Oberflächen von Pflanzen wie Lotosblume oder Kohlrabi sind so gestaltet, dass sich auf<br />

ihnen kein Schmutz festsetzen kann, er wird vom Regen einfach abgespült. Stäubt man<br />

Paprikapulver auf ein Kohlblatt auf, lässt es sich mit wenig Sprühwasser ganz einfach<br />

abspülen. Sogar Klebstoff fließt dank der besonderen Pflanzentechnik einfach ab. Mittels<br />

Nanotechnik gestalten Ingenieure diesen Effekt zum Beispiel bei Fassaden, Duschkabinen<br />

oder Seitenscheiben vom Auto nach.<br />

Wie einzigartig die Natur im Laufe der Evolution Lebewesen gestaltet hat, damit sie gegen<br />

alle Eventualitäten gerüstet sind, und was wir uns davon abschauen können, sollen ein paar<br />

Beispiele aus der Pflanzenwelt zeigen.<br />

Stabiler Leichtbau<br />

Gräser haut so schnell nichts um. Schaut man sich Bambus, Getreide, Pfahlrohr, aber auch<br />

Schachtelhalme genau an, bemerkt man deren geniale Konstruktion. Sie sind hohl, ihre<br />

Wände von langen Fasern durchzogen. Das verleiht ihnen größtmögliche Stabilität und<br />

1


Tragkraft bei gleichzeitiger Elastizität und Knickfestigkeit – viel besser als Stahlbeton. Lässt<br />

sich einfach nachvollziehen: Die Papprolle einer Küchenrolle ist ziemlich stabil, kann mehr<br />

tragen als ein massiver Zylinder derselben Maße. Besteht der Hohlkörper aber aus<br />

Wellpappe, ist er noch leistungsfähiger – und spart dazu Material.<br />

Gemäß diesen Vorbildern wurde von Biologen der Universität Freiburg und Ingenieuren des<br />

Instituts <strong>für</strong> Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf der „technische Pflanzenhalm“<br />

entwickelt. Der bionische Faserverbundwerkstoff kann <strong>für</strong> den Automobilbau, <strong>für</strong> Sportgeräte<br />

sowie in Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt werden.<br />

Leichtbauweise gepaart mit höchster Belastbarkeit findet sich beispielsweise auch im<br />

Automobilbau, wo man Karosserien nach Vorbild von Baumkronen, Achsträger nach Vorbild<br />

von Drachenbäumen entwickelt. Schaumstoffe, entwickelt nach Pflanzenvorbildern,<br />

verkleiden Armaturenbretter und Verkleidungen, nehmen bei Unfällen gewaltige Kräfte auf<br />

und sind doch leicht genug, damit die Insassen vor Verletzungen so weit wie möglich<br />

geschützt bleiben. Nach dem Vorbild von wachsendem Holz hat Prof. Claus Mattheck vom<br />

Forschungszentrum Karlsruhe ein Rechenprogramm entwickelt, mit dem man Bauteile mit<br />

geringstem Gewicht konstruieren kann.<br />

Besser fliegen<br />

Die geniale Flugtechnik von Löwenzahn- oder Wiesenbocksbartfrüchten inspirierte die<br />

Forscher zur Konstruktion von autostabilen Fallschirmen. Nach dem Prinzip der geflügelten<br />

Ahornfrüchte entwickelten die Gebrüder Wright den Propeller als Antrieb <strong>für</strong> ihre Flugzeuge.<br />

Der „Nasenzwicker“ diente aber auch als Vorbild <strong>für</strong> das Design eines Hilfspakets, mit dem<br />

man aus dem Flugzeug Waren abwerfen kann, die nicht aufwendig mit einem Fallschirm<br />

ausgestattet werden müssen und trotzdem ohne harten Aufprall zur Erde unbeschadet<br />

kommen. Die Design-Studentin Adrienne Finzsch erhielt da<strong>für</strong> 2012 den James-Dyson-<br />

Award. Bis zu 60 Kilogramm trägt ihr Emergency Airdrop mit seinen Schraubenflügeln.<br />

Optimal verpacken<br />

Eine Banane – besser geht Verpackungstechnik nicht. Multifunktional, biologisch abbaubar,<br />

gleich schon mit „Reißverschluss“ versehen. Kokosnüsse sind von Natur aus so<br />

ausgestattet, dass selbst unter intensiver tropischer Sonne die Kokosmilch im Inneren nicht<br />

zu kochen anfängt, weil die Schale Verdunstungskälte erzeugt. Außerdem fallen sie aus<br />

großer Höhe von der Palme, ohne zu zerplatzen. Bei der Pomelo, einer großen,<br />

pampelmusenartigen Zitrusfrucht, dämpft die schaumstoffähnliche Schicht aus luft- und<br />

wassergefüllten Zellen unter der Schale den Aufprall. Auch diese Früchte landen unversehrt<br />

nach einem Sturz aus 20 bis 30 Metern Höhe auf dem Boden. Macadamianüsse wiederum<br />

2


verfügen über eine ungemein harte Schale aus Steinzellen. Kokosnuss, Pomelo und<br />

Makadamia: Vereint ergaben sie das Vorbild <strong>für</strong> Motorradhelme.<br />

Selbstheilende Membranen<br />

Mehr als ärgerlich, wenn die Luftmatratze plötzlich Luft verliert, das Schlauchboot leckt oder<br />

ein Reifen ein Loch bekommt. Da wäre es doch praktisch, wenn sich die Außenhaut selbst<br />

repariert. Genau das ist das Ziel der Forscher, indem sie die Wundheilung von Pflanzen<br />

untersuchen, um dies auf technische Materialien zu übertragen. Bei der Pfeifenwinde, einer<br />

tropischen Liane, die ausgesprochen rasch wächst, reißt die Außenhülle immer wieder ein.<br />

Für Mittagsblumen können Beschädigungen tödlich sein, weil sie als Wüstenpflanzen<br />

innerhalb kürzester Zeit austrocknen. Die Pflanzen heilen diese Verletzungen blitzschnell,<br />

indem Zellen aus dem Gewebe aufquellen und die Risse versiegeln. Eine bionische<br />

Beschichtung aus Polyurethanschaum, entwickelt vom Kompetenznetz Biomimetik der<br />

Universität Freiburg, kann die Membran luftgefüllter Materialien jetzt selbst reparieren. Bei<br />

einer Beschädigung quillt der unter Überdruck stehende Schaum in den Riss und verschließt<br />

ihn.<br />

Damit möchte man in Zukunft luftgefüllte Träger <strong>für</strong> Hallen, Sportstadien oder Brücken<br />

entwickeln, die in Leichtbauweise mindestens ebenso viel aushalten wie massive<br />

Stahlträger. Der unkaputtbare Radlreifen rückt auch in greifbare Nähe.<br />

Unbenetzbare Oberflächen<br />

Ein Badeanzug, der nicht nass wird, ein Containerschiff, das treibstoffsparend durch den<br />

Ozean gleitet – möglich kann dies werden, wenn sie von einem dünnen Luftfilm umgeben<br />

sind. Der Schwimmfarn Salvinia molesta macht es vor. Forscher der Universitäten Bonn,<br />

Karlsruhe und Rostock haben es untersucht: Der Farn trägt Härchen, die wie winzige<br />

Schneebesen aussehen und Wasser abweisen. Taucht man ihn unter Wasser, halten die<br />

Härchen ein Luftpolster fest, die Blätter sind unbenetzbar und kommen trocken wieder aus<br />

dem Wasser heraus.<br />

Gelingt es, große Schiffe mit einem bionischen Bootslack auszustatten, der nach dem<br />

Vorbild Schwimmfarn funktioniert, könnte die Reibung des Schiffsrumpfes stark herabgesetzt<br />

und dadurch viel Treibstoff eingespart werden. Gewebe <strong>für</strong> Bademoden könnte dank<br />

Schneebesenhärchen immer trocken bleiben.<br />

Karin Greiner<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!