26.02.2014 Aufrufe

Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-01-13 (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3<br />

<strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> | Deutschland €5,00<br />

0 3<br />

4 1 98065 805008<br />

Aufpoliert<br />

Claudia Schiff er soll Opel retten<br />

Aufgestiegen<br />

Deutschlands beste Luxusmarken<br />

Brian Wong, 22,<br />

zählt mit seiner<br />

Internet-Werbefi<br />

rma Kiip zur<br />

neuen Garde der<br />

Unternehmer<br />

im Silicon Valley,<br />

die das Web<br />

revolutionieren<br />

Dieser<br />

Typ<br />

greift<br />

nach<br />

Ihrem<br />

Geschäft<br />

Wie das<br />

Internet alle<br />

Branchen<br />

auf den<br />

Kopf stellt<br />

Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux€5,30 | Griechenland€6,00 | GroßbritannienGBP 5,40 | Italien€6,00 | Polen PLN27,50 | Portugal€6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien€6,00 | TschechischeRep.CZK 200,- | Ungarn FT 2000,-<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Einblick<br />

„Mehr Europa“ – so lautet die Heilsformel in der<br />

Euro-Krise. Das Rezept gilt auch für den Arbeitsmarkt<br />

– mit allen Nebenwirkungen. Von Roland Tichy<br />

Jetzt kommt viel Europa<br />

FOTO: HEIKE ROST FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Wer nur A sagt, aber nicht B,<br />

kriegt die Euro-Krise: Wer<br />

leistungsstarke und -schwache<br />

Länder unter einem Einheits-Währungsdach<br />

zusammensperrt<br />

und Inflationsliebhaber mit Inflationsangsthasen<br />

in einem Raum, darf sich<br />

nicht wundern, wenn es mit der gemeinsamen<br />

Währung knirscht und eiert und<br />

alle verlieren. Ohne mehr Europa wird der<br />

Euro nicht gesund, so lautet das Mantra.<br />

Beim gemeinsamen Arbeitsmarkt sieht<br />

es nicht anders aus – da treffen Länder mit<br />

starker Wirtschaft, hohen Löhnen und satten<br />

Sozialleistungen auf Habenichtse. Der<br />

Durchschnittslohn in Bulgarien beträgt gerade<br />

3,70 Euro pro Stunde; in Rumänien<br />

sind deutsche Hartz-IV-Leistungen ein übliches<br />

Ärztegehalt. Wenn sich jetzt die Europäer<br />

auf den Weg machen, um ihre Lage<br />

zu verbessern, darf man sie dafür nicht so<br />

garstig schelten wie die CSU; das Glück zu<br />

suchen ist aller Menschen Recht. Und<br />

wenn die D-Mark nicht zu uns kommt,<br />

dann kommen wir zur D-Mark – erinnert<br />

uns das an was? Das einzig Überraschende<br />

ist die gespielte Überraschung darüber.<br />

Denn wer in Europa a) Freizügigkeit verspricht,<br />

kann dann b) Europas Bürger nicht<br />

per Fingerabdruck nach Nationalität und<br />

Sozialstatus selektieren.<br />

Wollten nicht alle a) mehr Europa? Jetzt<br />

kommt b) Europa persönlich zum Sozialamt<br />

und wird die europaweite Anpassung<br />

auch in der Sozialpolitik erzwingen, so wie<br />

es die Fiskalunion vormacht. Dabei werden<br />

die Mindeststandards sinken, damit<br />

die Anreize für Sozialtourismus nicht zu<br />

hoch bleiben. Mehr Europa bedeutet mehr<br />

Umverteilung und mehr Gleichmacherei.<br />

Dabei gewinnen eher die da oben. Die<br />

deutsche Industrie jubelt über neue willige,<br />

billige und vor allem junge Arbeitskräfte,<br />

die Rettung vor dem Fachkräftemangel.<br />

Schon steigt die Beschäftigung – und<br />

gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Das<br />

passt zusammen, weil die neuen Arbeitsplätze<br />

an Zuwanderer gehen, während die<br />

Langzeitarbeitslosigkeit der Einheimischen<br />

andauert. So verfestigt sich der<br />

Elends-Sockel, denn am „German Trash“<br />

geht der Aufschwung vorbei. Der Mindestlohn<br />

ist auch der Versuch, das eingeborene<br />

Prekariat vor der neuen Schmutz-Konkurrenz<br />

zu schützen, die sich gern auch für<br />

sieben, sechs oder fünf Euro ausbeuten<br />

lässt – für Zuzügler ist das nicht wenig, sondern<br />

schnell verdientes Geld. So hat jede<br />

Partei wieder ihre Klientel in der Wagenburg:<br />

Die CSU hetzt gegen den Zuzug in<br />

Sozialsysteme. Die SPD will den Arbeitsmarkt<br />

gegen die neue Konkurrenz von unten<br />

abschotten – rein ja, aber arbeiten?<br />

Nein. Dann doch gleich Sozialamt?<br />

MENSCHEN FÜR DAS ALTERSHEIM<br />

Uneingeschränkt freuen dürfen sich auch<br />

die Rentner und Pensionäre. Sie gewinnen,<br />

wenn zuzieht, wen sie nicht selbst aufgezogen<br />

haben. Mit Steuern und Beiträgen hält<br />

die wachsende Multikulti-Belegschaft das<br />

Altersheim Deutschland am Laufen. Jedes<br />

Jahr sterben mehr Menschen als nachgeboren<br />

werden; so verschwindet jedes Jahr<br />

eine Stadt von der Größe von Mainz mit<br />

200 000 Menschen. Und Jahr für Jahr vergrößert<br />

sich das graue Volk der Rentner<br />

und Pensionäre dazu. Jedes Jahr eine zusätzliche<br />

Alten-Stadt von der Größe Bonns<br />

will finanziert, versorgt – und irgendwann<br />

gepflegt werden (siehe Seite 18).<br />

Geht das gut? Seit Kriegsende hat<br />

Deutschland immer neue Wanderungswellen<br />

verkraftet; erst Flüchtlinge und Heimatvertriebene,<br />

und wer aus Pommern im<br />

Rheinland strandete, war fast so fremd wie<br />

heute ein Sinto in Schwaben. Dann Italiener,<br />

Griechen, Spanier und Türken; 2000<br />

Moscheen zählt das Land inzwischen. Jetzt<br />

Osteuropäer und Flüchtlinge aus Somalia<br />

und Syrien. Europa wird in Sonntagsreden<br />

gefordert; soziale Konflikte in Duisburg<br />

und Mannheim, Streit vor Flüchtlingsheimen<br />

in Berlin-Marzahn sind der Alltag. Um<br />

die da unten kümmern sich die Sonntagsredner<br />

nicht, sie wohnen ja auch woanders.<br />

Bei den Mai-Wahlen zum Europaparlament<br />

wird sich zeigen, ob die kühnen<br />

Entwürfe von den Wählern bestätigt werden<br />

– oder das Konstrukt die Menschen<br />

überfordert. Jetzt geht es wirklich um mehr<br />

oder weniger Europa.<br />

n<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 3<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Überblick<br />

Menschen der Wirtschaft<br />

6 Seitenblick Venedig begrenzt Kreuzfahrten<br />

8 Pharma: Warnungen vor Medikamenten<br />

9 EU-Forschung: Israel soll zahlen |<br />

Finanztransaktionsteuer: Neuer Streit<br />

10 Interview: Der Chef des Beamtenbundes<br />

will vor das Verfassungsgericht ziehen<br />

11 Tourismus: Öger kommt zurück | Energiewende:<br />

Zweiklassen-Strom | SEPA: Bundesregierung<br />

gegen Fristverlängerung |<br />

Drei Fragen zum Outing schwuler Manager<br />

12 Franz Koch: Ex-Puma-Chef steigt bei Startup<br />

ein | BayernLB: Umstrittene Werbeshow<br />

14 Chefsessel | Startup Panono<br />

16 Chefbüro Dirk Graber und Mirko Caspar<br />

<strong>vom</strong> Online-Brillenhändler Mister Spex<br />

Politik&Weltwirtschaft<br />

18 Europa Bedroht die Armutswanderung die<br />

soziale Sicherung in Deutschland? | Wie sich<br />

Großbritannien vor Sozialtouristen schützt<br />

24 Kommunen Aus Geldmangel erfinden<br />

Städte neue Steuern und Gebühren<br />

28 Einkommen Die kalte Progression schlägt<br />

auch <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wieder zu<br />

30 Iran Dem Abbau der Sanktionen folgt noch<br />

lange kein wirtschaftlicher Aufschwung<br />

33 Forum Rafael Seligmann über die neue<br />

Bedrohung der Sicherheit im Nahen Osten<br />

35 Berlin intern<br />

Titel Die digitalen Wilden<br />

Ein 22-jähriger Hochbegabter, ein<br />

Ex-Medienunternehmer, ein aggressiver<br />

Studienabbrecher – im kalifornischen<br />

Silicon Valley setzen Pioniere, Rosinenpicker<br />

und Enfants terribles neue<br />

Trends im Internet und greifen nach dem<br />

Geschäft etablierter Firmen. Seite 42<br />

Auf Wanderschaft in Europa<br />

Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien sind bei uns willkommen,<br />

Armutsflüchtlinge nicht. Lässt sich diese Trennung in<br />

einem Europa der Freizügigkeit aufrechterhalten? Seite 18<br />

Der Volkswirt<br />

36 Kommentar | Nachgefragt<br />

37 Konjunktur Deutschland<br />

38 Der Rohstoff-Radar<br />

39 Nachgefragt: Michael Bordo Der US-<br />

Ökonom warnt vor einem Börsen-Crash<br />

40 Denkfabrik DIW-Präsident Marcel<br />

Fratzscher hält Deutschland nicht für<br />

ein Opfer der Euro-Krise – eine Replik<br />

auf ifo-Chef Hans-Werner Sinn<br />

Unternehmen&Märkte<br />

42 Internet Die wichtigsten Trends und<br />

die neuesten Player, die etablierten Unternehmen<br />

nach dem Geschäft trachten |<br />

Interview: Wie Uber-Chef Travis Kalanick<br />

der deutschen Taxibranche zusetzen will<br />

50 Banken Neue Vorschriften zu Gehältern<br />

haben vor allem zu mehr Bürokratie geführt<br />

52 Luxus Uhren- und Autohersteller sind die<br />

Gewinner beim Luxusmarkenranking<br />

56 Autoindustrie In den USA könnte sich <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

der Kampf um die Weltspitze entscheiden<br />

60 Windreich Warum Gründer Willi Balz wieder<br />

beim Windpark-Projektierer auftaucht<br />

61 Frankreich Berater schulen Manager für<br />

Geiselnahmen durch erboste Arbeiter<br />

62 Interview: Jean-François Decaux Der Chef<br />

des weltgrößten Außenwerbers JC Decaux<br />

macht Werbetafeln internetfähig<br />

Viel mehr als<br />

nur heiße Luft<br />

Warum Anleger jetzt die Aktien<br />

von Unternehmen kaufen sollten,<br />

die im Visier von Aufkäufern<br />

stehen, in welchen Branchen das<br />

Übernahmefieber steigt. Seite 80<br />

TITELILLUSTRATION: MELLY LEE - HTTP://MELLYLEE.COM<br />

4 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Nr. 3, <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

Technik&Wissen<br />

64 Auto Eine neue Norm soll realistische Angaben<br />

über den Kraftstoffverbrauch liefern |<br />

VDA-Geschäftsführer Ulrich Eichhorn<br />

warnt vor einer Verschärfung der Klimaziele<br />

70 Genfood Dogmatismus und Arroganz<br />

brachten Deutschland um den Vorsprung in<br />

der grünen Biotechnik<br />

73 Valley Talk<br />

Management&Erfolg<br />

74 Serie Spurwechsel (II) Claudia Schiffer soll<br />

das angekratzte Opel-Image aufpolieren<br />

78 Sprengers Spitzen Warum eine Quote für<br />

Minderleister keinen Sinn macht<br />

Abgedreht<br />

Wie Marketingvorstand<br />

Tina Müller mithilfe von<br />

Top-Model Claudia Schiffer<br />

das angekratzte Image des Autobauers<br />

Opel aufpolieren will. Seite 74<br />

Geld&Börse<br />

80 Aktien Warum Anleger jetzt Papiere von<br />

Unternehmen kaufen sollten, die im Visier<br />

von Aufkäufern stehen<br />

86 Anleihen Dubiose Geschäftemacher tricksen<br />

mit Minibonds<br />

90 Prokon Der Windpark-Betreiber hat<br />

schlechte Zahlen vorgelegt, Investoren wollen<br />

vermehrt Genussrechte loswerden<br />

92 Steuern und Recht Riester gefährdet | Kirchensteuer<br />

| Einspruchsfrist Steuerbescheid<br />

94 Geldwoche Kommentar: Lebensversicherung<br />

| Trend: Leitzinsen | Dax-Aktien: Deutsche<br />

Bank | Hitliste: Börsen und BIP | Aktien:<br />

Bilfinger, Eldorado Gold | Anleihe: General<br />

Electric | Zertifikate: Fiat | Fonds: Scherrer<br />

Europa Small Cap | Chartsignal: US-Staatsanleihen<br />

| Relative Stärke: Commerzbank<br />

Perspektiven&Debatte<br />

100 Interview Leonardo DiCaprio Der „Wolf of<br />

Wall Street“ über den bösen Dollar<br />

103 Kost-Bar<br />

FOTOS: LAIF/HOLLANDSE HOOGTE/PETER VAN BEEK, KURT FUCHS, OPEL, LAIF/DANIEL PILAR<br />

Glasnost im Tank<br />

Neue Messverfahren liefern Autokäufern bald realistischere<br />

Verbrauchsangaben als bisher. Doch den Herstellern droht durch die<br />

weltweit gültige Norm eine Verschärfung der Klimaziele. Seite 64<br />

Purer Luxus<br />

Feinste Technik in Uhren, Autos,<br />

Kameras und Hi-Fi-Geräten wie<br />

denen von Dieter Burmester (Foto)<br />

prägt das Ranking der 30 besten<br />

deutschen Luxusmarken. Möbelhersteller<br />

landeten ebenfalls weit<br />

vorn, zu den Verlierern zählten die<br />

Modelabels. Seite 52<br />

Rubriken<br />

3 Einblick, 104 Leserforum,<br />

105 Firmenindex | Impressum, 106 Ausblick<br />

n Lesen Sie Ihre WirtschaftsWoche<br />

weltweit auf iPad oder iPhone:<br />

Diese Woche mit einem Video<br />

über den Wandel im Iran.<br />

Zudem gibt es Fotoseiten<br />

über die besten deutschen<br />

Luxusgüter und<br />

die neuesten Kreationen<br />

der Automobilbranche.<br />

wiwo.de/apps<br />

n AfD Auf dem Landesparteitag<br />

werden die Führungsquerelen der<br />

Alternative für Deutschland zur<br />

Sprache kommen. Wir berichten am<br />

Sonntag unter wiwo.de/afd<br />

facebook.com/<br />

wirtschaftswoche<br />

twitter.com/<br />

wiwo<br />

plus.google.com/<br />

+wirtschaftswoche<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 5<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Seitenblick<br />

KREUZFAHRTEN<br />

Limits am Lido<br />

Venedig schränkt den Kreuzfahrttourismus ein. Denn<br />

die Zahl der Schiffsurlauber ist stark gestiegen, sie<br />

lassen aber vergleichsweise wenig Geld in der Stadt.<br />

5Kreuzfahrtschiffe dürfen seit Jahresbeginn nur<br />

noch gleichzeitig in Venedig anlegen. Bis dahin gab<br />

es keine Beschränkung. Zudem wird der Verkehr von<br />

Schiffen mit mehr 40 000 Bruttoregistertonnen durch<br />

den Kanal Giudecca um 20 Prozent reduziert, zum<br />

Jahresende wird er Schiffen mit mehr als 96 000 Bruttoregistertonnen<br />

untersagt. Damit reagiert die Stadt<br />

auf Proteste gegen den stark gestiegenen Touristenstrom.<br />

In der Hochsaison fuhren wöchentlich mehr als<br />

70 Riesenschiffe direkt am Markusplatz vorbei.<br />

80 000Touristen kommen<br />

täglich in die Stadt, in deren historischem Zentrum<br />

nur 58 000 Einwohner leben. Von den jährlich<br />

30 Millionen Touristen reisen 1,7 Millionen per Kreuzfahrt<br />

an, 2002 waren das erst 500 000. Nicht nur in<br />

Venedig, auch in Dubrovnik oder Santorin löst die<br />

insgesamt wachsende Zahl an Kreuzfahrten Proteste<br />

aus – zumal diese Urlauber nur kurz Station machen<br />

und am Ort vergleichsweise wenig Geld ausgeben.<br />

25Euro lassen Tagestouristen durchschnittlich<br />

in Venedig. Betrachtet man alle Urlauber, also<br />

Tagestouristen und Hotelgäste, liegt der Schnitt bei<br />

169 Euro pro Tag. Venedig nimmt durch Kreuzfahrten<br />

290 Millionen Euro pro Jahr ein, insgesamt bringt der<br />

Tourismus 1,5 Milliarden Euro ein.<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

6 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Eine Frage der Größe<br />

Die MSC Divina hat 1751<br />

Kabinen und misst<br />

<strong>13</strong>9 400 BRT. Damit fällt<br />

sie unter die neuen<br />

Restriktionen in Venedig<br />

FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 7<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Menschen der Wirtschaft<br />

Höhere Anforderungen<br />

Institutspräsident<br />

Schwerdtfeger<br />

PHARMAINDUSTRIE<br />

Mehr Arznei-Warnungen<br />

Pharmakonzerne mahnen Ärzte immer<br />

häufiger wegen negativer Folgen ihrer<br />

Medikamente. Im vergangenen Jahr stieg<br />

die Zahl solcher Fälle sprunghaft an.<br />

Die Briefe sind mit dem Symbol einer roten Hand<br />

gekennzeichnet. „Wichtige Mitteilung über ein<br />

Arzneimittel“, beginnt der Text. Mit den sogenannten<br />

„Rote-Hand-Briefen“ warnen Medikamentenhersteller<br />

seit 1969 Ärzte über neue Risiken von<br />

Arzneimitten oder über fehlerhafte Chargen. Die<br />

Unternehmen verschicken die Briefe selbst – in Absprache<br />

mit den zuständigen Bundesbehörden wie<br />

dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />

in Bonn sowie dem Paul-Ehrlich-Institut<br />

in Langen bei Frankfurt. Die Ärzte sind dann gehalten,<br />

die entsprechenden Medikamente vorsichtiger<br />

zu verordnen oder bei bestimmten Patientengruppen<br />

einzuschränken.<br />

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Rote-<br />

Hand-Brief überraschend stark an. Für mehr als 50<br />

Medikamente versandten die Hersteller Alarmschreiben;<br />

2<strong>01</strong>2 waren es nur 35 (siehe Grafik). Dies<br />

geht aus einer Auflistung der Arzneimittelkommission<br />

der deutschen Ärzteschaft hervor. Betroffen<br />

sind namhafte Hersteller wie Boehringer Ingelheim,<br />

Roche, GlaxoSmithKline und Novartis. In<br />

den Briefen warnen die Unternehmen etwa vor<br />

Infektionen oder Leberschäden.<br />

„Der Anstieg ist deutlich“, sagt Walter<br />

Schwerdtfeger, Präsident des Bundesinstituts.<br />

„Rote-Hand-Briefe werden allerdings heute viel<br />

häufiger eingesetzt als früher, da das Risikobewusstsein<br />

und die gesetzlichen Anforderungen,<br />

auch von europäischen Behörden, gestiegen sind.“<br />

Der Verband Forschender Arzneimittel-Hersteller<br />

(vfa) argumentiert:„In früheren Jahren wäre vielleicht<br />

die eine oder andere Information einfach nur<br />

über aktualisierte Packungsbeilagen und den Außendienst<br />

verbreitet worden; 2<strong>01</strong>3 wurde dafür ein<br />

Rote-Hand-Brief verschickt.“ Im Klartext:Viele Risiken<br />

wurden früher weniger ernst genommen. Laut<br />

vfa sei die Qualität der Medikamente nicht gesunken.<br />

Es gebe aber neue, schärfere Vorschriften für<br />

die Sicherheitsüberwachung von Arzneimitteln.<br />

Allein acht Rote-Hand-Briefe betrafen im<br />

vergangenen Jahr Medikamente des Schweizer<br />

Pharmariesen Roche. Als Innovationstreiber bringe<br />

Roche im Vergleich zur Branche viele neue Produkte<br />

auf den Markt, erklärt das Unternehmen auf<br />

Anfrage. Bei „sicherheitsrelevanten Aspekten“ gehe<br />

man in enger Abstimmung mit den Behörden „den<br />

Weg weitestmöglicher Transparenz“. Roche nutze<br />

zudem Rote-Hand-Briefe, um Ärzte über „Medikamentenfälschungen<br />

durch Dritte“ zu informieren.<br />

Dies galt 2<strong>01</strong>3 für eine Charge des Hepatitismittel<br />

Pegasys. Insgesamt erhalten in Deutschland rund<br />

5000 Patienten das Mittel.<br />

juergen.salz@wiwo.de<br />

Häufiger Alarm<br />

Zahl der Arzneimittel-<br />

Warnbriefe<br />

5<br />

23<br />

24<br />

21<br />

16<br />

44<br />

35<br />

54<br />

06 07 08 09 10 11 12 <strong>13</strong><br />

Quelle:Arzneimittelkommission der<br />

deutschen Ärzteschaft<br />

8 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTOS: LAIF/DAVID KLAMMER, AP PHOTO/MICHEL EULER, BENDYWORKS INC., PHOTOTHEK.NET/UTE GRABOWSKY<br />

FINANZTRANSAKTIONSTEUER<br />

Berlin und Paris zerstritten<br />

Die Verhandlungen über die<br />

Einführung einer europäischen<br />

Finanztransaktionsteuer (FTT)<br />

gestalten sich schwierig. Ausgerechnet<br />

zwischen Paris und<br />

Berlin, den treibenden Kräften,<br />

entzündet sich ein Streit. Die<br />

Franzosen wollen nur den Aktienhandel<br />

besteuern, so wie sie<br />

es seit ihrem nationalen Alleingang<br />

im Jahr 2<strong>01</strong>3 tun. Bundesfinanzminister<br />

Wolfgang<br />

Schäuble (CDU) möchte dagegen<br />

weitere Finanzprodukte<br />

einbeziehen. So steht es auch<br />

im Koalitionsvertrag. Da sich<br />

die Delegationen nicht einigen<br />

können, sollen nun Schäuble<br />

und sein französischer Kollege<br />

Pierre Moscovici entscheiden.<br />

Auch die Umsetzung gilt in<br />

der Verhandlungsdelegation als<br />

Der 1,2-Millionen-Euro-Jobber<br />

Brauchtdie Bahn einen so teuren Lobbyisten wie Roland Pofalla, während anderswo Züge aus Personalmangel ausfallen?<br />

Ein Pofalla-<br />

Vorstandsgehalt<br />

entspricht<br />

problematisch. Zweifel bestehen<br />

am weltweiten Durchgriff<br />

einer europäischen FTT. Dass<br />

etwa die Börse in Singapur<br />

beim Verkauf von Dax-Aktien<br />

die FTT erhebe und an den<br />

deutschen Fiskus überweise, sei<br />

eher unwahrscheinlich, heißt<br />

es aus dem Bundesfinanzministerium.<br />

Entsprechende Erfahrungen<br />

machen derzeit die<br />

Franzosen mit ihrer nationalen<br />

Transaktionsteuer.<br />

Bei einer lückenhaften FTT<br />

„drängen sich aber Wettbewerbsverzerrungen<br />

für die<br />

deutsche Wirtschaft geradezu<br />

auf“, kritisiert Malte Weisshaar<br />

<strong>vom</strong> Deutschen Industrie- und<br />

Handelskammertag (DIHK).<br />

Der lehnt die FTT ab.<br />

36 39<br />

christian.ramthun@wiwo.de | Berlin<br />

Jetzt müssen die Chefs ran Finanzminister Schäuble und Moscovici<br />

oder<br />

Aufgeschnappt<br />

Auto-Karton Eine gigantische<br />

Amazon-Kiste löste im Städtchen<br />

Madison im US-Bundesstaat<br />

Wisconsin Verwunderung<br />

aus. Der Online-Händler lieferte<br />

darin einen Nissan Versa Note<br />

aus. Im Rahmen einer Werbeaktion<br />

konnten Interessierte das<br />

Auto bei Amazon bestellen. Insgesamt<br />

wurden drei Fahrzeuge<br />

in Kartons ausgeliefert.<br />

Google-Maut In San Francisco<br />

wächst der Protest gegen Unternehmen<br />

wie Google, die ihre<br />

Mitarbeiter täglich mit eigenen<br />

Luxusbussen aus der Stadt ins<br />

Silicon Valley bringen. Demonstranten<br />

befürchten, dass so<br />

noch mehr gut bezahlte IT-Experten<br />

nach San Francisco ziehen<br />

und die Mieten hoch treiben.<br />

Jetzt hat die Stadtverwaltung<br />

reagiert: Sie fordert von<br />

den Konzernen eine Verkehrsabgabe,<br />

weil sie städtische Haltestellen<br />

anfahren. 1,5 Millionen<br />

Dollar soll das in den nächsten<br />

anderthalb Jahren einbringen.<br />

oder<br />

EU-FORSCHUNG<br />

Israel soll<br />

mehr zahlen<br />

Die EU fördert auch Forscher<br />

außerhalb Europas. Insgesamt<br />

investierte sie seit 2007 rund 55<br />

Milliarden Euro in die Wissenschaft.<br />

Doch wenn Forscher außerhalb<br />

der EU Geld in Brüssel<br />

beantragen, zahlen in der Regel<br />

ihre Heimatländer Eigenbeiträge<br />

in gleicher Höhe – mit einer Ausnahme:<br />

Israel. Teilnehmer aus<br />

dem Land wurden seit 2007<br />

durch das Siebte EU-Rahmenprogramm<br />

mit 741 Millionen<br />

Euro gefördert, etwa bei der Erforschung<br />

neuer Wege, Lebensmittel<br />

sicherer zu machen und<br />

Krebs zu bekämpfen. Im Gegenzug<br />

steuerte Tel Aviv allerdings<br />

nur 534 Millionen Euro bei. Unterm<br />

Strich zahlten europäische<br />

Steuerzahler den Forschern also<br />

rund 200 Millionen Euro mehr<br />

als die israelischen.<br />

EU-Kommissarin Máire<br />

Geoghegan-Quinn will das<br />

Ungleichgewicht nun beseitigen.<br />

Die Irin verhandelt mit<br />

Israel über die Details des Ende<br />

2<strong>01</strong>3 gestarteten Nachfolgeprogramms<br />

Horizont 2020. In dessen<br />

Rahmen will die EU weltweit<br />

79 Milliarden Euro an Forscher<br />

auszahlen.<br />

christian.schlesiger@wiwo.de | Berlin<br />

40<br />

Lokführergehältern*<br />

Zugbegleitergehältern*<br />

Stellwerkergehältern*<br />

*Berufseinsteiger<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 9<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Menschen der Wirtschaft<br />

FLOSKELCHECK<br />

Sozial schwach<br />

Mag eine Frau sechs<br />

Kinder von fünf Männern<br />

geboren oder ein<br />

Mann acht Kinder mit<br />

sieben Frauen gezeugt<br />

haben, so gelten beide<br />

bei eingeschränkter<br />

Kaufkraft trotz augenscheinlich<br />

erwiesener<br />

Kontaktfreudigkeit stets<br />

als sozial schwach.<br />

Kinderlose Multimillionäre<br />

und Milliardäre<br />

werden gleichwohl als<br />

sozial stark bezeichnet –<br />

auch dann, wenn sie im<br />

gesellschaftlichen<br />

Umgang wiederholt<br />

dezidiert eigenbrötlerisch<br />

gehandelt haben.<br />

Ein zunehmende<br />

Akzentuierung des<br />

Monetären im Sozialen<br />

ist mithin kaum mehr<br />

zu leugnen.<br />

DER FLOSKELCHECKER<br />

Carlos A. Gebauer, 49,<br />

arbeitet als Rechtsanwalt in<br />

Düsseldorf, wurde auch als<br />

Fernsehanwalt von RTL und<br />

SAT.1 bekannt.<br />

INTERVIEW Klaus Dauderstädt<br />

»Vernichtungswettbewerb<br />

der Gewerkschaften«<br />

Der Chef des Deutschen Beamtenbundes will die<br />

tarifpolitischen Pläne der großen Koalition vor das<br />

Bundesverfassungsgericht bringen.<br />

Herr Dauderstädt, nach dem<br />

Willen der neuen Bundesregierung<br />

soll künftig in einem Betrieb<br />

nur noch ein Tarifvertrag<br />

gelten. So will sie verhindern,<br />

dass sich konkurrierende<br />

Gewerkschaften in einem Unternehmen<br />

hochschaukeln...<br />

...nein, in Wahrheit geht es darum,<br />

das Recht des Stärkeren in<br />

der Tarifpolitik einzuführen!<br />

Dies verstößt klar gegen die im<br />

Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit<br />

und kann zu einem<br />

Vernichtungswettbewerb zwischen<br />

Gewerkschaften führen.<br />

Wenn eine kleinere Gewerkschaft<br />

in einem Betrieb keine<br />

Möglichkeit mehr hat, Einfluss<br />

auf die Arbeitsbedingungen ihrer<br />

Mitglieder zu nehmen, kann<br />

sie sich doch gleich auflösen.<br />

Bundesinnenminister Thomas<br />

de Maizière sieht das anders<br />

und hat in der vergangenen<br />

Woche die Pläne noch einmal<br />

bekräftigt. Wie wird Ihre<br />

Organisation auf ein entsprechendes<br />

Gesetz reagieren?<br />

Wir werden ein Gesetz zur Tarifeinheit<br />

umgehend vor das Bundesverfassungsgericht<br />

bringen.<br />

Wie denn? Als Gewerkschaft<br />

steht Ihnen kein Recht auf<br />

abstrakte Normenkontrollklagen<br />

in Karlsruhe zu.<br />

Richtig, aber wir können den<br />

Umweg über den Tarifkonflikt<br />

nehmen und den Tatbestand<br />

für eine Verfassungsklage schaffen.<br />

Dies ginge besonders gut<br />

bei der Bahn. Die zum Beamtenbund<br />

gehörende Gewerkschaft<br />

der Lokomotivführer<br />

(GDL) etwa organisiert zwar 80<br />

Prozent der Lokführer, ist aber<br />

konzernweit unstreitig kleiner<br />

als die Bahngewerkschaft EVG,<br />

die zum Deutschen Gewerk-<br />

schaftsbund gehört. Sollte sich<br />

die Bahn mit Verweis auf ein<br />

Gesetz zur Tarifeinheit weigern,<br />

mit der GDL zu verhandeln,<br />

könnte die GDL schlicht streiken.<br />

Die Bahn würde versuchen,<br />

dies juristisch zu unterbinden<br />

– und schon wären wir<br />

vor Gericht. Ich gehe davon aus,<br />

dass jedes deutsche Arbeitsgericht<br />

den Fall dann direkt nach<br />

Karlsruhe durchreicht.<br />

Stimmen Sie Ihr Vorgehen mit<br />

anderen Spartengewerkschaften<br />

wie dem Marburger Bund<br />

oder Cockpit ab?<br />

AUF KONFRONTATIONSKURS<br />

Klaus Dauderstädt, 65, ist seit<br />

2<strong>01</strong>2 Vorsitzender des Deutschen<br />

Beamtenbunds (DBB).<br />

DBB Die Organisation ist längst<br />

keine reine Staatsdienervertretung<br />

mehr, sondern zunehmend<br />

auch Tarifpartei. Unter dem Dach<br />

des DBB sind 43 Mitgliedsgewerkschaften<br />

organisiert. Sie<br />

vertreten knapp 1,3 Millionen<br />

Beschäftigte, darunter knapp<br />

370 000 Angestellte. Eigene<br />

Tarifverträge handeln zum Beispiel<br />

die Lokführergewerkschaft<br />

(GDL) und die Gewerkschaft der<br />

Sozialversicherung (GdS) aus.<br />

Bisher ist die Kooperation eher<br />

lose. Aber wir wollen uns bald<br />

zusammensetzen.<br />

Völlig von der Hand zu weisen<br />

sind die Regulierungsargumente<br />

der Politik nicht. Seit das<br />

Bundesarbeitsgericht die<br />

Tarifeinheit 2<strong>01</strong>0 gekippt hat,<br />

ist die Zahl der Streiktage<br />

gestiegen. An Flughäfen etwa<br />

dürfte inzwischen so ziemlich<br />

jede Berufsgruppe für ihre spezifischen<br />

Ziele gestreikt haben.<br />

Das hat nichts mit der Debatte<br />

um Tarifeinheit zu tun. Und da<br />

Sie die Flughäfen ansprechen:<br />

Hier gingen die jüngsten Streikaktionen<br />

meist nicht von Spartengewerkschaften<br />

aus. Sondern<br />

von Verdi.<br />

Würden Sie eine Tarifeinheit<br />

light akzeptieren, bei der die<br />

größere Gewerkschaft im Betrieb<br />

zum Zuge kommt – aber<br />

die Konkurrenz per Kooperationsvertrag<br />

einbinden muss?<br />

Ich weiß, dass es derartige<br />

Überlegungen im Bundesarbeitsministerium<br />

gab. Aber das<br />

ist Augenwischerei; das kann<br />

man sich schenken. Ein solcher<br />

Deal würde ja nicht verhindern,<br />

dass es Koch und Kellner gibt.<br />

Solche formal vorgeschriebenen<br />

Gespräche scheitern, bevor<br />

das Sprudelwasser serviert ist.<br />

Was passiert in Betrieben mit<br />

mehreren Gewerkschaften, wo<br />

nicht klar ist, welche vor Ort<br />

die meisten Mitglieder hat?<br />

Wer die stärkste Gewerkschaft<br />

ist, müsste ein Notar ermitteln –<br />

ein bürokratisches Horrorszenario.<br />

Stellen wir uns eine Krankenkasse<br />

mit 200 Beschäftigten<br />

vor. 14 Mitarbeiter sind bei Verdi<br />

und 15 bei der konkurrierenden<br />

Gewerkschaft der Sozialversicherung<br />

(GdS) organisiert.<br />

Was wird passieren? Verdi wirbt<br />

dann zwei neue Mitglieder an,<br />

lässt das ebenfalls notariell beglaubigen<br />

und fordert den Arbeitgeber<br />

zu Tarifverhandlungen<br />

auf. Die GdS wird dann<br />

ihrerseits versuchen, neue Mitglieder<br />

zu akquirieren. So läuft<br />

das Spielchen immer weiter.<br />

Das soll Betriebsfrieden sein?<br />

bert.losse@wiwo.de<br />

FOTO: PHOTOTHEK.NET/THOMAS TRUTSCHEL; ILLUSTRATION: TORSTEN WOLBER<br />

10 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTOS: PRESSEBILD.DE/BERTOLD FABRICIUS, PR<br />

TOURISMUS<br />

Ögers zweite<br />

Karriere<br />

Vural Öger, einst Deutschlands<br />

siebtgrößter Reiseveranstalter,<br />

kommt nicht zur Ruhe. Vor drei<br />

Jahren erst verkaufte er Öger<br />

Tours, den größten Anbieter<br />

von Türkei-Reisen, für rund 30<br />

Millionen Euro an den Touristikkonzern<br />

Thomas Cook. Jetzt,<br />

mit 71 Jahren, gründet er wieder<br />

ein Unternehmen: Vural Öger<br />

Touristik. Unter der Marke V.Ö.<br />

Travel bietet es – Pauschalurlaub<br />

in der Türkei an.<br />

„Vielleicht brauche ich den<br />

Nervenkitzel“, sagt Öger. Zumal<br />

auch seine politische Karriere<br />

beendet ist. Von 2004 bis 2009<br />

saß er für die SPD im Europäischen<br />

Parlament. Vielleicht<br />

bangt Öger aber auch um seine<br />

Incoming-Agentur, die er nicht<br />

an Thomas Cook abgegeben<br />

ENERGIEWENDE<br />

Sicherer<br />

Strom teurer<br />

Eine sichere Stromversorgung<br />

ist einer Studie zufolge ohne<br />

weitere Subventionen möglich,<br />

selbst wenn erneuerbare Energien<br />

zunehmend klassische<br />

Kraftwerke ersetzen. In dem<br />

noch unveröffentlichten Papier<br />

schlägt das Institut der deutschen<br />

Wirtschaft (IW) eine<br />

Lösung für eines der drängendsten<br />

Probleme der Energiewende<br />

vor: Es muss eine<br />

verlässliche Reserve geben,<br />

falls es mal windstill ist oder<br />

Wolken die Sonne verdecken.<br />

„Die meisten Vorschläge bisher<br />

zielen nur darauf, wie genug<br />

Angebot bereitgestellt werden<br />

kann“, sagt Hubertus Bardt,<br />

einer der Autoren. So gibt es die<br />

Forderung, Betreiber klassischer<br />

Kraftwerke zu subventionieren,<br />

damit diese am Netz<br />

Nervenkitzel gesucht Startup-Senior Öger<br />

hat, die aber im Auftrag des<br />

Konzerns dessen Touristen in<br />

der Türkei betreut. Der Vertrag<br />

läuft 2<strong>01</strong>5 aus, Thomas Cook<br />

will ihn nicht verlängern.<br />

Schon Ende Januar erscheint<br />

Ögers neuer 288 Seiten starker<br />

Reisekatalog, 270 Hotels bietet<br />

er an – auch online. Mit rund<br />

100 000 Gästen rechnet er im<br />

ersten Jahr. „Wenn so viele<br />

bleiben, selbst wenn sie kaum<br />

noch gebraucht werden.<br />

Bardt dagegen geht das Problem<br />

von der Nachfrage an:<br />

Stromkunden sollen je nach garantierter<br />

Versorgungssicherheit<br />

unterschiedliche Preise<br />

zahlen. Chiphersteller oder<br />

Aluminiumhütten, für die<br />

Stromausfälle gravierend sind,<br />

zahlen mehr. Wen ein kurzer<br />

Stromausfall weniger stört,<br />

zahlt einen niedrigeren Preis.<br />

An der Leipziger Strombörse<br />

entstünde ein neues Segment,<br />

sagt Bardt. Dort würde garantierter<br />

Strom für die Zukunft gehandelt.<br />

Liefert ein Erzeuger<br />

nicht, wären hohe Strafen fällig.<br />

Viel billiger würde die Energiewende<br />

zwar nicht. Zahlen<br />

würde am Ende aber vor allem,<br />

wer garantierten Strom<br />

braucht. Der Branchenverband<br />

BDEW und der Bundesverband<br />

der Deutschen Industrie fordern<br />

wie das IW mehr Wettbewerb<br />

statt Subventionen.<br />

cordula.tutt@wiwo.de | Berlin<br />

kommen, mache ich schon<br />

Gewinn“, sagt Öger. Denn er<br />

will Synergien nutzen: In der<br />

Türkei besitzt er acht Hotels, in<br />

Hamburg das Unternehmen<br />

Öger Türk Tur, das Flüge vermittelt.<br />

Bisher war dem Mann,<br />

der 1961 aus der Türkei nach<br />

Deutschland einwanderte,<br />

Erfolg beschieden.<br />

hermann.olbermann@wiwo.de<br />

SEPA-ÜBERWEISUNG<br />

Berlin kontert<br />

Die Bundesregierung lehnt den<br />

Plan der EU-Kommission ab,<br />

die Frist für die Umstellung des<br />

Zahlungsverkehrs auf europaweite<br />

Standards um sechs Monate<br />

zu verlängern. „Die Bundesregierung<br />

hat sich mit<br />

Nachdruck dafür eingesetzt,<br />

dass Deutschland die Sepa-<br />

Umstellung rechtzeitig zum<br />

1. Februar schafft, und wird dies<br />

auch weiter tun“, bekräftigt das<br />

Bundesfinanzministerium.<br />

Laut Bundesbank werden in<br />

Deutschland erst 32 Prozent aller<br />

Überweisungen im neuen<br />

Standard ausgeführt. Die Bank<br />

für Sozialwirtschaft in Köln rät<br />

ihren Kunden, sie sollten an der<br />

Februar-Frist festhalten, denn<br />

das EU-Parlament und der EU-<br />

Ministerrat hätten der Fristverlängerung<br />

noch gar nicht zugestimmt.<br />

mark.fehr | Frankfurt, julia leendertse<br />

DREI FRAGEN...<br />

...zum Outing<br />

homosexueller Manager<br />

Bernd<br />

Schachtsiek<br />

64, Chef des<br />

Bundesverbandes<br />

schwuler<br />

Führungskräfte<br />

n Ist das Outing des ehemaligen<br />

Fußballstars Thomas<br />

Hitzlsperger auch ein Signal<br />

für schwule Manager?<br />

Das glaube ich nicht. Natürlich<br />

gibt es auch schwule Dax-<br />

Vorstände. Die wollen sich<br />

aber nicht outen, weil sie mit<br />

ihrer beruflichen Leistung in<br />

der Öffentlichkeit stehen wollen<br />

und nicht mit ihrem Privatleben.<br />

Manchmal weihen sie<br />

ihre engsten Mitarbeiter ein.<br />

n In deutschen Chefetagen<br />

gibt es also weniger Homophobie<br />

als in der Kabine?<br />

Schwulenwitze gibt es überall,<br />

genauso wie Blondinenwitze.<br />

Ich kann da auch drüber<br />

lachen – wenn sie gut sind.<br />

Wichtig ist nur: Handelt es sich<br />

dabei um einen Gag oder eine<br />

Geisteshaltung? Oft ist es nur<br />

Gedankenlosigkeit, keine Diskriminierung.<br />

Bei Beförderungen<br />

sieht das anders aus:<br />

Da wird häufig der bevorzugt,<br />

der dem Chef ähnlich ist.<br />

Außerdem gehen Studien davon<br />

aus, dass zehn Prozent der<br />

Arbeitsleistung verloren gehen,<br />

wenn sich ein Mitarbeiter<br />

permanent verstellen muss.<br />

n Was raten Sie schwulen<br />

Managern?<br />

Je länger Sie mit Ihrem Outing<br />

warten, je eher können sich<br />

Kollegen hintergangen fühlen.<br />

Klären Sie aber vorher, wie<br />

Ihr Arbeitgeber generell zu<br />

Homosexualität steht. Suchen<br />

Sie sich Unterstützer, im Unternehmen<br />

und außerhalb. Es<br />

kommen auf jeden Fall Reaktionen<br />

– aber sie sind in der<br />

Regel positiver als befürchtet.<br />

lin.freitag@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 11<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Menschen der Wirtschaft<br />

WIRTSCHAFTSWOCHE I<br />

Erneut vorn<br />

Die WirtschaftsWoche ist auch<br />

2<strong>01</strong>3 das meistzitierte Wirtschaftsmagazin<br />

in Deutschland.<br />

396 Mal griffen andere<br />

Medien deren Meldungen auf.<br />

Das geht aus der jüngsten<br />

Untersuchung von Media Tenor<br />

hervor. Das „ManagerMagazin“<br />

kommt auf 129 Zitate und „Capital“<br />

auf 14. Unter allen Wirtschaftsmedien<br />

inklusive der<br />

börsentäglich erscheinenden<br />

Zeitungen erreicht die WirtschaftsWoche<br />

Platz drei hinter<br />

„Handelsblatt“ (672 Zitate) und<br />

„Wall Street Journal“ (531).<br />

WIRTSCHAFTSWOCHE II<br />

Geehrt<br />

WirtschaftsWoche-Reporterin<br />

Melanie Bergermann wurde<br />

zur „Wirtschaftsjournalistin des<br />

Jahres 2<strong>01</strong>3“ gekürt. Sie beeindruckte<br />

die Jury durch viele<br />

Enthüllungen, darunter die zur<br />

S&K-Gruppe. Für diese Arbeit<br />

hatte Bergermann zuvor schon<br />

den Georg von Holtzbrinck-<br />

Preis bekommen. Wirtschafts-<br />

Woche-Chefredakteur Roland<br />

Tichy gewann in der Kategorie<br />

„Wirtschaftspolitik und Gesellschaft“.<br />

Die Preise verleiht das<br />

Magazin „Wirtschaftsjournalist“<br />

am 18. März in Frankfurt.<br />

BAYERNLB<br />

Auftritt<br />

irritiert<br />

Der Auftritt der BayernLB auf<br />

der Tagung des Weltbankenverbandes<br />

IIF im Oktober in Washington<br />

hat jetzt ein politisches<br />

Nachspiel. Dort präsentierte<br />

sich die Landesbank unter<br />

Führung ihres Vorstandsvorsitzenden<br />

Gerd Häusler als<br />

„Bank mit Herz“. Das Institut<br />

trat neben internationalen<br />

<strong>13</strong>. <strong>01</strong>. Euro-Scheine In Frankfurt präsentiert die Europäische<br />

Zentralbank (EZB) am Montag die neuen<br />

Zehn-Euro-Scheine. Sie sind besser vor Fälschungen<br />

geschützt und kommen im Herbst heraus.<br />

Im vergangenen Jahr gab die EZB bereits neue<br />

Fünf-Euro-Banknoten aus.<br />

Schoko-Streit Das Landgericht München verkündet<br />

sein Urteil im Streit zwischen dem Schokoladenhersteller<br />

Ritter und der Stiftung Warentest. Sie<br />

wirft dem Unternehmen vor, den Ritter Sport-Nuss-<br />

Tafeln chemisch hergestelltes Aroma beigemischt<br />

zu haben, obwohl auf der Verpackung<br />

„natürliches Aroma“ deklariert<br />

ist. Ritter besteht darauf,<br />

nur natürliches Aroma zu<br />

verwenden.<br />

15. <strong>01</strong>. Konjunktur Das Statistische Bundesamt gibt am<br />

Mittwoch bekannt, wie sich Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) und Staatsdefizit 2<strong>01</strong>3 entwickelt haben.<br />

Chemie-Tarifrunde Nach dem Auftakt in den<br />

Regionen verhandeln die Gewerkschaft IG BCE<br />

und der Bundesarbeitgeberverband Chemie nun<br />

auf Bundesebene. Die Gewerkschaft fordert<br />

5,5 Prozent mehr Lohn, die Arbeitgeber verlangen<br />

hingegen eine „Kostenbremse“.<br />

17. <strong>01</strong>. ThyssenKrupp Auf der Hauptversammlung in<br />

Bochum müssen Vorstandschef Heinrich Hiesinger<br />

und Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Lehner<br />

den Aktionären am Freitag erklären, wie sie den<br />

angeschlagenen Konzern wieder auf Kurs bringen.<br />

19. <strong>01</strong>. FDP Die Liberalen stimmen am Sonntag auf ihrem<br />

Parteitag in Bonn über den Spitzenkandidaten<br />

für die Europawahl ab. Als Favorit gilt Alexander<br />

Graf Lambsdorff. Der 47-Jährige sitzt seit 2004 im<br />

Europäischen Parlament.<br />

Großbanken als Sponsor auf, an<br />

einem eigenen Stand buken<br />

Mitarbeiter Lebkuchen und verteilten<br />

Werbebroschüren.<br />

Der weltläufige Auftritt irritiert<br />

nun die Landespolitik.<br />

Schließlich musste der Steuerzahler<br />

die Bank 2009 mit zehn<br />

Milliarden Euro retten, im Gegenzug<br />

zieht sie sich weitgehend<br />

aus dem internationalen<br />

Geschäft zurück.<br />

Auf eine Anfrage der Landtags-Vizepräsidentin<br />

Inge Aures<br />

(SPD) erklärt die Bank, der Ausflug<br />

in die USA habe bezweckt,<br />

TOP-TERMINE VOM <strong>13</strong>.<strong>01</strong>. BIS 19.<strong>01</strong>.<br />

„international für die Geschäftspartner<br />

sichtbar zu unterstreichen,<br />

dass die Bank wieder<br />

da ist“. Die Kosten für die<br />

„wertvolle Kommunikationsmaßnahme“<br />

seien „angemessen<br />

und marktüblich“. Aures<br />

überzeugt das nicht:„Das großspurige<br />

Sponsoring einer internationalen<br />

Bankentagung ist<br />

ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter<br />

der Bank.“<br />

Die BayernLB hat angekündigt,<br />

in den kommenden Jahren<br />

bis zu 500 Stellen abzubauen.<br />

cornelius.welp@wiwo.de | Frankfurt<br />

LESARA<br />

Ex-Puma-Chef<br />

investiert<br />

Nach seinem Abgang als Chef<br />

von Puma im vergangenen<br />

März war Franz Koch abgetaucht.<br />

Nun meldet er sich als<br />

Investor zurück:Koch beteiligt<br />

sich am Berliner Internet-Händler<br />

Lesara. „Was Tchibo, Aldi<br />

und Lidl seit Jahren machen,<br />

überträgt Lesara ins Internet“,<br />

sagt Koch. Das Unternehmen<br />

bietet auf seiner Online-Seite<br />

Uhren, Kleidung oder Haushaltsgeräte<br />

zu Sonderpreisen<br />

an. „Es gibt zwar viele Online-<br />

Geld für Online-Discounter<br />

Pumas früherer Chef Koch<br />

Shops, aber keinen Discount-<br />

Spezialisten“, sagt Koch. „Das ist<br />

für mich ein Erfolg versprechendes<br />

Geschäftsmodell.“<br />

An der Finanzierungsrunde<br />

über mehrere Millionen Euro<br />

beteiligten sich auch der frühere<br />

StudiVZ-Chef Michael<br />

Brehm und mehrere Risikokapitalgeber<br />

wie Partech Ventures<br />

aus Frankreich.<br />

Lesara war im November<br />

gestartet, nachdem Gründer<br />

Roman Kirsch den von ihm<br />

aufgebauten Shoppingclub<br />

Casacanda an den US-Online-<br />

Händler Fab.com verkauft hatte.<br />

„Ich werde Roman Kirsch<br />

auch als Mentor beistehen“,<br />

verspricht Koch. Ob er sich an<br />

weiteren Startups als Business<br />

Angel beteiligt, will der 34-Jährige<br />

auch <strong>vom</strong> Erfolg des Lesara-<br />

Investments abhängig machen.<br />

Er sucht derzeit noch nach einer<br />

neuen operativen Tätigkeit,<br />

es gebe noch nichts Konkretes.<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

FOTO: DDP IMAGES/JÖRG KOCH<br />

12 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Menschen der Wirtschaft<br />

CHEFSESSEL<br />

STARTUP<br />

HEWLETT-PACKARD<br />

Angelika Gifford, 48, leitet<br />

jetzt den Geschäftsbereich<br />

HP Software für Deutschland,<br />

Österreich und die<br />

Schweiz – ein Segment, mit<br />

dem sie bestens vertraut ist:<br />

Sie kommt <strong>vom</strong> Softwareriesen<br />

Microsoft, wo sie 21 Jahre<br />

auf verschiedenen Positionen<br />

gearbeitet hat. Zuletzt<br />

verantwortete die Bankbetriebswirtin<br />

in der Geschäftsleitung<br />

den Bereich Public<br />

Sector.<br />

MICROSOFT<br />

SAP<br />

Stefan Ries, 47, wird spätestens<br />

zum 1. April weltweit<br />

zuständiger Personalchef<br />

des Softwarekonzerns. Arbeitsdirektor<br />

und Vorstandsmitglied<br />

wird er vorerst aber<br />

nicht. Bisher kümmerte sich<br />

Finanzvorstand Werner<br />

Brandt ums Personalwesen.<br />

Er scheidet im Juni aus. Mit<br />

Ries heuert SAP einen Altbekannten<br />

an. Er war bereits<br />

zwischen 2002 und 2<strong>01</strong>0 im<br />

Personalwesen von SAP tätig.<br />

Derzeit arbeitet der Betriebswirt<br />

als Principal Consultant<br />

bei der Personalberatung<br />

Egon Zehnder.<br />

ADIDAS<br />

Eric Liedtke, 47, steigt im<br />

März in den Vorstand des<br />

Sportartikelkonzerns auf, für<br />

den er schon seit 20 Jahren<br />

arbeitet. Der Amerikaner übernimmt<br />

den Posten von Markenvorstand<br />

Erich Stamminger,<br />

56, der seinen Vertrag nicht<br />

mehr verlängert. Bevor er geht,<br />

baut Stamminger noch firmeneigene<br />

Redaktionen auf. „Bei<br />

Adidas wird es künftig Marken-<br />

Journalisten geben. Wir richten<br />

an verschiedenen Standorten<br />

in der Welt regelrechte Newsrooms<br />

ein“, kündigt er an. „Wir<br />

werden investieren und diesen<br />

Bereich stark ausbauen, weil<br />

wir so unsere Zielgruppen<br />

direkt und schnell ansprechen<br />

können.“<br />

MEDIA-SATURN<br />

Georg Mehring-Schlegel, 47,<br />

ist in die Geschäftsführung des<br />

Elektronikhändlers Media-Saturn<br />

zurückgekehrt. Dem Vernehmen<br />

nach soll er sich mit<br />

strategischen Fragen befassen.<br />

2<strong>01</strong>2 war er zum kommissarischen<br />

Finanzchef von Media-<br />

Saturn ernannt worden, hatte<br />

jedoch bereits nach zwei Monaten<br />

seinen Posten wieder geräumt.<br />

Hintergrund war der<br />

Streit zwischen Media-Markt-<br />

Minderheitsgesellschafter<br />

Erich Kellerhals und Mehrheitseigner<br />

Metro.<br />

8 Unternehmen<br />

unter den 500 größten börsennotierten US-Firmen haben zwei Ex-<br />

Chefs im Aufsichtsrat. Dazu zählt bald auch Microsoft. Doch der<br />

mögliche Wechsel von Konzernchef Steve Ballmer in das Gremium<br />

erschwert die Kür eines Nachfolgers. Kandidaten befürchten, dass<br />

Ballmer und dessen Vorgänger Bill Gates mitregieren.<br />

PANONO<br />

Kameraball zum Werfen<br />

Fakten zum Start<br />

Preis vorab 499 Dollar, danach<br />

599 Dollar, also etwa 530 Euro<br />

Kunden Zahl der ersten Bestellungen<br />

etwa 1500–2000<br />

Auflösung beträgt insgesamt<br />

108 Megapixel<br />

Die meisten Diplomarbeiten liest nach den Gutachtern niemand<br />

mehr, Jonas Pfeils (rechts) Abschlussarbeit an der TU Berlin haben<br />

dagegen schon mehr als 3,5 Millionen Menschen bewundert.<br />

So viele sahen sich das 2<strong>01</strong>1 gedrehte Video seiner Wurfkamera<br />

an. Der grüne Ball kann mit 36 eingebauten Kameras komplette<br />

Rundumbilder erstellen. „Das sind Fotos, in denen man sich umgucken<br />

und in die man sich hereinzoomen kann“, schwärmt Pfeil.<br />

Viele Interessenten wünschten sich so ein Gerät, nun ist das von<br />

Pfeil gegründete Startup Panono so weit. Mit seinen Mitstreitern<br />

Björn Bollensdorff und Qian Qin (von links) hat er die Kamera<br />

von der Größe eines Handballs auf die eines Tennisballs geschrumpft.<br />

Vor allem haben sie ausgetüftelt, wie man sie in Serie<br />

bauen kann. Tipps gibt der frühere Leica-Chef Ralf Coenen.<br />

Bis zu diesem Wochenende konnten Interessenten das Gerät<br />

zum Vorzugspreis von 499 Dollar vorbestellen, im Juli sollen die<br />

ersten Kameras geliefert werden. Mehr als 1,1 Millionen Dollar hat<br />

Panono so auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo eingesammelt.<br />

Inzwischen arbeiten auch andere Unternehmen an runden<br />

Panorama-Kameras, etwa<br />

Bublcam aus Kanada<br />

oder Serveball aus den<br />

USA. Trotzdem gibt sich<br />

Pfeil sehr gelassen.<br />

„Keine andere Kamera“,<br />

verspricht er, „hat eine<br />

annähernd vergleichbare<br />

Auflösung.“<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

FOTOS: DPA PICTURE-ALLIANCE/DARREN JACKLIN, PR, LAIF/POLARIS/ROBERT SORBO, ACTION PRESS/JOCHEN ZICK<br />

14 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Menschen der Wirtschaft | Chefbüro<br />

Dirk Graber, Mirko Caspar<br />

Chefs des Online-Brillenhändlers Mister Spex<br />

Knapp zwei Meter misst die<br />

überdimensionierte Brille im<br />

Büro von Dirk Graber, 36, und<br />

Mirko Caspar, 40 (von links).<br />

Sie symbolisiert den Aufstieg<br />

des Berliner Startups Mister<br />

Spex zum größten Online-<br />

Brillenhändler in Deutschland.<br />

Gemeinsam mit drei Gleichgesinnten<br />

gründete Graber das<br />

Unternehmen, 2008 startete es<br />

im Netz, 2<strong>01</strong>1 stieß Marketingexperte<br />

Caspar hinzu und wurde<br />

zweiter Geschäftsführer neben<br />

Graber. Knapp 50 Millionen<br />

Euro haben die beiden 2<strong>01</strong>3<br />

umgesetzt, mehr als das<br />

Zehnfache des ersten vollen<br />

Geschäftsjahres. Über 250 Beschäftigte<br />

arbeiten inzwischen<br />

für Mister Spex. Im Chefbüro<br />

am Prenzlauer Berg<br />

herrscht immer noch<br />

Aufbruchstimmung.<br />

Denn zusammen<br />

kommen alle Internet-Brillenhändler<br />

in<br />

der deutschen Optikerbranche<br />

erst auf<br />

einen Marktanteil<br />

360 Grad<br />

In unserer iPad-<br />

<strong>Ausgabe</strong> finden<br />

Sie an dieser<br />

Stelle ein interaktives<br />

360°-Bild<br />

von drei Prozent – und das bei<br />

einem Marktvolumen von fünf<br />

Milliarden Euro. Von ihrem Büro<br />

in der dritten Etage blicken<br />

Graber und Caspar auf die Fassade<br />

einer ehemaligen Lederfabrik.<br />

„Vergangenheit und Zukunft<br />

liegen manchmal dicht<br />

beieinander“, sagt Graber. Wie<br />

Caspar hat er Betriebswirtschaft<br />

studiert. „Nur der hat noch den<br />

Doktor draufgesetzt“,<br />

fügt Graber lächelnd<br />

hinzu. Dafür ist das<br />

Büro Gemeingut.<br />

Auf 20 Quadratmetern<br />

verteilen sich<br />

Schreibtische, Computer,<br />

Telefone, Branchenzeitschriften<br />

–<br />

„und viel Arbeit“, betont Caspar.<br />

Aus einer Kollektion von über<br />

7000 Brillen, darunter Marken<br />

wie Calvin Klein, Gucci oder<br />

Prada, können die mittlerweile<br />

rund 600 000 Kunden wählen.<br />

Lifestyle ist angesagt, wissen die<br />

beiden, die zuvor als Unternehmensberater<br />

gearbeitet haben,<br />

Graber bei der Boston Consulting<br />

Group (BCG) und Caspar<br />

bei McKinsey. Dass Augenmaß<br />

nicht nur im Job zählt, zeigt<br />

Mister-Spex-Gründer Graber<br />

auch bei seinem Hobby. „Ich<br />

mag Kartfahren, sofern ich Zeit<br />

habe“, erzählt er, „und wie im<br />

Job lasse ich mich auch da nicht<br />

gerne ausbremsen.“<br />

ulrich.groothuis@wiwo.de<br />

FOTO: ARNE WEYCHARDT FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

16 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

Auch das ist Europa<br />

ZUWANDERUNG | Als Arbeitskräfte sind uns die Menschen aus Bulgarien und Rumänien<br />

willkommen – als Armutsflüchtlinge nicht. Droht unserem Sozialstaat der Stresstest?<br />

Weit weg und doch so nah<br />

Die Menschen im rumänischen<br />

Baia Mare fristen ein<br />

karges Leben – kein Wunder,<br />

dass sie sich nach einem<br />

besseren sehnen<br />

FOTO: LAIF/HOLLANDSE HOOGTE/PETER VAN BEEK<br />

18 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

Wer wissen will, wie weit es<br />

ist <strong>vom</strong> Stammtisch in die<br />

Wirklichkeit, der sollte einen<br />

kurzen Blick nach Bayern<br />

richten und dann mit<br />

Franziska Giffey sprechen. Als die letzten<br />

Hürden für Bulgaren und Rumänen auf<br />

dem europäischen Arbeitsmarkt an Neujahr<br />

fielen, hielt es die CSU für angezeigt,<br />

vor „fortgesetztem Missbrauch“ der Freizügigkeit<br />

zu warnen. „Falsche Anreize zur Zuwanderung“<br />

müssten deshalb schleunigst<br />

verringert werden. Ein Papier für die Klausurtagung<br />

in Wildbad Kreuth, das vergangene<br />

Woche beschlossen wurde, enthielt<br />

dann noch diesen griffigen Satz: „Wer betrügt,<br />

der fliegt.“ Franziska Giffey atmet erst<br />

einmal tief durch, wenn sie so etwas hört.<br />

Dann sagt sie: „Die allermeisten, die hierher<br />

kommen, tun das nicht mit dem Vorsatz,<br />

unser Sozialsystem auszunutzen. Die<br />

wollen arbeiten, wollen klarkommen.“<br />

EIN BISSCHEN HOFFNUNG<br />

Hierher, das heißt: Berlin-Neukölln. Giffey<br />

ist dort SPD-Bezirksstadträtin, ihr braucht<br />

niemand etwas über Probleme mit Einwanderern<br />

zu erzählen. Der Ausländeranteil<br />

liegt bei 40 Prozent, davon 5000 Bulgaren<br />

und Rumänen, und das ist nur die offizielle<br />

Zahl. Allein im vergangenen Jahr hat<br />

Giffey 31 Willkommensklassen für Kinder<br />

eingerichtet, die kein Deutsch sprechen.<br />

Mehr als zwei Dutzend heruntergekommene<br />

Mietshäuser gibt es allein bei ihr im<br />

Viertel, in denen Einwanderer – nicht selten<br />

Roma – zusammengepfercht auf Matratzenlagern<br />

hausen, angeblich für 200<br />

oder 300 Euro pro Kopf und Monat. „Wir<br />

haben es zum großen Teil mit Menschen<br />

zu tun, die es schon in ihrer Heimat extrem<br />

schwer hatten“, sagt Giffey. „Aber sie kommen<br />

hierher in der Hoffnung, es überhaupt<br />

mal ein bisschen besser zu haben.“<br />

Sie kann nicht verstehen, wenn in diesen<br />

Tagen politische Scharfmacher vor einer<br />

Welle warnen, die angeblich über Deutschland<br />

hereinbrechen wird. Giffey spürt keinen<br />

Dammbruch. Was sie sieht, ist ein steter<br />

Zustrom von Osteuropäern – und das<br />

seit Jahren. Natürlich gibt es Kriminalität,<br />

und selbstverständlich kennt sie die Fakten:<br />

Alleine in Neukölln bezieht schon jetzt<br />

etwa jeder dritte Bulgare und Rumäne als<br />

Selbstständiger Hartz IV, die Gewerbeanmeldung<br />

ist lax. Und das Kindergeld, das<br />

ab dem ersten Tag und auch für die Familie<br />

in der Heimat gezahlt wird, wäre eben für<br />

viele dort eine unerreichbare Summe. Aber<br />

trotz alldem erlebt Giffey in ihrem Viertel<br />

Große Kluft<br />

Einkommen, Bildungund soziale Sicherung<br />

in Deutschland, Bulgarien und Rumänien<br />

Durschnittseinkommen 1<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

4599 €<br />

Anteil der Arbeitskräfte 2 ...<br />

...ohne abgeschlossene Ausbildung<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

...mit Abitur oder Berufsausbildung<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

42900 €<br />

18,2%<br />

23,0%<br />

28,6%<br />

57,8%<br />

24,8%<br />

<strong>Ausgabe</strong>n für soziale Sicherung pro Einwohner<br />

715 €<br />

883 €<br />

Arbeitslosenquoten 3<br />

5869 €<br />

...mit Hochschulabschluss<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

Deutschland<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

5,2%<br />

<strong>13</strong>,6%<br />

7,3%<br />

1Industrie, Bau und Dienstleistung; 2inProzent der<br />

erwerbsfähigen Bevölkerung; 3November 2<strong>01</strong>3;<br />

Quelle: Eurostat<br />

57,0%<br />

56,4%<br />

20,7%<br />

8662 €<br />

12,9%<br />

vor allem Menschen, die die harten Jobs<br />

machen, für die sich kaum ein Deutscher<br />

mehr findet: als Putzkraft oder am Bau, als<br />

Schrott-Schlepper oder Handlanger bei<br />

Entrümpelungen. Weit jenseits irgendwelcher<br />

Mindestlöhne oder Tarifverträge.<br />

Populisten und Nationalisten überall in<br />

Europa schauen darüber gerne hinweg: Sie<br />

fürchten bei Einwanderern gleich Sozialmissbrauch.<br />

Die nahezu vollendete Freizügigkeit<br />

aller EU-Bürger im Binnenmarkt,<br />

eine liberale Errungenschaft des Kontinents,<br />

verkommt bei Marine Le Pen in<br />

Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden<br />

zum Freifahrtschein für Halunken<br />

in die üppigen Sozialsysteme Westeuropas.<br />

Auch in Belgien, Österreich oder Italien:<br />

Überall wollen rechte Parteien wie Lega<br />

Nord oder FPÖ mit Ressentiments Stimmen<br />

bei der Europawahl Ende Mai sammeln.<br />

In Großbritannien treibt die europaskeptische<br />

UKIP den konservativen Premier<br />

David Cameron mit platten Parolen<br />

vor sich her (siehe Seite 23).<br />

Die Euro-Krise, drückende Rezessionen<br />

und Massenarbeitslosigkeit haben die europäische<br />

Solidarität brüchig und anfällig<br />

werden lassen. „Man muss die Sorgen der<br />

Menschen ernst nehmen und darüber rational,<br />

offen und ehrlich reden“, sagt Martin<br />

Schulz, der Präsident des Europäischen<br />

Parlamentes, „gerade um sie den Rechten<br />

und Populisten mit ihrer Panikmache, den<br />

bewussten Übertreibungen, den fremdenfeindlichen<br />

Untertönen und der offensichtlichen<br />

Wahltaktik nicht zu überlassen.“<br />

Auch Schulz sagt deshalb offen: „Wir<br />

können nicht leugnen, dass es in manchen<br />

Städten Probleme gibt mit einer kleinen<br />

Minderheit, die nicht oder schwer integrierbar<br />

ist und sich nicht verantwortungsbewusst<br />

verhält.“<br />

Seit vergangener Woche gibt es eigens eine<br />

Staatssekretärsrunde des Bundes, die<br />

das deutsche Sozialrecht auf missbrauchsanfällige<br />

Schlupflöcher durchleuchten soll.<br />

„Freizügigkeit heißt freier Zugang zum Arbeitsmarkt,<br />

nicht freier Zugang zu Sozialleistungen“,<br />

sagt Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer<br />

Sprecher der CDU/CSU-<br />

Bundestagsfraktion. „Wir wollen die Probleme<br />

nicht mit Geld zukleistern, sondern<br />

durch eine Rechtsänderung lösen.“<br />

Die CSU will baldmöglichst konkrete<br />

Maßnahmen auf allen staatlichen Ebenen.<br />

In den Städten und Kreisen könnten die<br />

Behörden enger zusammenarbeiten. Das<br />

Sozialamt, das Stütze auszahlt, sollte sich<br />

mit der Familienkasse abstimmen, von der<br />

das Kindergeld kommt. Die Gewerbeaufsicht<br />

müsse die (Schein-)Selbstständigkeit<br />

prüfen, so wie das Einwohnermeldeamt<br />

kontrollieren solle, wie viele Menschen<br />

oder Firmen in einer Drei-Zimmer-Wohnung<br />

angemeldet seien. Und schließlich<br />

solle die Polizei ihre Erkenntnisse über<br />

Straßenprostitution und den sogenannten<br />

Arbeiterstrich für billige Leihkräfte beisteuern.<br />

Die meisten Informationen, so<br />

Uhl, könnten problemlos ausgetauscht<br />

werden. Wo dies bisher aus Gründen des<br />

Datenschutzes nicht möglich sei, müssten<br />

die Vorschriften geändert werden. Auch<br />

20 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


ARBEITSMARKT<br />

Gut integriert<br />

EU-Ausländer finden vermehrt<br />

Jobs in Deutschland.<br />

FOTO: CARO FOTOAGENTUR/MARKUS WÄCHTER<br />

Neue Heimat?<br />

Wohnprojekt für<br />

Zuwanderer in<br />

Berlin-Neukölln<br />

Es werden immer mehr...<br />

Saldo aus Zu- und Fortzügen von Staatsbürgern<br />

aus Bulgarien und Rumänien<br />

50 000<br />

40 000<br />

30 000<br />

20 000<br />

10 000<br />

0<br />

Bulgarien<br />

Rumänien<br />

2008<br />

2009<br />

2<strong>01</strong>0<br />

2<strong>01</strong>1<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistische Landesämter<br />

2<strong>01</strong>2<br />

die Ergebnisse der Finanzkontrolle<br />

Schwarzarbeit, für die der Zoll Razzien<br />

durchführt, sollten ebenfalls einfließen.<br />

Allerdings: Schon im vergangenen<br />

Herbst hatte sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe<br />

intensiv über die Themen gebeugt.<br />

Das Ergebnis waren viele Bedenken<br />

und Fallstricke.<br />

...und sie bleibenzusammen<br />

Gemeldete Bulgaren und Rumänen<br />

(Stand 30. Juni 2<strong>01</strong>3)<br />

Berlin<br />

München<br />

Hamburg<br />

Duisburg<br />

Dortmund<br />

3483<br />

8352<br />

<strong>13</strong> 781<br />

23 297<br />

27 093<br />

WENDE ZUM GUTEN<br />

Dass Horrorszenarien vor überbordender<br />

Einwanderung aus Osteuropa schon in früheren<br />

Jahren stets überzeichnet waren;<br />

dass sich handfeste Belege für großflächigen<br />

Missbrauch der Wohlfahrtssysteme bis<br />

heute nicht finden lassen – diese Wahrheit<br />

geht in der erhitzten Debatte schnell verloren.<br />

„Die Zuwanderung nach Deutschland<br />

ist eine Erfolgsstory“, urteilt Herbert Brücker<br />

<strong>vom</strong> Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.<br />

„Wir erleben eine Wende:<br />

Die Zahl der gut Ausgebildeten wächst, die<br />

der Ungebildeten sinkt.“ Der krisenresistente<br />

deutsche Arbeitsmarkt ist so attraktiv<br />

wie seit Jahrzehnten nicht, Zuwanderer haben<br />

einen immer größeren Anteil am Jobboom.<br />

Die Ausnahmen von dieser Erfolgsgeschichte<br />

betreffen in der Tat vor allem<br />

Rumänen und Bulgaren. „Sie sind im<br />

Schnitt schlechter qualifiziert als die Einwanderergenerationen<br />

vor ihnen“, hat Brücker<br />

herausgefunden.<br />

Die EU steht deshalb – Populismus hin<br />

oder her – an einer entscheidenden Wegmarke:<br />

Hält das krisengeschüttelte Europa<br />

und halten seine Bürger stand, wenn die<br />

Integration der Abgehängten vielerorts<br />

scheitert? Wenn Rechte die Probleme nutzen<br />

wollen, um an den freiheitlichen Prinzipien<br />

zu sägen? Und, mindestens ebenso<br />

wichtig: Können Europas Sozialsysteme in<br />

Zeiten der Freizügigkeit tatsächlich im vollen<br />

Umfang erhalten bleiben?<br />

Der Europäische Gerichtshof (EuGH)<br />

wird über diese letzte Frage entscheiden<br />

müssen – nicht zuletzt auf Bitten des Bundessozialgerichts.<br />

Denn noch ist die<br />

Rechtslage reichlich unklar. Einerseits fordert<br />

die EU-Verordnung zur Koordinierung<br />

der Systeme der sozialen Sicherheit aus<br />

dem Jahr 2004, dass alle EU-Bürger gleich<br />

behandelt werden müssen. Anderseits hat<br />

der EuGH im Juni 2009 geurteilt, dass es<br />

durchaus rechtens ist, wenn Sozialhilfe erst<br />

gewährt wird, sobald der Arbeitssuchende<br />

eine Verbindung mit dem Arbeitsmarkt des<br />

Aufenthaltslandes hergestellt hat. Die Gefahr,<br />

dass Einwanderer nur von Sozialleistungen<br />

leben könnten, haben die Richter<br />

erkannt – und Schutzklauseln erlaubt.<br />

»<br />

Offene Stellen auf dem deutschen<br />

Arbeitsmarkt werden zunehmend mit<br />

Fachkräften aus dem europäischen<br />

Ausland besetzt. Deutsche Langzeitarbeitslose,<br />

die meist gering qualifiziert<br />

sind, haben das Nachsehen. Am deutlichsten<br />

stieg im vergangenen Jahr die<br />

Zahl der Bulgaren und Rumänen mit<br />

festem Job. Laut Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA) waren im Oktober 2<strong>01</strong>3 rund<br />

156 000 Bürger der zwei ärmsten<br />

EU-Mitgliedstaaten in Deutschland<br />

beschäftigt. Das ist ein Plus von 25 Prozent<br />

gegenüber 2<strong>01</strong>2.<br />

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

(IAB) der BA schätzt,<br />

dass dieses Jahr weitere 100 000 bis<br />

180 000 Bulgaren und Rumänen nach<br />

Deutschland kommen werden; die<br />

meisten der Arbeit wegen. Die Erwerbstätigenquote<br />

dieser Gruppe lag im Juni<br />

2<strong>01</strong>3 bei 60 Prozent. Die Arbeitslosenquote<br />

lag bei 7,4 Prozent und somit unter<br />

der Quote der ausländischen Bevölkerung<br />

insgesamt (14,7 Prozent).<br />

ACHT PROZENT MEHR<br />

Auch Europas krisengebeutelter Süden<br />

treibt Arbeitskräfte nach Deutschland.<br />

Laut BA gewann der hiesige Arbeitsmarkt<br />

im vergangenen Jahr rund<br />

38 000 Arbeitskräfte aus Spanien, Griechenland,<br />

Portugal und Italien hinzu.<br />

Das sind acht Prozent mehr als noch<br />

ein Jahr zuvor. Insgesamt arbeiteten im<br />

Oktober 2<strong>01</strong>3 rund 503 000 Südeuropäer<br />

in Deutschland.<br />

Seit der deutsche Arbeitsmarkt 2<strong>01</strong>1<br />

auch für Polen und sieben weitere osteuropäische<br />

Länder geöffnet wurde,<br />

stieg die Zahl der Beschäftigten aus<br />

dem Osten auf derzeit rund 452 000 an,<br />

wobei die Polen mit 297 000 Beschäftigten<br />

die größte Gruppe stellen. Das<br />

deutsche Sozialsystem hat das bislang<br />

nicht ins Wanken gebracht. Tatsächlich<br />

seien Arbeitskräfte aus dem Osten<br />

meist gut in den Arbeitsmarkt integriert<br />

und zahlten in die Sozialsysteme ein,<br />

sagt Andreas Hauptmann <strong>vom</strong> IAB.<br />

anja stehle | politik@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 21<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

»<br />

Rechtsgläubig<br />

Politiker Le Pen (links), Wilders<br />

Deutschland schließt deshalb arbeitsuchende<br />

Einwanderer von der Grundsicherung<br />

aus – theoretisch. Praktisch haben<br />

deutsche Sozialgerichte schon gegenteilig<br />

geurteilt. Steht also der Gleichheitsgrundsatz<br />

der EU über allem? Bis die Richter in<br />

Luxemburg diese Frage abschließend klären,<br />

wird Zeit vergehen.<br />

EU-Sozialrechtsexperten können sich<br />

aber kaum vorstellen, dass die Richter keinerlei<br />

Zugeständnisse an nationale Akzeptanzgrenzen<br />

machen: „Vermutlich wird der<br />

EuGH Einschränkungen beim Anspruchserwerb<br />

von Hartz IV akzeptieren – das ist in<br />

Hinblick auf seine frühere Rechtsprechung<br />

jedenfalls anzunehmen“, analysiert Maximilian<br />

Fuchs, Professor an der Katholischen<br />

Universität Eichstätt-Ingolstadt.<br />

Sollte der Ausschluss von Leistungen jedoch<br />

keinen Bestand haben, warnt der<br />

Sachverständigenrat für Integration und<br />

Migration vor gravierenden Folgen: Jede<br />

weitere Expansion der „Solidarität unabhängig<br />

von jeder Erwerbstätigkeit, die über<br />

das ohnehin schon etablierte Maß hinausgeht,<br />

kann ihre Akzeptanz auf eine schwere<br />

Probe stellen“, heißt es im aktuellen Jahresgutachten.<br />

Es bestehe das Risiko, dass „in<br />

Staaten mit einem hohen sozialen Schutz<br />

die nationalen Mindeststandards sinken“,<br />

wenn das Leistungsniveau für eine steigende<br />

Zahl von Empfängern irgendwann nicht<br />

mehr finanziert werden könnte.<br />

Die Freizügigkeit erhöht ohne Zweifel<br />

den Druck auf die westlichen Sozialsysteme<br />

– weil diese Sehnsüchte in den EU-Ostländern<br />

wecken, deren Wohlstand etwa<br />

das Niveau Kasachstans oder Costa Ricas<br />

hat. Es sind Städte wie das bulgarische Varna,<br />

von wo aus sich Roma aufmachen<br />

Richtung Deutschland. Jeder fünfte der<br />

340 000 Einwohner in der Hafenstadt am<br />

Schwarzen Meer ist ein Roma. Die meisten<br />

von ihnen leben in sogenannten Mahalas,<br />

Slums weit weg <strong>vom</strong> Stadtzentrum.<br />

Eine der größten dieser Siedlungen klebt<br />

an einem Berghang oberhalb einer viel befahrenen<br />

Schnellstraße. Eine Schlaglochpiste<br />

schlängelt sich hoch zu halb verfallenen<br />

Hütten aus Brettern, Blech und alten<br />

Ziegelsteinen. Manche der Dächer sind mit<br />

Plastiktüten abgedichtet. In den Gassen<br />

hocken bärtige Männer in zerrissenen<br />

T-Shirts. Zwischen Müllbergen liegt ein<br />

ausgebranntes Auto; ein Esel wühlt im<br />

Müll. Dazwischen rennen nackte Kinder<br />

einem alten Fußball hinterher.<br />

Die meisten Roma in Varna sprechen<br />

kein Bulgarisch. Kaum jemand kann lesen<br />

und schreiben. Einige der Bewohner sammeln<br />

Schrott und verdienen damit ein paar<br />

Cent am Tag. Lokale Mafiabanden dagegen<br />

verdienen an den Ärmsten der Armen viel.<br />

In den Hütten machen Geschichten von<br />

Roma, denen Organe entnommen wurden,<br />

die Runde. Drogen- und Babyhandel<br />

seien üblich, berichten Hilfsorganisationen.<br />

Die Hoffnung auf ein besseres Leben<br />

in der Heimat haben die meisten längst<br />

aufgegeben. Zustände wie in Varna treiben<br />

viele in den Westen. „Auswandern nach<br />

Deutschland lohnt auf jeden Fall“, sagt der<br />

16-jährige Isis, „das Geld dort ist gut, und<br />

es ist schnell verdient.“<br />

GEN WESTEN<br />

Die volle Freizügigkeit für alle Bulgaren<br />

und Rumänen wird die EU deshalb in Zukunft<br />

vor weit größere Anpassungsprobleme<br />

stellen, als dies bisher der Fall war. Wie<br />

sehr Deutschland aber bisher von Arbeitskräften<br />

aus dem Osten profitiert hat, wird<br />

nahe der Grenze deutlich. In Pasewalk zum<br />

Beispiel: Straßenschilder auf Deutsch und<br />

Polnisch, polnische Ärzte im örtlichen<br />

StarkerUmschwung<br />

Wanderung aus und<br />

nach Deutschland<br />

(in Tausend)*<br />

-55,8 -12,8<br />

127,7 279,3 369 400<br />

2008 2009 2<strong>01</strong>0 2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3**<br />

* Saldo von Zu- und Fortzügen; ** Schätzung;<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, IAB<br />

Krankenhaus. Vor zehn Jahren hat die EU-<br />

Osterweiterung das Leben in der Region<br />

verändert. Seither zogen Tausende Polen<br />

nach Vorpommern oder in die Grenzregionen<br />

Brandenburgs. Sie füllten leer stehende<br />

Plattenbauten als Mieter, kauften Häuser<br />

in Schrumpfgemeinden oder machten<br />

sich als Kleinunternehmer selbstständig.<br />

„Natürlich gab es da auch eine Sozialneiddebatte“,<br />

sagt die Landtagsabgeordnete<br />

Beate Schlupp (CDU) aus dem grenznahen<br />

Uecker-Randow heute. Gerüchte hätten die<br />

Runde gemacht, dass ganze Wohnblöcke<br />

nun von Polen bewohnt seien und diese<br />

Wohngeld <strong>vom</strong> deutschen Staat bezögen.<br />

Doch vor allem gewinnt die einst abgelegene<br />

Gegend: „Ohne Stettin hätten wir keine<br />

eigene Kraft zu wachsen“, sagt Schlupp.<br />

Die Grenzgemeinde Löcknitz lässt sogar<br />

neue Baugebiete ausweisen – in einer ehedem<br />

abgehängten Region. Ein Kindergarten<br />

wurde neu gebaut, die Schule erweitert.<br />

Jeder zehnte der rund 3000 Einwohner<br />

kommt aus dem Nachbarland, etliche arbeiten<br />

in Deutschland. Die Älteren auf<br />

dem Land sind aus Sicht Schlupps auch für<br />

die Neuen. „Sie merken, dass sie jetzt im<br />

Dorf nicht mehr die Letzten der Bastion<br />

sind, wenn polnische Familien zuziehen.“<br />

Doch die Reibung, die durch das Fremde<br />

und durch einsatzfreudige Neulinge entsteht,<br />

ruft in Mecklenburg-Vorpommern<br />

und anderswo auch immer wieder die<br />

rechtsextreme NPD auf den Plan. Leider,<br />

sagt Schlupp, verfange diese „undifferenzierte<br />

Stimmungsmache“ bei manchen. In<br />

einigen Örtchen holt die NPD bei Wahlen<br />

deshalb bis zu einem Drittel der Stimmen.<br />

Für die Europawahl ist das alles andere<br />

als ein gutes Zeichen.<br />

n<br />

max.haerder@wiwo.de | Berlin, matthias kamp | München,<br />

henning krumrey | Berlin, cordula tutt | Berlin,<br />

silke wettach | Brüssel<br />

22 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTOS: ACTION PRESS/ANP PHOTO, PICTURE-ALLIANCE/DPA<br />

GROSSBRITANNIEN<br />

Rolle rückwärts<br />

Premierminister David Cameron will die Freizügigkeit beschneiden.<br />

„Meine Frau hat gerade die britische<br />

Staatsbürgerschaft angenommen, man<br />

weiß ja nie“, sagt Lukas Szczepanski.<br />

Schon vor rund zehn Jahren zogen er<br />

und seine Frau von Polen nach Großbritannien;<br />

inzwischen hat er eine Firma<br />

gegründet, die Alarmanlagen für Baugerüste<br />

vermietet, seine Frau studiert<br />

englische Literatur.<br />

Die Szczepanskis reagieren auf die heftige<br />

Debatte über den Sozialtourismus innerhalb<br />

der Europäischen Union, die die<br />

Briten seit Monaten aufregt. Die europakritische<br />

Splitterpartei United Kingdom<br />

Independence Party (UKIP) und eine zunehmend<br />

fremdenfeindliche Presse machen<br />

der konservativ-liberalen Koalition<br />

unter Premierminister David Cameron<br />

mächtig Druck. Die Angst vor einem Ansturm<br />

von Rumänen und Bulgaren – die<br />

Lobbyorganisation Migration Watch<br />

schätzt ihre Zahl auf 50 000 pro Jahr –<br />

und vor allem die Sorge vor dem Missbrauch<br />

der britischen Sozialkassen durch<br />

arbeitsunwillige Einwanderer aus Osteuropa<br />

hat die britische Regierung dazu veranlasst,<br />

die Notbremse zu ziehen.<br />

DREI MONATE WARTEN<br />

Noch im Dezember hat das Parlament eilig<br />

ein Gesetz verabschiedet, das die Sozialleistungen<br />

für Zuwanderer aus anderen<br />

EU-Staaten einschränkt. Bis dahin hatten<br />

Neubürger <strong>vom</strong> ersten Tag ihrer Einreise<br />

an das Recht auf alle Sozialleistungen,<br />

die den Briten zustehen. Auch das staatliche<br />

Gesundheitssystem NHS konnten sie<br />

kostenfrei nutzen. Nun müssen sie nach<br />

ihrer Ankunft drei Monate warten, bis sie<br />

Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, Wohngeld<br />

und andere Sozialleistungen haben. Bewilligt<br />

werden diese außerdem nur noch<br />

für sechs Monate, sofern der Antragsteller<br />

nicht beweisen kann, dass er Aussicht<br />

auf einen Arbeitsplatz hat. „Wir müssen<br />

die Freizügigkeit auf das zurückführen,<br />

was sie ursprünglich sein sollte: das<br />

Recht, in einem anderen Staat Arbeit zu<br />

suchen. Es gibt kein Recht, sich die besten<br />

Sozialleistungen auszusuchen“, sagt<br />

Cameron.<br />

Für Großbritannien ist das eine radikale<br />

Abkehr von einer bislang liberalen Einwanderungspolitik.<br />

Bei der Osterweiterung<br />

2004 hatten Großbritannien, Schweden<br />

und Irland im Gegensatz zu den meisten<br />

anderen EU-Staaten keine Übergangsfristen<br />

für die Freizügigkeit von Arbeitskräften<br />

aus den neuen Mitgliedsländern beschlossen.<br />

Doch jetzt wachsen die Ressentiments<br />

Leitet die<br />

Wende ein<br />

Premierminister<br />

Cameron<br />

»Es gibt kein<br />

Recht, die besten<br />

Sozialleistungen<br />

auszuwählen«<br />

gegen die rund 683 000 auf der Insel lebenden<br />

Migranten aus Osteuropa. Selbst die<br />

Labour-Partei reagiert auf Klagen über<br />

überfüllte Schulen und überlastete Arztpraxen.<br />

UKIP hofft, bei den Europawahlen im<br />

Mai stärkste Partei zu werden. Einer neuen<br />

Umfrage zufolge, haben sich bereits knapp<br />

40 Prozent der Wähler, die 2<strong>01</strong>0 für die Tories<br />

stimmten, von den Konservativen abgewandt.<br />

Mehr als die Hälfte von ihnen unterstützt<br />

jetzt UKIP.<br />

Die hastig durchs Parlament gepaukte<br />

Reform passt nun das bislang großzügige<br />

britische Sozialsystem an die Norm in den<br />

meisten anderen Mitgliedstaaten an. Doch<br />

die Einschränkungen könnten noch weitergehen.<br />

Vorschläge für eine Beschränkung<br />

der kostenlosen medizinischen Versorgung<br />

von Ausländern werden bereits<br />

diskutiert. 77 Prozent der Briten sprechen<br />

sich darüber hinaus auch für Einwanderungsbeschränkungen<br />

aus.<br />

UKIP-Chef Nigel Farage verlangt, dass<br />

Neubürger erst nach fünf Jahren Anspruch<br />

auf Sozialleistungen haben sollten,<br />

und Londons Bürgermeister Boris Johnson<br />

fordert eine Frist von zwei Jahren.<br />

NICHT MEHR EINREISEN<br />

Cameron selbst war im November vorgeprescht<br />

und hatte in der „Financial<br />

Times“ einen eigenen Maßnahmenkatalog<br />

veröffentlicht. Darin hieß es unter anderem,<br />

obdachlose EU-Ausländer, die beim<br />

Betteln auf der Straße erwischt würden,<br />

sollten in ihr Heimatland abgeschoben<br />

werden und danach ein Jahr lang nicht<br />

mehr nach Großbritannien einreisen dürfen.<br />

Ferner solle Kindergeld nicht mehr<br />

ausgezahlt werden, wenn die Nachkommen<br />

außerhalb Großbritanniens leben.<br />

Mit den übrigen EU-Ländern will Cameron<br />

aushandeln, dass die vollständige<br />

Freizügigkeit künftig <strong>vom</strong> Pro-Kopf-Einkommen<br />

neuer Beitrittsländer abhängig<br />

gemacht wird. Damit nicht genug: Ein<br />

Papier des Innenministeriums schlägt vor,<br />

die Einwanderung von EU-Bürgern generell<br />

auf maximal 75 000 im Jahr zu beschränken.<br />

Die Vorstöße haben nun bereits zum<br />

handfesten Krach mit Polen und der EU-<br />

Kommission sowie zu einem heftigen Koalitionszwist<br />

geführt. „Polen wird keine<br />

Änderung der EU-Bestimmungen dulden,<br />

die zu einer Diskriminierung und Stigmatisierung<br />

seiner Bürger führt“, kritisierte<br />

der polnische Ministerpräsident Donald<br />

Tusk. Außenminister Radoslaw Sikorski,<br />

Ex-Kommilitone Camerons in Oxford, empörte<br />

sich, wenn Polen in Großbritannien<br />

Steuern zahlten, dann müssten britische<br />

Steuerzahler auch für deren Kindergeld<br />

aufkommen. Der liberaldemokratische<br />

Wirtschaftsminister Vince Cable wiederum<br />

hält eine Beschränkung der Einwanderungszahlen<br />

für schädlich und nicht<br />

praktikabel. „Ich will nicht das Wort Blödsinn<br />

verwenden... aber wir Liberaldemokraten<br />

haben Derartiges nie unterschrieben,<br />

weil wir es einfach nicht für<br />

realistisch halten.“<br />

n<br />

yvonne.esterhazy@wiwo.de | London<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 23<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

Kreative Schöpfung<br />

KOMMUNEN | Die Städte müssen sparen, wissen aber nicht wo.<br />

Also heben sie Gebühren und Steuern an – oder erfinden neue.<br />

Auch Sterben<br />

bringt Geld<br />

Ein Friedhof in<br />

Sachsen<br />

Die Idee war nicht schlecht, zumindest<br />

wenn man die Sache aus der Sicht eines<br />

Kämmerers betrachtet. Im vergangenen<br />

Frühjahr entschied sich der Remscheider<br />

Stadtrat, eine neue Steuer einzuführen.<br />

Auf Handymasten. Das hätte ein<br />

paar ziemlich große Telekommunikationskonzerne<br />

relativ wenig gekostet und die völlig<br />

verarmte Stadt zumindest symbolisch auf<br />

Kurs gebracht. Immerhin knapp eine Million<br />

Euro im Jahr sollte die Steuer bringen, so<br />

die grobe Berechnung. Daraus wurde nichts,<br />

noch vor der ersten Steuererhebung stoppte<br />

das Düsseldorfer Innenministerium die Pläne.<br />

Auch wenn er Sanierungsbemühungen<br />

der Kommunen grundsätzlich gutheiße, so<br />

Minister Ralf Jäger (SPD), „der Erfindungsreichtum<br />

darf nicht übertrieben werden“.<br />

1 Million Euro sollte<br />

die Steuer auf Handymasten<br />

im Jahr bringen<br />

KÖNIGSRECHT DER KOMMUNEN<br />

Im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf<br />

lief die Sache besser. Anfang 2<strong>01</strong>3 hatte die<br />

Verwaltung eine Pferdesteuer eingeführt,<br />

die seitdem allen gerichtlichen Überprüfungen<br />

standgehalten hat. Wer ein Pferd<br />

besitzt, bezahlt jetzt pro Jahr 200 Euro.<br />

Egal, wo er damit reitet und ob das Tier<br />

überhaupt sein Grundstück verlässt.<br />

Handymasten? Pferde? Wer hinter diesen<br />

skurril klingenden Abgaben den bürokratischen<br />

Wahnsinn vermutet, irrt gewaltig.<br />

Denn hier geht es um das Königsrecht<br />

der deutschen Gemeinden, das „Steuerfindungsrecht“,<br />

Kern der kommunalen Selbstverwaltung.<br />

Bei Hunde-, Pferde-, Sex- oder<br />

Bettensteuer dürfen sich die Städte als eigene<br />

kleine Staaten fühlen, die selbst entscheiden,<br />

wo sie ihr Geld herbekommen.<br />

So zeichnet sich trotz historischer Einnahmenrekorde<br />

bei der Einkommensteuer<br />

und Gewerbesteuer auch <strong>2<strong>01</strong>4</strong> ein klarer<br />

Trend ab: Viele Gemeinden drehen an der<br />

Steuerschraube. Teils aus eigenem Antrieb,<br />

teils auf Druck von anderer Stelle.<br />

Zwar gelten solche Trends im föderalen<br />

Deutschland nie für alle Regionen gleichermaßen.<br />

In auffällig vielen Orten steigen<br />

jetzt aber die Grundsteuern, bei der<br />

Gewerbesteuer wird hingegen nur hier<br />

und da stärker zugelangt. Fast flächendeckend<br />

werden zudem einige Gebühren erhöht.<br />

„Bei den Friedhofsgebühren haben<br />

viele Städte die Preise erhöht“, heißt es<br />

beim Bund der Steuerzahler. Die Gemeinden<br />

leiden unter der sinkenden Auslastung<br />

ihrer Grabfelder, da immer mehr<br />

Menschen Urnengräber bevorzugen. Aber<br />

auch die Gebühren für Wasser steigen vielerorts.<br />

Diese Preiserhöhungen lassen sich<br />

nur selten inhaltlich begründen.<br />

Stattdessen<br />

vermuten viele, dass es<br />

hier um reine Einnahmenerzielung<br />

geht.<br />

Doch die Befugnisse der<br />

Städte wurden hier zuletzt<br />

deutlich ausgebaut,<br />

das Kartellamt ist<br />

nahezu machtlos.<br />

Dennoch ist es zu kurz<br />

gegriffen, wenn man<br />

hinter den Erhöhungen<br />

allein den Wunsch der<br />

Kämmerer nach mehr<br />

Städte<br />

Serie<br />

Städte in Not<br />

Nächste Folge:<br />

Lernen von<br />

Lüttich? Strukturwandel<br />

im<br />

Vergleich<br />

Geld vermutet. Teilweise bleibt ihnen<br />

schlicht nichts anderes übrig. Zum einen<br />

haben die im vergangenen Jahr veröffentlichten<br />

Ergebnisse des Zensus 2<strong>01</strong>1 viele<br />

Städte aus der Bahn geworfen. Vor allem in<br />

ländlichen Gemeinden hatte die Zählung<br />

zum Teil Einwohnerkorrekturen im hohen<br />

einstelligen Prozentbereich ergeben – nach<br />

unten. Viele Gemeinden klagen jetzt gegen<br />

die Ergebnisse, doch der Ausgang dieser<br />

Verfahren ist ungewiss, sodass sie kurzfristig<br />

nach anderen Möglichkeiten suchen,<br />

die Ausfälle aufzufangen.<br />

Gerade den hoch verschuldeten Kommunen<br />

in Hessen, Rheinland-Pfalz oder<br />

NRW bleibt zudem oft nichts anderes übrig,<br />

als ihre Steuern zu erhöhen. Denn sobald<br />

sie auf finanzielle Zuwendungen des<br />

Landes angewiesen sind (Nothaushalte),<br />

sind sie verpflichtet, ihre Grundsteuern zumindest<br />

auf den Landesdurchschnitt anzuheben.<br />

Wenn viele Gemeinden das tun,<br />

entfacht es jedoch eine Dynamik, die die<br />

Steuersätze insgesamt nach oben treibt.<br />

Hinter der Erschließung neuer eigener<br />

Steuerquellen steckt zudem eine Art sportlicher<br />

Ehrgeiz. Denn die bringen selten viel<br />

Geld ein und sind zudem in der Umsetzung<br />

extrem kompliziert. Zum einen dürfen<br />

die Gemeinden nur Dinge besteuern,<br />

auf die nicht bereits von Bund oder Land<br />

eine Steuer erhoben wird. Hinzu kommt,<br />

dass eine kommunale Steuer sich auf einen<br />

kommunalen Gegenstand beziehen muss,<br />

der eindeutig dem Gemeindegebiet zuzuordnen<br />

ist. An dieser Stelle wäre die<br />

FOTO: EPD-BILD/RAINER OETTEL; ILLUSTRATION: KRISTINA DÜLLMANN<br />

24 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Handymastensteuer spätestens vor Gericht<br />

gescheitert:Was wäre mit den Masten<br />

gewesen, die zwar auf dem Gebiet der<br />

Stadt Remscheid stehen, aber fröhlich<br />

nach Solingen funken?<br />

Und damit nicht genug: Kommunale<br />

Steuern sind sogenannte „Aufwandsteuern“.<br />

Laut Rechtsprechung müssen sie die<br />

„wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ erfassen.<br />

Das heißt: Besteuert werden darf nur,<br />

was Spaß macht. Oder in Rechtssprech: alles,<br />

was über die Befriedigung des allgemeinen<br />

Lebensbedarfs hinausgeht.<br />

STEUERN MACHEN KARRIERE<br />

Dadurch sind die Möglichkeiten so stark<br />

eingeengt, dass die Aufwandsteuern nur<br />

einen geringen einstelligen Anteil an der<br />

gesamten Steuerkraft der Gemeinden ausmachen.<br />

Doch diese Relation verzerrt die<br />

Bedeutung der eigenen Steuern ein Stück<br />

weit. Die meisten Einnahmen der Gemeinden<br />

sind bereits für Pflichtaufgaben<br />

verplant. Alles Geld, was frei verplant werden<br />

kann, ist daher für Kämmerer Gold<br />

wert.<br />

Kein Wunder, dass fast jede erfolgreiche<br />

Kommunalsteuer schnell Nachahmer findet.<br />

Die gerade ein Jahr alte Pferdesteuer<br />

wird bereits an zwei Orten kopiert. Steuern<br />

auf Handymasten hatte neben Remscheid<br />

eine Handvoll weiterer Städte in Planung.<br />

Der absolute Renner aber ist die Bettensteuer,<br />

2009 in Köln zum ersten Mal erhoben.<br />

Dabei werden Hoteliers nach Gästeaufkommen<br />

besteuert. Die Anforderungen<br />

der Aufwandbesteuerung machen hier allerdings<br />

einige Verrenkungen notwendig.<br />

Da nur private Reisen besteuert werden<br />

dürfen, muss jeder Hotelgast ein zusätzliches<br />

Formular ausfüllen, wenn er in einem<br />

Hotel eincheckt. Trotzdem hat die Steuer<br />

landesweit Nachahmer gefunden, in touristischen<br />

Gebieten, die nicht auf die Kurtaxe<br />

zurückgreifen können, ist sie inzwischen<br />

fast Standard. Doch seit kurzer Zeit<br />

herrscht Verwirrung. Im Oktober kippte<br />

das Oberverwaltungsgericht Münster die<br />

Bettensteuer in Dortmund, der Aufwand<br />

der Erhebung sei den Gastwirten nicht zuzumuten.<br />

Jetzt setzen reihenweise Hoteliers<br />

die Zahlung aus und hoffen auf ähnliche<br />

Richtersprüche.<br />

Dennoch beweist der Erfolg der Kölner<br />

Bettensteuer, dass sich der Erfindungsreichtum<br />

auch für die Kämmerer persönlich<br />

lohnen kann. Der damalige Kölner<br />

Kämmerer Norbert Walter-Borjans ist heute<br />

Finanzminister in NRW.<br />

n<br />

konrad.fischer@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 25<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

Wir Zahlmeister<br />

EINKOMMEN | Die kalte Progression schlägt auch <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wieder zu –<br />

für viele steigen auch die Beiträge zur Sozialversicherung.<br />

Bei wenigen Themen waren sich Union<br />

und SPD so schnell einig. Eigentlich<br />

müsste <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wegen der üppigen<br />

Finanzpolster der Rentenversicherung der<br />

Beitragssatz fallen; so will es Paragraf 158 des<br />

Sozialgesetzbuches VI. Doch wenn die Arbeitnehmer<br />

in Kürze ihre erste Gehaltsabrechnung<br />

des neuen Jahres erhalten, dürfte<br />

es lange Gesichter geben. Die große Koalition<br />

verweigert Beschäftigten und Betrieben<br />

die Entlastung von rund 7,5 Milliarden Euro<br />

– und hat den Beitragsautomatismus in einem<br />

rechtlich umstrittenen Eilverfahren<br />

ausgehebelt. Grund: Schwarz-Rot braucht<br />

das Geld, um damit Wahlgeschenke wie die<br />

Mütterrente zu finanzieren.<br />

Dabei hätten die Bürger eine Entlastung<br />

gut gebrauchen können. Ihre Steuer- und<br />

Abgabenlast bleibt <strong>2<strong>01</strong>4</strong> auf unerfreulich hohem<br />

Niveau. Das zeigen Berechnungen, die<br />

Volker Stern, Ökonom beim Bund der Steuerzahler<br />

(BdSt), exklusiv für die Wirtschafts-<br />

Woche angefertigt hat. Für drei Musterhaushalte<br />

errechnete Stern, wie sich die Änderungen<br />

bei Steuern und Abgaben <strong>2<strong>01</strong>4</strong> auf<br />

das verfügbare Einkommen auswirken –<br />

und wie sich die Gesamtbelastung im Vergleich<br />

zu Januar 2<strong>01</strong>3 darstellt (siehe Tabelle).<br />

Das Besondere der Analyse: Stern berücksichtigte<br />

auch versteckte Steuern wie<br />

die auf Konsumprodukte zu zahlende Mehrwertsteuer,<br />

spezielle Verbrauchsteuern (auf<br />

Benzin, Zigaretten, Strom, Heizöl) sowie<br />

Kommunalabgaben, etwa für Müll und Abwasser.<br />

Grundlage waren haushaltstypische<br />

Verbrauchs- und Konsummengen. Auch die<br />

EEG-Umlage und der Zwangsbeitrag fürs öffentlich-rechtliche<br />

Fernsehen flossen ein.<br />

Ergebnis: Inklusive der Arbeitgeberbeiträge<br />

zur Sozialversicherung, die methodisch<br />

zu den Lohnkosten hinzugerechnet werden,<br />

überweist ein gut situiertes Kölner Doppelverdiener-Ehepaar<br />

(zwei Kinder, Eigenheim)<br />

in diesem Jahr 56,4 Prozent des Bruttoeinkommens<br />

an Staat und Sozialkassen –<br />

exakt so viel wie 2<strong>01</strong>3. Beim Dresdner Mittelschicht-Ehepaar<br />

(zwei Kinder) steigt die Last<br />

um 0,1 Punkte auf 48,4 Prozent. Der Gutverdiener-Singlehaushalt<br />

in Göttingen wird mit<br />

unverändert 62,4 Prozent abkassiert.<br />

Die Ergebnisse sind umso ernüchternder,<br />

als dass Stern für <strong>2<strong>01</strong>4</strong> bei allen Haushalten<br />

In die Knie Junge<br />

Beschäftigte in<br />

Auf niedrigere<br />

Rentenbeiträge<br />

hoffen Arbeitnehmer<br />

vergebens<br />

eine Lohnerhöhung von 1,8 Prozent einkalkuliert<br />

hat. Wegen des progressiven Einkommensteuertarifs<br />

aber erhöht sich bei steigenden<br />

Löhnen die abzuführende Lohnsteuer<br />

überproportional. Eine Entschärfung der<br />

kalten Progression hatte die SPD in der vergangenen<br />

Legislaturperiode verhindert.<br />

„Dass die große Koalition das Thema nun<br />

komplett ignoriert, ist eine Brüskierung der<br />

Steuerzahler. Das Versprechen, keine Steuern<br />

zu erhöhen, wird dadurch glatt gebrochen“,<br />

kritisiert Stern. Laut Bundesfinanzministerium<br />

kassiert der Fiskus allein aufgrund<br />

der Progression in den nächsten vier Jahren<br />

rund 17,5 Milliarden Euro mehr.<br />

Konkret ändert sich <strong>2<strong>01</strong>4</strong> bei Steuern und<br />

Abgaben Folgendes:<br />

n Trotz konstanter Beitragssätze müssen<br />

viele Arbeitnehmer mehr an die Sozialkassen<br />

überweisen. Die Beitragsbemessungsgrenze,<br />

also der Maximalbetrag des Bruttoeinkommens,<br />

bis zu dem Beiträge erhoben<br />

werden, klettert in der Renten- und Arbeitslosenversicherung<br />

in Westdeutschland um<br />

150 Euro auf den neuen Rekordwert von<br />

5950 Euro. In den neuen Bundesländern beträgt<br />

der Anstieg 100 Euro (auf 5000 Euro). In<br />

der Kranken- und Pflegeversicherung erhöht<br />

sich der versicherungspflichtige Bruttolohn<br />

einheitlich um 112,50 Euro auf 4050<br />

Euro. Unter dem Strich ergeben sich für Besserverdiener<br />

Mehrbelastungen bis zu 251<br />

Euro jährlich.<br />

n Der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen<br />

ist zwar festgeschrieben. Die große<br />

Koalition will aber die Finanzautonomie<br />

der Kassen erhöhen, sodass Beitragsänderungen<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong> nicht ausgeschlossen sind. Darauf<br />

müssen die privaten Krankenversicherungen<br />

nicht warten: Gleich 17 von ihnen<br />

haben steigende Beiträge angekündigt.<br />

n Die Tabaksteuer steigt weiter an: Reichen<br />

die Hersteller die Erhöhung an die Kunden<br />

durch, verteuert sich eine Packung Zigaretten<br />

(19 Stück) um vier bis acht Cent.<br />

n Die EEG-Umlage für Strom schießt um 18<br />

Prozent nach oben – von 5,28 auf 6,24 Cent<br />

pro Kilowattstunde.<br />

n Beiträge zur Alterssicherung sind <strong>2<strong>01</strong>4</strong> zu<br />

78 Prozent abzugsfähig (2<strong>01</strong>3: 76 Prozent).<br />

Auf lange Sicht ist dies aber ein Nullsummenspiel,<br />

denn im Gegenzug steigt der steuerpflichtige<br />

Anteil der späteren Rente.<br />

n Der Grundfreibetrag steigt von 8<strong>13</strong>0 auf<br />

8354 Euro. Um das Existenzminimum für<br />

Kinder steuerlich freizustellen, muss die Regierung<br />

zudem wohl im Laufe des Jahres den<br />

Kinderfreibetrag um 72 Euro erhöhen.<br />

GEBÜHRENSCHRAUBE DREHT SICH<br />

Entlastung vonseiten ihrer Kommune dürfen<br />

die Bürger unter dem Strich nicht erwarten.<br />

Die Unternehmensberatung EY hat im<br />

Sommer 300 größere Städte und Gemeinden<br />

nach ihren Plänen befragt. Ergebnis:<br />

Gut 75 Prozent wollen an der Gebührenschraube<br />

drehen. 28 Prozent planen etwa eine<br />

höhere Grundsteuer, 30 Prozent kassieren<br />

mehr für Kitas und Ganztagsangebote.<br />

Weitgehend stabil dürften indes die Entsorgungskosten<br />

für Müll und Abwasser bleiben.<br />

„Wenn überhaupt, gibt es einen Anstieg unterhalb<br />

der Inflationsrate“, prognostiziert<br />

Bernd Düsterdiek, Abgabenexperte beim<br />

Deutschen Städte- und Gemeindebund. In<br />

Köln etwa sinkt die Müllgebühr sogar.<br />

Allerdings sorgt die Kommunen nun ein<br />

Passus im Koalitionsvertrag, wonach<br />

Schwarz-Rot den „Schutz der Gewässer vor<br />

Nährstoffeinträgen sowie Schadstoffen“ verstärken<br />

will. Sollte den Kläranlagen eine zusätzliche<br />

Reinigungsstufe vorgeschrieben<br />

werden, was nicht wenige Kommunalvertreter<br />

befürchten, würde das Millionensummen<br />

kosten. Und dann, warnt Düsterdiek,<br />

„werden die Abwassergebühren drastisch<br />

nach oben schießen“.<br />

n<br />

bert.losse@wiwo.de<br />

FOTO: PHOTOTHEK/THOMAS TRUTSCHEL; ILLUSTRATIONEN: KRISTINA DÜLLMANN<br />

28 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Was Staat und Sozialversicherung kassieren<br />

Ehepaar (Doppelverdiener im Eigenheim, zwei Kinder, Köln)<br />

Ehepaar (Alleinverdiener, zwei Kinder, Dresden)<br />

Single (Göttingen)<br />

Bruttogehalt<br />

mit Arbeitgeberbeiträgen<br />

ohne Arbeitgeberbeiträge<br />

zur Sozialversicherung<br />

Direkte Abzüge<br />

Lohnsteuer (Klasse 3/2 und 5)<br />

Solidaritätszuschlag<br />

Kirchensteuer (9 Prozent)<br />

Kindergeld<br />

Rentenversicherung 1<br />

Arbeitslosenversicherung 1<br />

Krankenversicherung 1<br />

Pflegeversicherung 1<br />

Abzüge insgesamt<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt<br />

Nettogehalt<br />

Spezielle Verbrauchsteuern<br />

auf<br />

Mineralöl (400 Liter Benzin)<br />

Zigaretten (30 Packungen)<br />

Heizöl (300 Liter)<br />

Strom (450 Kilowattstunden)<br />

EEG-Umlage auf Strom<br />

GEZ-Gebühr/Haushaltsabgabe<br />

Mehrwertsteuer<br />

auf Konsum<br />

19 Prozent (von 47 Prozent<br />

des Nettoeinkommens)<br />

7 Prozent (von 10 Prozent des<br />

Nettoeinkommens)<br />

Kfz-Steuer<br />

(2 Pkws: Mercedes, VW Golf)<br />

Versicherungsteuer 2<br />

Kommunale Steuern und<br />

Gebühren<br />

Grundsteuer<br />

(Einheitswert 45000 Euro)<br />

Hundesteuer<br />

Wasser (15 m 3 , inkl. Zähler)<br />

Abwassergebühr<br />

(15 Kubikmeter)<br />

Niederschlagsgebühr<br />

(250 Quadratmeter bebaut)<br />

Straßenreinigung (25 Meter)<br />

Müllabfuhr/Biotonne (120 l)<br />

Gesamtbelastung mit direkten<br />

und indirekten Abgaben 3<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt 3<br />

Er<br />

Sie<br />

Januar<br />

2<strong>01</strong>3<br />

15494,47<br />

8390,00<br />

5240,00<br />

<strong>13</strong> 630,00<br />

–3518,43<br />

–169,57<br />

–277,49<br />

+368,00<br />

–1043,28<br />

–165,60<br />

–645,76<br />

– 80,72<br />

5 532,84<br />

40,6<br />

8 097,16<br />

Januar<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

(in Euro)<br />

261,80<br />

94,80<br />

18,40<br />

9,23<br />

23,76<br />

17,98<br />

607,63<br />

52,97<br />

19,<strong>13</strong><br />

19,00<br />

54,31<br />

<strong>13</strong>,00<br />

33,72<br />

23,40<br />

27,08<br />

19,60<br />

42,32<br />

8 735,44<br />

56,4<br />

1 Arbeitnehmeranteil; 2 gängiger Versicherungsmix;<br />

3 inklusive Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.<br />

+1,8 %<br />

15787,03<br />

8542,00<br />

5335,00<br />

<strong>13</strong> 877,00<br />

–3576,24<br />

–172,56<br />

–282,38<br />

+368,00<br />

–1066,44<br />

–169,28<br />

–664,20<br />

–83,02<br />

5 646,11<br />

40,7<br />

8 230,89<br />

261,80<br />

95,91<br />

18,40<br />

9,23<br />

28,08<br />

17,98<br />

617,66<br />

53,85<br />

19,<strong>13</strong><br />

19,00<br />

54,31<br />

<strong>13</strong>,00<br />

35,54<br />

23,40<br />

27,08<br />

19,44<br />

41,73<br />

8 911,69<br />

56,4<br />

Bruttogehalt<br />

mit Arbeitgeberbeiträgen<br />

ohne Arbeitgeberbeiträge<br />

zur Sozialversicherung<br />

Direkte Abzüge<br />

Lohnsteuer (Klasse 3/2)<br />

Solidaritätszuschlag<br />

Kirchensteuer (konfessionslos)<br />

Kindergeld<br />

Rentenversicherung 1<br />

Arbeitslosenversicherung 1<br />

Krankenversicherung 1<br />

Pflegeversicherung 2<br />

Abzüge insgesamt<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt<br />

Nettogehalt<br />

Spezielle Verbrauchsteuern<br />

auf<br />

Mineralöl (150 Liter Benzin)<br />

Zigaretten (30 Packungen)<br />

Heizöl (200 Liter)<br />

Strom (400 Kilowattstunden)<br />

EEG-Umlage auf Strom<br />

GEZ-Gebühr/Haushaltsabgabe<br />

Mehrwertsteuer<br />

auf Konsum<br />

19 Prozent (von 47 Prozent des<br />

Nettoeinkommens)<br />

7 Prozent (von 12 Prozent des<br />

Nettoeinkommens)<br />

Kfz-Steuer<br />

(Ford Focus)<br />

Versicherungsteuer³<br />

Kommunale Steuern und<br />

Gebühren<br />

Grundsteuer (auf die Miete umgelegt,<br />

Wohnung 95 m 2 )<br />

Hundesteuer<br />

Wasser (10 m 3 , inkl. Zähler )<br />

Abwassergebühr<br />

(10 Kubikmeter)<br />

Müllabfuhr/Biotonne (120 l)<br />

Gesamtbelastung mit direkten<br />

und indirekten Abgaben 4<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt 4<br />

Januar Januar<br />

2<strong>01</strong>3 <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

(in Euro)<br />

4956,91<br />

4 190,00<br />

–502,66<br />

–7,66<br />

–<br />

+368,00<br />

–395,96<br />

–62,85<br />

–322,88<br />

–60,05<br />

984,05<br />

23,5<br />

3 205,95<br />

98,18<br />

94,80<br />

12,27<br />

8,20<br />

21,12<br />

17,98<br />

240,58<br />

25,17<br />

9,00<br />

15,20<br />

22,62<br />

9,00<br />

29,59<br />

17,60<br />

22,<strong>13</strong><br />

2 394,40<br />

48,3<br />

+1,8 %<br />

5050,04<br />

4 266,00<br />

–504,16<br />

–7,66<br />

–<br />

+368,00<br />

–403,14<br />

–63,99<br />

–332,10<br />

–61,76<br />

1 004,81<br />

23,6<br />

3 261,19<br />

98,18<br />

95,91<br />

12,27<br />

8,20<br />

24,96<br />

17,98<br />

244,73<br />

25,60<br />

9,00<br />

15,20<br />

22,62<br />

9,00<br />

29,59<br />

17,60<br />

22,<strong>13</strong><br />

2 441,82<br />

48,4<br />

1 Arbeitnehmeranteil; 2 Arbeitnehmeranteil in Sachsen<br />

1,475/1,525Prozent (Arbeitgeberanteil 0,475/0,525 Prozent);<br />

3 gängiger Versicherungsmix; 4 inklusiveArbeitgeberbeiträge<br />

zur Sozialversicherung<br />

Bruttogehalt<br />

mit Arbeitgeberbeiträgen<br />

ohne Arbeitgeberbeiträge<br />

zur Sozialversicherung<br />

Direkte Abzüge<br />

Lohnsteuer (Klasse 1)<br />

Solidaritätszuschlag<br />

Kirchensteuer (9 Prozent)<br />

Rentenversicherung 1<br />

Arbeitslosenversicherung 1<br />

Krankenversicherung 1<br />

Pflegeversicherung 1<br />

Abzüge insgesamt<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt<br />

Nettogehalt<br />

Spezielle Verbrauchsteuern<br />

auf<br />

Mineralöl (200 Liter Benzin)<br />

Zigaretten (30 Packungen)<br />

Heizöl (150 Liter)<br />

Strom (150 Kilowattstunden)<br />

EEG-Umlage auf Strom<br />

GEZ-Gebühr/Haushaltsabgabe<br />

Mehrwertsteuer<br />

auf Konsum<br />

19 Prozent (von 47 Prozent des<br />

Nettoeinkommens)<br />

7 Prozent (von 6 Prozent des<br />

Nettoeinkommens)<br />

Kfz-Steuer<br />

(BMW)<br />

Versicherungsteuer²<br />

Kommunale Steuern und<br />

Gebühren<br />

Grundsteuer (auf die Miete umgelegt,<br />

Wohnung 70 m 2 )<br />

Hundesteuer<br />

Wasser (5 m 3 , inkl. Zähler)<br />

Abwassergebühr<br />

(5 Kubikmeter)<br />

Müll/Biotonne (120 l, 14-tägig)<br />

Gesamtbelastung mit direkten<br />

und indirekten Abgaben³<br />

in Prozent <strong>vom</strong> Bruttogehalt³<br />

Januar<br />

2<strong>01</strong>3<br />

6718,52<br />

5 760,00<br />

–1431,25<br />

–78,72<br />

–128,81<br />

–544,32<br />

–86,40<br />

–322,88<br />

–50,20<br />

2 642,58<br />

45,9<br />

3 117,42<br />

<strong>13</strong>0,90<br />

94,80<br />

9,20<br />

3,08<br />

7,92<br />

17,98<br />

233,94<br />

12,24<br />

11,25<br />

Januar<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

(in Euro)<br />

9,50<br />

18,55<br />

–<br />

<strong>13</strong>,16<br />

11,70<br />

18,98<br />

4 194,29<br />

62,4<br />

+1,8 %<br />

6843,27<br />

5 864,00<br />

–1453,58<br />

–79,95<br />

–<strong>13</strong>0,82<br />

–554,15<br />

–87,96<br />

–332,10<br />

–51,64<br />

2 690,19<br />

45,9<br />

3 173,81<br />

<strong>13</strong>0,90<br />

95,91<br />

9,20<br />

3,08<br />

9,36<br />

17,98<br />

238,17<br />

12,46<br />

11,25<br />

9,50<br />

20,65<br />

–<br />

<strong>13</strong>,16<br />

11,70<br />

18,98<br />

4 271,77<br />

62,4<br />

1 Arbeitnehmeranteil; 2 gängiger Versicherungsmix;<br />

3 inklusive Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung<br />

Für <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wurde für alle Haushalte eine Lohnerhöhung<br />

von 1,8 Prozent unterstellt. Quelle: Volker Stern<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 29<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

Neue Zeiten<br />

Revolutionsführer<br />

Khamenei (links),<br />

Reformer Rowhani<br />

„bin ich der einzige Vertreter eines europäischen<br />

Wirtschaftsverbandes im Iran“.<br />

Deutschland, zusammen mit den fünf<br />

ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates<br />

Kontrahent der Iraner bei den Genfer<br />

Verhandlungen, hat offenbar einen Startvorteil,<br />

falls der Iran wieder zum normalen<br />

Akteur auf der weltwirtschaftlichen Bühne<br />

werden sollte.<br />

Bis dahin ist freilich noch ein weiter Weg.<br />

Das Genfer Abkommen mit seinen vertrackten<br />

Klauseln ist nur eine auf ein halbes<br />

Jahr begrenzte Zwischenlösung. In dieser<br />

Zeit soll der Iran seine Nuklearpläne<br />

einschränken, die USA im Gegenzug eingefrorene<br />

iranische Bankguthaben im Wert<br />

von mehreren Milliarden Dollar freigeben.<br />

„Juristisch ist nichts Greifbares passiert,<br />

aber die Stimmung hat sich seit Genf radikal<br />

geändert“, sagt ein deutscher Ge-<br />

Bei einem Comeback<br />

des Iran hat<br />

Deutschland<br />

einen Startvorteil<br />

Sensible Zeit<br />

IRAN | Ein Ende der wirtschaftlichen Isolation gerät in Sicht. Doch<br />

die Probleme des Landes sind damit noch lange nicht gelöst.<br />

Keine einzige Absage bekam Daniel<br />

Bernbeck, Geschäftsführer der<br />

Deutsch-Iranischen Industrie- und<br />

Handelskammer (DIIHK), als er vor ein<br />

paar Tagen in Teheran die für Wirtschaftsfragen<br />

zuständigen Diplomaten aller europäischer<br />

Vertretungen zum Frühstück einlud.<br />

So etwas wäre vor drei Monaten noch<br />

eine triste Zusammenkunft gewesen, bei<br />

der es allenfalls um Einzelheiten des internationalen<br />

Sanktionsregimes gegen die<br />

iranische Nuklearpolitik gegangen wäre.<br />

Jetzt aber geht es um neue Chancen: Seit<br />

dem Genfer Abkommen zwischen dem<br />

Teheraner Regime und den internationalen<br />

Mächten Ende November sieht es<br />

so aus, als könnte der Iran schon bald<br />

wieder als respektables und finanzstarkes<br />

Schwellenland in die Weltwirtschaft zurückkehren.<br />

Kein EU-Land will da als<br />

Handelspartner fehlen, und alle wollen<br />

von dem Erfahrungsvorsprung der Deutschen<br />

profitieren.<br />

Die deutsche Kammer hat in den Jahren<br />

der zunehmenden Sanktionen in Teheran<br />

ausgehalten, „und heute“, sagt Bernbeck,<br />

schäftsmann, der in Teheran aufgewachsen<br />

ist und seit vielen Jahren deutsche Unternehmen<br />

im Iran berät. Konsumgüter<br />

wurden auch nach Verschärfung der Sanktionen<br />

legal in den Iran exportiert, und die<br />

ebenso wichtige wie marode iranische Ölund<br />

Gasindustrie bezog immer noch Ersatzteile<br />

aus Deutschland. So etwas allerdings<br />

wurde auf Umwegen ins Land geschmuggelt:<br />

wahrscheinlich über China,<br />

auch wenn die Volksrepublik als Sicherheitsratsmitglied<br />

zu den Urhebern der<br />

Sanktionen gehörte, und ganz bestimmt<br />

über Dubai, obwohl die Vereinigten Arabischen<br />

Emirate jetzt über die angeblich<br />

wachsende militärische Bedrohung durch<br />

den Iran klagen.<br />

Jedes Geschäft mit dem Iran muss immer<br />

noch mit der Schwierigkeit fertig werden,<br />

dass keine europäische Bank mitmachen<br />

will oder darf. Und die iranischen<br />

Banken, samt und sonders staatlich oder<br />

Funktionären des Regimes eng verbunden,<br />

stehen alle auf den Sanktionslisten der USA<br />

und der EU-Kommission. „Die Sanktionsarchitektur<br />

bleibt erhalten“, heißt das in der<br />

offiziellen Sprache der Bundesregierung.<br />

Umgekehrt bleibt auf der iranischen Sei-»<br />

FOTO: SIPA/AY-COLLECTION<br />

30 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

»<br />

te das Drohpotenzial erhalten: Teheran<br />

hat sich nur verpflichtet, sein Atomprogramm<br />

einzufrieren. Von Abbau der Reaktoren<br />

und Zentrifugen, von Zerstörung des<br />

radioaktiven Materials ist vorerst keine Rede.<br />

Im Teheraner Parlament hat die starke<br />

Gruppe der konservativen Gegner des Präsidenten<br />

Hassan Rowhani einen Gesetzentwurf<br />

eingebracht, der die Regierung zur<br />

Herstellung von zu 60 Prozent angereichertem<br />

Uran – also praktisch von Atomwaffen<br />

– verpflichtet. Kommt das durch, würde<br />

das Genfer Abkommen zur Fata Morgana.<br />

NEUER PLURALISMUS<br />

Aber selbst das lässt sich auch optimistisch<br />

interpretieren: In der Teheraner Mullah-<br />

Diktatur ist der Pluralismus offen ausgebrochen,<br />

und ganz offensichtlich hat der<br />

gemäßigte Präsident Rowhani die Oberhand<br />

gegenüber seinen konservativen und<br />

rabiat antiwestlichen Gegnern. Alles<br />

spricht dafür, dass die oberste Instanz des<br />

islamistischen Staates, der Revolutionsführer<br />

Ali Khamenei, Rowhani stützt: nicht<br />

aus plötzlicher Begeisterung für Mäßigung<br />

und Vernunft, sondern aus Angst vor einem<br />

Aufstand der Bevölkerung als Folge<br />

weiterer Isolation und Verarmung.<br />

Bei allem Konservativismus will<br />

Rowhani den Iran „lieber zu einem persischen<br />

China als zu einem islamischen<br />

Nordkorea machen“, wie das der amerikanische<br />

Publizist und Nahostkenner Milton<br />

Friedman formuliert. „Der Wandel ist doch<br />

erdbebenartig“, sagt ein deutsch-iranischer<br />

Unternehmensberater, der freilich immer<br />

noch aus Angst vor den konservativen Anhängern<br />

des früheren Präsidenten Mahmud<br />

Ahmadinedschad seinen Namen in<br />

diesem Zusammenhang nicht lesen will –<br />

„wir haben hier noch eine zu sensible Zeit“.<br />

Was er meint:Die Konservativen beherrschen<br />

nach wie vor die staatliche Öl- und<br />

Gasindustrie und die meisten iranischen<br />

Banken, oft über religiöse Stiftungen, die so<br />

etwas wie staatlich gestützte Megaholdings<br />

sind: ökonomisch ineffizient, eher auf<br />

Ideologie als auf rationales Wirtschaften<br />

gepolt, eng vernetzt mit der Atomrüstungsindustrie<br />

und zumeist korrupt.<br />

Bei der Korruption hat Präsident Rowhani<br />

angesetzt: Prominente Wirtschaftsfunktionäre<br />

der Ahmadinedschad-Zeit sind in<br />

den vergangenen Wochen gefeuert worden,<br />

und jetzt ermitteln die Staatsanwälte<br />

gegen sie. Ein Paradebeispiel ist nach<br />

einem Bericht des in Teheran gut vernetzten<br />

Internet-Portals „Al-Monitor“ der bisherige<br />

Chef der iranischen Sozialversicherungsanstalt<br />

SSO: Saeed Mortazavi, der<br />

sich als grausamer Richter über Oppositionelle<br />

für seinen Job qualifiziert hatte, verwandelte<br />

seine Behörde in eine heimliche<br />

In Brüssel wird<br />

über den Abbau<br />

von Sanktionen<br />

entschieden<br />

Megaholding mit Beteiligung an Banken,<br />

Stahlwerken, Versicherungen, Reedereien<br />

wie der National Iranian Tanker Company<br />

und natürlich dem Ölhandel.<br />

Für die iranische Wirtschaft ist diese<br />

Säuberungswelle aus zwei Gründen wichtig:<br />

Erst einmal werden unfähige und korrupte<br />

Wirtschaftsfunktionäre durch unbelastete<br />

Leute ersetzt, das lässt zumindest<br />

auf effizienteres Wirtschaften hoffen. Und<br />

zweitens erfasst diese Hoffnung die iranische<br />

Bevölkerung – und das stabilisiert das<br />

Land. Sicheres Zeichen dafür: Die Flucht<br />

aus der Landeswährung ist gestoppt. 2007,<br />

vor Beginn der großen Krise, mussten Iraner<br />

<strong>13</strong> 000 Rial für einen Euro bezahlen;<br />

vergangenen Sommer, zur Zeit der Wahl<br />

Rowhanis, waren es 50 000; jetzt sind es nur<br />

noch 40 000 Rial – eine Aufwertung von 20<br />

Prozent, die nicht auf realwirtschaftlichen<br />

Veränderungen basiert, sondern auf neuem<br />

Vertrauen in die iranische Führung.<br />

Fragt sich jetzt, ob die Industriestaaten<br />

dieses Vertrauen teilen. Deutsche Unternehmen,<br />

die auf neue Geschäfte mit dem<br />

Iran setzen, schauen jetzt nach Brüssel, sagt<br />

Michael Tockuss, Geschäftsführer eines Vereins<br />

namens Deutsch-Iranische Handelskammer<br />

in Hamburg. Tockuss und seine<br />

Klienten hoffen darauf, dass die EU-Kommission<br />

sie am 20. Januar aus der bisherigen<br />

rechtlichen Grauzone befreit, indem sie die<br />

amerikanischen Zugeständnisse gegenüber<br />

Teheran auf die europäischen Bestimmungen<br />

überträgt. Dabei geht es Tockuss zufolge<br />

im Wesentlichen um drei Fragen:<br />

n Freigabe der blockierten iranischen Guthaben<br />

von europäischen Banken: Vor allem<br />

in Italien ist viel iranisches Geld aus<br />

italienischen Ölimporten eingefroren.<br />

n Wegfall der Sanktionen gegen den iranischen<br />

Automobilsektor: Staatseigene iranische<br />

Unternehmen bauen seit Langem<br />

Peugeots und Citroëns in Lizenz, deutsche<br />

Zulieferer wollen diese Fabriken wieder<br />

beliefern.<br />

n Aufhebung der Sanktionen gegen Irans<br />

Petrochemie: Die Anlagen sind ähnlich<br />

veraltet wie die Ölfelder und Pipelines im<br />

Reich der Mullahs; für Reparaturen und<br />

Neubauten bieten sich deutsche Unternehmen<br />

geradezu an.<br />

Ob daraus etwas wird, bleibt natürlich<br />

offenen. Viel hängt an der immer noch<br />

wackeligen Glaubwürdigkeit der Herrscher<br />

in Teheran. Auch darum plädiert Präsident<br />

Rowhani inzwischen für eine radikale<br />

Umwandlung seiner Islamischen Republik<br />

in einen Mehrparteienstaat – mit legaler<br />

Opposition.<br />

n<br />

hansjakob.ginsburg@wiwo.de<br />

WIE DIE SANKTIONEN WIRKTEN Irans Wirtschaft in Zahlen<br />

77,1<br />

Millionen<br />

Einwohner<br />

9,4%<br />

hat das Land:<br />

44 Prozent sind<br />

jünger als 25,<br />

acht Prozent<br />

Analphabeten<br />

16% Rückgang<br />

bei der Ölproduktion 2<strong>01</strong>2 –<br />

aber immer noch 4,2 Prozent<br />

der Weltproduktion<br />

der weltweiten Ölreserven<br />

liegen im Iran – und 18 Prozent<br />

der Erdgasreserven<br />

5039<br />

Dollar<br />

66 Prozent<br />

des Exports 2<strong>01</strong>2 war Öl –<br />

wichtigste Abnehmer:<br />

China, Indien, Türkei, Südkorea<br />

betrug das Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Kopf 2<strong>01</strong>3, ein Rückgang<br />

um 30 Prozent in einem Jahr<br />

1,6<br />

Milliarden<br />

Euro<br />

zahlte der Iran<br />

für deutsche<br />

Importe 2<strong>01</strong>3<br />

– Tendenz:<br />

stark fallend<br />

32 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Wankende Ölmächte<br />

FORUM | Die Großmächte und Deutschland sind dem Iran bei den Atomverhandlungen weit entgegengekommen<br />

– zum eigenen Schaden: Das Mullah-Regime bedroht jetzt die Stabilität am Persischen<br />

Golf, auf die die Weltwirtschaft wegen des Erdöls angewiesen ist. Von Rafael Seligmann<br />

FOTOS: GETTY IMAGES/AFP, LAIF/MARTIN LENGEMANN<br />

Politik und Außenwirtschaftsbeziehungen<br />

gelten als Ergebnis<br />

nüchterner Machtabwägung.<br />

Stattdessen regieren<br />

hier oftmals Emotionen. Etwa in<br />

der deutschen Nahostpolitik, die<br />

vergangenheitsbedingt weitgehend<br />

durch die israelische Brille<br />

betrachtet wird. Dies wird bei der<br />

Beurteilung des Interimsabkommens<br />

über die zeitweilige Begrenzung<br />

des Nuklearprogramms Irans<br />

zwischen den fünf ständigen<br />

Mächten des UNO-Sicherheitsrates<br />

plus Deutschland (5 + 1-Staaten)<br />

mit Teheran sichtbar. Fakten<br />

und Zahlen legen nahe, dabei alle entscheidenden globalen und<br />

regionalen Aspekte zu berücksichtigen, die für Deutschlands<br />

Volkswirtschaft, aber auch die internationale Stellung Berlins von<br />

entscheidender Relevanz sind.<br />

Die Arabische Liga umfasst 22 Staaten, auf einer Fläche von elf<br />

Millionen Quadratkilometern leben dort 300 Millionen Menschen.<br />

Israel hat eine Fläche von gerade 20 000 Quadratkilometern und<br />

eine Bevölkerung von 7,5 Millionen Menschen. Saudi-Arabien<br />

liegt mit einer jährlichen Erdölproduktion von 547 Millionen Tonnen<br />

an erster Stelle. Weitere internationale Spitzenplätze nehmen<br />

Iran (175 Millionen Tonnen), Vereinigte Arabische Emirate (154<br />

Millionen Tonnen), Kuwait (153 Millionen Tonnen), Irak (152<br />

Millionen Tonnen) ein. Arabische Staaten fördern 45 Prozent der<br />

globalen Ölproduktion, Saudi-Arabien allein 15,7 Prozent. Die<br />

wirtschaftliche Potenz von Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait,<br />

Bahrain, Katar, den Emiraten nimmt ständig zu. Arabische Investoren<br />

besitzen erhebliche Anteile an führenden deutschen Unternehmen<br />

wie Volkswagen, Ferrostahl, MAN, Daimler<br />

etc. Die Öl exportierenden Staaten sind wichtige<br />

Importeure deutscher Qualitätserzeugnisse.<br />

Deutschland wiederum bezieht von dort strategische<br />

Rohstoffe wie Erdöl.<br />

Ein Kontrast zur wirtschaftlichen Macht der arabischen<br />

Länder ist deren militärische Schwäche.<br />

Dabei darf man sich nicht von den modernen Waffensystemen,<br />

die aus den USA und den Staaten des<br />

Westens, unter anderem aus Deutschland, eingeführt<br />

wurden, täuschen lassen. Die Armeen der<br />

Golfstaaten wie Saudi-Arabien verfügen über keine<br />

Kampferfahrung, ihre Schlagkraft ist niedrig. So<br />

mussten französische Einheiten 1979 den Überfall<br />

bewaffneter Islamisten auf die Große Moschee in<br />

Mekka niederschlagen, da die saudi-arabische<br />

Rafael Seligmann, 66, ist<br />

Herausgeber der „Jewish<br />

Voice from Germany“.<br />

Der Historiker lebt als<br />

freier Publizist in Berlin.<br />

Verschleierte Gefahr<br />

Iranische Pro-Atom-Demo<br />

Armee dazu nicht in der Lage war.<br />

1990 leisteten Kuwaits Streitkräfte<br />

der Invasionsarmee Iraks keinen<br />

Widerstand. Zuletzt waren die Sicherheitskräfte<br />

Bahrains unfähig,<br />

Ausschreitungen regierungsfeindlicher<br />

Schiiten zu beenden.<br />

Die Schiiten in Nahost, etwa in<br />

Irak, Libanon, Syrien, Bahrain,<br />

werden von Iran unterstützt. Das<br />

bereitet den sunnitischen Herrscherhäusern<br />

in Saudi-Arabien<br />

und den Golfemiraten Sorge. Das<br />

Zugeständnis der 5 + 1-Staaten,<br />

Iran faktisch die Uranreicherung<br />

zu erlauben und damit anzuerkennen,<br />

dass Teheran an der Schwelle zur Kernwaffenmacht steht und<br />

in der Lage bleiben wird, in kurzer Zeit zur Atommacht aufzusteigen,<br />

wird von den Golfstaaten ebenso wie von Israel als existenzielle<br />

Bedrohung empfunden. Doch während Jerusalem als erstrangige<br />

Militärmacht der Region die militärische Potenz besitzt,<br />

mit einer schlagkräftigen Armee und einer bestehenden Nuklearmacht<br />

den feindseligen Iran von einem atomaren Angriff abzuschrecken,<br />

bleiben die sunnitischen Länder dieser Gefahr zumindest<br />

politisch und militärisch ausgesetzt.<br />

Iran hat nicht die Absicht, ein muslimisches Land atomar zu<br />

attackieren. Doch das Prestige, von den Weltmächten als atomares<br />

Schwellenland anerkannt zu werden, verleiht Teheran eine regionale<br />

Vormachtstellung. Unterhalb der nuklearen Ebene kann das<br />

schiitische Mullah-Regime seine strategischen Trümpfe ausspielen.<br />

Eine gebildete Bevölkerung von annähernd 80 Millionen Menschen,<br />

kampferfahrene Streitkräfte aus Armee und Revolutionären<br />

Garden von mehr als einer halben Million Mann sowie eine expansive<br />

religiös-politische Ideologie üben per se Druck<br />

aus. Die militärische Intervention Teherans in<br />

Syrien und die Unterstützung der schiitischen Hisbollah<br />

in Libanon zeigen, dass Iran diese offensive<br />

Politik fortsetzt.<br />

Anders als der israelische Premier Benjamin Netanjahu,<br />

der lautstark gegen ein Ende der antiiranischen<br />

Sanktionen protestiert, setzen Saudi-Arabien<br />

und die Golfstaaten auf stille Diplomatie. Sie werden<br />

in Washington und der EU vor allem ihr wirtschaftliches<br />

Gewicht nutzen, um den Westen zu<br />

überzeugen, dass ein gestärkter Iran eine Gefahr<br />

für die konservativen Regime darstellt und die gesamte<br />

Region zu destabilisieren droht. Wir sollten<br />

die Warnung sehr ernst nehmen. Denn damit werden<br />

auch deutsche Interessen massiv tangiert. n<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 33<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Politik&Weltwirtschaft<br />

BERLIN INTERN | Sigmar Gabriel probiert schon mal<br />

die ganz große Koalition. Seine Führungsriege<br />

im Bundeswirtschaftsministerium ist ein Vielfarben-<br />

Potpourri. Von Henning Krumrey<br />

Buntesministerium<br />

FOTOS: WERNER SCHUERING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, BUNDESREGIERUNG/ERIKSSON<br />

Wer einen Radikahlschlag erwartet<br />

hatte, darf sich wundern:<br />

Der SPD-Vorsitzende<br />

Sigmar Gabriel macht aus<br />

seinem neuen Superressort für Wirtschaft<br />

und Energie kein knallrotes Vizekanzleramt,<br />

sondern eine bunte Mischung. In der<br />

Spitze und bei den Abteilungsleitern sind<br />

Anhänger aller politischen Richtungen an<br />

Bord – bis auf die Linkspartei.<br />

Auf Staatssekretärsebene regiert eine<br />

Ampel. Gabriel beließ Stefan Kapferer im<br />

Vizekanzleramtschef Staatssekretär<br />

Sontowski mit seinem Dienstherrn Gabriel<br />

Amt, den nüchtern-klugen, aber im letzten<br />

Jahr oft unerhörten Kopf hinter dem bisherigen<br />

Amtsinhaber Philipp Rösler. Kapferer<br />

hatte dessen Aufstieg schon im niedersächsischen<br />

Wirtschaftsministerium unterstützt<br />

und arbeitete zuvor in der FDP-Parteizentrale.<br />

Ebenso überraschend kam die Nominierung<br />

von Rainer Baake, seit 30 Jahren<br />

Mitglied der Grünen. Der war schon Staatssekretär<br />

– jeweils sieben Jahre in Umweltministerien<br />

im Bund unter Jürgen Trittin<br />

und in Hessen unter Joschka Fischer. Baake<br />

übernimmt die Energiepolitik und ist in<br />

der Wirtschaft respektiert und gefürchtet,<br />

weil er sich mit der Materie auskennt.<br />

Gerade mal einen Sozialdemokraten macht<br />

der neue Hausherr zum beamteten Staatssekretär:<br />

Rainer Sontowski. Er führte bisher<br />

das Büro des SPD-Vorsitzenden im<br />

Willy-Brandt-Haus, hat aber langjährige<br />

Verwaltungserfahrung im Bundesumweltministerium,<br />

im Presseamt und in der<br />

niedersächsischen Landesregierung. Sontowski<br />

ist das personifizierte Vizekanzleramt;<br />

er koordiniert die Arbeit der SPD-Ministerien<br />

und ist Verbindungsmann zur<br />

Regierungszentrale.<br />

Ebenso bunt ist Gabriels Abteilungsleiterriege.<br />

Aus Brüssel holt er sich Sabine<br />

Hepperle, die dort seit dem 1. Juli 2<strong>01</strong>1 das<br />

Büro des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

(DIHK) leitete. Sie übernimmt<br />

die Abteilung II, die sich um die Mittelstandspolitik<br />

kümmert.<br />

Oliver Schmolke wird künftig die Planungsabteilung<br />

des Ministeriums führen.<br />

Bisher diente der promovierte Politikwissenschaftler<br />

in ähnlicher Funktion in der<br />

SPD-Bundestagsfraktion. Die Zentralabteilung,<br />

die für die personalpolitische Führung<br />

des Hauses von großer Bedeutung ist,<br />

besetzt Gabriel intern mit dem bisherigen<br />

Unterabteilungsleiter Harald Kuhne. Auch<br />

er gilt im Haus als Genosse.<br />

Fünf der derzeit zehn Spitzenbeamten<br />

bleiben, aber einzig die Chefs der Grundsatzund<br />

der Europaabteilung, Alexander Groß<br />

und Claudia Dörr-Voß, bleiben auch auf ihren<br />

Positionen. Der bisherige Industrie-Mann<br />

Eckhard Franz wechselt zur Außenwirtschaft.<br />

Die Stelle war vakant, seit der Vorgänger<br />

zur Welthandelsorganisation WTO nach<br />

Genf abgewandert war. Auf die frei werdende<br />

Industrie-Position geht der bisherige Mittelstandsexperte<br />

Sven Halldorn. Als Streichkandidat<br />

galt Detlef Dauke, weil er eine dunkle<br />

Vergangenheit hat, genau genommen: eine<br />

schwarze. Denn der Leiter der Energieabteilung<br />

kam einst mit dem CSU-Mann Michael<br />

Glos ins Ministerium, dessen Büro er schon<br />

in der CSU-Landesgruppe geführt hatte. Andererseits:<br />

Pflichtbewusste Spitzenbeamte<br />

kann Gabriel brauchen. Dauke übernimmt<br />

die Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

sowie Technologiepolitik. Diese Felder<br />

werden zusammengelegt, um eine Leitungsposition<br />

frei zu bekommen.<br />

Denn durch die Bündelung der Energiepolitik<br />

im BMWi kommt eine Abteilung aus<br />

dem Umweltressort ins Haus, an ihrer Spitze<br />

Urban Rid. Das für Gabriel entscheidende<br />

Thema der Energiepolitik wird also künftig<br />

von zwei Abteilungen organisiert. Für die<br />

angestammte Energietruppe sucht der<br />

neue Minister noch den führenden Kopf.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 35<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Der Volkswirt<br />

KOMMENTAR | Der Arbeitsmarkt<br />

brummt, doch eine Gruppe hat davon<br />

so gut wie nichts: die Langzeitarbeitslosen.<br />

Von Bert Losse<br />

Multiple Hürden<br />

In der vergangenen Woche<br />

meldete das Statistische<br />

Bundesamt einen neuen<br />

Jobrekord für Deutschland.<br />

Die Zahl der Erwerbstätigen<br />

ist 2<strong>01</strong>3 auf 41,78 Millionen<br />

gestiegen – ein Zuwachs um<br />

250 000. Und es waren mitnichten<br />

unsichere Elendsjobs,<br />

die die Zahlen nach oben trieben.<br />

„Von der positiven Entwicklung<br />

profitierten vor allem<br />

sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte, deren Anzahl<br />

überproportional gestiegen ist“,<br />

schreiben die Statistiker.<br />

Keine Frage: Der deutsche Arbeitsmarkt<br />

ist weiter in guter<br />

Verfassung; daran ändern auch<br />

die 2<strong>01</strong>3 im Schnitt leicht gestiegenen<br />

Arbeitslosenzahlen<br />

nichts. Und glaubt man Frank-<br />

Jürgen Weise, dem Chef der<br />

Bundesagentur für Arbeit (BA),<br />

müssen wir uns auch <strong>2<strong>01</strong>4</strong> nicht<br />

sorgen. Für das Gesamtjahr<br />

rechnet der BA-Chef mit im<br />

Schnitt 2,9 Millionen Erwerbslosen<br />

– das wären immerhin<br />

50 000 weniger als 2<strong>01</strong>3.<br />

Wenn da nur nicht das Kleingedruckte<br />

in der Statistik wäre.<br />

Eine große Gruppe profitiert <strong>vom</strong><br />

Aufschwung leider kaum, und<br />

das sind die Langzeitarbeitslosen.<br />

Weise drückt das so aus:<br />

„Die Profile der Arbeitslosen<br />

passen oftmals nur unzureichend<br />

zur Arbeitskräftenachfrage.“<br />

Fakt ist: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen,<br />

die länger als zwölf<br />

Monate ohne Job sind, ist in den<br />

vergangenen vier Jahren nie unter<br />

die Millionengrenze gesunken.<br />

Im Dezember erhöhte sich<br />

die Zahl um vier Prozent gegenüber<br />

dem Vorjahresmonat. Der<br />

Anteil der Langzeitarbeitslosen<br />

an den Jobsuchenden insgesamt<br />

ist auf über 36 Prozent gestiegen,<br />

ein auch im EU-Vergleich indiskutabler<br />

Wert. Rund 400 000<br />

Menschen gelten wegen „multipler<br />

Vermittlungshindernisse“,<br />

wie es im Amtsjargon heißt, sogar<br />

als komplett unvermittelbar.<br />

Wenn sie neue Stellen besetzen,<br />

greifen viele Unternehmen mittlerweile<br />

lieber auf qualifizierte<br />

Zuwanderer und weibliche Wiedereinsteiger<br />

aus der sogenannten<br />

stillen Reserve zurück.<br />

Deshalb ist es zwar gut gemeint,<br />

wenn die neue Bundesarbeitsministerin<br />

Andrea Nahles<br />

(SPD) darüber nachdenkt, die<br />

Aus- und Weiterbildungsangebote<br />

für Langzeitarbeitslose zu<br />

erhöhen. Doch zugleich schickt<br />

sich die große Koalition an, auch<br />

noch die letzten Jobchancen für<br />

Ungelernte und gering Qualifizierte<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />

zu zerdeppern. Sollte der<br />

vereinbarte gesetzliche Mindestlohn<br />

tatsächlich ohne eine<br />

Differenzierung nach Region,<br />

Alter und Qualifikation kommen<br />

(was nach dem Stand der Dinge<br />

zu befürchten ist), schafft die<br />

Politik endgültig ein Heer der<br />

Hoffnungslosen. Dann helfen<br />

auch keine Bewerbungs- und<br />

Bastelkurse bei einem der unzähligen<br />

staatlich alimentierten<br />

Weiterbildungsträger mehr.<br />

Gespaltener Markt<br />

Zahl derArbeitslosen und<br />

Langzeitarbeitslosen (in Mio.)<br />

3,4<br />

3,2<br />

3,0<br />

2,8<br />

.<br />

1,2<br />

1,0<br />

2<strong>01</strong>0 2<strong>01</strong>1<br />

Arbeitslose<br />

insgesamt*<br />

*saisonbereinigte Zahlen;<br />

** länger als zwölf Monate<br />

ohne Job; Quelle: BA<br />

Langzeitarbeitslose**<br />

2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3<br />

NACHGEFRAGT Dimitris Tsitsiragos<br />

»75 Millionen Jobs nötig«<br />

Der Weltbankexperte sieht Wohlstand als Triebfeder<br />

der Demokratie an und unterstützt deswegen private<br />

Unternehmen – gerade auch in autoritären Staaten.<br />

DER FIRMENKÜMMERER<br />

Tsitsiragos, 50, ist Vizepräsident<br />

bei der Weltbank und zuständig<br />

für die Förderung privaten Unternehmertums.<br />

Der Grieche arbeitet<br />

<strong>vom</strong> türkischen Istanbul aus.<br />

Herr Tsitsiragos, Sie fördern im<br />

Auftrag der Weltbank privates<br />

Unternehmertum in Europa,<br />

Zentralasien, dem Mittleren<br />

Osten und Afrika. Lässt sich<br />

dadurch in autoritären Staaten<br />

der Demokratisierungsprozess<br />

beschleunigen?<br />

Ja – über Umwege. Uns geht es<br />

zunächst darum, den Wohlstand<br />

in ökonomisch zurückliegenden<br />

Ländern zu steigern.<br />

Die Erfahrung zeigt:Verbessert<br />

sich die soziale und wirtschaftliche<br />

Lage der Mittelschicht,<br />

wächst dort auch der Wunsch,<br />

bei politischen Entscheidungen<br />

einbezogen zu werden. Der<br />

Schlüssel für mehr Wohlstand<br />

als Vorstufe der Demokratie<br />

sind Jobs – und über 90 Prozent<br />

der Stellen weltweit stellen private<br />

Arbeitgeber zur Verfügung.<br />

Daher setzt unsere Förderung<br />

bei Privatunternehmen an.<br />

Welche Rolle spielt der arabische<br />

Frühling?<br />

Der Erfolg der Freiheitsbewegung<br />

in Ländern wie Ägypten<br />

hängt davon ab, ob die hohe Arbeitslosigkeit<br />

insbesondere bei<br />

Jugendlichen bekämpft werden<br />

kann. Im Mittleren Osten und<br />

Nordafrika sind nach Schätzung<br />

der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

bis zu 75 Millionen<br />

neue Jobs nötig, um die<br />

Arbeitslosigkeit auf ein erträgliches<br />

Maß zu senken.<br />

Wo müssen Sie besonders aktiv<br />

werden?<br />

Armut grassiert besonders in<br />

Afrika, Südamerika oder südasiatischen<br />

Ländern wie Indien,<br />

Pakistan oder Bangladesch. Ziel<br />

ist, die Infrastruktur zu entwickeln,<br />

wobei es nicht nur um<br />

Transportwege geht. Auch ein<br />

Finanzsektor muss aufgebaut<br />

werden, der die Wirtschaft am<br />

Laufen hält. In Kenia etwa haben<br />

nur wenige Menschen Zugang<br />

zum Bankensektor. Sie<br />

nutzen daher die lokale Mobilfunkgesellschaft<br />

als Bank und<br />

überweisen Geld per Handy.<br />

Welche neuen Projekte haben<br />

Sie in Vorbereitung?<br />

Ein Beispiel ist die Förderung<br />

von Kleinunternehmen im Internet-Handel.<br />

Der E-Commerce<br />

ist eine Schlüsselbranche, weil er<br />

zum Ausbau der Logistik und<br />

damit der Infrastruktur beiträgt.<br />

Und mit welchen deutschen<br />

Unternehmen arbeitet die<br />

Weltbank zusammen?<br />

Viele Unternehmen erhalten<br />

Geld für Auslandsprojekte, die<br />

das wirtschaftliche Niveau in<br />

den Zielmärkten heben. Unsere<br />

Kredite an deutsche Unternehmen<br />

erreichen ein Volumen von<br />

1,3 Milliarden Euro. So haben<br />

wir den Aufbau eines VW-Werks<br />

im indischen Pune unterstützt<br />

oder das Engagement von Bayer<br />

in der Ukraine. Ebenso internationale<br />

Bauprojekte von HeidelbergCement<br />

und Fraport. Deutsche<br />

Banken haben sich zudem<br />

mit 1,2 Milliarden Euro an von<br />

der Weltbank herausgegebenen<br />

Kreditpaketen beteiligt.<br />

mark.fehr@wiwo.de | Frankfurt<br />

FOTOS: FRANK SCHEMMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, PR<br />

36 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


DEUTSCHE KONJUNKTUR<br />

Die Wirtschaft bleibt<br />

auf Kurs<br />

Schon lange nicht mehr hat ein<br />

neues Jahr konjunkturell mit einer<br />

solchen Flut guter Nachrichten<br />

begonnen. In der vergangenen<br />

Woche meldete das<br />

Bundeswirtschaftsministerium,<br />

dass die Auftragseingänge<br />

der Industrie im November<br />

überraschend deutlich um 2,1<br />

Prozent gegenüber dem Vormonat<br />

gestiegen sind. Während<br />

inländische Kunden 1,9 Prozent<br />

mehr Güter und Dienstleistungen<br />

orderten, kletterten<br />

die Bestellungen aus dem Ausland<br />

sogar um 2,2 Prozent. Die<br />

Exporte stiegen nach einem<br />

eher schwachen Gesamtjahr im<br />

November wieder an; für <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

rechnet der Außenhandelsverband<br />

BGA mit einem starken<br />

Plus von drei Prozent auf den<br />

neuen Rekordstand von 1,142<br />

Billionen Euro. Der <strong>vom</strong><br />

Londoner Forschungsinstitut<br />

Markit vorgelegte Einkaufsmanagerindex<br />

für die deutsche<br />

Industrie legte ebenfalls weiter<br />

zu – im Dezember um 1,6 auf<br />

54,3 Punkte. Der Indikator liegt<br />

nun deutlich über der 50-Punkte-Marke,<br />

ab der gemeinhin<br />

Wachstum einsetzt.<br />

Ungeachtet der weiter schwelenden<br />

Euro-Krise bleiben die<br />

ökonomischen Perspektiven<br />

auch für die kommenden<br />

Monate positiv: Der Earlybird-<br />

Frühindikator, den die Commerzbank<br />

exklusiv für die WirtschaftsWoche<br />

ermittelt, hat im<br />

Dezember sein im Vormonat erreichtes<br />

Allzeithoch von 2,56<br />

Zählern nahezu gehalten (siehe<br />

Grafik). Das Barometer hat<br />

einen Vorlauf gegenüber der<br />

Realwirtschaft von sechs bis<br />

neun Monaten. Der Indikator<br />

erfasst den Außenwert des<br />

Euro, die kurzfristigen Realzinsen<br />

sowie (als Messgröße für<br />

Rekordwert gehalten<br />

die Lage der Weltwirtschaft)<br />

den Einkaufsmanagerindex für<br />

die US-Industrie.<br />

Allerdings: Damit die aktuelle<br />

Erholung nachhaltig ist, müssen<br />

endlich auch die Investitionen<br />

der Unternehmen anspringen.<br />

Sonst könnten die guten<br />

Nachrichten schnell wieder abbrechen.<br />

bert.losse@wiwo.de<br />

Bruttoinlandsprodukt undEarlybird-Konjunkturbarometer<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

0<br />

–1,0<br />

–2,0<br />

–3,0<br />

Bruttoinlandsprodukt 1 Earlybird 2<br />

–4,0<br />

2008 2009 2<strong>01</strong>0 2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3<br />

1<br />

zum Vorquartal (in Prozent); 2 gewichtete Summe aus kurzfristigem realem Zins, effektivem<br />

realem Außenwertdes Euro und US-Einkaufsmanagerindex; Quelle: Commerzbank<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

0<br />

–1,0<br />

–2,0<br />

–3,0<br />

–4,0<br />

Inflation legt<br />

leicht zu<br />

Die Inflationsrate in Deutschland<br />

ist im Dezember den dritten<br />

Monat in Folge leicht gestiegen.<br />

Die Verbraucherpreise<br />

legten auf Jahressicht um 1,4<br />

Prozent zu – nach 1,3 Prozent<br />

im November und 1,2 Prozent<br />

im Oktober. Vor allem für Nahrungsmittel<br />

mussten die Bürger<br />

tiefer in die Tasche greifen (plus<br />

3,8 Prozent). Im Durchschnitt<br />

des Jahres 2<strong>01</strong>3 lag die Teuerungsrate<br />

nach vorläufigen Berechnungen<br />

des Statistischen<br />

Bundesamtes allerdings nur bei<br />

1,5 Prozent (2<strong>01</strong>2: 2,0 Prozent).<br />

Die weitgehend stabilen Preise<br />

kurbeln offenbar die Kauflust<br />

der Bürger an: Im November<br />

stieg der Umsatz im deutschen<br />

Einzelhandel um real 1,5 Prozent<br />

gegenüber dem Vormonat<br />

– das stärkste Plus binnen<br />

Monatsfrist seit Januar 2<strong>01</strong>3.<br />

Gegenüber dem Vorjahr nahmen<br />

die Händler 1,6 Prozent<br />

mehr ein.<br />

Volkswirtschaftliche<br />

Gesamtrechnung<br />

Real. Bruttoinlandsprodukt<br />

Privater Konsum<br />

Staatskonsum<br />

Ausrüstungsinvestitionen<br />

Bauinvestitionen<br />

Sonstige Anlagen<br />

Ausfuhren<br />

Einfuhren<br />

Arbeitsmarkt,<br />

Produktion und Preise<br />

Industrieproduktion 1<br />

Auftragseingänge 1<br />

Einzelhandelsumsatz 1<br />

Exporte 2<br />

ifo-Geschäftsklimaindex<br />

Einkaufsmanagerindex<br />

GfK-Konsumklimaindex<br />

Verbraucherpreise 3<br />

Erzeugerpreise 3<br />

Importpreise 3<br />

Arbeitslosenzahl 4<br />

Offene Stellen 4<br />

Beschäftigte 4, 5<br />

2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>2<br />

Durchschnitt<br />

3,3<br />

2,3<br />

1,0<br />

5,8<br />

7,8<br />

5,1<br />

8,0<br />

7,4<br />

2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>2<br />

Durchschnitt<br />

6,6<br />

7,5<br />

1,1<br />

11,5<br />

111,3<br />

54,8<br />

5,6<br />

2,1<br />

5,6<br />

8,0<br />

2974<br />

466<br />

28460<br />

0,7<br />

0,8<br />

1,0<br />

–4,0<br />

–1,4<br />

3,4<br />

3,2<br />

1,4<br />

–0,9<br />

–4,2<br />

0,2<br />

3,4<br />

105,0<br />

46,7<br />

5,9<br />

2,0<br />

2,0<br />

2,1<br />

2897<br />

478<br />

29004<br />

III/12 IV/12 I/<strong>13</strong> II/<strong>13</strong> III/<strong>13</strong><br />

Veränderung zum Vorquartal in Prozent<br />

0,2<br />

0,3<br />

0,6<br />

–0,7<br />

0,5<br />

1,4<br />

0,5<br />

0,1<br />

Sept.<br />

2<strong>01</strong>3<br />

–0,7<br />

3,1<br />

–0,1<br />

1,6<br />

107,7<br />

51,1<br />

7,0<br />

1,4<br />

–0,5<br />

–2,8<br />

2970<br />

429<br />

29427<br />

1 Volumen, produzierendes Gewerbe, Veränderung zum Vormonat in Prozent; 2 nominal, Veränderung zum Vormonat in<br />

Prozent; 3 Veränderung zum Vorjahr in Prozent; 4 in Tausend, saisonbereinigt; 5 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte;<br />

alle Angaben bis auf Vorjahresvergleiche saisonbereinigt; Quelle: Thomson Reuters<br />

–0,5<br />

0,1<br />

0,1<br />

–0,3<br />

–1,0<br />

1,1<br />

–1,6<br />

–0,9<br />

Okt.<br />

2<strong>01</strong>3<br />

–1,3<br />

–2,1<br />

–0,8<br />

0,3<br />

107,4<br />

51,7<br />

7,1<br />

1,2<br />

–0,7<br />

–3,0<br />

2971<br />

432<br />

29464<br />

0,0<br />

0,3<br />

0,1<br />

–1,6<br />

–2,3<br />

–0,9<br />

–1,0<br />

–0,6<br />

Nov.<br />

2<strong>01</strong>3<br />

1,9<br />

2,1<br />

1,5<br />

0,3<br />

109,3<br />

52,7<br />

7,1<br />

1,3<br />

–0,8<br />

–2,9<br />

2980<br />

436<br />

–<br />

0,7<br />

0,6<br />

–0,2<br />

1,2<br />

1,9<br />

1,5<br />

2,4<br />

1,9<br />

Dez.<br />

2<strong>01</strong>3<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

109,5<br />

54,3<br />

7,4<br />

1,4<br />

–<br />

–<br />

2965<br />

443<br />

–<br />

0,3<br />

0,1<br />

0,5<br />

0,5<br />

2,4<br />

1,5<br />

0,1<br />

0,8<br />

Jan.<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

7,6<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

Letztes Quartal<br />

zum Vorjahr<br />

in Prozent<br />

1,1<br />

1,5<br />

0,4<br />

1,0<br />

2,2<br />

3,3<br />

0,7<br />

1,9<br />

Letzter Monat<br />

zum Vorjahr<br />

in Prozent<br />

0,1<br />

3,7<br />

1,6<br />

1,0<br />

6,8<br />

18,0<br />

33,3<br />

–<br />

–<br />

–<br />

1,1<br />

–1,8<br />

1,2<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 37<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Der Volkswirt<br />

ROHSTOFFE<br />

Zittrige Hände<br />

Die Volatilität und die Preise am Rohstoffmarkt sind<br />

2<strong>01</strong>3 gesunken. Bei manchen Rohstoffen könnte sich<br />

das in diesem Jahr wieder ändern.<br />

Für eine bestimmte Anlegergruppe<br />

war 2<strong>01</strong>3 ein<br />

fürchterliches Jahr –<br />

nämlich für all jene, die analog<br />

zum Feuerwerk an den Börsen<br />

auf generell steigende Rohstoffpreise<br />

gesetzt hatten. Während<br />

sich der Ölpreis überwiegend<br />

seitwärts bewegte, verbilligten<br />

sich Industriemetalle – vor allem<br />

wegen der Konjunkturprobleme<br />

vieler Schwellenländer –<br />

um rund zehn Prozent. Am härtesten<br />

traf es die Edelmetalle:<br />

Bei Gold und Silber brachen die<br />

Notierungen um rund 30 Prozent<br />

ein. Viele Goldinvestoren<br />

hätten „zittrige Hände“ bekommen<br />

und insgesamt 870 Tonnen<br />

auf den Markt geworfen,<br />

berichtet Eugen<br />

Weinberg, Chef-Rohstoffanalyst<br />

der Commerzbank.<br />

Es gibt jedoch noch<br />

einen anderen Befund:<br />

Trotz der sinkenden<br />

Preise ist die<br />

Volatilität am früher<br />

so hektischen Rohstoffmarkt<br />

spürbar<br />

gesunken. Spekulanten<br />

ziehen sich zunehmend<br />

zurück, erratische<br />

Ausschläge<br />

nach oben und unten<br />

sind heute weit seltener<br />

als noch vor zwei Jahren.<br />

Das zeigt der Rohstoffradar,<br />

den die Commerzbank dreimal<br />

jährlich exklusiv für die WirtschaftsWoche<br />

ermittelt. Der Indikator<br />

gibt Aufschluss darüber,<br />

Energie<br />

wie heftig die Notierungen nach<br />

oben und unten schwanken<br />

und die Kalkulation der Unternehmen<br />

erschweren.<br />

Die größten Schwankungen<br />

gab es in den vergangenen<br />

zwölf Monaten demnach bei<br />

Erdöl<br />

(Brent)<br />

Diesel<br />

Zucker<br />

Weizen<br />

Gasöl<br />

Raps<br />

Kohle<br />

Landwirtschaftsprodukte<br />

Mais<br />

Volatilitäten im Zeitraum<br />

<strong>vom</strong> 1.1.2<strong>01</strong>3 bis 27.12.2<strong>01</strong>3<br />

Strom<br />

Kakao<br />

Baumwolle<br />

Flugbenzin<br />

Emissionsrechte<br />

15,7<br />

16,4<br />

16,3<br />

17,1<br />

17,4<br />

18,8<br />

48,8<br />

22,5<br />

19,1<br />

Vergleichswerte<br />

in<br />

%<br />

100<br />

88,5<br />

50<br />

30<br />

0<br />

10<br />

23,4 18,2 20<br />

21,7<br />

Palladium<br />

Palladium und Silber (siehe<br />

Grafik). Der Silberpreis, der in<br />

der Regel alle Kapriolen des<br />

Goldpreises nachvollzieht, pendelte<br />

um durchschnittlich 32,6<br />

Prozent um seinen Mittelwert.<br />

Bei Palladium, das vor allem die<br />

Automobilindustrie nachfragt,<br />

waren es 24,8 Prozent. Danach<br />

folgen Mais (23,4 Prozent) und<br />

Weizen (22,5 Prozent).<br />

Wie sich der Markt beruhigt<br />

hat, zeigt der Vergleich mit Januar<br />

2<strong>01</strong>1. Damals lag die Volatilität<br />

bei <strong>13</strong> Rohstoffarten über<br />

30 Prozent. Aktuell ist dies nur<br />

noch bei Silber der Fall.<br />

EDELMETALLE ZIEHEN AN<br />

Und wie wird <strong>2<strong>01</strong>4</strong>? „Die Preise<br />

für Edelmetalle dürften dank<br />

der starken physischen Nachfrage<br />

aus Asien wieder deutlich<br />

anziehen“, prognostiziert Analyst<br />

Weinberg. Der Goldpreis etwa<br />

werde von aktuell rund 1220<br />

Dollar je Feinunze bis zum<br />

Jahresende auf knapp 1400 Dollar<br />

steigen. Bei den Industriemetallen<br />

sei „ein Anstieg knapp<br />

unter zehn Prozent zu erwarten“.<br />

Grund ist das von Ökonomen<br />

erwartete stärkere Wachstum<br />

in Schwellenländern wie<br />

China und Brasilien, wo die<br />

Wirtschaft spätestens ab der<br />

3032,6<br />

50<br />

100<br />

Euro-/<br />

Dollar-<br />

Kurs<br />

Silber<br />

Zinsen<br />

20<br />

18,4<br />

7,3 16,0<br />

19,8<br />

10<br />

19,1<br />

20,1<br />

24,8<br />

Platin<br />

17,7<br />

21,8<br />

19,2<br />

21,2<br />

22,0<br />

Eisenfeinerz<br />

Edelmetalle<br />

Quelle:<br />

Commerzbank<br />

Gold<br />

Blei<br />

Aluminium<br />

n Der Rohstoffradar misst die Volatilität ausgewählter Preise<br />

und ist damit ein wichtiger Indikator für Unternehmen und Anleger.<br />

Er stellt die durchschnittliche prozentuale Abweichung <strong>vom</strong> Mittelwert<br />

der vergangenen zwölf Monate grafisch dar. Hohe Schwankungsbreiten<br />

signalisieren steigende Preis- und Planungsrisiken. Der Rohstoffradar<br />

erscheint dreimal jährlich exklusiv in der WirtschaftsWoche.<br />

Zinn<br />

Kupfer<br />

Nickel<br />

Zink<br />

Meist im Minus<br />

Preisentwicklung ausgewählter<br />

Rohstoffe in den vergangenen<br />

zwölf Monaten (in Prozent)<br />

zweiten Jahreshälfte wieder den<br />

Turbo einschalten soll. Dies<br />

würde die Nachfrage nach Rohstoffen<br />

wie Kupfer treiben.<br />

Mehr oder weniger stabil<br />

dürfte hingegen der Ölpreis<br />

bleiben. Hier bewegen sich die<br />

Notierungen seit gut drei Jahren<br />

in einem vergleichsweise engen<br />

Korridor von 100 bis 120 Dollar.<br />

Dies sei „sehr ungewöhnlich“,<br />

konstatiert<br />

Weinberg. Und <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

dürfte sich daran kaum<br />

etwas ändern: In der<br />

vergangenen Woche<br />

veröffentlichte die US-<br />

Energiebehörde EIA<br />

eine neue Prognose,<br />

nach der sich die globale<br />

Ölnachfrage <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

zwar um 1,2 Millionen<br />

Barrel pro Tag erhöht,<br />

gleichzeitig aber das Angebot<br />

außerhalb der<br />

Opec um 1,9 Millionen<br />

Barrel steigt (und den Nachfrageanstieg<br />

preislich neutralisiert).<br />

Die Hälfte des zusätzlichen<br />

Angebots kommt aus den<br />

USA. Preisdämpfend wirkt zudem,<br />

dass die geopolitischen<br />

Risiken etwas gesunken sind.<br />

Nicht zuletzt die Aussicht, dass<br />

der Iran unter seiner neuen<br />

Führung mittelfristig als großer<br />

Player an den Ölmarkt zurückkehren<br />

könnte (siehe Seite 30),<br />

setzt den Ölpreis unter Druck.<br />

Industriemetalle<br />

–35<br />

–38<br />

–26<br />

–20<br />

Baumwolle<br />

–14<br />

Palladium<br />

–9<br />

–4<br />

–5<br />

*Brent;Quelle:Commerzbank;<br />

Stand 8.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

Erdöl*<br />

Benzin<br />

Kupfer<br />

Aluminium<br />

Weizen<br />

Gold<br />

Silber<br />

Mais<br />

10<br />

<strong>13</strong><br />

bert.losse@wiwo.de<br />

38 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


NACHGEFRAGT Michael Bordo<br />

»Kein gutes Ende«<br />

Der US-Wirtschaftshistoriker warnt vor Preisblasen am Aktienmarkt und empfiehlt den Notenbanken,<br />

zu einer regelgebundenen Geldpolitik zurückzukehren.<br />

FOTO: PR<br />

Professor Bordo, die Aussichten<br />

für die Weltwirtschaft<br />

hellen sich auf. Wie nachhaltig<br />

ist der Aufschwung?<br />

Die Gefahr ist groß, dass wir auf<br />

einen neuen Boom-Bust-Zyklus<br />

zusteuern. Die lockere Geldpolitik<br />

der Zentralbanken hat die<br />

Basis für neue Blasen an den<br />

Vermögensmärkten gelegt.<br />

Diesmal dürften es allerdings<br />

nicht die Häusermärkte, sondern<br />

die Aktienmärkte sein, die<br />

uns Probleme bereiten. Eine<br />

Korrektur scheint mir unausweichlich.<br />

Dann droht uns also bald die<br />

nächste schwere Krise?<br />

Nicht unbedingt. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass Kurseinbrüche an<br />

den Aktienmärkten meist weniger<br />

schädliche Folgen für die<br />

Realwirtschaft haben als Einbrüche<br />

am Immobilienmarkt.<br />

Was macht Sie so sicher, dass<br />

wir nicht auf eine neue Hauspreisblase<br />

zusteuern? Immerhin<br />

steigen die Immobilienpreise<br />

in den USA, der Schweiz,<br />

Deutschland und Großbritannien<br />

schon wieder sehr kräftig.<br />

In den USA war der Preissturz<br />

der vergangenen Jahre so stark,<br />

dass die aktuelle Erholung eher<br />

als eine Korrektur denn als der<br />

Beginn einer neuen Blase zu<br />

werten ist. In Deutschland sind<br />

die Häuserpreise in Relation zu<br />

den Pro-Kopf-Einkommen noch<br />

immer vergleichsweise niedrig.<br />

Die Preise dürften daher noch<br />

Spielraum nach oben haben.<br />

Dagegen könnte Großbritannien<br />

vor einer neuen Preisblase<br />

stehen, zumal das Land eine gewisse<br />

Tradition in der Entwicklung<br />

von Boom-Bust-Zyklen hat.<br />

Am Markt für Staatsanleihen<br />

haben die Notenbanken ebenfalls<br />

eine Blase erzeugt...<br />

...aus der die Luft bald entweichen<br />

wird. Ich rechne damit,<br />

dass die Kurse im Trend<br />

weiter sinken und die Renditen<br />

steigen. Allerdings: Ein Bust,<br />

bei dem die Kurse ebenso stark<br />

sinken, wie sie zuvor gestiegen<br />

sind, ist unwahrscheinlich. Die<br />

Luft wird eher in kontrollierten<br />

Dosen aus der Blase weichen.<br />

Seit das Papiergeld Anfang der<br />

Siebzigerjahre seine Bindung<br />

an Gold verloren hat, reiht<br />

sich eine Finanzkrise an die<br />

nächste. Ist das Fiat-Geldsystem<br />

ein Krisengenerator?<br />

Die Krisen der vergangenen<br />

Jahrzehnte wie die Asien- und<br />

Mexiko-Krise haben mehrere<br />

Ursachen. Zum einen haben<br />

die Notenbanken zu viel Geld<br />

in Umlauf gebracht, nachdem<br />

das Papiergeld seinen Goldanker<br />

verloren hat. Ein Teil der<br />

Liquidität trieb die Güterpreise<br />

in die Höhe, ein anderer Teil<br />

strömte in die Finanzmärkte.<br />

Dazu kam, dass die Industrieund<br />

Schwellenländer im Zuge<br />

der Globalisierung ihre Kapitalmärkte<br />

liberalisiert haben.<br />

Dadurch konnte das Geld leichter<br />

zwischen ihnen hin und<br />

her fließen. Plötzliche Kapitalabflüsse<br />

haben dann die<br />

Schwellenländer in schwere<br />

Krisen gestürzt.<br />

Sollten wir unser Geld nicht<br />

besser wieder an einen Anker<br />

wie Gold binden, um uns vor<br />

Finanzkrisen zu schützen?<br />

»Man kann<br />

keine Geldpolitik<br />

ohne Geld<br />

betreiben«<br />

DER GELDHISTORIKER<br />

Bordo, 72, ist Professor an der<br />

Rutgers-Universität im US-Bundesstaat<br />

New York und zählt zu<br />

den weltweit führenden Experten<br />

für Geld- und Wirtschaftsgeschichte.<br />

Bordo promovierte an<br />

der Uni in Chicago, wo er Schüler<br />

des Nobelpreisträgers Milton<br />

Friedman war.<br />

Ich halte es für zielführender,<br />

beim Papiergeldstandard zu<br />

bleiben und zu einer regelgebundenen<br />

Geldpolitik zurückzukehren,<br />

wie sie in den Achtziger-<br />

und Neunzigerjahren<br />

betrieben wurde. Dass die Wirtschaft<br />

bei niedriger Inflation<br />

kräftig wuchs, war vor allem das<br />

Ergebnis einer stabilitätsorientierten<br />

und verlässlichen Geldpolitik,<br />

wie sie die großen<br />

Notenbanken, darunter die<br />

Deutsche Bundesbank,<br />

betrieben. Seit Beginn dieses<br />

Jahrtausends haben sich die<br />

Notenbanken jedoch von geldpolitischen<br />

Regeln verabschiedet.<br />

Zur Krisenbekämpfung<br />

stellten sie sich zunehmend in<br />

den Dienst ihrer Regierungen.<br />

Das hat sie Vertrauen und<br />

Glaubwürdigkeit gekostet.<br />

Die geldpolitischen Regeln der<br />

Achtzigerjahre fokussierten auf<br />

die Steuerung von Geldmengen.<br />

Heute wollen die Zentralbanken<br />

von Geldmengen nichts<br />

mehr wissen...<br />

...was ein Riesenfehler ist. Man<br />

kann doch keine Geldpolitik<br />

ohne Geld betreiben! Durch Finanzinnovationen<br />

ist es zwar<br />

schwierig geworden, konkrete<br />

Geldmengenziele zu verfolgen.<br />

Auch die Bundesbank hat ihre<br />

Geldmengenziele in der Vergangenheit<br />

häufig verfehlt.<br />

Aber sie hat die Geldmenge nie<br />

ganz aus den Augen verloren.<br />

Das erklärte ihre Erfolge bei der<br />

Inflationsbekämpfung. Geldmengen<br />

enthalten wichtige<br />

Informationen über die langfristigen<br />

Inflationsgefahren,<br />

gerade auch mit Blick auf die<br />

Vermögenspreise.<br />

Wäre es nicht besser, künftig<br />

stärker auf die Kredit- als auf<br />

die Geldmenge zu schauen?<br />

Wie viel Kredite die Banken<br />

vergeben, hängt nicht zuletzt<br />

von der Kreditnachfrage ab.<br />

Diese können die Zentralbanken<br />

nicht direkt steuern.<br />

Entsprechende Versuche in den<br />

Vierziger- und Fünfzigerjahren<br />

sind grandios gescheitert. Nun<br />

drohen wir die Fehler von damals<br />

zu wiederholen. Indem<br />

wir die Notenbanken mit der<br />

Aufsicht über die Banken und<br />

die Kreditvergabe beauftragen,<br />

lenken wir sie von ihrer eigentlichen<br />

Aufgabe ab, den Geldwert<br />

durch die Kontrolle der Geldmenge<br />

stabil zu halten. Das<br />

kann kein gutes Ende nehmen.<br />

malte.fischer@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 39<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Der Volkswirt<br />

DENKFABRIK | Die hohen Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz sind keineswegs<br />

die Folge der milliardenschweren Rettungsaktionen für EU-Krisenstaaten und der<br />

damit verbundenen Kapitalabflüsse. Viel entscheidender ist die hausgemachte Investitionsschwäche<br />

im Inland. Eine Replik auf Hans-Werner Sinn. Von Marcel Fratzscher<br />

Deutschland ist kein Opfer!<br />

Ist Deutschland ein Opfer<br />

der europäischen Krisenpolitik<br />

und der Rettungsmaßnahmen<br />

der Europäischen<br />

Zentralbank (EZB)? ifo-<br />

Präsident Hans-Werner Sinn<br />

hat in einem Beitrag für die<br />

WirtschaftsWoche die These<br />

vertreten, unsere Exportüberschüsse<br />

seien „das Spiegelbild<br />

der milliardenschweren<br />

Rettungsmaßnahmen für<br />

die Krisenländer, zu denen<br />

Deutschland gedrängt wurde“.<br />

Deutschland tilge „die Schulden<br />

Südeuropas mit seinen<br />

Autos“. Diese Behauptungen<br />

stellen die Fakten auf den Kopf;<br />

die Realität ist eine andere.<br />

NICHT GUT GENUG<br />

Die deutschen Überschüsse sind<br />

nicht das Resultat von erzwungenen<br />

Kapitalflüssen nach Südeuropa<br />

während der Krise. Auch<br />

sind sie nicht ursächlich für die<br />

schwachen Investitionen in<br />

Deutschland seit Ende der<br />

Neunzigerjahre. Wie auch Hans-<br />

Werner Sinn betont, bewerteten<br />

deutsche Unternehmen, Banken<br />

und andere Finanzdienstleister<br />

damals die Investitionsbedingungen<br />

in Deutschland als nicht<br />

gut genug. Dabei überschätzten<br />

sie jedoch die Bedingungen im<br />

Ausland und machten weltweit<br />

massive Verluste von mehr als<br />

400 Milliarden Euro.<br />

Deutsche Investoren<br />

sind demnach<br />

Opfer ihrer eigenen<br />

Entscheidungen<br />

und Fehleinschätzungen<br />

geworden,<br />

für die sie nun die<br />

Verantwortung tragen<br />

müssen.<br />

Es ist irreführend,<br />

die Leistungsbilanz<br />

online<br />

Den Beitrag von ifo-<br />

Chef Hans-Werner<br />

Sinn, auf den sich<br />

Marcel Fratzscher<br />

bezieht, können Sie<br />

unter wiwo.de/exporte<br />

abrufen<br />

kausal zu interpretieren, also bestimmte<br />

Positionen in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang<br />

zu<br />

stellen. Sinn schreibt richtigerweise,<br />

dass ein Land nur per saldo<br />

Forderungen gegenüber dem Ausland<br />

haben kann, wenn es auch in<br />

entsprechendem Umfang Waren<br />

geliefert hat. Aber das ist nur eine<br />

buchhalterische Identität und lässt<br />

keinen Schluss darüber zu, welche<br />

Gründe dies verursacht haben!<br />

So haben die Rettungsmaßnahmen<br />

für Krisenländer nicht zum<br />

deutschen Leistungsbilanzüberschuss<br />

geführt. Die erhöhte Liquiditätsvergabe<br />

der EZB an Banken<br />

in den Krisenländern spiegelt sich<br />

»Deutsche<br />

Investoren<br />

müssen für Fehlentscheidungen<br />

Verantwortung<br />

tragen«<br />

in den sogenannten Targetforderungen<br />

der Bundesbank wider. Sie<br />

könnten dort jedoch genauso gut<br />

auftauchen, wenn Deutschland<br />

per saldo mehr importieren als exportieren<br />

würde. Die Liquidität<br />

wurde von Krisenländern eben<br />

nicht dafür genutzt,<br />

deutsche Autos zu<br />

kaufen, sondern in<br />

erster Linie, um die<br />

Kreditvergabe an Unternehmen<br />

und private<br />

Haushalte aufrechterhalten<br />

zu<br />

können – und damit<br />

einen wirtschaftlichen<br />

Kollaps zu verhindern.<br />

Dies zeigt sich auch in den<br />

Zahlen: Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse<br />

liegen bereits<br />

seit 2007, also vor Beginn der<br />

Krise, bei über sechs Prozent der<br />

Wirtschaftsleistung. Seit 2008<br />

fallen die Überschüsse gegenüber<br />

den Krisenländern und steigen<br />

gegenüber dem Rest der Welt.<br />

Hingegen sind die Targetforderungen<br />

der Bundesbank stark angestiegen.<br />

Das heißt, es besteht<br />

sogar eine negative Korrelation<br />

zwischen den Rettungsmaßnahmen<br />

und den deutschen Überschüssen.<br />

Hans-Werner Sinn stellt zur<br />

Debatte, man könne die Rettungskredite<br />

reduzieren und stattdessen<br />

Investitionen in Deutschland<br />

erhöhen. Wie oben ausgeführt, besteht<br />

keine Kausalität zwischen<br />

Rettungskrediten und Exportüberschüssen.<br />

Darüber hinaus sollte<br />

man sich auch die dramatischen<br />

Konsequenzen einer solchen Maßnahme<br />

bewusst machen. Sie würde<br />

die Kreditklemme in den Krisenländern<br />

deutlich verschärfen,<br />

Unternehmen die Chance nehmen,<br />

zu investieren und Arbeitsplätze<br />

zu schaffen, und Unternehmen<br />

und private Haushalte in die<br />

Insolvenz treiben. Das Resultat<br />

wäre eine Depression – nicht nur<br />

in Südeuropa, sondern auch in<br />

Deutschland.<br />

Das alternative Szenario ist für<br />

alle ungleich vorteilhafter. Die<br />

erhöhte Liquiditäts- und Kreditvergabe<br />

an die Krisenländer ermöglicht<br />

es, dass dort die Unternehmen<br />

weiter investieren und<br />

die Regierungen notwendige<br />

Strukturreformen durchführen.<br />

So verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit,<br />

und es entsteht<br />

Wachstum – was wiederum die<br />

Exporte dieser Länder erhöhen<br />

und mittelfristig helfen könnte,<br />

Deutschlands Überschüsse zu<br />

reduzieren. Sicher, dieser Weg<br />

ist lang und steinig. Aber wir sehen<br />

bereits erste Erfolge der Krisenpolitik:<br />

Länder wie Spanien<br />

erzielen wieder Exportüberschüsse,<br />

die Handelsungleichgewichte<br />

zwischen Deutschland<br />

und Spanien sind deutlich geringer<br />

geworden.<br />

FAKTISCH FALSCH<br />

Kurzum, unsere Exportüberschüsse<br />

sind das Resultat sowohl<br />

Deutschlands hoher globaler<br />

Wettbewerbsfähigkeit als<br />

auch einer hausgemachten Investitionsschwäche.<br />

Diese Überschüsse<br />

sind nicht durch Rettungsmaßnahmen<br />

für die<br />

europäischen Krisenländer oder<br />

durch Targetungleichgewichte<br />

entstanden. Deutschland ist somit<br />

nicht das Opfer der Krisenpolitik<br />

– und wir sollten der Versuchung<br />

widerstehen, uns selbst<br />

auf diese Opferrolle festzulegen.<br />

Dies wäre nicht nur faktisch<br />

falsch, sondern würde weiter<br />

Ressentiments gegen Europa<br />

schüren. Und die helfen weder<br />

Deutschland noch Europa.<br />

Marcel Fratzscher, 42, ist seit<br />

Februar 2<strong>01</strong>3 Präsident des<br />

Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

in Berlin.<br />

FOTOS: PR, DDP IMAGES, MARTIN OESER<br />

40 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

Pioniere, Rosinenpicker<br />

und Enfants terribles<br />

INTERNET | Kaum erwachsen, wird das Web bald jede noch so kleine Nische des<br />

persönlichen und wirtschaftlichen Lebens erobern: die wichtigsten Trends bis 2020<br />

und die neuesten Player, die den etablierten Unternehmen nach dem Geschäft trachten.<br />

Er war gerade 22, pausbäckig, mit<br />

vollem dunkelblondem Haar,<br />

liebte Shorts, T-Shirts und Sandalen<br />

und hatte sein Informatikstudium<br />

frisch beendet. Die<br />

Idee, die er von dort mitbrachte, sollte<br />

dem Internet endgültig zum Durchbruch<br />

verhelfen: ein sogenannter Browser, der es<br />

Computerbesitzern ermöglichte, im seinerzeit<br />

noch rudimentären Netz komfortabel<br />

zu surfen und Web-Sites aufzurufen.<br />

Die Erfindung stempelte ihn und seine<br />

Firma Netscape zum Pionier des World<br />

Wide Web.<br />

Das war vor 20 Jahren. Lange Haare hat<br />

Marc Andreessen heute längst keine mehr.<br />

Und in der IT-Hochburg Silicon Valley im<br />

US-Bundesstaat Kalifornien gilt der 1,93<br />

Meter große Hüne, der auch Facebook und<br />

Twitter mit hoch brachte, inzwischen als<br />

einer der einflussreichsten Wagniskapitalgeber<br />

und Ikone.<br />

Doch fertig mit dem Internet ist der heute<br />

42-Jährige allerdings noch lange nicht.<br />

„Wir stehen immer noch am Anfang“, sagt<br />

Andreessen und gerät ins Schwärmen. Jedermann<br />

werde künftig mit einer Art Supercomputer<br />

in der Jackentasche unterwegs<br />

jederzeit im Internet sein – und dies<br />

bis Ende dieses Jahrzehnts und überall auf<br />

der Welt.<br />

Wo dies hinführt und wer die neuen<br />

Player sind, die mithilfe des Internets die<br />

Wirtschaft über alle Branchen hinweg verändern<br />

und viele der heute etablierten Unternehmen<br />

künftig angreifen werden,<br />

schildert die WirtschaftsWoche anhand<br />

der fünf großen Trends, die sich im Online-<br />

Geschäft für die kommenden fünf Jahre<br />

abzeichnen.<br />

1. Das Internet revolutioniert<br />

die Werbung.<br />

Brian Wong ist dünn, schlaksig und wirkt<br />

trotz seiner 22 Jahre wie ein Teenager, der<br />

gerade der Pubertät entwachsen ist.<br />

Doch sobald der gebürtige Kanadier die<br />

Bühne betritt und über sein Lieblingsthema,<br />

die Zukunft der Werbung, doziert, begeistert<br />

er alle Anwesenden mit Charisma,<br />

Witz und Schlagfertigkeit. „Brian ist nicht<br />

Die Treiber der Trends<br />

Wieso das Internet in neue<br />

Dimensionen vorstößt.<br />

PREISWERTE CHIPS<br />

Die Kosten für Speicherplatz fallen.<br />

Gleichzeitig können Daten durch leistungsstärkere<br />

Prozessoren schneller<br />

abgerufen und verarbeitet werden.<br />

STARKE MOBILNETZE<br />

Die drahtlose Datenübertragung wird<br />

weltweit so aufgerüstet, dass sie nicht<br />

nur schneller, sondern auch besser in<br />

Gebäuden funktioniert.<br />

GÜNSTIGE SENSOREN<br />

Fühltechnik jeder Art wird so preiswert,<br />

dass sich immer mehr Daten von<br />

Gegenständen, Apparaten und Geräten<br />

über das Web verbreiten lassen.<br />

STÄNDIGE ORTUNG<br />

Die Möglichkeit zur Lokalisierung von<br />

Kunden via Smartphone und soziale<br />

Netzwerke erlaubt Firmen die direkte<br />

Ansprache über das Internet.<br />

nur einer der jüngsten, sondern auch einer<br />

der ambitioniertesten Gründer des Silicon<br />

Valley“, sagt High-Tech-Konferenzveranstalter<br />

und Autor Tony Perkins, bekannt als<br />

Schöpfer des Begriffs der „Internet-Blase“.<br />

Wong übersprang mehrere Schulklassen<br />

und schaffte mit 18 Jahren den Uni-Abschluss<br />

in Politik und Marketing in seiner<br />

Heimatstadt Vancouver. Dann ging er ins<br />

Silicon Valley, wo er nach einer Station<br />

beim Startup Digg mit 19 Jahren als einer<br />

der jüngsten Unternehmer des Tals Risikokapital<br />

für ein eigenes Unternehmen einwarb.<br />

Seit drei Jahren führt er den Anzeigendienstleister<br />

Kiip, für den er bislang 15<br />

Millionen Dollar Investorengelder erhielt.<br />

Kiip platziert bereits für Konzerne wie<br />

Amazon, Pepsi, Procter & Gamble und<br />

Walt Disney Werbung in Smartphone-<br />

Spielen. Allerdings schaltet das Unternehmen<br />

keine ordinäre Online-Bannerwerbung,<br />

sondern Gutscheine, die je nach<br />

Fortschritt in den Spielen erst nach und<br />

nach freigeschaltet werden. Das können<br />

fünf Dollar Rabatt bei Amazon sein oder<br />

ein Coupon für eine Gratisbrause. „Ich bin<br />

überzeugt, dass wir Kunden für ihre Aufmerksamkeit<br />

entlohnen müssen“, sagt<br />

Wong. Ihn stört generell, dass Werbung so<br />

einen schlechten Ruf hat. „Wenn wir hinnehmen,<br />

dass unsere Dienstleistung als<br />

lästiges Übel empfunden wird, haben wir<br />

als Branche ein Problem.“<br />

Wongs Unternehmen gilt als eines der<br />

heißesten Startups im Silicon Valley, vor<br />

allem weil Werbung auf Mobilgeräten im<br />

Vergleich etwa zum stationären Internet<br />

und anderen Anzeigenträgern am stärksten<br />

wächst. Das Unternehmen will zudem<br />

helfen, die Wirksamkeit von Werbung<br />

»<br />

FOTO: MELLY LEE – HTTP://MELLYLEE.COM<br />

42 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


1Trend<br />

BRIAN WONG<br />

Kiip<br />

Der 22-jährige gebürtige Kanadier ist einer der<br />

jüngsten Internet-Unternehmer des Silicon<br />

Valley. Sein Startup Kiip klinkt Gutscheine in<br />

Reklame auf Smartphones. Damit will Wong<br />

die Werbung im Internet revolutionieren.<br />

Die Idee sorgt für den Unternehmenswert von<br />

100 Millionen Dollar<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 43<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

besser alles bisher nachzuweisen. Das<br />

soll gelingen, indem sich die Nutzer nach<br />

der Lektüre einer Online-Annonce notgedrungen<br />

zu erkennen geben müssen, um<br />

einen der Rabattgutscheine zu erhalten.<br />

Das Modell mit Gutscheinen im Internet<br />

gilt als bewährt, spätestens seit das<br />

Schnäppchen-Portal Groupon im November<br />

2<strong>01</strong>1 an die Börse ging. Dass der Weg<br />

der Werbung im Internet in diese Richtung<br />

gehen könnte, zeigt sich auch daran, dass<br />

im Sommer ein prominenter Finanzier bei<br />

Kiip eingestiegen ist: die Kreditkartengesellschaft<br />

American Express.<br />

2. Das Internet wird zur<br />

gewaltigen Datensammelmaschine,<br />

die völlig neue<br />

IT-Dienstleistungen ermöglicht.<br />

Getönte Fenster, grüne Markisen, weiß verkleidete<br />

Fassaden, schräg gegenüber die<br />

Bahnstation und zwei Minuten entfernt die<br />

Eliteuni Stanford – das Gebäude ist so unscheinbar<br />

wie seine Adresse renommiert.<br />

Hier, in der University Avenue, der Flaniermeile<br />

der kalifornischen Stadt Palo Alto,<br />

war bis 2004 das Hauptquartier des sozialen<br />

Netzwerks Facebook, das quasi aus<br />

dem Nichts zu einem der wertvollsten Unternehmen<br />

der Internet-Branche aufstieg.<br />

Heute beherbergt die ehrwürdige Stätte<br />

im Silicon Valley wieder einen Senkrechtstarter,<br />

geheimnisumwittert, streng von der<br />

Außenwelt abgeschirmt, mit Namen Palantir.<br />

So heißen auch die magischen Steine<br />

aus der Fabelwelt des britischen Schriftstellers<br />

John Ronald Reuel Tolkien („Der Herr<br />

der Ringe”), die ihre Besitzer unter anderem<br />

in die Lage versetzen, Gefahren zu erkennen<br />

oder zumindest einzuschätzen.<br />

Das Startup und seine neue IT-Dienstleistung<br />

versetzen Geldgeber so in Ekstase,<br />

dass sie den Unternehmenswert bei der<br />

jüngsten Finanzierungsrunde auf einen<br />

Wert von bis zu neun Milliarden Dollar<br />

hochgejazzt haben. Palantir steht für jene<br />

Internet-Firmen der nächsten Generation,<br />

die Software herstellen, um große Mengen<br />

an Daten aus dem Internet aufzubereiten,<br />

zu verknüpfen und zu visualisieren. Die<br />

Dienste des Unternehmens nutzen US-Behörden<br />

bereits zur Terrorbekämpfung, die<br />

US-Armee und die Polizei, aber auch Banken<br />

wie JP Morgan, Bank of America, Citibank<br />

und der Ölmulti Shell.<br />

Und wieder hat die Internet-Spürnase<br />

Peter Thiel die Hand im Spiel. Der deutschstämmige<br />

Milliardär finanzierte vor zehn<br />

Jahren Facebook, das von auf seine weltweit<br />

gut eine Milliarde Nutzer zugeschnittener<br />

Werbung lebt. Dabei bekam Thiel bereits<br />

eine Ahnung, welche Wachstumschancen<br />

Programme haben, die all die gewaltigen<br />

Datenschätze aus dem Web ausbeuten<br />

können. Erste Erfahrungen sammelte<br />

er als Chef des Online-Bezahldienstes<br />

PayPal. Die heutige Tochter des Internet-Händlers<br />

Ebay steckte pro Jahr Millionen<br />

in die Früherkennung betrügerischer<br />

Transaktionen.<br />

Der erste Förderer von Palantir war der<br />

US-Geheimdienst CIA, dessen Risikokapitalfonds<br />

Geld in das Unternehmen steckte.<br />

Das hat Palantir-Chef und Mitbegründer<br />

Alex Karp, der unter anderem an der Universität<br />

Frankfurt Philosophie studierte,<br />

2<strong>01</strong>3 etliche Male in die Bredouille gebracht.<br />

Erzkonkurrent IBM forcierte Anhörungen<br />

des US-Parlaments zu den Vermarktungsmethoden<br />

von Palantir bei der<br />

US-Army. Auch die Enthüllungen von Edward<br />

Snowden über die Praktiken des US-<br />

Geheimdienstes NSA brachten Palantir<br />

ungewollt in die Schlagzeilen. Denn eins<br />

der Datenmanagement-Programme des<br />

Unternehmens heißt Prism, genau wie das<br />

berüchtigte Spähprogramm der NSA.<br />

„Wir haben damit nichts zu tun“, sagt<br />

Karp. Trotzdem gilt die Nähe zu Sicherheitsbehörden,<br />

früher der Stolz von Palantir,<br />

mittlerweile im Silicon Valley als ambivalent.<br />

Denn die Spähprogramme der US-<br />

Regierung bauen nicht nur auf abgehörte<br />

Telefonate, sondern auch auf Bewegungsprofile<br />

der Smartphone-Nutzer, Mails und<br />

weitere Informationen aus dem Internet.<br />

Facebook, Google und andere IT-Größen<br />

wie Microsoft und Amazon befürchten<br />

deshalb geschäftlichen Schaden und gesetzliche<br />

Auflagen bei der Auswertung von<br />

Informationen, besonders in Europa.<br />

Fest steht: Mit dem Boom der Smartphones<br />

und sozialer Netzwerke wabert ein<br />

explodierender Schatz an Informationen<br />

durch das Web. Die großen Profite kommen<br />

aber erst noch. Thiels Studienfreund<br />

Karp hat den Palantir-Umsatz seit Gründung<br />

jedes Jahr ausgebaut und wird <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

wohl die halbe Milliarde Dollar knacken.<br />

Thiel und seine Mitinvestoren hoffen<br />

nun, dass viele Unternehmen mithilfe von<br />

Computerprogrammen Kunden durchleuchten,<br />

Markttrends frühzeitig aufspüren<br />

sowie Gefahren in der Lieferkette finden<br />

wollen – wie Procter & Gamble. Alan Lafley,<br />

der Chef des US-Konsumgüterkonzerns,<br />

investierte Hunderte Millionen Dollar<br />

in die Analyse von Daten aus dem Internet,<br />

um etwa über die Bedürfnisse der<br />

Kunden Marktnischen zu erkennen.<br />

3. Die totale Mobilmachung<br />

macht das Internet zum allgegenwärtigen<br />

Problemlöser und<br />

persönlichen Assistenten.<br />

Der Vorstandsvorsitz bei Microsoft ist einer<br />

der herausragenden Jobs der Welt. Trotzdem<br />

hat Steve Mollenkopf die historische<br />

Chance, Nachfolger von Steve Ballmer zu<br />

werden, gerade ausgeschlagen. Stattdessen<br />

steigt der 44-jährige Elektroingenieur<br />

im März zum Chef des US-Halbleiterkonzerns<br />

Qualcomm auf, wo er seit 20 Jahren<br />

wirkt, zuletzt als Operativchef.<br />

Doch der neue Posten ist nicht weniger<br />

prestigeträchtig und einflussreich. Denn<br />

Qualcomm gilt als das neue Intel. Der Börsenwert<br />

ist nur noch wenige Milliarden<br />

Dollar von dem Halbleitergiganten aus<br />

dem Silicon Valley entfernt. Wie kaum ein<br />

anderes Unternehmen, Apple und Samsung<br />

ausgenommen, profitiert der Konzern<br />

aus San Diego <strong>vom</strong> allgegenwärtigen<br />

Web aus dem Äther, das jedermann stets<br />

zur Verfügung steht. Mit High Tech für die<br />

drahtlose elektronische Rundumversorgung<br />

der Web-Gemeinde nahm Qualcomm<br />

im vorigen Geschäftsjahr 25 Milliarden<br />

Dollar ein, bei 6,8 Milliarden Profit.<br />

Möglich werden solche Geschäfte durch<br />

die totale Mobilmachung des Internets mithilfe<br />

von Geräten wie Smartphones und<br />

Tablets – dem wohl wichtigsten Megatrend<br />

im Netz bis 2020. In fast allen dieser und<br />

anderer Gadgets stecken Mobilfunkprozessoren<br />

von Qualcomm. Während der Absatz<br />

im traditionellem PC-Geschäft im vergangenen<br />

Jahr laut dem Beratungsunternehmen<br />

IDC um zehn Prozent einbrach, legten<br />

Smartphones um 40 Prozent zu.<br />

Was die Mobilmachung des Internets<br />

künftig bewirkt, deuten die heutigen Beispiele<br />

allenfalls an. Datenbrillen, Kontaktlinsen<br />

oder Smartwatches zeigen Informationen<br />

im Gesichtsfeld ihres Trägers oder<br />

auf dem Handgelenk. Fitness-Messgeräte<br />

oder mit dem Internet verbundene Waagen<br />

visualisieren jede sportliche Betätigung<br />

ihres Besitzers und den gewünschten<br />

Gewichtsverlust. Ein neuartiges Thermometer<br />

des Silicon-Valley-Startups Scanadu<br />

misst per Schläfendruck nicht nur die Körpertemperatur,<br />

sondern auch Puls sowie<br />

den Sauerstoffgehalt des Blutes und dokumentiert<br />

alles automatisch mit Datumund<br />

Zeitstempel.<br />

Die Idee stammt <strong>vom</strong> dem belgischen<br />

Internet-Unternehmer Walter de Brouwer,<br />

der für ihre Verwirklichung extra ins Silicon<br />

Valley übersiedelte. Auslöser war sein damals<br />

sechsjähriger Sohn Nelson, der vor<br />

»<br />

44 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


2Trend<br />

ALEX KARP<br />

Palantir<br />

Der 45-jährige Amerikaner entwickelt<br />

Software, um Informationen aus Internet und<br />

Datenbanken auszuwerten. Behörden und<br />

Unternehmen nutzen dies, um Gefahren einzuschätzen.<br />

Damit begibt sich Palantir in<br />

Geschäfte, die theoretisch auch für Anbieter<br />

wie SAP oder Oracle infrage kommen.<br />

Jüngster Unternehmenswert<br />

9 Mrd. Dollar<br />

FOTOS: ERIC MILLETTE; CORBIS/KIM KULISH; BLOOMBERG/GETTY IMAGES/DAVID PAUL MORRIS<br />

3Trend<br />

WALTER DE BROUWER<br />

Scanadu<br />

Der ehemalige belgische Medienunternehmer<br />

entwickelte ein internetfähiges Diagnosegerät<br />

für Fieber, Puls und Blut – und grätscht damit<br />

in das Geschäft von Konzernen wie Philips.<br />

Der Unternehmenswert liegt bereits bei<br />

200 Mio. Dollar<br />

4Trend<br />

TONY FADELL<br />

Nest Labs<br />

Der 44-jährige Miterfinder<br />

des iPod bringt die Wohnung<br />

ins Web. Sein per<br />

Smartphone steuerbarer,<br />

lernender Thermostat ist<br />

in den USA ein Bestseller<br />

und könnte etablierten<br />

Anbietern wie Bosch in die<br />

Quere kommen.<br />

Sein Startup Nest Labs hat<br />

den Unternehmenswert<br />

2 Mrd. Dollar<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 45<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

neun Jahren beim Spielen gestürzt war,<br />

sich schwere Kopfverletzungen zugezogen<br />

und wochenlang im Koma gelegen hatte.<br />

Die einzigen Lebenszeichen für seine Eltern<br />

bestanden aus Kurven auf den Überwachungsmonitoren,<br />

deren Verlauf für<br />

Laien schwer zu interpretieren waren.<br />

De Brouwer entwickelte daraus die Idee<br />

eines simplen, persönlichen Messgerätes<br />

für jedermann. Für die Produktion sammelte<br />

er auf der Finanzierungsplattform<br />

Indiegogo die Rekordsumme von 1,7 Millionen<br />

Dollar an Wagniskapital ein. Im<br />

Frühjahr sollen die ersten Exemplare des<br />

200 Dollar teuren Geräts zunächst an die<br />

Frühbesteller ausgeliefert werden und<br />

dann in die Massenproduktion gehen. Dafür<br />

bekam de Brouwer von Investoren gerade<br />

weitere 10,5 Millionen Dollar.<br />

Die totale Datenmobilisierung wird die<br />

Internet-Industrie zwingen, sich neu auszurichten.<br />

Branchenführer Intel etwa will<br />

sich nicht auf die Verliererstraße abdrängen<br />

lassen. Der neue Vorstandchef Brian<br />

Krzanich treibt die Entwicklung winziger,<br />

superbilliger und stromsparender Mikroprozesssoren<br />

namens Quark voran, die<br />

künftig in allen möglichen Dingen stecken<br />

könnten, bis hin zur internetfähigen Zahnbürste.<br />

„Wir werden eine neue Woge von<br />

mobilen Geräten sehen, die wir uns heute<br />

noch gar nicht richtig vorstellen können“,<br />

prognostiziert Internet-Expertin Mary<br />

Meeker, Partnerin beim Silicon-Valley-<br />

Wagnisfinanzierer Kleiner Perkins.<br />

4. Das Internet verbindet<br />

künftig nicht nur Menschen,<br />

sondern auch Dinge.<br />

Was kann jemand noch erreichen, der mit<br />

dem verstorbenen Apple-Gründer Steve<br />

Jobs den Kultklassiker iPod aus der Taufe<br />

gehoben hat, eines der erfolgreichsten Unterhaltungselektronikgeräte<br />

aller Zeiten?<br />

Tony Fadell ist mit 44 Jahren viel zu jung,<br />

um seine Hände in den Schoß zu legen.<br />

Der Ingenieur und Designer hat nicht nur<br />

viele Ideen, die Technik im iPod bedienungsfreundlich<br />

zu machen. Er hat im Mai<br />

2<strong>01</strong>0, eineinhalb Jahre nach dem Weggang<br />

bei Apple, ein Unternehmen namens Nest<br />

Labs gegründet – natürlich zünftig in einer<br />

Garage in Palo Alto, mit seinem Ex-Apple-<br />

Kollegen Matt Rogers als Mitstreiter.<br />

Fadell will mit Nest Labs das Internet der<br />

Dinge aufbauen helfen, in dem Gegenstände<br />

und Geräte wie Menschen, Unternehmen<br />

und Organisationen eine Internet-<br />

Adresse haben und miteinander kommunizieren<br />

können. Seine bisher bekannteste<br />

Erfindung ist ein selbstlernender Thermostat,<br />

der sich an die Temperatur-Vorlieben<br />

seiner Besitzer anpasst. Statt einer Armada<br />

von Knöpfen hat das Gerät von Nest Labs<br />

lediglich einen Ring, mit dem sich die Temperatur<br />

über ein Display regeln lässt. Das<br />

Design wirkt wie von Apple, und auch der<br />

Preis von 250 Dollar für die neueste Generation<br />

erinnert an Fadells ehemaligen Arbeitgeber.<br />

In den USA ist das Gerät ein<br />

Bestseller, genau wie ein jüngst vorgestellter<br />

Rauchmelder von Nest Labs.<br />

Schon wird das Startup mit zwei Milliarden<br />

Dollar bewertet. Der amerikanische<br />

Heimautomatisierungsgigant Honeywell<br />

ist von Fadells Erfolg schon so beunruhigt,<br />

dass er Klage wegen angeblicher Verletzung<br />

von Patenten eingereicht hat.<br />

Nest Labs ist nicht die einzige Firma, die<br />

die Wohnung ins Internet tragen will. Auch<br />

in Deutschland arbeiten Startups daran.<br />

Tado in München etwa bietet eine Box, die<br />

den Heizungsthermostat via Smartphone<br />

steuert. Sie merkt, wenn der letzte Bewohner<br />

das Haus verlassen hat, und regelt<br />

dann automatisch die Temperatur herunter.<br />

Das Gerät gibt es seit vergangenem November<br />

und kostet einmalig 299 Euro oder<br />

99 Euro im Jahr Miete. „Seitdem haben wir<br />

gut 10 000 Boxen verkauft”, sagt Tado-Chef<br />

Christian Deilmann, der drei deutsche<br />

Geldgeber im Rücken hat.<br />

Aus der Ferne ansteuerbare Lampen,<br />

Steckdosen und Heizungen sind Vorläufer<br />

des Internets der Dinge, die das Web in eine<br />

neue Qualität katapultieren werden.<br />

Künftig wird jeder Gegenstand via Sensoren<br />

und Mikrochip mit dem Internet verknüpft<br />

sein, um Daten auszuwerten und<br />

das Gerät zu steuern: ob Auto, Waschmaschine,<br />

Verkehrsampel oder Maschinenpark.<br />

Das Internet der Dinge gilt als der<br />

große Jungbrunnen für die High-Tech-Industrie<br />

in den nächsten 20 Jahren.<br />

„Es ist die nächste große Wachstumsphase<br />

des Web“, schwärmt John Chambers,<br />

Chef des Telekommunikationsausrüsters<br />

Cisco. Das Beratungsunternehmen IDC<br />

schätzt, dass im Jahr 2020 rund neun Billionen<br />

Dollar weltweit umgesetzt werden, die<br />

mit dem Internet der Dinge verknüpft sind.<br />

Vor allem Unternehmen außerhalb der<br />

klassischen IT- und Internet-Branche positionieren<br />

sich neu, um nicht von ungeahnten<br />

Konkurrenten überrascht zu werden.<br />

Neben IBM, Honeywell und Siemens hat<br />

sich besonders General Electric in Stellung<br />

gebracht, dessen Chef Jeffrey Immelt das<br />

Wort <strong>vom</strong> „industriellen Internet“ zu etablieren<br />

versucht. Der Lenker des Industriegiganten<br />

(Kraftwerke, Aufzüge, Medizintechnik)<br />

hat dazu extra ein Labor im Silicon<br />

Valley eingerichtet und heuert Softwareentwickler<br />

aus dem High-Tech-Tal an.<br />

Was dabei herauskommt, ist offen. Denn<br />

die Gefahr ist groß, dass Cyberkriminelle<br />

oder Terroristen bei total miteinander verknüpften<br />

Anlagen es noch leichter haben<br />

könnten, Infrastruktur wie beispielsweise<br />

Stromnetze lahmzulegen. Marco Annunziata,<br />

Chefökonom von General Electric,<br />

sieht das pragmatisch. Das Potenzial, alles<br />

via Internet messbar zu machen, sei viel zu<br />

hoch, um es nicht voranzutreiben. Gleiches<br />

gelte für den Anreiz, dafür Sicherheitslösungen<br />

zu entwickeln.<br />

5. Das Internet wird zum<br />

Jahrmarkt für alles und jeden.<br />

San Francisco, Flughafen. Ein Fingertipp<br />

auf das Smartphone, warten, bis der Standort<br />

überprüft ist, dann per Fingertipp die<br />

Bestellung bestätigen – schon klingelt das<br />

Handy. „Ich bin in sechs Minuten vor Ort“,<br />

sagt eine Stimme, die sich als Fahrer mit<br />

Namen Khos Od ausgibt. Nach nur vier Minuten<br />

trifft eine schwarze Limousine ein,<br />

Od öffnet die Türen, hilft, den Koffer einzuladen,<br />

und bittet um Eile.<br />

Der Mann möchte so schnell wie möglich<br />

los, weil sein Arbeitgeber bei Taxifahrern<br />

verhasst ist. Denn sein Chef, der Silicon-Valley-Unternehmer<br />

Travis Kalanick<br />

und sein Startup mit der gleichnamigen<br />

App Uber, gelten als „Taxi-Killer“ (siehe Interview<br />

Seite 48). Wer mit Uber irgendwo<br />

hin will, bucht bequem über das<br />

Smartphone eine Limousine. Am Ziel gibt<br />

es kein Gefeilsche um Trinkgeld, plötzliche<br />

Zusatzkosten pro Gepäckstück und auch<br />

kein Gejammer, weil der Fahrgast mit Kreditkarte<br />

zahlen will. Die Abwicklung übernimmt<br />

Uber automatisch via Kreditkarte,<br />

sofort nach Fahrtende kommt per E-Mail<br />

die Quittung, verbunden mit der Bitte, den<br />

Fahrer zu bewerten. Wer den Service weiterempfiehlt,<br />

bekommt zehn Dollar für die<br />

nächste Fahrt gutgeschrieben.<br />

Mit solchem Service hat Studienabbrecher<br />

Kalanick ein kleines, global operierendes<br />

Imperium geschaffen. Seine Flotte<br />

besteht aus selbstständigen Fahrern, die<br />

für die Vermittlung der Fahrten rund 20<br />

Prozent des Preises an Uber zahlen.<br />

Uber ist mittlerweile in 67 Städten präsent,<br />

darunter auch in Berlin und München.<br />

In der jüngsten Finanzierungsrunde<br />

hat Kalanick 258 Millionen Dollar eingesammelt.<br />

Größter Investor ist der Internet-<br />

Konzern Google, dessen Chef Larry Page<br />

46 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTO: DDP IMAGES/SIPA USA/WINNI WINTERMEYER<br />

5Trend<br />

SEBASTIAN THRUN<br />

Udacity<br />

Der 46-jährige ehemalige Stanford-Professor<br />

aus Deutschland<br />

will das Studium via Internet<br />

revolutionieren. Seine Online-<br />

Kurse, die gleichwertig zum<br />

regulären Studium sind und in<br />

Kooperationen mit renommierten<br />

Hochschulen laufen, attackieren<br />

langfristig teure Universtäten.<br />

Der Unternehmenswert ist rund<br />

250 Mio. Dollar<br />

nach einem Treffen mit Kalanick seine Risikokapitalmanager<br />

höchstpersönlich anwies,<br />

in Uber zu investieren. Auch Amazon-Gründer<br />

Jeff Bezos ist beteiligt.<br />

Nun werden seit Jahrzehnten Fahrdienste<br />

vermittelt. Doch was Page und<br />

Bezos so begeistert, ist Kalanicks Plan, aus<br />

dem Limousinenservice einen globalen<br />

Beförderungsriesen zu formen, der möglichst<br />

auch weitere Dienstleistungen rund<br />

um den Transport anbietet. Hat ein Kunde<br />

erst einmal seine Kreditkarte bei Uber hinterlegt,<br />

so das Kalkül des 37-Jährigen, ist er<br />

auch für andere Dienstleistungen offen,<br />

zum Beispiel für das Anliefern von Essen<br />

oder Waren.<br />

Damit wird das Internet in den kommenden<br />

Jahren eine florierende neue Dienstleistungswirtschaft<br />

hervorbringen mit Online-<br />

Marktplätzen für alle möglichen Angebote,<br />

deren Betreiber dafür Gebühren kassieren.<br />

Datenspeicher, wie Amazon und Microsoft<br />

sie offerieren, Fahrdienste wie Lyft oder<br />

SideCar, neuartige Privatautoverleiher wie<br />

Relay Rides oder Getaround, Modeverleiher<br />

wie Rent the Runway oder Parkflächenvermieter<br />

wie Parking Panda: Die Liste ließe<br />

sich lange fortsetzen. Der Zimmervermittler<br />

AirBnB aus San Francisco brachte es 2<strong>01</strong>3<br />

angeblich auf 250 Millionen Dollar Einnahmen<br />

und will <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wohl an die Börse.<br />

Die Internetisierung macht vor so gut<br />

wie nichts halt, auch nicht vor der Vermittlung<br />

von Wissen, wie das Startup Udacity<br />

zeigt. Das Unternehmen aus Mountain<br />

View wird <strong>vom</strong> gebürtigen Deutschen und<br />

Ex-Stanford-Professor Sebastian Thrun geführt,<br />

einer der Miterfinder des selbstfahrenden<br />

Autos von Google. Udacity bietet<br />

Online-Kurse an, mit denen sich Lernwillige<br />

am Computer fortbilden können. Das ist<br />

an sich nichts Neues. Doch Thrun geht einen<br />

Schritt weiter, weil sich herausgestellt<br />

hat, dass die Vermittlung von Wissen über<br />

das Internet in traditionelle Bildungseinrichtungen<br />

eingebunden werden muss.<br />

Thrun will in Kooperation mit Hochschulen<br />

seine Kurse so gestalten, dass sie<br />

offiziell anerkannt einem Studium gleichgestellt<br />

sind. In diesem Jahr will er gemeinsam<br />

mit dem angesehenen Georgia Institute<br />

of Technology einen Online-Abschluss<br />

im Fach Informatik anbieten, der statt der<br />

üblichen bis zu 42 000 Dollar nur 6600 Dollar<br />

kosten soll. Sponsor ist die Telefongesellschaft<br />

AT&T, die Probleme hat, genügend<br />

Fachkräfte zu finden.<br />

Und wie oft, wenn Newcomer langjährige<br />

Pfründen gefährden, stoßen sie auf erbitterten<br />

Widerstand. Uber-Chef Kalanick<br />

und sein AirBnB-Kollege Brian Chesky beschäftigen<br />

eine ganze Armada von Anwälten,<br />

um Strafgelder beziehungsweise Klagen<br />

von Taxiinnungen, Flughafenbetreibern,<br />

Hotels und Kommunen abzuwehren.<br />

Doch die Masche der Enfants terribles,<br />

per Internet alles zur handelbaren Ware zu<br />

machen und sich die Rosinen herauszupicken,<br />

lässt sich nicht stoppen. Findige Unternehmer<br />

finden immer wieder neue<br />

Marktlücken. Rujul Zaparde, Chef des US-<br />

Startups Flightcar, bietet etwa einen Parkund<br />

Mietservice für Vielflieger an den Flughäfen<br />

von Los Angeles, San Francisco und<br />

Boston an. Flightcar nimmt Privatwagen<br />

am Flughafen in Empfang, wäscht sie und<br />

vermietet sie an ankommende Reisende.<br />

Damit hat Zaparde als Erster die vollen<br />

Kosten des bisherigen Parkens kalkuliert<br />

und aus den versteckten Reserven ein Geschäft<br />

kreiert: Mit seinem Angebot spart<br />

der Autobesitzer nicht nur die Parkgebühren,<br />

sondern verdient angeblich bis zu 30<br />

Dollar pro Tag, indem er sein herumstehendes<br />

Fahrzeug verleiht.<br />

n<br />

matthias.hohensee@wiwo.de<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 48 »<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 47<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

INTERVIEW Travis Kalanick<br />

»Ohne Portemonnaie«<br />

Der Gründer des Online-Fahrdienstes Uber will mit schönen Autos,<br />

flexiblen Preisen und Bezahlkomfort das Taxi-Gewerbe ausbremsen.<br />

Mister Kalanick, mit Ihrer App sollen<br />

Kunden in jeder Stadt der Welt Limousinen<br />

mit Chauffeur bestellen können.<br />

Wann erreichen Sie dieses Ziel?<br />

Im Moment kommen etwa fünf bis sechs<br />

Städte im Monat dazu – in allen Teilen der<br />

Welt. Das ist für uns nicht sehr kapitalintensiv.<br />

Wir besitzen keine eigenen Autos,<br />

und die Fahrer sind nicht bei uns angestellt.<br />

In 24 Ländern sind wir bereits aktiv.<br />

In vielen Städten haben Sie Ärger.<br />

Warum?<br />

In Paris beispielsweise gibt es eine Gesetzesinitiative,<br />

nach der der Fahrgast 15<br />

Minuten warten soll, bevor er in eines<br />

unserer Autos steigen darf. Das heißt,<br />

wenn er einen Wagen bestellt und der<br />

nach fünf Minuten da ist, muss er minutenlang<br />

das Auto anstarren. Die Regierung<br />

versucht so, die Taxiindustrie zu<br />

schützen.<br />

In Deutschland sind Sie erst in Berlin<br />

und München vertreten. Wie wollen Sie<br />

hier expandieren?<br />

Wir nutzen Sportevents, Kulturveranstaltungen,<br />

Restaurants und Nachtclubs, um<br />

das Produkt vorzustellen. Viele Berliner<br />

nutzen heute Taxis. Nun stellen Sie sich<br />

Travis Kalanick<br />

Uber<br />

Mit seiner Limousinen-App hat der 37-<br />

jährige Studienabbrecher aus Los Angeles<br />

eine halbe Million Kunden in 67 Städten<br />

weltweit gewonnen, darunter auch in Berlin<br />

und München. Inzwischen macht er rund<br />

100 Millionen Dollar Umsatz im Monat.<br />

Seine Wagen mit Chauffeur sind kaum<br />

teurer als ein Taxi.<br />

Heute liegt der Unternehmenswert bei gut<br />

3,5 Milliarden Dollar<br />

vor, das Auto wäre schön. Das klingt doch<br />

wie ein gutes Angebot.<br />

Deutsche Taxis sind nicht schön?<br />

Sie sind unkomfortabel. Hinzu kommt das<br />

Temperament des Taxifahrers. Er ist nicht<br />

grundsätzlich immer der Allerfreulichste.<br />

Übernachten Deutsche manchmal in guten<br />

Hotels? Ja. Warum sollen sie sich also nicht<br />

auch mal eine schöne Autofahrt gönnen?<br />

Trotzdem ordern die meisten Deutschen<br />

eher ein Taxi als einen Limousinenservice.<br />

Aktuell haben wir in Berlin nur ein Produkt;<br />

das ist sehr hochwertig und funktioniert nur<br />

einigermaßen. Wir wollen deshalb dort<br />

ein billigeres Produkt anbieten. Wir<br />

reduzieren die Klasse der Autos. Statt des<br />

Mercedes-Top-Modells S-Klasse gibt es<br />

dann einen E-Klasse- oder nur einen<br />

C-Klasse-Mercedes. Die Fahrer und<br />

Eigentümer der Limousinen sind ja<br />

unsere Partner. Wenn wir in eine Stadt gehen,<br />

versuchen wir mit ihnen gemeinsam,<br />

den idealen Preis für den Markt zu finden.<br />

Die Hamburger Taxi-App mytaxi ähnelt<br />

Ihrem Geschäftsmodell, nur dass sie<br />

Taxis statt Limousinen vermittelt. Jetzt<br />

expandiert mytaxi in die USA. Stört Sie<br />

der neue Konkurrent?<br />

Das Problem mit Taxis ist, sie haben einen<br />

fixen Preis und eine fixe Zahl an Autos.<br />

Wenn man dringend ein Taxi braucht,<br />

bekommt man meist keines. Uber hat<br />

einen flexiblen Preis und eine flexible<br />

Fahrzeugzahl.<br />

In New York bieten Sie doch auch eine<br />

Taxi-App an.<br />

Ja, das Produkt funktioniert ganz okay,<br />

aber eben nicht sehr gut.<br />

Wollen Sie auch ins Carsharing<br />

einsteigen?<br />

Wir fokussieren uns auf Dienste, wo der<br />

Kunde gefahren wird. Alles andere ist<br />

nicht Uber.<br />

Daimler hat sich gerade am Berliner<br />

Startup Blacklane beteiligt, das auch<br />

eine Limousinen-App anbietet.<br />

In meinen Augen ist die Anziehungskraft<br />

zu klein.<br />

Sie haben kürzlich 258 Millionen Dollar<br />

Kapital eingesammelt, unter anderem<br />

auch von Google. Wofür?<br />

Neben dem finanziellen Engagement<br />

haben wir eine Partnerschaft mit Google<br />

und suchen Wege zusammenzuarbeiten.<br />

Planen Sie einen Börsengang?<br />

Ich kann nicht behaupten, dass wir<br />

solche Pläne gar nicht hätten. Aber wir<br />

haben keine konkreten.<br />

Sie kooperieren mit dem Online-Bezahldienst<br />

PayPal. Was steckt dahinter?<br />

Das ist besonders für Deutschland wichtig.<br />

Die Deutschen mögen keine Kreditkarten.<br />

PayPal ist eine Alternative, die<br />

die Möglichkeit bietet, mit dem Bankkonto<br />

zu bezahlen. Wir wollen, dass die<br />

Menschen bei uns ein nahtloses Zahlungserlebnis<br />

haben. Man steigt in ein<br />

Auto, fährt irgendwo hin, steigt aus.<br />

Dabei soll der Fahrgast nicht einmal sein<br />

Portemonnaie zücken müssen.<br />

n<br />

thomas.stoelzel@wiwo.de<br />

FOTO: REDUX/LAIF/JEFFERY A. SALTER<br />

48 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

Risiken und Nebenwirkungen<br />

BANKENGEHÄLTER | Neue Vorschriften haben vor allem zu mehr Bürokratie und rechtlicher<br />

Unsicherheit geführt. Ein Lehrstück über gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung.<br />

Jürgen Hambrecht hatte<br />

viel gesucht, aber wenig<br />

gefunden. Als Leiter einer<br />

von der Deutschen Bank eingerichteten<br />

Kommission sollte<br />

der Ex-BASF-Chef das System<br />

der Vergütung bei Deutschlands<br />

größtem Geldhaus überprüfen.<br />

Schließlich stand es –<br />

wie bei anderen Investmentbanken<br />

auch – im Verdacht,<br />

Angestellte zu gleichermaßen<br />

bonusträchtigen wie riskanten<br />

Geschäften zu verleiten. Zu Unrecht,<br />

wie Hambrecht im März<br />

2<strong>01</strong>3 bei der Vorstellung seiner<br />

Erkenntnisse erklärte: Das<br />

überarbeitete Vergütungsprogramm<br />

sei „vollständig regelkonform“,<br />

teilweise gehe es gar<br />

„über die regulatorischen Anforderungen<br />

hinaus“. Zwar gebe<br />

es hier und da noch etwas zu<br />

verbessern, aber insgesamt sei<br />

die Bank ein gelehriger Schüler:<br />

Sie habe eher zu viel als zu<br />

wenig geändert, um Fehlanreize<br />

auszuschließen.<br />

HARSCHE RÜFFEL<br />

Das kann man auch ganz anders<br />

sehen. Jedenfalls, wenn<br />

man Frauke Menke heißt und<br />

bei der Finanzaufsicht BaFin<br />

die Abteilung zur Kontrolle von<br />

Großbanken leitet. Vor einigen Wochen<br />

schickte die resolute Dame einen ihrer für<br />

ihren bissigen Ton gefürchteten Briefe in<br />

die Frankfurter Zwillingstürme. Das<br />

Schreiben, so heißt es, listete zahlreiche,<br />

zum Teil gravierende Mängel bei der Entlohnung<br />

auf. Der Aufsichtsrat, so Menkes<br />

Forderung, solle bitte dringend seiner<br />

Pflicht nachkommen und dafür sorgen,<br />

dass alles künftig so laufe, wie es sich die<br />

Behörde wünsche. Die Deutsche Bank<br />

wollte das nicht kommentieren.<br />

Ähnlich harsche Rüffel trudelten etwa<br />

zeitgleich bei einer ganzen Reihe von Instituten<br />

ein. Sie sind das Ergebnis einer Sonderprüfung,<br />

mit der die Aufseher im vergangenen<br />

Jahr nachhakten, inwieweit die<br />

Brandbriefe aus Bonn<br />

Bankenaufseherin<br />

Menke vermisst<br />

echte Reformen<br />

Banken ihre Gehaltsstrukturen an die<br />

überarbeiteten gesetzlichen Vorgaben angepasst<br />

haben. Das Ergebnis wird die<br />

BaFin an diesem Montag vorstellen. In Finanzkreisen<br />

ist allerdings bereits zu hören,<br />

dass es „schlecht“ bis „desolat“ ausgefallen<br />

»Viele Regeln sind<br />

eher auf angelsächsische<br />

Institute<br />

zugeschnitten«<br />

Olaf Siebeck, DZ Bank<br />

sei. Kaum eine Bank habe den<br />

Test ohne Beanstandungen gemeistert.<br />

Haben die Banker bewusst<br />

getrickst, um ihren Leuten weiter<br />

fette Boni zu sichern? Oder<br />

haben Aufseher und Regierung<br />

die Vorschriften so schludrig<br />

formuliert, dass sie kaum umsetzbar<br />

waren? Fünf Jahre nach<br />

der Finanzkrise ist die Regulierung<br />

der Gehälter eine Baustelle.<br />

Statt klarer Regeln gibt es ein<br />

immer komplexer werdendes<br />

System von Definitionen, Vermutungen<br />

und Ausnahmen.<br />

Daran zeigt sich, wie schwer<br />

sich ein auf den ersten Blick<br />

nicht allzu komplexes Thema<br />

regeln lässt, wie der Teufel im<br />

Detail steckt, ein gelöstes Problem<br />

neue nach sich zieht, sich<br />

deutsche und internationale<br />

Regeln oft nicht ergänzen, sondern<br />

überlappen und am Ende<br />

vor allem Bürokratie und neue<br />

Unklarheiten stehen.<br />

Davon profitieren spezialisierte<br />

Anwälte und Vergütungsberater<br />

wie Towers Watson und<br />

McLagan. Gemeinsam mit den<br />

aufgestockten Personalabteilungen<br />

mühen sie sich um eine<br />

wettbewerbsfähige und regelkonforme<br />

Praxis. „Bei den Unternehmen<br />

gibt es viel Unsicherheit, weil<br />

die aufsichtsrechtlichen Vorgaben oft nicht<br />

ausreichend klar sind“, sagt Werner Klein,<br />

Partner bei der Beratung Hostettler Kramarsch<br />

und Partner in Frankfurt.<br />

Und die Vorschriftenproduktionsmaschinerie<br />

steht nicht still: Mitte Dezember<br />

spuckte sie eine neue Version der deutschen<br />

Vergütungsverordnung aus, mit 29<br />

Paragrafen doppelt so lang wie ihre Vorgängerin<br />

von 2<strong>01</strong>0. „Die neue Version enthält<br />

vor allem Anpassungen und Detailregelungen,<br />

weniger grundlegende Neuerungen“,<br />

sagt Berater Klein.<br />

Die Änderungen haben es allerdings in<br />

sich. So wird der variable Anteil des Gehalts<br />

auf die Höhe des Fixgehalts begrenzt,<br />

FOTO: LAIF/CHRISTOPH PAPSCH<br />

50 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


nach einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss<br />

darf er doppelt so<br />

hoch liegen. Das ist eine Reaktion auf den<br />

bisher ausgebliebenen Wandel. So sind die<br />

Bankerboni zwar leicht gesunken. Das lag<br />

aber vor allem an den geschrumpften Gewinnen<br />

der Banken.<br />

Die neue Grenze trifft vor allem Spitzenverdiener<br />

unter den Investmentbankern.<br />

So zeigt eine Auswertung der europäischen<br />

Aufsicht EBA, dass 2<strong>01</strong>2 bei deutschen Investmentbankern<br />

mit mehr als einer Million<br />

Euro Verdienst rund drei Viertel als Bonus<br />

angefallen sind. Nur bei den wenigen<br />

Top-Verdienern im Privatkundengeschäft<br />

war das Verhältnis fast ausgeglichen.<br />

RÄTSELN UM RISK TAKER<br />

Die Deckelung des Bonus führt allerdings<br />

nicht dazu, dass die Gehälter stark sinken<br />

werden. „Die Banken haben schon reagiert,<br />

indem sie die Fixgehälter anheben“,<br />

sagt der Frankfurter Personalberater Andreas<br />

Halin. Das gilt zumindest für jene<br />

Stars, die glaubhaft machen können, dass<br />

sie sonst anderswo glücklich werden. Deren<br />

Gehälter dürften sich in der Zusammensetzung<br />

ändern, aber kaum absolut.<br />

Die „Eins-zu-eins-Regel“ gilt für alle Beschäftigten<br />

deutscher Banken. Berlin ist<br />

damit über die EU-Vorgaben hinausgegangen,<br />

die nur Banker berücksichtigen, die<br />

extrem viel verdienen oder besonders<br />

wichtige Jobs haben, die sogenannten Risk<br />

Taker. Klar, dass die Branchenverbände<br />

nun Wettbewerbsnachteile wittern.<br />

Tatsächlich führt der Sonderweg zu widersprüchlichen<br />

Ergebnissen, etwa bei in<br />

Deutschland ansässigen ausländischen Investmentbanken.<br />

Sind die rechtlich eine<br />

deutsche Bank mit eigener Lizenz, müssen<br />

sie die Boni sämtlicher Mitarbeiter begrenzen.<br />

Sind sie eine Niederlassung ohne eigene<br />

Banklizenz, gelten nur die EU-Regeln.<br />

Mit anderen Unklarheiten soll jetzt<br />

Schluss sein. Schwammig waren bisher die<br />

Regeln bei der Ermittlung der Risk Taker,<br />

für die seit 2<strong>01</strong>0 zusätzliche Regeln gelten.<br />

Wer dazuzählt, war bislang aber weitgehend<br />

den Banken selbst überlassen.<br />

Entsprechend zurückhaltend waren die<br />

bei der Identifizierung. So sank bei der<br />

Deutschen Bank die Zahl der Risk Taker<br />

2<strong>01</strong>2 sogar um rund 150 auf 1215, darunter<br />

rund 1100 Investmentbanker. Das ist gut<br />

ein Prozent der Gesamtbelegschaft. Nach<br />

EBA-Daten sind Hunderte Banker, die<br />

mehr als eine Million Euro im Jahr verdienen,<br />

nicht als Risk Taker eingestuft. Diese<br />

Zurückhaltung ist der Aufsicht ein Dorn im<br />

Auge und einer der Hauptgründe für ihre<br />

jüngste Bankenschelte.<br />

Die wichtigste Sondervorschrift für Risk<br />

Taker betrifft deren Bonus: Der größte Teil<br />

muss gestaffelt über Jahre einbehalten werden,<br />

an den Erfolg der Bank gekoppelt sein<br />

und teilweise verfallen, wenn das Verhalten<br />

des Bankers zu erheblichen Verlusten<br />

geführt hat. Das klingt einleuchtend, ist<br />

aber in der Praxis schwierig umzusetzen.<br />

„Viele europäische Regeln sind eher auf angelsächsische<br />

Institute zugeschnitten“, sagt<br />

sagt Olaf Siebeck, Leiter Grundsatzfragen<br />

in der Personalabteilung der genossenschaftlichen<br />

DZ Bank. „So müssen nicht<br />

börsennotierte Banken wie wir alternative<br />

Kennzahlen festlegen, um den nachhaltigen<br />

Unternehmenswert zu ermitteln.“<br />

Genauso schwer fällt es den Banken, zu<br />

erkennen, welchen Beitrag ein Einzelner<br />

zu einem Geschäft geleistet hat. Dafür sind<br />

schon die EDV-Systeme oft nicht ausgestattet.<br />

Und es bleiben inhaltliche Fragen: Was<br />

passiert etwa, wenn ein größerer Kredit<br />

ausfällt, dessen Bewilligung die Bankmitarbeiter<br />

aber gründlich geprüft hatten? Wie<br />

Wo die reichen Banker wohnen<br />

Zahl der Hochverdiener beiBanken<br />

nachEU-Land*<br />

Großbritannien<br />

Deutschland<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Spanien<br />

212<br />

100<br />

177<br />

117<br />

109<br />

47<br />

100<br />

37<br />

*mehrals eine Million Euro Jahresgehalt2<strong>01</strong>2;<br />

Quelle:EuropeanBankingAuthority<br />

2714<br />

2188<br />

Anzahl gesamt<br />

es in Finanzkreisen heißt, haben die Banken<br />

die Möglichkeit, Boni zu streichen, bisher<br />

sehr sparsam angewendet.<br />

Nun sollen Risk Taker klarer identifiziert<br />

werden. Die neueste Richtlinie der EBA<br />

sieht für die Einstufung allein 15 qualitative<br />

Kriterien wie „Verantwortung für einen<br />

wichtigen Geschäftsbereich“, etliche quantitative<br />

Kriterien wie die Gehaltshöhe und<br />

eine ganze Reihe von Ausnahmen vor. Was<br />

nach Kuddelmuddel klingt, ist es auch.<br />

Fest steht: „Die Zahl der Risk Taker wird<br />

deutlich steigen“, erwartet Berater Klein.<br />

Das glaubt auch Personaler Siebeck. Bisher<br />

galten dort Mitarbeiter im oberen Management<br />

als Risk Taker, künftig wird sich die<br />

Anzahl spürbar erhöhen. „Da jede Bank<br />

die Einteilung weiterhin auch nach ihren<br />

eigenen Strukturen und ihrem jeweiligen<br />

Geschäftsmodell definieren muss, sind die<br />

neuen Definitionen zwar klarer, aber die<br />

Ergebnisse werden je nach Institut unterschiedlich<br />

sein“, sagt Siebeck.<br />

Das zweifelhafte Vergnügen, sich mit<br />

den Fragen abzuplagen, haben künftig<br />

mehr Institute. Statt ab einer Bilanzsumme<br />

von 40 sind künftig Banken ab 15 Milliarden<br />

Euro betroffen. Dazu gehören auch die<br />

größten Sparkassen, Förderbanken und<br />

die genossenschaftliche Apotheker- und<br />

Ärztebank. Bei der Hamburger Sparkasse<br />

heißt es, dass sich das Institut vorbereitet<br />

habe und sich der Aufwand wohl in Grenzen<br />

halten werde, weil die Regeln vor allem<br />

auf Großbanken zugeschnitten seien. Umsetzen<br />

muss die Sparkasse sie trotzdem.<br />

So muss auch sie komplizierte arbeitsrechtliche<br />

Fragen klären. „Die neuen Regeln<br />

ersetzen nicht automatisch die im Arbeitsvertrag<br />

des einzelnen Bankers oder in<br />

einer Betriebsvereinbarung enthaltenen<br />

Regelungen“, sagt Christian Hoefs, Arbeitsrechtler<br />

bei Hengeler Mueller in Frankfurt.<br />

Over the Top<br />

Gesamtsalärund Anteil der Bonifür<br />

deutsche Spitzenbanker*<br />

1,54<br />

Mio. €<br />

1,53<br />

Mio. €<br />

76% 63%<br />

davon Investmentbanker<br />

Investmentbanking<br />

Vermögensverwaltung<br />

*Durchschnittswerte fürPersonenab<br />

eine Million Euro Jahressalär 2<strong>01</strong>2;<br />

Quelle:EuropeanBankingAuthority<br />

1,17<br />

Mio. €<br />

55%<br />

Filialgeschäft<br />

Die Einzelverträge gehen vor, Änderungen<br />

lassen sich nicht eben mal einfach so verkünden.<br />

So können Banker ihre Ansprüche<br />

auf höhere Zahlungen behalten, wenn ihr<br />

alter Vertrag das vorsieht. Die Banken sind<br />

nur verpflichtet, auf Änderungen hinzuwirken.<br />

Das wird schwierig, denn was das genau<br />

heißt, ist – einmal mehr – unklar.<br />

Die neuen Regeln bringen auch neue<br />

Themen aufs Tapet: etwa den Passus, wonach<br />

Abfindungszahlungen „der Leistung<br />

im Zeitverlauf“ Rechnung tragen müssen.<br />

Ob damit gemeint ist, dass nun bewertet<br />

wird, wie gut ein vorzeitig gehender Banker<br />

den Job gemacht hat, ist vorerst offen. Zeit<br />

für eine Klarstellung der Klarstellung. n<br />

cornelius.welp@wiwo.de | Frankfurt<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 51<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

Verrückter und wilder<br />

LUXUS | Technische Edelprodukte wie Uhren und Autos sind die größten Gewinner beim fünften<br />

Luxusmarkenranking der WirtschaftsWoche.<br />

Die Stimmgewalt einer Maria Callas<br />

oder das besondere Timbre von Elvis<br />

Presley – „das kann nicht durch<br />

MP3-Player und Stöpsel im Ohr wiedergegeben<br />

werden“, sagt der Ingenieur und Musiker<br />

Dieter Burmester. „Dafür braucht<br />

man eine Anlage, die die Musik unverfälscht<br />

und mit dem gesamten Spektrum<br />

wiedergeben kann.“ Für Musikliebhaber,<br />

die sich diesen Luxus gönnen wollen, fertigen<br />

Burmester und seine 50 Mitarbeiter in<br />

Berlin Musikanlagen und Lautsprecher per<br />

Hand und mit hochwertigsten Bauteilen<br />

für bis zu 150000 Euro. Lautsprecher wiegen<br />

bis zu 80 Kilo, damit sie den Klang voll<br />

entfalten können, alle Komponenten werden<br />

bis zu eine Woche lang getestet.<br />

Mit Erfolg: Burmester steigerte 2<strong>01</strong>3 den<br />

Umsatz um <strong>13</strong> Prozent auf geschätzt mehr<br />

als zehn Millionen Euro. Wie Burmester<br />

profitieren viele Luxusanbieter von den<br />

4<br />

RANG<br />

BURMESTER<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Dieter Burmester gründete sein<br />

Unternehmen für Audiosysteme<br />

1978. Er ist selbst seit 50 Jahren<br />

Musiker und spielte einige Jahre als<br />

Gitarrist in der Band Birth Control.<br />

zurzeit niedrigen Zinsen: „Sachwerte sind<br />

nach wie vor gefragt, das fördert den Luxusmarkt“,<br />

sagt Johannes Spannagl, Geschäftsführer<br />

des Münchner Markenbewerters<br />

Brand Networks. Der erstellt zusammen<br />

mit der Münchner Markenberatung<br />

Biesalski & Company seit 2005 für die<br />

WirtschaftsWoche im Zweijahrestakt ein<br />

Ranking der 30 wichtigsten deutschen Luxusmarken.<br />

Die Lust der Deutschen auf Luxus steigt:<br />

Der Konsum von persönlichen Luxusgütern<br />

wie Kosmetik, Mode, Accessoires,<br />

Schreibgeräte und Uhren legte 2<strong>01</strong>3 um<br />

drei Prozent auf 9,9 Milliarden Euro zu,<br />

zeigt eine Studie der Beratung Bain in Mailand.<br />

Davon profitieren auch die deutschen<br />

Hersteller <strong>vom</strong> Uhrenfabrikanten<br />

bis zur Porzellanmanufaktur.<br />

Die Aufsteiger beim diesjährigen Luxusmarkenranking<br />

sind Unternehmen, die<br />

stark sind bei technischen Innovationen<br />

(siehe Tabelle). Stehen französische und<br />

italienische Anbieter für Glamour und<br />

Chic, bestechen die deutschen Edelfabrikanten<br />

durch technische Perfektion, etwa<br />

bei Uhren, Autos oder Möbeln.<br />

So stehen an der Spitze des Rankings die<br />

sächsischen Uhrenhersteller A. Lange &<br />

Söhne (Richemont-Gruppe) und Glashütte<br />

Original (Swatch-Gruppe). Beide fertigen<br />

komplexe Zeitmesser, zum Teil in limitierten<br />

Stückzahlen, für die Handgelenke der<br />

FOTO: LAIF/DANIEL PILAR<br />

52 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Reichen und Erfolgreichen zu Preisen ab<br />

15000 Euro beziehungsweise 5000 Euro.<br />

Zu den stärksten Aufsteigern zählen traditionelle<br />

Unternehmen wie der 100 Jahre<br />

alte Kamerahersteller Leica aus dem hessischen<br />

Solms. Nachdem Leica den Markteintritt<br />

bei der Digitaltechnik verschlafen<br />

hatte und durch einen Investor, den ehemaligen<br />

Waldorflehrer Andreas Kaufmann,<br />

vor der drohenden Pleite gerettet<br />

wurde, besinnt sich das Unternehmen jetzt<br />

auf alte Stärken und punktet bei Modellen<br />

im Retrolook mit neuester Technik.<br />

Ebenfalls Plätze gut machte der<br />

Schmuckhersteller Wellendorff, der seit<br />

1893 in Pforzheim Schmuck wie die Wellendorff-Kordel<br />

herstellt. Die Colliers bestehen<br />

aus 160 Meter Goldfäden in einer<br />

Stärke zwischen einem und vier zehntel<br />

Millimeter. Zwischen 5000 und 30000 Euro<br />

blättern Schmuckliebhaber für Wellendorffs<br />

güldene Preziosen hin.<br />

EDELSOUND IM AUTO<br />

Doch auch junge Unternehmen wie Burmester<br />

punkten bei den Luxusmarkenbewertern.<br />

„Deutscher Luxus steht weniger<br />

für Status und Glamour, sondern eher für<br />

Freiheit und Selbstverwirklichung und ist<br />

damit anders ausgelegt als der klassische<br />

Luxusbegriff in Frankreich oder Italien“,<br />

sagt Klaus Heine, Luxusexperte an der renommierten<br />

französischen Emlyon Business<br />

School. „Während die Luxusmodebranche<br />

klar von Frankreich und Italien<br />

dominiert wird, liegen Deutschlands Stärken<br />

eher in technischen Branchen und bei<br />

Einrichtungsgegenständen, wie zum Beispiel<br />

Küchen und Porzellan.“<br />

Musikliebhaber Dieter Burmester gründete<br />

sein Unternehmen 1978. Vor neun<br />

Jahren fing Burmester an, Musikanlagen<br />

und Lautsprecher auch für Autos zu entwickeln:<br />

zuerst für Bugatti, dann für alle Porsche-Modelle,<br />

inzwischen auch für die<br />

Mercedes S-Klasse. Mittlerweile kommt er<br />

mit den Neuentwicklungen kaum hinterher.<br />

Um nicht von der digitalen Entwicklung<br />

ausgebremst zu werden, hat er zudem<br />

einen Festplattenrekorder entwickelt, der<br />

bis zu 6000 CDs speichern kann – zum<br />

stattlichen Preis von 30 000 Euro. 150 Stück<br />

hat er davon 2<strong>01</strong>3 verkauft.<br />

Konkurrent T+A aus dem ostwestfälischen<br />

Herford gelang in diesem Jahr erstmals<br />

der Sprung unter die Top Ten. 8000<br />

Anlagen stellt das Unternehmen pro Jahr<br />

mit rund 90 Mitarbeitern her. Große Hi-Fi-<br />

Anlagen kosten rund 30000 Euro, Einsteigermodelle<br />

2000 bis 5000 Euro.<br />

»<br />

Das deutsche Luxusranking<br />

Die 30 Top-Marken 2<strong>01</strong>3<br />

Rang<br />

2<strong>01</strong>3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

<strong>13</strong><br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

Rang<br />

2<strong>01</strong>1<br />

1<br />

3<br />

4<br />

12<br />

5<br />

9<br />

–<br />

8<br />

35<br />

10<br />

7<br />

11<br />

17<br />

–<br />

<strong>13</strong><br />

22<br />

14<br />

18<br />

18<br />

20<br />

27<br />

–<br />

–<br />

33<br />

30<br />

–<br />

–<br />

–<br />

25<br />

15<br />

Luxusmarke<br />

Brand Networks<br />

Luxusmarkenindex 1<br />

(max. 300)<br />

244 (239)<br />

214 (204)<br />

212 (195)<br />

206 (156)<br />

191 (184)<br />

190 (163)<br />

183 –<br />

175 (170)<br />

171 (111)<br />

166 (162)<br />

164 (174)<br />

156 (161)<br />

154 (142)<br />

152 –<br />

151 (152)<br />

150 (<strong>13</strong>3)<br />

147 (151)<br />

146 (141)<br />

142 (141)<br />

<strong>13</strong>6 (<strong>13</strong>9<br />

<strong>13</strong>0 (119)<br />

129 –<br />

128 –<br />

126 (114)<br />

125 (118)<br />

120 _<br />

119 –<br />

118 –<br />

117 (121)<br />

116 (144)<br />

Entwicklung<br />

seit 2<strong>01</strong>1 2<br />

DerLuxusmarkenindex basiertauf einer Befragung von163 Branchenexperten zu den drei Kriterien relativerPreisabstand<br />

des Luxusmarkenanbieterszueinem Mainstream-Markenanbieter,absolute Preishöhe und Anziehungskraft einer Marke;<br />

1 in Klammern 2<strong>01</strong>1; 2 Trendanzeige ab 5Punkten; Quelle: Biesalski&Companyund Brand Networks<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

Neu<br />

0<br />

0<br />

7<br />

9<br />

9<br />

0<br />

Neu<br />

7<br />

0<br />

7<br />

0<br />

7<br />

7<br />

0<br />

Neu<br />

Neu<br />

0<br />

0<br />

Neu<br />

Neu<br />

Neu<br />

7<br />

9<br />

Marktsegment<br />

Uhren<br />

Uhren<br />

Automobil<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Küchenmöbel<br />

Elektrogeräte<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Uhren<br />

Foto/Optik<br />

Glas und Porzellan<br />

Küchenmöbel<br />

Küchenmöbel<br />

Wohnmöbel<br />

Gartenmöbel<br />

Wohnmöbel<br />

Schmuck<br />

Damenmode<br />

Besteck<br />

Schreibgeräte<br />

Wohnmöbel<br />

Armaturen<br />

Beleuchtung<br />

Besteck<br />

Wohnmöbel<br />

Schmuck<br />

Hotellerie<br />

Beleuchtung<br />

Glas und Porzellan<br />

Hotellerie<br />

Damenmode<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 53<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

FOTOS: LAIF/DANIEL PILAR, CHRISTIAN BURKERT, MARTIN LEISSL; PR/KLAUS BECKER; FOTOGLORIA/ANNA MUTTER; AGENTUR FOCUS/OSTKREUZ/ MAURICE WEISS<br />

»<br />

Erstmals in die Top 30 des Rankings<br />

geschafft hat es Gartenmöbelproduzent<br />

Dedon aus Lüneburg. Mit seinen luxuriösen<br />

Garten- und Terrassenmöbeln besetzt<br />

Dedon erfolgreich eine Nische: Spezielle<br />

Kunstfasern lassen die Designermöbel<br />

Sonne, Regen oder Salzwasser unbeschadet<br />

überstehen. „Der ehemalige Fußballprofi<br />

Bobby Dekeyser hat sich mit seinen<br />

Möbeln ein eigenes Spielfeld geschaffen<br />

und vermarktet seine Geschichte von den<br />

Anfängen auf einem Lüneburger Bauernhof<br />

bis hin zum Luxusunternehmen perfekt“,<br />

lobt Markenexperte Spannagl.<br />

ATTRAKTIVE NISCHE GESUCHT<br />

Auch der Münchner Designleuchtenhersteller<br />

Occhio erreicht erstmals einen Platz<br />

unter den Top 30. Gründer Axel Meise studierte<br />

bis zum Vordiplom Maschinenbau,<br />

machte dann aus seinem Hobby eine Profession<br />

und entwickelte Leuchten. 1999<br />

gründete er Occhio mit der Idee, für jede<br />

Art der Beleuchtung ein ähnliches Design<br />

zu bieten – <strong>vom</strong> Esstisch bis zur Wandbeleuchtung.<br />

Ursprünglich ließ er in Italien<br />

fertigen, inzwischen kommen die Leuchten<br />

aus dem Reich der Mitte: „Der Hauptgrund<br />

für die Verlagerung nach China waren<br />

tatsächlich unsere hohen Qualitätsanforderungen“,<br />

sagt Meise. In den kommenden<br />

fünf Jahren will er seinen Umsatz auf<br />

mehr als 50 Millionen Euro verdoppeln.<br />

Wer es hingegen nicht schafft, sich in einer<br />

attraktiven Nische zu positionieren, hat<br />

es schwer. Das zeigen die Verlierer im Ranking:<br />

die Modelabel Bogner, Rena Lange,<br />

Baldessarini und Wunderkind, die nicht<br />

mehr im Ranking auftauchen. Aber auch Jil<br />

Sander und Escada haben Plätze eingebüßt.<br />

„Mode hängt oft an dem Designer“,<br />

sagt Luxusexperte Heine. „Wenn nicht<br />

mehr klar ist, wofür die Marke steht, haben<br />

es die Unternehmen schwer.“<br />

Deutscher Technik-Luxus wird indes<br />

weltweit geschätzt. Hier sieht Markenberater<br />

Alexander Biesalski noch Potenzial:<br />

„Erst ein Teil der deutschen Luxusunternehmen<br />

ist schon international unterwegs.<br />

Dabei lässt sich der Marktanteil im Inland<br />

bei den bereits etablierten Luxuslabels fast<br />

nicht mehr steigern.“<br />

Doch während die technische Perfektion<br />

der Deutschen anerkannt ist, haben sie<br />

beim Glamour oft noch Nachholbedarf.<br />

Luxusexperte Heine: „Die Web-Seiten und<br />

einige Geschäfte sind extrem langweilig.<br />

Deutscher Luxus sollte kreativer und etwas<br />

verrückter werden.“<br />

n<br />

nele.hansen@wiwo.de<br />

14<br />

RANG<br />

9<br />

RANG<br />

DEDON<br />

Gartenmöbel<br />

Der ehemalige Fußballprofi Bobby Dekeyser gründete 1990 das Möbelunternehmen<br />

Dedon und hat sich mit seinen strapazierfähigen und designorientierten<br />

Sesseln für Garten, Pool oder Terrasse einen Namen gemacht.<br />

LEICA CAMERA<br />

Foto/Optik<br />

Gut im Geschäft mit Kameras in Retrooptik: Leica-Chef Alfred Schopf. Das Unternehmen<br />

ist seit 2<strong>01</strong>2 nicht mehr börsennotiert und gehört über eine Stiftung dem<br />

Österreicher Andreas Kaufmann und dem Finanzinvestor Blackstone.<br />

54 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


23<br />

RANG<br />

KOCH & BERGFELD<br />

Besteck<br />

Mit seinen silbernen Messern und Gabeln haben<br />

bereits Generationen von Adeligen gegessen: Klaus<br />

Neubauer führt die Bremer Manufaktur seit 2006.<br />

27<br />

RANG<br />

TOBIAS GRAU<br />

Beleuchtung<br />

Betriebswirt und Designer Tobias Grau ist bekannt für seine<br />

Leuchten in Tropfenform. Rund 95 Prozent der Fertigung erfolgt in<br />

Deutschland, die Endmontage in der Nähe von Hamburg.<br />

26<br />

RANG<br />

SCHLOSS ELMAU<br />

Hotellerie<br />

Dietmar Müller-Elmau, Chef des Hotels Schloss<br />

Elmau in Oberbayern, überzeugt seine Gäste nicht<br />

nur mit hochkarätigen Klassikkonzerten.<br />

7<br />

RANG<br />

T+A<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Siegfried Amft stellt seit 1978 in Ostwestfalen exklusive Hi-Fi-Anlagen<br />

her. Sein Lehrmeister war Fritz Sennheiser, Gründer des gleichnamigen<br />

Kopfhörerherstellers und Professor für Elektroakustik.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 55<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

Die Dampfmaschine<br />

DETROIT MOTOR SHOW | <strong>2<strong>01</strong>4</strong> wird zum Schicksalsjahr für die<br />

großen drei, ihre wiedererstarkten Konkurrenten aus Asien, aber<br />

auch für die Ambitionen der deutschen Autohersteller in den USA.<br />

Ein Autohändler räumt die Christbäume<br />

weg, ein anderer schraubt die<br />

elektrischen Kerzen aus dem neunarmigen<br />

Leuchter, der seit dem jüdischen<br />

Lichterfest Ende November am Eingang<br />

steht. Es geht gemächlich zu bei New Yorks<br />

größtem Chrysler-Händler in Manhattan.<br />

Kunden sind weit und breit nicht in Sicht,<br />

was – so versichert einer der Verkäufer – an<br />

den arktischen Temperaturen liege, die die<br />

Metropole zuletzt erstarren ließen.<br />

Die Verschnaufpause zum Jahresbeginn<br />

hat sich der Chrysler-Dealer redlich verdient.<br />

Denn seit der Insolvenz vor knapp<br />

fünf Jahren wird bei Chrysler rangeklotzt.<br />

Der Dezember war der 48. Monat in Folge,<br />

in dem die Absatzkurve nach oben zeigte.<br />

2<strong>01</strong>3 verkaufte der Autobauer rund 2,6 Millionen<br />

Fahrzeuge der Marken Chrysler,<br />

Jeep, Dodge (Pkws, Geländewagen) und<br />

Ram (Pick-up-Trucks) – neun Prozent mehr<br />

als 2<strong>01</strong>2. Nach vorläufigen Schätzungen erzielte<br />

Chrysler 75 Milliarden Dollar Umsatz,<br />

verbuchte einen operativen Gewinn von<br />

rund 3,5 Milliarden Dollar und steigerte<br />

den Marktanteil in den USA auf 11,8 Prozent.<br />

Mit seinen Profiten rettet Chrysler sogar<br />

die Mutter Fiat, von der die Amerikaner<br />

jetzt komplett geschluckt wurden.<br />

Doch wie lange hält der Höhenflug noch<br />

an? Sind die leeren Verkaufsräume in New<br />

York wirklich nur dem Wetter geschuldet<br />

oder Vorboten neuer Schwierigkeiten, wie<br />

skeptische Wall-Street-Analysten unken?<br />

Das neue Autojahr, das die Branche in der<br />

kommenden Woche bei der Motor Show in<br />

Detroit einläutet, wird spannende Antworten<br />

liefern – für Chrysler, aber auch für andere<br />

große Hersteller. Nachdem die einstigen<br />

Pleitekandidaten Chrysler und General Motors<br />

(GM), aber auch Ford zu alter Stärke zurückgefunden,<br />

die japanischen Konkurrenten<br />

die Folgen des Tsunamis weggesteckt<br />

und die deutschen Angreifer ihre Waffen geschärft<br />

haben, steht der US-Automarkt vor<br />

einer Reihe von Entscheidungsschlachten.<br />

Wegen der enormen Bedeutung des<br />

Marktes kann das Geschehen dort über<br />

Wohl und Wehe ganzer Konzerne entscheiden.<br />

Denn neben China sind die USA<br />

derzeit die einzige Region mit robusten Zuwachsraten<br />

und auch der wichtigste Markt<br />

für Elektroautos. „Die Vereinigten Staaten<br />

sind so etwas wie die Dampfmaschine der<br />

Autoindustrie, mit fast noch mehr Zugkraft<br />

als der chinesische Markt“, urteilt Christoph<br />

Stürmer, Autoanalyst bei PricewaterhouseCoopers<br />

in Frankfurt.<br />

EINE FLUT VON MODELLNEUHEITEN<br />

Entsprechend energiegeladen machen<br />

sich die Spitzen der deutschen Konzerne<br />

auf den Weg, um in der Cobo Hall am Detroit<br />

River ihre Neuheiten zu präsentieren<br />

und die Weichen für ein weiteres Erfolgsjahr<br />

zu stellen. So erleben in Motown City<br />

die neue C-Klasse und der S600 von Mercedes<br />

sowie der neue Targa von Porsche<br />

ihre Weltpremiere. Volkswagen gibt mit<br />

dem Beetle Dune einen Vorgeschmack auf<br />

die Offroad-Version des Beetle und zeigt<br />

den neuen Golf mit Elektroantrieb. BMW<br />

lockt mit dem Elektroauto i3, dem Sportcoupé<br />

M4 und einer über 200 PS starken<br />

Variante des neuen Mini. „Die deutsche<br />

Autoindustrie“, sagt Matthias Wissmann,<br />

Präsident des Branchenverbandes VDA,<br />

„wird <strong>2<strong>01</strong>4</strong> in den USA weiter wachsen.“<br />

Glänzen in Detroit Die interessantesten Modellneuheiten für die USA – und den Rest der Autowelt.<br />

Cadillac CTS-V<br />

GM hat Milliarden<br />

lockergemacht, um<br />

die Edelmarke Cadillac<br />

auch für Kunden<br />

außerhalb der USA<br />

attraktiv zu machen.<br />

Ein Export des neuen,<br />

besonders sportlichen<br />

CTS-V mit einem<br />

556 PS starken<br />

V8 unter der Haube<br />

ist aber vorerst nicht<br />

geplant.<br />

Mercedes<br />

C-Klasse<br />

Den Top-Modellen der<br />

S-Klasse wie aus dem<br />

Gesicht geschnitten<br />

ist die neue Mitteklasse<br />

von Mercedes. Der<br />

Wagen glänzt mit<br />

vielen Luxusfeatures.<br />

Für den Antrieb sorgen<br />

zunächst konventionelle<br />

Motoren. Ein<br />

Bluetec-Hybrid soll<br />

später folgen.<br />

56 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Die rasche Erholung des US-Automarkts<br />

von den Folgen der Finanzkrise hat den<br />

deutschen ebenso wie den japanischen<br />

und südkoreanischen Branchengrößen<br />

Mut gemacht zu Milliardeninvestitionen in<br />

neue Modelle und Fabriken, in den Ausbau<br />

bestehender Produktionsstandorte in den<br />

USA und Mexiko sowie den Ausbau der<br />

Zuliefererstrukturen und Vertriebsnetze.<br />

Die Analysten des Bewertungsdienstes<br />

Kelley Blue Book aus dem kalifornischen<br />

Irvine erwarten <strong>2<strong>01</strong>4</strong> einen Absatz von 16,3<br />

Millionen neuen Pkws, Pick-ups und leichten<br />

Nutzfahrzeugen – das wären rund<br />

200 000 Fahrzeuge mehr als im Rekordjahr<br />

2007. Zum Vergleich: In Westeuropa wurden<br />

2103 nur rund zwölf Millionen Autos<br />

verkauft. Und Experten erwarten für <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

nur einen leichten Nachfrageanstieg.<br />

Kräftiges Wachstum in Nordamerika ist<br />

daher für die Vertriebsstrategen von BMW<br />

und Daimler, Audi, VW und Porsche<br />

Pflicht. Doch ein Spaziergang wird das<br />

nicht. Die Rivalen aus Asien, Toyota, Nissan,<br />

Honda sowie Hyundai, haben ebenfalls<br />

ehrgeizige Wachstumspläne. Vor allem<br />

aber: Die „Big Three“ – GM, Ford und<br />

Chrysler – haben die vergangenen Jahre<br />

dazu genutzt, um sich strategisch, produktionstechnisch<br />

und personell neu aufzustellen.<br />

Alle drei zusammen kamen 2<strong>01</strong>3<br />

auf einen Marktanteil von über 45 Prozent.<br />

Gefragte Deutsche<br />

Autoverkäufe deutscherPremiummarken<br />

in den USA(in Tausend)<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Gesamtmarkt<br />

(inMillionen)<br />

<strong>13</strong>,2 10,4 11,6 12,8 14,5 15,6<br />

2008<br />

Quelle:IHS/AutomotiveNews<br />

09 10 11 12 <strong>13</strong><br />

Grund dafür ist vor allem die starke<br />

Nachfrage nach SUVs. Allein Ford konnte<br />

in dem dank niedriger Spritpreise immer<br />

noch wichtigen Marktsegment fast 1,4 Millionen<br />

Trucks absetzen, was maßgeblich<br />

zum Gewinn von sechs Milliarden Dollar<br />

in den ersten neun Monaten 2<strong>01</strong>3 beitrug.<br />

In diesem Jahr zündet die traditionsreiche<br />

Motor Company die nächste Stufe ihrer<br />

Weltstrategie „One Ford“. Ziel ist es, mit<br />

möglichst geringem Kostenaufwand möglichst<br />

viele Modelle zu entwickeln und mit<br />

nur geringen Modifikationen Kunden in aller<br />

Welt anzubieten. Ziel ist ein Absatz von<br />

6,2 Millionen Autos weltweit – rund 600000<br />

Autos mehr als 2<strong>01</strong>2.<br />

Die One-Ford-Strategie stärkt nicht nur<br />

die Position auf dem Heimatmarkt, sondern<br />

soll auch in Europa für Wachstum sorgen.<br />

So wird der neue Sportwagen Mustang<br />

wenige Monate nach dem Modellstart<br />

in den USA im ersten Quartal 2<strong>01</strong>5 auch in<br />

Europa angeboten. Als Weltautos sind<br />

auch der Kompakt-SUV Escape und die<br />

Mittelklasselimousine Fusion konzipiert –<br />

mit nur geringen Änderungen werden beide<br />

Modelle in Übersee als Kuga und Mondeo<br />

angeboten.<br />

Auch GM hat sich neu aufgestellt. Mit<br />

Mary Barra wird diese Woche erstmals eine<br />

Frau an die Spitze des immer noch größten<br />

Autoherstellers der Welt treten. Und die<br />

neue Chefin ist nicht nur entschlossen,<br />

„keine beschissenen Autos mehr“ zu bauen,<br />

sondern auch die immer noch sehr<br />

bunte Markenwelt neu zu ordnen. Ende<br />

2<strong>01</strong>5 wird Chevrolet aus Europa abgezogen<br />

– und Cadillac, die dank Milliardeninvestitionen<br />

derzeit am schnellsten wachsende<br />

Premiummarke weltweit, auch in Europa<br />

zum echten Konkurrenten von Audi, BMW<br />

und Mercedes hochgepäppelt. In Detroit<br />

zeigt GM mit dem Cadillac ELR ein luxu-<br />

»<br />

BMW M4<br />

Gewissermaßen als Gegenstück zum klimafreundlichen<br />

Elektroauto i3 präsentiert BMW<br />

in Detroit das neue Sportcoupé M4 mit<br />

Carbondach und einem 430 PS starken Motor.<br />

Ford Mustang<br />

Die sechste Generation des legendären<br />

Ponycars wird Ford nun<br />

auch ganz offiziell in Europa anbieten.<br />

Kunden in den USA kriegen<br />

das Sportcoupé mit 426 PS<br />

starkem Achtzylinder. Für Europa<br />

muss ein Vierzylinder genügen.<br />

VW-Passat<br />

Ein Facelift und<br />

nochmals sparsamere<br />

Motoren sollen<br />

dem in den USA<br />

produzierten Passat<br />

neuen Schwung<br />

geben. Besonders<br />

sparsam kommt das<br />

Modell Bluemotion<br />

daher: Zwei der vier<br />

Zylinder lassen sich<br />

hier abschalten.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 57<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

riöses Schwestermodell des Elektroautos<br />

Opel Ampera, das Ende des Jahres auch<br />

nach Europa kommt.<br />

Im Aufwind ist nach der vollständigen<br />

Übernahme durch Fiat auch Chrysler – gut<br />

sechs Jahre nach der Trennung von Daimler<br />

und fünf Jahre nach der Pleite. Chef Sergio<br />

Marchionne will am 1. April ein neues<br />

Entwicklungsprogramm präsentieren, das<br />

die Modellplanung von Chrysler, Jeep und<br />

Dodge mit der von Fiat, Alfa Romeo und<br />

Lancia abstimmt und die Marken fit machen<br />

soll für eine weltweite Absatzoffensive.<br />

Fiat, so viel sickerte durch, wird sich auf<br />

die Modelle 500 und Punto konzentrieren,<br />

Alfa Romeo technisch mit Chrysler und<br />

Dodge zusammenspannen und weltweit<br />

als Lifestyle-Marke auf Kundenfang gehen.<br />

Der Export des Sportwagens 4C nach den<br />

USA ist nur der Anfang. Selbst eine Produktion<br />

von Alfa-Fahrzeugen in den Staaten<br />

wird diskutiert: 2<strong>01</strong>5 soll in Detroit ein<br />

kompakter SUV von Alfa zu sehen sein, der<br />

eine Plattform von Jeep nutzt.<br />

KAMPF UM DIE FÜHRUNG<br />

In den USA könnte sich dieses Jahr der<br />

Kampf der Konzerne um die Führungspositionen<br />

entscheiden. „Der Markt spielt eine<br />

ganz, ganz wichtige Rolle in unseren Wachstumsplänen“,<br />

sagt ein hochrangiger Daimler-Manager.<br />

Bis 2020 wollen die Stuttgarter<br />

wieder führender Anbieter von Premiumautomobilen<br />

sein und weltweit rund 2,7 Millionen<br />

Autos verkaufen – knapp 1,5 Millionen<br />

Fahrzeuge waren es 2<strong>01</strong>3. Dank des erfolgreichen<br />

Starts des kompakten Coupés<br />

CLA und der starken Nachfrage nach der<br />

neuen S-Klasse konnte Daimler 2<strong>01</strong>3 in den<br />

USA bereits um 14 Prozent wachsen und damit<br />

den Erzrivalen BMW überflügeln.<br />

Erstmals seit 1999 ist Mercedes wieder<br />

die bestverkaufte Premiummarke in den<br />

Staaten – vor BMW und der Toyota-Tochter<br />

Lexus. Die neue C-Klasse – die erste, die<br />

auch made in USA ist – soll helfen, den Vorsprung<br />

weiter auszubauen. Dazu wurden<br />

die Kapazitäten im Werk Tuscaloosa in Alabama<br />

ausgebaut. Rund 60 000 Exemplare<br />

der C-Klasse sollen hier pro Jahr für Kunden<br />

in Nordamerika gebaut werden. Vorbereitet<br />

wird zudem eine gemeinsame Fertigung<br />

mit Nissan in Mexiko: Von 2<strong>01</strong>5 an<br />

könnte hier der kompakte SUV Mercedes<br />

GLA produziert werden.<br />

BMW wird in seinem Werk in Spartanburg,<br />

South Carolina, schon <strong>2<strong>01</strong>4</strong> die Produktion<br />

eines ähnlichen Modells starten.<br />

Rund 900 Millionen Dollar haben die Bayern<br />

in den Ausbau der Fabrik investiert, in<br />

58 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


der künftig alle sechs X-Modelle von BMW<br />

produziert werden – bis zu 350 000 Fahrzeuge<br />

jährlich. BMWs Nordamerika-Chef<br />

Ludwig Willisch ist deshalb zuversichtlich,<br />

die Krone des Premiumkönigs in diesem<br />

Jahr zurückerobern zu können.<br />

Mehr als der Zweikampf mit den deutschen<br />

Kollegen beschäftigt BMW die Frage,<br />

ob die USA dem E-Mobil i3 zum Durchbruch<br />

verhelfen können. Anders als in Europa<br />

oder Asien sind Elektroautos in den<br />

USA bereits ein Massenprodukt mit jährlich<br />

sechsstelligen Verkaufszahlen. Setzt<br />

sich das innovative Carbon-Elektroauto i3<br />

hier nicht durch, könnte BMWs gesamte<br />

E-Auto-Strategie ins Wanken geraten.<br />

NEUBEGINN BEI VOLKSWAGEN<br />

Und Volkswagen? Europas größter Autobauer<br />

hatte 2<strong>01</strong>1 mit einem Werk in Chattanooga,<br />

Tennessee, einen Neustart hingelegt<br />

– 25 Jahre nach der Schließung des<br />

Golf-Werks Westmoreland in Pennsylvania.<br />

Die Ziele der Wolfsburger sind ambitioniert:<br />

Bis 2<strong>01</strong>8 will VW rund 800 000 Autos<br />

jährlich in den USA absetzen. Doch davon<br />

ist man noch meilenweit entfernt. 2<strong>01</strong>3<br />

wurden in den USA erst halb so viele Autos<br />

verkauft. Trotz neuem Werk und US-Passat<br />

blieb der Marktanteil unter drei Prozent.<br />

VW-Lenker Martin Winterkorn fackelte<br />

nicht lange. Er feuerte den glücklosen US-<br />

Chef Jonathan Browning und ersetzte ihn<br />

durch den deutschen Vertriebsexperten<br />

Michael Horn. Nun soll die Aufholjagd beginnen.<br />

Der US-Passat bekommt ein Facelift<br />

und mit dem neuen Diesel Blue Motion<br />

eine besonders spritsparende Antriebsvariante.<br />

Dem Passat wird im Sommer der<br />

neue Golf an die Seite gestellt – mehr als<br />

ein Jahr nach dem Start in Europa. Produziert<br />

wird er im mexikanischen Puebla. Mit<br />

Rücksicht auf die US-Kunden wird das Modell<br />

statt mit elektrischer Parkbremse mit<br />

einer klassischen Handbremse angeboten.<br />

Doch ob das reichen wird, um Volkswagen<br />

of America wieder auf Erfolgskurs zu<br />

bringen? Mit Blick auf die insgesamt 37<br />

neuen Modelle, die in diesem Jahr auf den<br />

US-Markt geworfen werden, warnen Experten<br />

vor einem Preiskrieg. Den muss VW<br />

mehr fürchten als die Asiaten. Denn sie<br />

produzieren effizienter als VW, was ihnen<br />

mehr Spielraum beim Prizing gibt. Durch<br />

Preissenkungen schaffte es 2<strong>01</strong>3 sogar der<br />

Autozwerg Subaru, den US-Passat im Verkauf<br />

zu überholen. Deutsche Ingenieurkunst,<br />

auf die VW als Verkaufsargument<br />

setzt, genügt in den USA nicht mehr. n<br />

franz.rother@wiwo.de, martin seiwert | New York<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 59<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

Balz reloaded<br />

WINDREICH | Willi Balz, der Gründer und Eigentümer des Windpark-Projektierers,<br />

ist wieder aufgetaucht. Was steckt dahinter?<br />

Grub derzeit nicht die Gewissheit zu, die<br />

hier in den Raum gestellt werde.<br />

Doch das kümmert Balz nicht. Angriffslustig<br />

wie eh und je drischt er nebenbei in<br />

dem Brief an die Anleihezeichner auf alles<br />

und alle ein. Denn wie gehabt: Bei Balz<br />

sind immer die anderen schuld.<br />

Erstmals bestätigt Balz in dem Schreiben<br />

Informationen der WirtschaftsWoche (Heft<br />

38/2<strong>01</strong>3), dass es die Schweizer Privatbank<br />

J. Safra Sarasin gewesen sei, die überraschend<br />

den Insolvenzantrag beim Amtsgericht<br />

Esslingen gestellt hatte. Balz behauptet,<br />

der Antrag habe verhindert, dass eine<br />

von ihm beschaffte Brückenfinanzierung<br />

zur Auszahlung gekommen sei. Diese hätte<br />

den Geschäftsbetrieb von Windreich bis<br />

Ende <strong>2<strong>01</strong>4</strong> sicherstellen können. Zudem<br />

sei der für Windreich überlebenswichtige<br />

Verkaufsprozess des geplanten Nordseewindparks<br />

MEG 1, für den die Investmentbank<br />

Macquarie mandatiert ist, erneut gestoppt<br />

worden. Safra Sarasin wollte zu<br />

Balz’ Vorwürfen keine Stellung nehmen.<br />

Aus dem Windreich-Umfeld werden Balz’<br />

Behauptungen klar zurückgewiesen.<br />

Knapp vier Monate lang war Willi Balz<br />

wie <strong>vom</strong> Winde verweht. Jetzt steigt<br />

der Gründer und Alleingesellschafter<br />

des Windpark-Projektierers Windreich<br />

aus Wolfschlugen bei Stuttgart erneut in<br />

den Kampf um sein insolventes Unternehmen<br />

ein – mit einem prominenten Verbündeten:<br />

Der anerkannte Stuttgarter Insolvenzexperte<br />

Volker Grub, dessen Sozietät<br />

Grub Brugger Erfahrung bei Fällen wie<br />

Schlecker, Schiesser oder Hess mitbringt,<br />

wird auf der Gläubigerversammlung Anfang<br />

der Woche Balz’ Interessen vertreten.<br />

Grub will mit einem eigenen Kandidaten<br />

für die Vertretung der Anleihegläubiger,<br />

dem Insolvenzspezialisten Joachim Illig<br />

von der Stuttgarter Kanzlei Illig Braun<br />

Kirschnek, um deren Gunst buhlen. Mit<br />

Forderungen von 120 Millionen Euro sind<br />

die Inhaber von zwei Anleihen die größte<br />

Gläubigergruppe.<br />

Was bezweckt Balz damit? Mit einem eigenen<br />

Vertreter der Anleihegläubiger, der<br />

wohl auch im Gläubigerausschuss sitzen<br />

wird, wäre er indirekt über zentrale Entscheidungen<br />

des Insolvenzverwalters informiert<br />

und könnte diese, wenn auch im<br />

engen Rahmen, versuchen zu beeinflussen<br />

– mit dem Ziel, Windreich fortzuführen<br />

und dabei möglichst viel für sich rauszuholen.<br />

Zudem, betont Grub „wollen wir einen<br />

Eins, zwei, drei, ich bin wieder dabei Für<br />

Windreich-Macher Balz geht es um alles<br />

Insolvenzspezialisten mit am Tisch sitzen<br />

haben“. Grub deutet an, dass alle anderen<br />

Kandidaten diese Expertise nicht einbrächten.<br />

Zur Erinnerung: Balz hatte Anfang September<br />

zeitgleich mit dem Antrag auf Insolvenz<br />

in Eigenverwaltung die Geschäftsführung<br />

niedergelegt. Nachfolger wurde<br />

Werner Heer, zuvor als Berater an Bord.<br />

„VOLLE BEFRIEDIGUNG“<br />

Jetzt ist Balz wieder aufgetaucht. Zwar übt<br />

er keine operative Funktion aus, kämpft<br />

aber umso vehementer um sein Lebenswerk.<br />

Balz und Grub versprechen in einem<br />

Schreiben an die Anleiheinhaber vollmundig,<br />

dass „eine volle Befriedigung aller Insolvenzgläubiger,<br />

auch der Anleihegläubiger,<br />

möglich ist“ und dass „durch Fortführung<br />

des Unternehmens jeglicher Schaden<br />

abgewendet werden kann“.<br />

Woher das Duo nun diese Überzeugung<br />

nimmt, kann kaum jemand einschätzen.<br />

Klaus Nieding, Anwalt bei der Frankfurter<br />

Kanzlei Nieding + Barth, kandidiert ebenfalls<br />

für das Amt des gemeinsamen Vertreters<br />

der Anleihegläubiger. Er sagt, er spreche<br />

den Ankündigungen von Balz und<br />

BEFREMDLICHES VORGEHEN<br />

Schwere Geschütze fährt Balz auch gegen<br />

Geschäftsführer Heer auf. Der habe drei Tage<br />

vor Fristablauf der Eigenverwaltung ohne<br />

Abstimmung mit ihm als Gesellschafter den<br />

Antrag zurückgezogen. Damit sei Windreich<br />

unnötig früh in die Regelinsolvenz geraten<br />

und ein Verlustvortrag von 40 Millionen Euro<br />

vernichtet worden. Heer habe zudem für<br />

vier Windreich-Töchter Insolvenzanträge<br />

gestellt, obwohl drei davon schuldenfrei gewesen<br />

seien, behauptet Balz. Heer möchte<br />

die Vorwürfe nicht kommentieren.<br />

Das Aufpoppen des großen Zampano<br />

verunsichert. Anlegerschützer Nieding hält<br />

Balz’ Vorgehen für „befremdlich“: „Dass er<br />

sich wenige Tage vor der Anleihegläubigerversammlung<br />

auf diese Weise in den Prozess<br />

einbringen möchte, schafft eher Verunsicherung<br />

als Vertrauen.“ Deutlicher<br />

wird die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger<br />

(SdK). In einer Infomail heißt es:<br />

„Aus unserer Sicht sollte man die Worte<br />

von Herrn Dr. Grub als Vertreter eines Gesellschafters<br />

stets mit Vorsicht genießen.“<br />

Insgesamt bezeichnet die SdK die Situation<br />

bei Windreich als „völlig unklar“. Daher<br />

könne sie keine klare Empfehlung geben<br />

(zur Anleihe siehe auch Seite 86).<br />

Und weiter heißt es: „Die Ermittlungen<br />

der Staatsanwaltschaft gegen Herrn Balz<br />

sollten eher zur Vorsicht mahnen.“ n<br />

mario.brueck@wiwo.de<br />

FOTO: VISUM/ANDY RIDDER<br />

60 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTOS: GETTY IMAGES/AFP/DENIS CHARLET; DPA PICTURE ALLIANCE/ABACA/MICHAEL BUNEL<br />

Bespuckt, beleidigt,<br />

angerempelt<br />

FRANKREICH | Unternehmensberatungen schulen Manager für den<br />

Fall, dass aufgebrachte Arbeiter sie in Geiselhaft nehmen.<br />

Michel Dheilly war fix und fertig, als<br />

er am Dienstag voriger Woche<br />

nach fast 30 Stunden Geiselhaft<br />

das Gelände der Reifenfabrik Goodyear im<br />

nordfranzösischen Amiens verließ. Aber<br />

nein, von einer traumatischen Erfahrung<br />

wolle er nicht sprechen, sagte der Produktionsleiter.<br />

Die Arbeiter, die ihn festhielten,<br />

hätten ihn nicht misshandelt. „Das war eine<br />

Bewährungsprobe“, meinte er, allerdings<br />

„keine angenehme“.<br />

Was hätte der Manager auch anderes<br />

sagen sollen? In Frankreich gehört Freiheitsberaubung<br />

seit Jahren zu den Kampfmitteln<br />

von Gewerkschaftern, um wie<br />

bei Goodyear in Amiens höhere Abfindungen<br />

für die Mitarbeiter eines von Schließung<br />

bedrohten Werks zu erzwingen.<br />

Zwar sind die Strafen für die Geiselnehmer<br />

nach französischem Recht eindeutig: fünf<br />

Jahre Gefängnis und 75000 Euro Geldstrafe<br />

für eine Freiheitsberaubung bis zu sieben<br />

Tage, 20 Jahre Knast, wenn die Aktion<br />

länger dauert.<br />

Auf die abschreckende Wirkung der Paragrafen<br />

zu setzen bringt betroffenen Unternehmen<br />

nichts. Noch kein Geiselnehmer<br />

im Arbeitskampf hat je die harte Hand<br />

des Staates gespürt. Er sei Bürger und könne<br />

die Wut der Beschäftigten verstehen,<br />

druckste Innenminister Manuel Valls vorige<br />

Woche. Selbst die Kündigung der Geiselnehmer<br />

lässt sich kaum durchsetzen.<br />

Vor diesem Hintergrund ist jenseits des<br />

Rheins ein kleiner kurioser Geschäftszweig<br />

entstanden: Unternehmensberatungen,<br />

die Manager auf Freiheitsberaubung durch<br />

erboste Arbeiter vorbereiten. Auslöser der<br />

Geschäftsidee war das Jahr 2009, der Höhepunkt<br />

der Finanzkrise, als in Frankreich<br />

Unternehmen wie Caterpillar, Molex, 3M,<br />

Sony und Heuliez Schauplatz von Geiselnahmen<br />

durch Gewerkschafter waren.<br />

NOTFALLPAKET MIT SCHOKOLADE<br />

In dieser Zeit stieg auch Arnaud Dupui-<br />

Castérès, Chef der auf Krisenkommunikation<br />

spezialisierten Unternehmensberatung<br />

Vae Solis, in Paris in das Geschäft ein.<br />

Seitdem bietet sein Haus Seminare für Manager,<br />

deren Unternehmen vor Umstrukturierungen<br />

oder der Schließung stehen.<br />

„Das Wichtigste ist, nicht die Nerven zu<br />

verlieren“, sagt Dupui-Castérès. Er rät Managern,<br />

wenn sich Arbeitskämpfe abzeichnen,<br />

zum persönlichen Notfallplan: frische<br />

Wäsche im Kleiderschrank im Büro, Zahnbürste<br />

und Zahnpasta im Schreibtisch, ein<br />

Ladekabel fürs Handy und Nervennahrung<br />

wie Schokolade oder Kaubonbons.<br />

Goodyear-Manager Dheilly und seinem<br />

Leidensgefährten, Personalchef Bernard<br />

Glesser, hätte das allein wenig geholfen.<br />

Denn eine Geiselnahme belastet auch die<br />

Psyche. Ein erboster Mitarbeiter zog Glesser<br />

etwa provozierend am Ohr. Die Aufnahmen<br />

schockierten die US-Konzernzentrale.<br />

Um dies seelisch durchzustehen, bietet<br />

Consulter Dupui-Castérès Managern Trainings<br />

mit dem französischen Sondereinsatzkommandos<br />

GIGN, dem Pendant zur<br />

deutschen GSG9. Dabei müssen sich die<br />

Chefs im Rollenspiel beleidigen, bespucken<br />

und anrempeln lassen. Die Demütigungen<br />

seien für Manager schwer zu verkraften,<br />

sagt Dupui-Castérès. „Wichtig ist,<br />

den Dialog aufrechtzuerhalten, trotz des<br />

verständlichen Ärgers sachlich zu diskutieren<br />

und Lösungen anzubieten.“<br />

Es helfe Geiseln nicht, so der Geiselberater,<br />

„sich in die Schmollecke zurückzuziehen<br />

oder gar aggressiv zu reagieren“. Das<br />

verlängere nur die Haft. Mehr Erfolg verspreche,<br />

Klartext zu reden und Geiselnehmern<br />

klarzumachen, dass sie eine rote Linie<br />

überschritten hätten. Gleichzeitig sollte<br />

die Führungskraft aber einen möglichen<br />

Ausweg aus der Situation aufzeigen. „So<br />

schwer das auch fällt, am Ende zählt, dass<br />

beide Seiten meinen, mit erhobenem Kopf<br />

aus der Situation herauszukommen.“<br />

Vor allem Außenstellen ausländischer<br />

Unternehmen in Frankreich sind Opfer<br />

von Geiselnahmen wie jetzt bei Goodyear.<br />

Hoffnungen, dass sich dies ändert, können<br />

sie sich offenbar kaum machen. „Die Richter<br />

in Frankreich zögern häufig, einen<br />

Rechtsbruch festzustellen“, kritisiert Arnaud<br />

Tessier, Arbeitsrechtler bei der Anwaltssozietät<br />

Capstan in Paris. Und die<br />

Staatsanwaltschaft halte das Kräftemessen<br />

gar für einen „Ausdruck französischer Sozialkultur“<br />

und drücke beide Augen zu. n<br />

karin.finkenzeller@wiwo.de | Paris<br />

Ausdruck französischer Sozialkultur<br />

Aufgebrachte Arbeiter, Goodyear-Manager<br />

Glesser (Rücken vorne links) und Dheilly<br />

(Rücken vorne rechts) bei der Geiselnahme<br />

Ende einer Bewährungsprobe<br />

Polizei-Eskorte für Glesser (vorne) und Dheilly<br />

(gestreifter Pullover) nach der Freilassung<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 61<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Unternehmen&Märkte<br />

»Wir reißen alles Überalterte ab«<br />

INTERVIEW | Jean-François Decaux Der Chef des weltgrößten Außenwerbekonzerns JC Decaux will in<br />

Deutschland weiter wachsen und verknüpft Reklametafeln mit dem Internet.<br />

Monsieur Decaux, wann haben Sie zuletzt<br />

in den Kleistereimer gegriffen und ein<br />

Werbeplakat an eine Hauswand geklebt?<br />

Decaux (schaut entgeistert): Ich habe noch<br />

nie Plakate geklebt.<br />

Sie sind Chef des größten Außenwerbers<br />

der Welt und haben nie gekleistert?<br />

Genau, und ich bin stolz darauf. Denn<br />

mein Vater hat 1964 ein neues Geschäftsmodell<br />

erfunden: Er fing weltweit als Erster<br />

damit an, Plakate hinter Glas aufzuhängen,<br />

und erfand das Konzept der Stadtmöblierung.<br />

Wir schließen mehrjährige Pachtverträge<br />

mit Städten, Flughäfen und Bahnhöfen<br />

für öffentliche Flächen ab, stellen dort<br />

Bushaltestellen und Werbeträger auf und<br />

vermarkten sie an Werbekunden. Dieses<br />

Geschäft habe ich von der Pike auf gelernt.<br />

Und Plakate kleben war für meinen Vater<br />

damals schon „old fashioned“.<br />

Bei Ihren Wettbewerbern wird aber noch<br />

munter geklebt...<br />

Ja, aber unser Konzept setzt sich durch. In<br />

Wiesbaden, wo wir vor zwei Jahren den Zuschlag<br />

von der Stadt bekommen haben,<br />

haben wir im öffentlichen Raum alle traditionellen<br />

Plakatwände abgebaut – obwohl<br />

die Hälfte noch Klebeflächen waren. Weil<br />

das bundesweit passiert und viele unansehnliche<br />

Flächen verschwinden, steht<br />

Stadtmöblierung mittlerweile für 40 Prozent<br />

der Außenwerbung in Deutschland,<br />

Tendenz weiter wachsend.<br />

JC Decaux behauptet, weltweit eine halbe<br />

Milliarde Menschen mit Werbung zu<br />

erreichen. Was bringt das eigentlich, wo<br />

Werbemärkte doch lokal funktionieren?<br />

Das eine schließt das andere ja nicht aus:<br />

Einerseits können wir sehr kleinteilig<br />

Märkte bedienen und sogar einzelne Werbetafeln<br />

stundenweise vermieten. Andererseits<br />

bringt uns diese Reichweite Vorteile<br />

bei Kunden, die global in Außenwerbung<br />

investieren wollen, aber am liebsten<br />

alles aus einer Hand bekommen. Außerdem<br />

spüren wir durch unsere Präsenz in<br />

mehr als 60 Ländern schneller neue<br />

Trends an der Schnittstelle zwischen Mobilität<br />

und Werbung auf. In Paris, Berlin<br />

und Singapur betreiben wir Entwicklungslabors<br />

mit mehr als 250 Ingenieuren, deren<br />

Job es ist, Wege zu finden, Straßenland-<br />

WELTWEITER WERBER<br />

Decaux, 54, führt mit seinem jüngeren Bruder Jean-Charles den an der Pariser Börse notierten<br />

Außenwerbekonzern JC Decaux. Vater Jean-Claude ist Chef des Aufsichtsrats. Bis heute<br />

hält die Familie die Mehrheit der Anteile. Die Decaux-Gruppe, zu der auch die Berliner Wall AG<br />

gehört, vermarktet weltweit Werbeflächen etwa auf Plätzen, Flughäfen, Haltestellen und Mietfahrrädern<br />

und erzielte zuletzt mehr als 2,6 Milliarden Euro Umsatz.<br />

62 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


FOTO: CHRISTOF MATTES FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

schaften, Flughäfen oder U-Bahnhöfe<br />

noch besser für Werbung zu nutzen.<br />

Was kommt dabei heraus?<br />

Im vergangenen Herbst hat beispielsweise<br />

das Modelabel Burberrys in London unsere<br />

digitalen Werbeschirme auf der Hauptverkehrsachse<br />

zum Flughafen Heathrow<br />

während der London Fashion Week drei<br />

Tage lang belegt. Wir haben dazu Bilder<br />

<strong>vom</strong> Laufsteg und Tweets von Menschen,<br />

die in der Schau saßen, live auf den Werbeflächen<br />

eingespielt. Und in Frankfurt hat<br />

unser Joint Venture mit der Fraport AG im<br />

vergangenen Jahr ein LED-Konzept mit<br />

sechs großen Bildschirmen in einer Reihe<br />

auf der Vorfahrt des Flughafens installiert.<br />

Wir können dort flexibel im Tagesablauf<br />

Sprachen oder Werbebotschaften ändern.<br />

Wird das denn gebucht?<br />

Bei Werbekunden kommt das sehr gut an,<br />

wir liegen bereits nach einem halben Jahr<br />

über unseren Planzahlen. Deshalb werden<br />

wir das Konzept auch auf anderen Flughäfen<br />

anbieten. Insgesamt haben wir in<br />

Frankfurt im Vergleich zum Vorjahr bislang<br />

unseren Umsatz um 26 Prozent steigern<br />

können. Damit gehört Frankfurt unter den<br />

mehr als 150 Flughäfen, die wir weltweit<br />

vermarkten, zu den Top Fünf mit den<br />

höchsten Werbeeinnahmen pro Passagier.<br />

Nerven Sie mit Werbung die Fluggäste,<br />

die zum Flieger hetzen, nicht noch mehr?<br />

Nein, im Gegenteil haben wir in weltweiten<br />

Studien selbst bei Vielfliegern festgestellt,<br />

dass diese am Flughafen Werbung regelrecht<br />

erwarten und sich auf sie einlassen –<br />

viel mehr als an anderen Orten.<br />

Schmackhaft machen müssen Sie Ihre<br />

Angebote nicht nur Werbekunden, sondern<br />

vor allem den Mediaagenturen, die<br />

im Auftrag Werbung kaufen. Wie stark<br />

wächst der Druck auf Ihre Preise?<br />

Wie alle Medien spüren auch wir immens<br />

wachsenden Druck vonseiten der Agenturen.<br />

Wenn beispielsweise <strong>2<strong>01</strong>4</strong> die Fusion<br />

von Publicis und Omnicom erlaubt wird,<br />

kauft allein dieses neue Unternehmen 40<br />

Prozent der gesamten TV-Werbung in den<br />

USA ein. Und natürlich wollen die auch<br />

von uns immer höhere Rabatte – die wir<br />

aber nicht gewähren wollen. Wir müssen<br />

weiter wachsen, um dagegenhalten zu<br />

können. Decaux ist Treiber der Konsolidierung<br />

im Außenwerbemarkt: Zuletzt haben<br />

wir uns an Unternehmen in Russland, Brasilien<br />

und der Schweiz beteiligt.<br />

In Deutschland allerdings dürfte kaum<br />

noch etwas für Sie zu kaufen sein?<br />

Nein, wir setzen hier auf organisches<br />

Wachstum. Wir sind zwar an der Börse,<br />

aber immer noch ein Familienunternehmen<br />

mit langfristiger Perspektive. Die Zeit<br />

arbeitet für uns. 2003 etwa wurde der Außenwerber<br />

DSM verkauft, an dem 26 Städte<br />

beteiligt waren. Und obwohl wir ohne<br />

die DSM in keiner dieser Städte Fuß fassen<br />

konnten, haben wir uns gegen ein Angebot<br />

entschieden.<br />

Ihr Konkurrent Ströer aus Köln kaufte die<br />

DSM für 260 Millionen Euro.<br />

Ja, und heute, ein Jahrzehnt nach dem Verkauf,<br />

gibt es in DSM-Städten wie Frankfurt<br />

und Essen die Entscheidung, erstmals die<br />

Werberechte auszuschreiben…<br />

...die Sie sich nun schnappen wollen?<br />

Nun, es spricht einiges für uns. Anders als<br />

mancher Konkurrent sind wir schuldenfrei.<br />

Das ist wichtig in einem Geschäft, bei<br />

dem Sie alle 15 Jahre reinvestieren müssen,<br />

wenn die Konzessionsverträge auslaufen.<br />

Wir können den Städten einen kompletten<br />

Austausch der Werbeflächen bieten. Wir<br />

Das machen auch TV-Sender und einige<br />

Verlage so, die Großagenturen pauschal<br />

einen Teil ihrer Werbeplätze verkaufen,<br />

die diese dann auf eigene Rechnung weiterverkaufen.<br />

Sie machen das nicht mit?<br />

Auf keinen Fall, wir vermarkten unser Portfolio<br />

zu 100 Prozent selbst. Es kommt nicht<br />

infrage, dass Agenturen Flächen von uns<br />

an unsere Kunden verkaufen.<br />

Aber Werbung auf Smartphones wächst.<br />

Ist es nicht clever von Ströer, Online- und<br />

Außenwerbung zusammen anzubieten?<br />

Nein, weil es keinen Mehrwert schafft. Der<br />

Versuch, verschiedene Medien im Paket an<br />

Werbekunden zu verkaufen, ist bisher immer<br />

gescheitert. Konkurrenten wie CBS oder<br />

ClearChannel haben Außenwerbung mit TV<br />

oder Radio kombiniert. Wozu hat das geführt?<br />

Kunden wollten mehr Rabatt. Hinzu<br />

kommt: Warum sollten wir uns im Internet<br />

auf einen Wettlauf mit Google und Apple<br />

einlassen, die diesen Werbemarkt dominie-<br />

»Der Versuch, verschiedene Medien im<br />

Paket zu vermarkten, ist gescheitert«<br />

sagen Frankfurt: Wir reißen alles Überalterte<br />

ab. Dort gibt es Werbeträger, die seit<br />

80 Jahren da stehen. In Wiesbaden war das<br />

genauso. Ströer ist in einer anderen Position,<br />

sie haben damals für diese Werberechte<br />

Millionenbeträge ausgegeben. Entsprechend<br />

bieten sie den Städten nur eine Teilmodernisierung<br />

an. Das ist die Alternative.<br />

In Deutschland bekommt die Außenwerbung<br />

gerade fünf Prozent der Werbeausgaben.<br />

Lohnt sich Ihr Investment überhaupt?<br />

In Frankreich steht Außenwerbung für<br />

zwölf, in Russland sowie in China für 15<br />

Prozent der Werbeausgaben. Deutschland<br />

sollte mindestens auf dem Niveau von<br />

Großbritannien liegen, dort sind es knapp<br />

zehn Prozent. Wir sehen die Chance, den<br />

Anteil spürbar zu steigern.<br />

Ströer kaufte Online-Firmen und setzt auf<br />

die kombinierte Werbung in Internet und<br />

draußen. Hinken Sie da nicht hinterher?<br />

Nein, Online ist nicht unser Kerngeschäft.<br />

Für mich steckt hinter dieser Investition<br />

der Versuch von Ströer, mehr Relevanz bei<br />

Mediaagenturen zu bekommen. Die Zahl<br />

der Werbeflächen in der wirklichen Welt ist<br />

begrenzt; mit den virtuellen Flächen im<br />

Netz setzt Ströer nun offenbar darauf, größere<br />

Mengen verkaufen zu können und sogenannte<br />

Trading-Deals zu verhandeln.<br />

ren? Wir suchen lieber sinnvolle Schnittpunkte<br />

mit Unternehmen wie Google.<br />

Sie setzen zum Beispiel auf ein neues<br />

virtuelles Spiel, das Sie gemeinsam mit<br />

Google gerade in den USA ausprobieren?<br />

Ja, wir beteiligen uns an dem mobilen Spiel<br />

Ingress, das Wirklichkeit und virtuelle Welt<br />

mischt. Leute, die mitspielen, bekommen<br />

an bestimmten Orten Botschaften auf ihr<br />

Mobiltelefon. Eingebunden sind 70 unserer<br />

digitalen Werbeträger auf den Airports<br />

in New York und Los Angeles, die so noch<br />

mehr Aufmerksamkeit bekommen.<br />

Das ist aber doch bloß ein Spiel?<br />

Aber eines, das den Wert unserer Angebote<br />

steigert. Wir gehen auch andere Wege: In<br />

Seoul haben wir mit der Supermarktkette<br />

Tesco digitale Displays getestet, die in Buswartehallen<br />

aufgestellt sind und an denen<br />

Menschen per Smartphone direkt Milch,<br />

Brot und Käse bestellen können. Werbeträger<br />

können Verkaufsstellen werden und<br />

unsere Kunden direkt messen, was ihnen<br />

Reklame in die Kasse bringt.<br />

Zumindest so lange, bis den Menschen<br />

die Werbung auf den Wecker geht?<br />

Da bin ich entspannt, denn wir haben einen<br />

Vorteil gegenüber Radio und TV: Unsere<br />

Werbeträger kann man nicht abschalten. n<br />

peter.steinkirchner@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 63<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Technik&Wissen<br />

Glasnost im Tank<br />

AUTO | Das kennt jeder: Im Prospekt noch so sparsame Neuwagen schlucken im<br />

Alltag viel mehr Treibstoff. Ein neuer Test soll nun endlich realistischere Verbrauchswerte<br />

liefern. Doch in den Details steckt jede Menge Sprengkraft. Die Industrie fürchtet<br />

die Verschärfung der Klimaziele durch die Hintertüre.<br />

Mit der Freude über den schicken<br />

Neuwagen war es bei<br />

Helge Kondring aus Herne<br />

schnell vorbei. Denn sein<br />

Renault Scénic entpuppte<br />

sich als echter Schluckspecht. Hatte der<br />

Hersteller im Prospekt noch mit einem<br />

Durchschnittsverbrauch von nur 7,7 Liter<br />

pro 100 Kilometer geworben, zeigte der<br />

Bordcomputer von Anfang an Werte bis zu<br />

<strong>13</strong> Liter. Kondring beschwerte sich beim<br />

Händler. Der wimmelte ihn mit dem Hinweis<br />

auf den „strengen Winter“ und später<br />

mit der Bemerkung „das Auto ist noch<br />

nicht eingefahren“ ab. Die Botschaft beim<br />

letzten Kontakt, als der Winter schon vorüber<br />

war: „Das müsse am Fahrer liegen.“<br />

Der hatte daraufhin die Nase voll. Kondring<br />

klagte und siegte auf ganzer Linie:<br />

Anfang 2<strong>01</strong>3 musste Renault den Scénic<br />

zurücknehmen und Kondring die komplette<br />

Kaufsumme von rund 20 000 Euro<br />

plus Zinsen zurückerstatten. Denn der<br />

TÜV-Nord hatte auf dem Prüfstand nachgewiesen,<br />

dass der Verbrauch nicht nur<br />

deutlich höher lag als im Prospekt ausgewiesen.<br />

Er überschritt auch noch die von<br />

den Gerichten als gerade noch tolerabel<br />

angesehenen zehn Prozent Abweichung.<br />

So wie Kondring geht es vielen Neuwagenkäufern<br />

– und nicht wenige klagen. Seit<br />

Jahren diskutieren Verkehrsexperten, Hersteller<br />

und Politiker daher, wie sich der<br />

Normverbrauch endlich praxisnäher ermitteln<br />

lässt. Denn der Mitte der Neunzigerjahre<br />

gesetzlich verordnete „Neue Europäische<br />

Fahrzyklus“ – kurz NEFZ genannt<br />

– wird dem modernen Fahrzeugund<br />

Motorenbau schon lange nicht mehr<br />

gerecht.<br />

Jetzt kommt endlich Bewegung in die<br />

Diskussion: Im März will ein Normierungsgremium<br />

der Vereinten Nationen (UNECE)<br />

in Genf ein neues Testverfahren verabschieden.<br />

Der zugrunde liegende Fahrzyklus<br />

soll den Alltagsbedingungen näher<br />

kommen und unter anderem auch mittlerweile<br />

weitverbreitete Extras wie Klimaanlagen<br />

und Sitzheizungen berücksichtigen,<br />

die den Verbrauch nach oben treiben.<br />

Das alleine mag manchen Verkäufer vergrätzen,<br />

der bisher stolz mit den niedrigen<br />

Verbräuchen seiner Modelle warb. Was<br />

aber die deutschen Autokonzerne bei den<br />

Plänen alarmiert, ist etwas anderes: Ein<br />

Der Streit um die<br />

Klimaschutzziele<br />

beginnt in Brüssel<br />

von vorn<br />

höherer Normverbrauch bedeutet auch einen<br />

höheren Ausstoß an Kohlendioxid<br />

(CO 2 ). Und genau den will die Europäische<br />

Union begrenzen. Ende vergangenen Jahres<br />

hatte sich der EU-Ministerrat nach monatelangem<br />

Streit auf ein Flottenlimit von<br />

95 Gramm CO 2 pro Kilometer geeinigt, das<br />

voraussichtlich ab 2020 für alle Pkw-Hersteller<br />

in Europa gelten soll.<br />

Doch dieses Limit, über das die EU-Abgeordneten<br />

im Februar in Brüssel diskutieren,<br />

fußt auf dem alten Messzyklus. Sollte<br />

stattdessen künftig nach der neuen Norm<br />

gemessen werden, es aber bei den anvisierten<br />

95 Gramm CO 2 pro Kilometer bleiben,<br />

käme das einer „Verschärfung der Klimaziele<br />

durch die Hintertür“ gleich, warnt Ulrich<br />

Eichhorn, Geschäftsführer des Verbandes<br />

der Automobilindustrie (siehe Interview<br />

Seite 68).<br />

AKRIBISCHE VORGABEN<br />

Dies träfe vor allem die deutschen Hersteller<br />

mit ihren schweren und leistungsstarken<br />

Modellen. Und so ist das politische<br />

Tauziehen um die Vorgaben, in das sich<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich<br />

zugunsten der deutschen Autoindustrie<br />

eingeschaltet hatte und das gerade<br />

erst beendet schien, schon wieder in<br />

vollem Gange. Kurz vor Weihnachten noch<br />

verhandelten in Brüssel bereits wieder Experten<br />

aus Politik und Industrie in einer<br />

Arbeitsgruppe über die strittigen Details.<br />

Glücklich ist mit der Verbrauchsvorschrift<br />

gut 17 Jahre nach Einführung des<br />

NEFZ inzwischen kaum noch jemand –<br />

auch die Hersteller nicht. Festgeschrieben<br />

hat die EU den NEFZ 1996 mit der Vorschrift<br />

R1<strong>01</strong>. Das Ziel: Schadstoffemissionen und<br />

Kraftstoffverbrauch einzelner Automodelle<br />

unter reproduzierbaren Bedingungen miteinander<br />

vergleichen zu können. Seitdem<br />

muss jedes neue Automodell den Prüfzyklus<br />

durchlaufen, bevor es die Zulassung erhält<br />

– und die Hersteller müssen die auf<br />

dem Prüfstand ermittelten Verbräuche im<br />

Handel und in der Werbung nennen.<br />

Mit dem Alltag hat diese Angabe allerdings<br />

wenig zu tun. Denn der gesetzlich<br />

vorgeschriebene Messzyklus sieht einen<br />

hohen Anteil von Stadtfahrten mit vielen<br />

Stopps, mäßiger Beschleunigung und nur<br />

FOTOS: PR (3),AUTOBILD/TONI BADER, FOTOLIA<br />

64 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Dynamischer Dienstwagen<br />

BMW 520d<br />

Moderner Hybrid<br />

Lexus GS 450h<br />

+36,3 %<br />

Norm:<br />

4,7 Liter<br />

Diesel<br />

Test:<br />

6,4 Liter<br />

Diesel<br />

+61 %<br />

Norm°:<br />

7,9 Liter<br />

Super<br />

Test*:<br />

12,7 Liter<br />

Super<br />

Schwer unter Druck Alltagsnahe Tests zeigen den Trend: Schwere und starke<br />

Autos werden beim neuen Messzyklus überproportional mehr Sprit verbrauchen<br />

Geräumiger Geländewagen<br />

Mercedes GL 350 CDI<br />

Edler Kleinwagen<br />

Audi A1 1.6 TDI<br />

Norm:<br />

7,4 Liter<br />

Diesel<br />

+62 %<br />

Test:<br />

12,2 Liter<br />

Diesel<br />

+26,9 %<br />

Norm:<br />

3,9 Liter<br />

Diesel<br />

Test:<br />

4,9 Liter<br />

Diesel<br />

° Verbrauch nach NEFZ<br />

* Quelle: ADAC, ACE, S<br />

einer kurzen Fahrt über die Autobahn mit<br />

maximal 120 Kilometern pro Stunde vor.<br />

Schaltpunkte und Tempo sind akribisch<br />

vorgegeben, ebenso die Punkte für die<br />

Kupplungsbetätigung bei Autos mit Schaltgetriebe.<br />

Zudem berücksichtigt der NEFZ<br />

weder die Wetterbedingungen noch das<br />

Verhalten des Fahrers – die immer noch<br />

wichtigste Einflussgröße auf den Verbrauch<br />

(siehe Grafik Seite 67).<br />

Das Ergebnis ist eine Art idealer Minimalverbrauch,<br />

der für die meisten Autofahrer<br />

im Alltag ein Zauberwert bleibt. Autokäufern<br />

liefert er allenfalls eine Orientierung:<br />

Das Auto, das auf dem Prüfstand<br />

sparsam unterwegs ist, verspricht auch im<br />

Alltagsverkehr niedrige Verbräuche. Nach<br />

einschlägigen Erfahrungen der Autotester<br />

von Fachmagazinen und des ADAC ist der<br />

Realverbrauch der Wagen aber oft bis zu 25<br />

Prozent höher als auf dem Prüfstand.<br />

Viele Autofahrer vermuten daher hinter<br />

den Normwerten eine systematische Irreführung<br />

durch die Hersteller. Die europäische<br />

Umweltschutzorganisation Transport<br />

& Environment (T&E) in Brüssel bezeichnet<br />

NEFZ schlicht als „veraltet“ und „voller<br />

Schlupflöcher“, die die Hersteller zu nutzen<br />

wissen. In einer Untersuchung von T&E<br />

heißt es: „Diese Studie hat keinen klaren<br />

Beweis gefunden, dass Hersteller Regeln<br />

des NEFZ-Tests brechen. Aber das ist auch<br />

gar nicht nötig, denn der NEFZ-Ablauf ist<br />

lax und bietet umfangreiche Möglichkeiten<br />

zur Manipulation.“<br />

Doch auch die Autoindustrie hadert<br />

längst mit der Norm, weil sich die Antriebstechnik<br />

in den zurückliegenden 17 Jahren<br />

weiterentwickelt hat und sich der tech-<br />

»<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 65<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Technik&Wissen<br />

VERBRAUCHSMESSUNG<br />

Im Kriechgang<br />

Wie der neue Messzyklus die größten<br />

Schwächen des alten Tests behebt<br />

und realistischere Werte liefert.<br />

1 Ausstattung Getestet werden im aktuellen<br />

Verfahren NEFZ jeweils die Basismodelle<br />

eines Fahrzeugtyps – ohne gefragte<br />

Extras wie Sitzheizungen, Navis oder<br />

Klimaanlagen, die Gewicht und Verbrauch<br />

erhöhen. Der kommende Messzyklus<br />

WLTP fordert dagegen, durchschnittlich<br />

ausgestattete Fahrzeuge zu testen.<br />

2 Elektrik Bisher schicken die Hersteller<br />

ihre Fahrzeuge mit voll geladener Batterie<br />

in den Test und vermeiden, dass die<br />

Lichtmaschine diese im Verlauf der Testfahrt<br />

wieder auflädt und dabei Motorleistung<br />

frisst. Durch den Trick würde der<br />

Wagen im Alltag nach wenigen Kilometern<br />

mit leerer Batterie liegen bleiben; er<br />

soll künftig nicht mehr möglich sein.<br />

3 Tempo Der Testzyklus NEFZ lässt Autos<br />

26 Sekunden Zeit, um im Kriechgang von<br />

null auf 60 Kilometer pro Stunde<br />

zu beschleunigen. Ein<br />

moderner durchschnittlicher<br />

Golf von Volkswagen<br />

ist in weniger als<br />

zehn Sekunden 100 Kilometer<br />

pro Stunde schnell.<br />

Die simulierte Autobahnfahrt<br />

dauert derzeit nur<br />

400 Sekunden lang und endet<br />

bei 120 Kilometern pro<br />

Stunde. Dies entspricht zwar der Höchstgeschwindigkeit<br />

vieler Länder in Europa,<br />

es blendet aber aus, dass Ottomotoren bei<br />

höherem Tempo mit zusätzlichem Kraftstoff<br />

im Zylinder gekühlt werden müssen,<br />

um Motorschäden zu verhindern. Das<br />

treibt den Verbrauch bei schnelleren Autobahnpassagen<br />

steil nach oben. Der neue<br />

WLTP-Zyklus erhöht das Durchschnittstempo<br />

um 38 Prozent und die Spitzengeschwindigkeit<br />

auf <strong>13</strong>1 km/h (siehe Grafik<br />

Seite 67).<br />

4 Fahrdynamik Bisher steht das Messfahrzeug<br />

rund 20 Prozent des Normzyklus<br />

still – dadurch haben Spritspartechniken<br />

wie das Start-Stopp-System<br />

auf dem Prüfstand einen überproportionalen<br />

Effekt. Umso mehr, weil der städtische<br />

Fahrmodus mit viel Stop-and-go-<br />

Verkehr gegenüber anderen<br />

Hybride<br />

profitieren überproportional<br />

Fahrsituationen übergewichtet ist. In Zukunft<br />

geht der Verbrauch bei Fahrten auf<br />

Land- und Schnellstraßen sowie Autobahn<br />

gleichberechtigt in die Messung ein.<br />

5 Antriebstechnik Heute begünstigt das<br />

Messverfahren Hybridfahrzeuge doppelt.<br />

Zum einen, weil sie einen kürzeren Messzyklus<br />

durchlaufen müssen – eine gut elf<br />

Kilometer lange Kombination aus Stadtund<br />

Überlandfahrt, die sie je einmal mit<br />

Elektro- und dann mit Verbrennerantrieb<br />

durchfahren. Zum anderen, weil die elektrische<br />

Runde, in der kein Sprit verbraucht<br />

wird, mit einem Verbrauch von null Liter in<br />

die Formel eingeht. Und das, obwohl für<br />

die Produktion jeder Kilowattstunde<br />

Strom, die in der Batterie gespeichert ist,<br />

Energie aufgewandt und CO 2 produziert<br />

wird. Aufgrund solcher Messmethoden<br />

schafft etwa BMWs Sportwagen i8 einen<br />

Normverbrauch von nur 2,7 Liter auf 100<br />

Kilometer – bei 354 PS Leistung. Noch<br />

ringen Hersteller und Experten darum, wie<br />

ein realistischerer WLTP-Fahrzyklus für<br />

Hybride aussehen könnte.<br />

6 Tuning Derzeit ist der Einsatz spezieller,<br />

sehr teurer Öle erlaubt, welche die Reibung<br />

und damit den Verbrauch<br />

senken. Die Hersteller nutzen sie<br />

wegen der hohen Kosten meist<br />

nicht in den Serienwagen. Auch<br />

ein besonders hoher, aber im<br />

Alltag unrealistischer Reifendruck<br />

sowie schmale Leichtlaufreifen,<br />

die den Verbrauch<br />

senken, sind zugelassen. Der<br />

WLTP-Zyklus schreibt künftig vor,<br />

den Messzyklus mit den zweitbreitesten<br />

für den Autotyp zugelassenen Reifen zu<br />

durchfahren.<br />

7 Temperatur Im bisherigen Testzyklus<br />

sind Temperaturen von bis zu 30 Grad auf<br />

dem Rollenprüfstand möglich. Die haben<br />

zwar wenig mit der europäischen Durchschnittstemperatur<br />

von unter zehn Grad<br />

zu tun, lassen aber die Motoren viel<br />

schneller warm werden und so weniger<br />

verbrauchen. Das für niedrige Normverbräuche<br />

günstige Hochsommerklima wird<br />

im neuen Zyklus zumindest auf maximal<br />

23 Grad begrenzt.<br />

8 Messtoleranz Bisher können die Hersteller<br />

die im Test ermittelten CO 2 -Werte<br />

pauschal um vier Prozent Messtoleranz<br />

kürzen, bevor sie diese der Zulassungsbehörde<br />

melden. Auch das wird sich im<br />

neuen Zyklus ändern.<br />

»<br />

nische Fortschritt etwa in Form von<br />

Hybrid- und Elektroantrieben in dem Prüfzyklus<br />

nur teilweise abbilden lässt.<br />

UNERWÜNSCHTER NEBENEFFEKT<br />

Für Glasnost im Tank soll daher der neue<br />

Prüfzyklus sorgen, nicht nur in Europa. Seit<br />

2009 debattieren Industrievertreter, Politiker<br />

und Umweltschützer das „World Harmonized<br />

Light Duty Vehicles Test Procedure“<br />

genannte Verfahren, kurz: WLTP.<br />

Es soll die Typprüfung weltweit einheitlich<br />

regeln sowie Verbrauchs- und Abgaswerte<br />

liefern, die den Verhältnissen im Alltagsverkehr<br />

näher als bisher kommen. Der<br />

Testlauf auf dem Rollenprüfstand wird<br />

nach dem neuen Zyklus deutlich länger<br />

dauern als heute üblich, es wird stärker beschleunigt<br />

und mit einer Spitzengeschwindigkeit<br />

von <strong>13</strong>1 Kilometern pro Stunde gefahren<br />

(siehe Grafik Seite 67).<br />

Sollte sich die EU-Kommission durchsetzen,<br />

müssten die deutschen Hersteller<br />

von oftmals PS-starken Premiumautos den<br />

CO 2 -Ausstoß noch stärker reduzieren als<br />

bisher gefordert. Schätzungen zufolge wird<br />

der Verbrauch im WLTP nicht nur zwischen<br />

15 und 25 Prozent höher ausfallen<br />

als beim NEFZ. Der Mehrverbrauch liegt<br />

bei größeren Autos wie SUVs und schweren<br />

Limousinen auch noch höher als bei<br />

Kleinwagen.<br />

DROHENDE STRAFEN<br />

Und wenn die Verbräuche im neuen Testzyklus<br />

steigen, nimmt natürlich auch der<br />

Ausstoß des Klimagases CO 2 zu. Gilt dann<br />

ab 2020 immer noch der Grenzwert von 95<br />

Gramm CO 2 nach der alten Norm? Genau<br />

das ist der Knackpunkt für die Autobauer:<br />

Wenn WLTP schnell eingeführt wird,<br />

müssten sie den Verbrauch noch stärker<br />

senken, um empfindliche Strafen zu vermeiden.<br />

Aus Sicht der Industrie sind daher<br />

Regeln für den „Spurwechsel“ zum neuen<br />

Zyklus nötig.<br />

Auch der Europäische Automobilverband<br />

Acea warnt daher vor einer zu raschen<br />

Einführung von WLTP. Die neue<br />

Norm soll erst nach 2021 gelten, damit die<br />

bisherigen Ziele unverändert blieben, argumentierte<br />

denn auch ein Acea-Vertreter<br />

beim jüngsten Treffen der Expertengruppe<br />

in Brüssel kurz vor Weihnachten. „Die<br />

Branche kann keine zusätzliche Belastung<br />

bei den künftigen CO 2 -Zielen akzeptieren“,<br />

sagte Acea-Lobbyist Simon Godwin.<br />

Die Gretchenfrage ist: Wie wird das Ziel<br />

von 95 Gramm CO 2 pro Kilometer von der<br />

aktuellen Norm auf WLTP umgerechnet?<br />

FOTO: FOTOLIA<br />

66 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Schneller, höher, weiter<br />

Künftigwirdder Normverbrauch vonNeuwagen beihöheremTempo undlängeren<br />

Strecken vermittelt.Sounterscheiden sichdie Messzyklen aufdem Prüfstand<br />

Alter<br />

Zyklus<br />

NEFZ<br />

Neuer<br />

Zyklus<br />

WLTP<br />

Vier Mal Stadtzyklus durchfahren<br />

1. Phase<br />

Langsam<br />

Stadt<br />

2. Phase<br />

Mittel<br />

max. 50 km/h max. 75 km/h max. 100km/h max.<strong>13</strong>1 km/h<br />

Landstraße<br />

Stadt<br />

Mit einem einfachen Dreisatz ist es nicht<br />

getan, dafür sind beide Verfahren zu unterschiedlich.<br />

Bei der Umrechnung drohten<br />

zusätzlich „massive Wettbewerbsverzerrungen“,<br />

da nicht gewährleistet sei, dass alle<br />

Hersteller gleich behandelt würden, befürchtete<br />

der Acea-Vertreter Godwin.<br />

Deutsche Autobauer, die überwiegend<br />

große, leistungsstarke und schwere Fahrzeuge<br />

herstellen, hätten Nachteile, Produzenten<br />

von Kleinwagen beispielsweise in<br />

Italien und Frankreich Vorteile.<br />

Die EU-Kommission lässt sich von solchen<br />

Argumenten bisher nicht beeindrucken<br />

und will WLTP ab 2<strong>01</strong>7 für alle neu<br />

eingeführten Modelle und ab 2<strong>01</strong>8 für alle<br />

Neuwagen verpflichtend machen. Die<br />

Bundesregierung stellt sich dagegen, sie<br />

unterstützt die Argumentation der deutschen<br />

Autoindustrie.<br />

VERWIRRENDER ZAHLENFRIEDHOF<br />

Allenfalls ein Nebeneinander beider Verbrauchsangaben<br />

ist nach den Vorstellungen<br />

des Branchenverbandes VDA denkbar.<br />

Der Autokäufer würde dann an seinem<br />

Wunschmodell zwei Verbrauchsangaben<br />

vorfinden, die alte nach NEFZ und die<br />

neue höhere nach WLTP. Aber nur für den<br />

alten Wert wäre auch ein CO 2 -Ausstoß mit<br />

angegeben, für den WLTP-Wert käme der<br />

erst nach 2021.<br />

Ob das sinnvoll ist, ist eher zweifelhaft.<br />

Denn der Käufer fände am Ausstellungs-<br />

3. Phase<br />

Schnell<br />

Bundesstraße<br />

Ein Malaußerortsfahren<br />

4. Phase<br />

Sehr schnell<br />

Autobahn<br />

Stadt<br />

Maximal:<br />

120km/h<br />

Mittleres Tempo:<br />

33,6 km/h<br />

Dauer:<br />

ca.20Minuten<br />

Maximal:<br />

<strong>13</strong>1km/h<br />

Mittleres Tempo:<br />

46,5 km/h<br />

Dauer:<br />

30 Minuten<br />

fahrzeug eine Art Zahlenfriedhof vor, der<br />

mehr verwirrt als informiert.<br />

Andere Länder sind schon weiter: Die<br />

Messverfahren in den USA sind schon heute<br />

weitaus dynamischer und ergeben daher<br />

in der Regel um bis zu 15 Prozent höhere<br />

Verbrauchswerte als der NEFZ-Wert. Die<br />

Amerikaner sind mittlerweile aus dem<br />

WLTP -Verfahren ausgestiegen, obwohl sie<br />

bei Verhandlungsbeginn 2009 den neuen<br />

Weltstandard noch unterstützt hatten. Bei<br />

den 765 000 Autokilometern, die zu dessen<br />

Entwicklung ausgewertet wurden, waren<br />

neben Strecken aus Europa und Asien deshalb<br />

auch Fahrten in Nordamerika dabei.<br />

Die USA gehen übrigens sehr viel strenger<br />

gegen Hersteller vor, wenn diese den<br />

Verbrauch ihrer Autos schönen. Der koreanische<br />

Autobauer Hyundai und dessen<br />

Konzernmarke Kia mussten Ende 2<strong>01</strong>2 einräumen,<br />

dass bei rund 900 000 in Amerika<br />

verkauften Wagen der angegebene Verbrauch<br />

nicht stimmte. Der US-Umweltbehörde<br />

zufolge schluckten einzelne Modelle<br />

im Extremfall bis zu 1,5 Liter auf 100 Kilometer<br />

mehr als im Prospekt angegeben.<br />

Kia und Hyundai müssen nun jedem Autofahrer<br />

die Mehrkosten für den Sprit bezahlen<br />

– bis die Autos verschrottet werden.<br />

Auf den Deal hätte sich wohl auch Renault-<br />

Käufer Kondring eingelassen.<br />

n<br />

juergen.rees@wiwo.de, silke wettach | Brüssel<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 68 »<br />

SIEBEN SPARTIPPS<br />

Wenig bremsen<br />

Nichts beeinflusst den Verbrauch<br />

mehr als der Fahrstil. So schonen<br />

Sie Geldbeutel und Umwelt.<br />

Das Ziel ist, flott zu beschleunigen,<br />

möglichst rasch hochzuschalten und<br />

dann mit niedrigen Drehzahlen die gewählte<br />

Geschwindigkeit beizubehalten.<br />

Nach den Erfahrungen des ADAC lassen<br />

sich mit den folgenden Tipps bis zu<br />

30 Prozent Treibstoff sparen:<br />

n Nicht mehr benötigte Getränkekisten,<br />

Dachboxen oder Fahrradträger sollten<br />

Sie aus dem Auto verbannen. Denn 100<br />

Kilogramm Gewicht verursachen bis zu<br />

0,3 Liter Mehrverbrauch pro 100 Kilometer,<br />

Dachgepäckträger erhöhen den<br />

Luftwiderstand.<br />

n Den Motor starten, ohne das Gaspedal<br />

zu betätigen, und sofort losfahren.<br />

Im Leerlauf verbraucht das Auto bis zu<br />

einem Liter Sprit pro Stunde. Das –<br />

verbotene – Warmlaufen schadet der<br />

Umwelt; zudem erwärmt sich das Auto<br />

nach Tests des ADAC auch gar nicht.<br />

n Nach dem Anfahren sofort in den<br />

zweiten Gang schalten. Mit Dreiviertelgas<br />

zügig beschleunigen und früh hochschalten.<br />

n Zurückschalten ist nicht erforderlich,<br />

solange der Motor, ohne zu ruckeln,<br />

Gas annimmt. Nach jedem Schaltvorgang<br />

ist wieder ein Tritt aufs Gaspedal<br />

notwendig – das kostet jedes Mal Sprit.<br />

n Vorausschauend fahren – jedes<br />

Bremsen vergeudet Energie. So lange<br />

wie möglich die Motorbremswirkung<br />

nutzen. Im Schiebebetrieb, etwa beim<br />

Heranrollen an eine Ampel, nicht auskuppeln.<br />

Die meisten Autos sind mit<br />

einer Schubabschaltung ausgerüstet,<br />

welche die Kraftstoffzufuhr in dieser<br />

Situation unterbricht.<br />

n Die Gangwahl beeinflusst unmittelbar<br />

den Kraftstoffverbrauch. Daher sollten<br />

Sie stets im höchstmöglichen Gang<br />

fahren. Einsparungen bis zu 20 Prozent<br />

und mehr sind nach Messreihen des<br />

ADAC möglich.<br />

n Sitz-, Fensterheizung oder Klimaanlagen<br />

ausschalten, wenn Sie sie nicht<br />

mehr benötigen. Klimaanlagen erhöhen<br />

den Verbrauch um bis zu zwei Liter pro<br />

100 Kilometer.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 67<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Technik&Wissen<br />

INTERVIEW Ulrich Eichhorn<br />

»Wie im Fußball«<br />

Deutsche Autobauer fürchten, durch neue Verbrauchsangaben<br />

ins Abseits zu geraten. Der VDA-Geschäftsführer erklärt, warum.<br />

Herr Eichhorn, haben Sie sich in letzter<br />

Zeit selbst ein Auto gekauft und darauf<br />

geachtet, was der Wagen verbraucht?<br />

Ich habe mir privat ein Elektroauto bestellt.<br />

Das verbraucht gar keinen Sprit.<br />

Zumindest nach dem aktuellen europäischen<br />

Fahrzyklus NEFZ. Aber Strom<br />

kommt auch aus Kohle- oder Gaskraftwerken.<br />

Die verbrauchen reichlich<br />

Energie und stoßen CO 2 aus. Führt der<br />

NEFZ da nicht in die Irre?<br />

Die meisten Besitzer von Elektroautos<br />

haben einen Grünstromvertrag, auch<br />

ich. Das heißt, der Strom wird nachhaltig<br />

mit Wind, Wasser oder Sonne erzeugt.<br />

Zudem ist der CO 2 -Ausstoß von Elektrizität<br />

aus Kraftwerken bereits komplett über<br />

Emissionsrechte geregelt. Sie können das<br />

nicht zwei Mal regulieren – beim Kraftwerk<br />

und beim Auto.<br />

Was aber nichts an den alltagsfernen<br />

Ergebnissen des Messzyklus ändert.<br />

Warum liefert der teils so unrealistisch<br />

niedrige Werte – egal, ob bei Elektro-,<br />

Hybrid- oder Verbrennungsmotoren?<br />

Der Wert dient in erster Linie dem Vergleich<br />

der Autos unter standardisierten<br />

Messbedingungen. Bei Überlandfahrten<br />

lassen sich die NEFZ-Werte auch unterschreiten.<br />

Aber klar ist:Vor 17 Jahren,<br />

als die Norm eingeführt wurde, waren<br />

Sitzheizungen oder Klimaanlagen<br />

kaum verbreitet, die den Verbrauch<br />

nach oben treiben.<br />

Trotzdem schmückt sich auch<br />

mancher Autobauer gerne mit<br />

dem so ermittelten niedrigen<br />

Verbrauch. Ist das nicht<br />

Verbrauchertäuschung?<br />

Nein, die NEFZ-Werte anzugeben<br />

ist gesetzlich<br />

vorgeschrieben, da haben<br />

die Hersteller<br />

keinen Ermessensspielraum.<br />

Es ist<br />

allseits bekannt,<br />

dass der Realverbrauch zum großen Teil<br />

<strong>vom</strong> persönlichen Fahrstil und der Fahrstrecke<br />

abhängt. Sie können leistungsstarke<br />

Achtzylinder, die im Schnitt zehn Liter<br />

auf 100 Kilometer brauchen, bei zurückhaltender<br />

Fahrt über Land auf sieben Liter<br />

drücken – im Stadtverkehr hingegen geht<br />

es auch mal auf 14 Liter. Das ändert nichts<br />

daran, dass auch wir die Messmethodik für<br />

überholt halten und schon lange auf einen<br />

neuen, realistischeren Zyklus drängen, der<br />

auch weltweit gültig sein soll.<br />

Lange ist gut. Über den neuen Standard<br />

namens WLTP wird seit 2009 gerungen.<br />

Es war schon schwierig, sich auf eine<br />

Norm für Europa zu einigen. Zu unterschiedlich<br />

sind die Fahrbedingungen von<br />

Land zu Land. Und jetzt versuchen wir das<br />

weltweit, da sind Unterschiede noch größer.<br />

In Indien heißt es, ihr fahrt den Zyklus<br />

mit bis zu <strong>13</strong>0 Kilometern pro Stunde. Das<br />

nützt uns gar nichts. Denn in Indien ist so<br />

ein Tempo gar nicht erlaubt, es gibt auch<br />

kaum Straßen, auf denen das möglich<br />

wäre. Die Franzosen monieren, es gäbe zu<br />

viel Autobahnpassagen und zu wenig<br />

Stadtverkehr, und die Deutschen sehen es<br />

genau umgekehrt.<br />

DER TECHNIKER<br />

Eichhorn, 52, ist seit Anfang<br />

2<strong>01</strong>2 Geschäftsführer des Verbandes<br />

der Automobilindustrie<br />

(VDA). Zuvor arbeitete der<br />

Maschinenbau-Ingenieur bei Ford,<br />

VW und Bentley.<br />

Die nächste Norm hat also mit dem<br />

Alltag genauso wenig zu tun wie die alte?<br />

Auch die nächste Norm wird auf dem<br />

Rollenprüfstand ermittelt, auch sie dient<br />

vor allem der Vergleichbarkeit von Marken<br />

und Modellen – unter zeitgemäßen<br />

Rahmenbedingungen und Berücksichtigung<br />

des heutigen Autofahreralltags.<br />

Wie werden sich denn die Verbrauchswerte<br />

im neuen Messzyklus entwickeln?<br />

Die Durchschnittsverbräuche werden je<br />

nach Fahrzeugklasse vermutlich etwas<br />

höher liegen als bisher. Das liegt vor allem<br />

daran, dass der neue Zyklus in einem<br />

höheren Tempo gefahren wird.<br />

Wenn der WLTP den Verbrauch hochtreibt,<br />

ist dann der ab 2020 maximal<br />

zulässige Ausstoß von 95 Gramm CO 2<br />

pro Kilometer noch zu schaffen?<br />

Für die deutsche Autoindustrie ist das definitiv<br />

ein wichtiger Punkt. Das geplante<br />

95-Gramm-Ziel für 2020 basiert auf dem<br />

NEFZ-Zyklus. Man kann jetzt nicht mitten<br />

im Spiel die Regeln verschärfen.<br />

Weshalb nicht?<br />

Weil alle Hersteller klare Regeln brauchen<br />

– wie im Fußball. Wenn sich die<br />

Messvorgaben ändern, müssten auch die<br />

CO 2 -Grenzwerte, also das 95-Gramm-<br />

Ziel, angepasst werden. Das ist sehr komplex,<br />

von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich<br />

und kein einfacher Dreisatz.<br />

Einerseits fordern Sie neue Messvorgaben,<br />

andererseits lehnen Sie eine<br />

schnelle Einführung ab. Was denn nun?<br />

Wir sind für einen neuen Zyklus. Aber für<br />

den muss eine korrekte Umrechnung für<br />

jedes Fahrzeug und jede Motorisierung<br />

gefunden werden, die den Wert von 95<br />

Gramm CO 2 nicht durch die Hintertür<br />

verschärft. Auch darf es keine Wettbewerbsverzerrung<br />

geben. Da geht es auch<br />

um Industriepolitik und den Produktionsstandort<br />

Deutschland.<br />

Wann kriegen wir denn mehr Klarheit?<br />

Wenn der neue Zyklus feststeht, könnten<br />

die Verbrauchswerte nach WLTP durchaus<br />

im Ausstellungsraum bei neuen<br />

Autos angegeben werden. Für die CO 2 -<br />

Regulierung in Europa – Stichwort 95<br />

Gramm-Ziel – muss hingegen weiterhin<br />

der NEFZ die Grundlage sein. Ich<br />

könnte mir vorstellen, dass wir für eine<br />

Übergangszeit mit beiden Werten<br />

arbeiten, bis das komplizierte Umrechnungsverfahren<br />

abgeschlossen ist. Das<br />

aber erfordert noch Zeit.<br />

n<br />

juergen.rees@wiwo.de<br />

FOTO: PR/ELKE A.JUNG-WOLFF<br />

68 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Technik&Wissen<br />

Zukunftstechnik mit Angstpotenzial<br />

Beim Genfood kollidiert die<br />

Freiheit des Bürgerprotests mit<br />

der Freiheit der Forschung<br />

Ramponierter Standort<br />

GENFOOD | Massiver Verbraucherwiderstand auf der einen – Arroganz und Übertreibung auf der<br />

anderen Seite: Ein dogmatischer Grabenkrieg hat Deutschland um die grüne Biotechnik gebracht.<br />

Petunien waren die ersten Opfer. Als<br />

Forscher <strong>vom</strong> Kölner Max-Planck-<br />

Institut für Pflanzenzüchtungsforschung<br />

(MPIPZ) im Frühsommer 1990 gut<br />

30 000 Exemplare dieser lachsroten, weil<br />

gentechnisch veränderten Balkonpflanzen<br />

unter freiem Himmel anbauten, erkoren<br />

Gentechnikgegner Köln zu ihrem Lieblingsziel:<br />

Mehrfach buddelten sie die Blumen<br />

aus und verwüsteten Versuchsfelder.<br />

Keinen Deut besser erging es in den Jahren<br />

danach Kartoffeln, Zuckerrüben und<br />

Mais in Deutschland, wenn Forscher deren<br />

Erbgut verändert hatten. Daneben demonstrierten<br />

Verbraucher und Umweltschutzverbände<br />

auf legale Weise ihren Unmut.<br />

Und auch Politiker wie die ehemalige<br />

CSU-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin<br />

Ilse Aigner stellten sich<br />

gegen Gentechnik auf dem Teller.<br />

So viel ist klar: Die meisten Deutschen<br />

und Europäer wollen (siehe Grafik rechts)<br />

die vermeintlich beängstigenden Biotech-<br />

Produkte nicht haben. Auch wenn Beweise<br />

für konkrete Gefahren fehlen, ist den meisten<br />

Menschen nicht geheuer, wie Forscher<br />

munter Erbanlagen aus dem einen Organismus<br />

in den nächsten bugsieren – etwa<br />

Quallengene im Weizen.<br />

INTERNATIONAL ABGESCHLAGEN<br />

Die Folgen dieser Ablehnung reichen aber<br />

viel weiter als die Frage, ob eine Sorte Kartoffeln<br />

mehr oder weniger auf den Märkten<br />

landet: Die Freiheit zum Verbraucherwiderstand<br />

bremste die Freiheit der Forscher<br />

aus. Diffuse Ängste auf der einen und Unfähigkeit<br />

zur Kommunikation in Teilen der<br />

Industrie auf der anderen Seite ramponierten<br />

den Forschungsstandort Deutschland.<br />

Waren gerade die Kölner Forscher in den<br />

Achtzigerjahren weltweit hoch angesehen,<br />

weil sie viele der Methoden zum Verschieben<br />

der Gene entwickelten, ist Deutschland<br />

durch die Ablehnung der Verbraucher<br />

und strenge Gentechnikgesetze bei der<br />

Forschung heute abgeschlagen. Die industrielle<br />

Forschung bei der Pflanzenbiotechnologie<br />

ist sogar fast ganz gestoppt.<br />

Während Vertreter der sogenannten „roten“,<br />

der medizinischen Biotechnologie<br />

mit hochwirksamen Gentech-Medikamenten<br />

etwa gegen Krebs Ängste der Verbraucher<br />

verscheuchen konnten, ist das<br />

den „grünen“ Forschern mit ihren genoptimierten<br />

Gewächsen nie gelungen. Als Folge<br />

davon haben die großen Agrarchemiekonzerne<br />

Bayer und BASF ihre Entwicklungsaktivitäten<br />

in Sachen grüner Gentechnik<br />

komplett ins Ausland verlegt.<br />

FOTO: IMAGO/ENGELHARDT<br />

70 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Transgene Pflanzen sind nun in<br />

Deutschland tabu – sowohl an den BASF-<br />

Standorten Limburgerhof und Gatersleben<br />

als auch auf dem 200 Hektar großen Bayer-<br />

Versuchsgut Laacher Hof bei Monheim.<br />

Mehr als 100 Stellen verlegte die BASF<br />

Plant Science (BPS) Anfang 2<strong>01</strong>2 in die<br />

USA und ins benachbarte Belgien nach<br />

Gent, zusammen mit Forschungssummen<br />

von jährlich rund 150 Millionen Euro.<br />

Weil parallel dazu kleine, vielversprechende<br />

deutsche Biotech-Gründungen<br />

von großen Konzernen geschluckt wurden<br />

– zum Beispiel Plantec von Bayer, Metanomics<br />

und Sungene von BASF –, wandern<br />

deren Forscher gleich mit ab. „Sungene<br />

schließt Ende 2<strong>01</strong>3 die Pforten“, sagt etwa<br />

deren Mitgründer Uwe Sonnewald. Er hat<br />

sich in Erlangen wieder auf die Grundlagenforschung<br />

verlegt. Aber selbst da falle<br />

es schwer, sehr gute Studenten für Pflanzenwissenschaften<br />

zu begeistern.<br />

Umso mehr als auch der Europäische<br />

Gerichtshof Mitte Dezember wegen Verfahrensfehlern<br />

die Zulassung der gentechnisch<br />

veränderten Amflora-Kartoffel gekippt<br />

hat. Auf deren Zulassung hatte BASF<br />

<strong>13</strong> Jahre lang gewartet.<br />

Besserung ist nicht in Sicht – schon gar<br />

nicht in Deutschland. „Weit ab von jeder<br />

rationalen Begründung wird der Forschungsstandort<br />

Deutschland auf diesem<br />

wichtigen Zukunftsfeld ausgebremst“, sagt<br />

Ulrich Wobus. Er leitete bis 2007 das Leibniz-Institut<br />

für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung<br />

in Gatersleben in<br />

Sachsen-Anhalt – neben Köln und Potsdam<br />

das deutsche Zentrum für die Anwendungsforschung<br />

transgener Pflanzen.<br />

Dabei verfolgten die Gen-Ingenieure<br />

hehre Ziele: Sie wollten per Gentransfer<br />

Pflanzen leistungsfähiger und robuster gegen<br />

Schädlinge und Klimaschwankungen<br />

machen – und so auch die Ernährung für<br />

immer mehr Erdenbewohner sichern.<br />

Warum gerade die Europäer bei Gentechnik<br />

im Essen so misstrauisch sind, hat<br />

mehrere Gründe. Angst ist einer davon. Die<br />

Enthüllungen rund um die BSE-Krise in<br />

den Neunzigerjahren haben das Vertrauen<br />

der Verbraucher in die Lebensmittelindustrie<br />

nachhaltig erschüttert. Übertreibung<br />

ist ein weiterer: Anfangs habe die Branche<br />

grüne Gentechnik viel zu positiv dargestellt,<br />

räumt Philip von dem Bussche ein,<br />

der Chef des Saatgutherstellers KWS: „Da<br />

müssen wir uns als Branche an die eigene<br />

Nase fassen.“ Auf Genfood gegen Herzinfarkt<br />

und Falten etwa können die Verbraucher<br />

wohl noch lange warten.<br />

Verbraucher sehen<br />

keinen Nutzen<br />

beim Genfood<br />

Das passt zum grundlegenden Marketingproblem<br />

der grünen Gentechnik: Anders<br />

als bei Biotech-Medikamenten haben<br />

die Verbraucher bisher keinen erfahrbaren<br />

Nutzen <strong>vom</strong> Genfood. Und die Landwirte,<br />

die von ertragreicheren Sorten profitieren<br />

könnten, setzen in Europa mit seiner landwirtschaftlichen<br />

Überproduktion ohnehin<br />

eher auf Klasse statt Masse.<br />

ULTRAPLUMPER LOBBYISMUS<br />

Hinzu kommt, dass auch bei der Vermittlung<br />

des Themas allerhand schiefging: So<br />

brachte etwa der US-Saatgut- und -Spritzmittelkonzern<br />

Monsanto, den Gentech-<br />

Gegner nur „Monsatan“ nennen, 1996 gentechnisch<br />

veränderte Sojabohnen in Europa<br />

auf den Markt – ohne Kennzeichnung.<br />

Die wurde damals zwar von den Verbrauchern<br />

gefordert, war aber in der EU noch<br />

nicht vorgeschrieben. In quasikolonialistischer<br />

Manier versuchte Monsanto die<br />

vermeintlich technophoben Europäer zu<br />

belehren, was gut für sie sei. Gezielte Fehlinformationen<br />

und ultraplumper Lobbyismus<br />

gehörten dabei zum Repertoire.<br />

Der Streit eskalierte über die Jahre, sodass<br />

heute kaum noch eine sachliche Debatte<br />

möglich ist. Und dieser Dogmatismus<br />

hat längst beide Seiten befallen.<br />

Skeptisches Europa<br />

Einziger Hoffnungsschimmer scheint in<br />

diesen trüben Zeiten Einbeck in Südniedersachsen<br />

zu sein. Dort hält der Weltmarktführer<br />

für Zuckerrübensaatgut – die<br />

3500 Mitarbeiter starke KWS – die Fahne<br />

grüner Gentechnik made in Germany<br />

hoch: „Wir bleiben hier“, sagte KWS-Chef<br />

von dem Bussche, als BASF den Rückzug<br />

aus Deutschland bekannt gab. Er baut keine<br />

Arbeitsplätze ab, sondern 70 neue Stellen<br />

in der Forschung und Züchtung auf.<br />

„Wir wollen, dass unsere Molekularbiologen<br />

eng mit unseren Pflanzenzüchtern<br />

zusammenarbeiten, damit wir weltweit<br />

immer besseres Saatgut für die Landwirte<br />

anbieten können“, sagt von dem Bussche.<br />

Allerdings verkauft auch er in Europa nur<br />

noch konventionell hergestelltes Saatgut.<br />

Die Gentech-Ware geht ausschließlich<br />

nach USA, Südamerika und Asien<br />

Um das Ruder hier noch einmal herumzureißen,<br />

sind vielleicht ganz neue Ansätze<br />

nötig. Etwa Aquarienfische, die dank eines<br />

Fluoreszenzgens aus einer Qualle knallgrün<br />

oder neonorange aufleuchten, wenn<br />

das Aquarienlicht einen hohen Blauanteil<br />

enthält. Yorktown Technologies aus Texas<br />

verkauft die Fische unter dem Namen Glofish<br />

seit 2003. Während die Zierfische in<br />

Europa nicht vertrieben werden dürfen,<br />

hat der US-Künstler Zack Denfeld sie bereits<br />

in einem Koch-Video zu Sushi-Rollen<br />

verarbeitet. Beim Essen darf die UV-Lampe<br />

nicht fehlen, damit der Leuchteffekt auf<br />

dem Teller zur Geltung kommt.<br />

Ob solche Partygags europäische Genfood-Gegner<br />

auf den Geschmack bringen<br />

werden, bleibt allerdings abzuwarten. n<br />

susanne.kutter@wiwo.de<br />

Wieviel Prozent der Landwirteund Verbraucher gentechnischveränderte Pflanzenfür<br />

notwendighalten, um genügend Lebensmittelzuproduzieren<br />

Akzeptanzbei...<br />

...Landwirten<br />

...Konsumenten<br />

25 53<br />

USA<br />

15<br />

10<br />

Brasilien<br />

Quelle:BASF-Umfrage unter 1802 Landwirten und6023 Verbrauchern, 2<strong>01</strong>1<br />

35<br />

29<br />

14<br />

78<br />

15<br />

9<br />

Indien<br />

62<br />

76<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 71<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Technik&Wissen<br />

VALLEY TALK | Lange galt T-Mobile USA als unrettbar.<br />

Dann gelang dem neuen Chef die Trendwende: Mit<br />

Offerten, von denen deutsche Telekom-Kunden nur<br />

träumen können. Von Matthias Hohensee<br />

Riskante Wende<br />

FOTO: JEFFREY BRAVERMAN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Der Kauf der US-Telefongesellschaft<br />

Voicestream im Jahr 20<strong>01</strong><br />

für überteuerte 39,4 Milliarden<br />

Dollar ebnete einst die Karriere<br />

des damaligen Mobilfunkchefs René Obermann<br />

im Telekom-Konzern. Doch die Kraft<br />

der viel gelobten Wachstumslokomotive<br />

hielt nicht lange. Stattdessen bremste die<br />

US-Tochter wegen hoher Investitionen für<br />

den Netzausbau den ganzen Konzern.<br />

Später, als Telekom-Chef, versuchte Obermann<br />

jahrelang, die lästige Tochter wieder<br />

loszuwerden. Doch auch der letzte Verkaufsversuch<br />

an den Mobilfunkriesen AT&T scheiterte.<br />

Die US-Wettbewerbshüter stoppten<br />

2<strong>01</strong>1 den Verkauf. Für die Aktionäre der<br />

Deutschen Telekom AG war das eine bittere<br />

Pille. T-Mobile USA galt als unrettbar.<br />

Für die US-Konsumenten war das Verkaufsverbot<br />

ein Segen, wie sich mittlerweile<br />

zeigt. Vielleicht sogar für die Telekom. Denn<br />

seit der soeben von der Konzernspitze abgetretene<br />

Obermann den kreativen Freigeist<br />

John Legere im September 2<strong>01</strong>2 als Chef<br />

von T-Mobile USA installierte, hat sich die<br />

Telekom-Tochter <strong>vom</strong> Nachzügler zum Tarifinnovator<br />

und Preisbrecher gewandelt.<br />

Legere, der am liebsten in Turnschuhen,<br />

Jeans und T-Shirts in der Konzernfarbe Magenta<br />

auftritt (auf der Computermesse CES<br />

in Las Vegas wurde er in dem Outfit gerade<br />

von der AT&T-Messeparty verwiesen), entkoppelte<br />

Handy und Tarif. Wer von der Konkurrenz<br />

zu T-Mobile wechselt, den belohnt<br />

der Ex-Chef des Breitbandanbieters Global<br />

Crossing mit markant günstigeren Tarifen.<br />

ROAMING-KOSTEN GEKAPPT<br />

Alternativ gewährt Legere Preisnachlässe für<br />

populäre Smartphones wie Apples iPhone<br />

und Samsungs Galaxy S4. Schließlich kappte<br />

er die absurd hohen Kosten für Telefonate im<br />

Ausland und das Surfen im Netz. Seit Ende<br />

Oktober bezahlen US-Kunden von T-Mobile<br />

im Ausland nur noch 20 Cent pro Gesprächsminute<br />

– im Gegensatz zu AT&Ts 1,50 Dollar.<br />

Internationales Surfen ist sogar kostenlos,<br />

wobei die Geschwindigkeit im Gastland auf<br />

Schmalband gedrosselt wird. Doch für den<br />

Abruf von E-Mails und die Navigation reicht<br />

das völlig, wie ich beim Weihnachtsurlaub in<br />

Deutschland feststellen konnte. Umgekehrt<br />

zahlt, wer als deutscher Telekom-Privatkunde<br />

im Standardtarif in den USA online geht,<br />

pro Megabyte immerhin zehn Euro.<br />

Auch ich bin nach sechs Jahren AT&T zurück<br />

zu T-Mobile USA gewechselt. In Kalifornien<br />

ist die Netzabdeckung vergleichbar,<br />

vielerorts nutzt T-Mobile die Funktürme des<br />

Konkurrenten, ein Relikt aus der gescheiterten<br />

Übernahme. Die Sprachqualität ist um<br />

Längen besser. Vergangene Woche kaufte<br />

T-Mobile für 2,4 Milliarden Dollar zusätzliche<br />

Frequenzen, um das Netz weiter auszubauen.<br />

Und nicht zuletzt spare ich mindestens<br />

100 Dollar monatlich gegenüber AT&T.<br />

Weil sich das rumspricht, wächst T-Mobile<br />

wieder: 672 000 Neukunden kamen im<br />

dritten Quartal 2<strong>01</strong>3 dazu. Im ersten Quartal<br />

waren es 3000. Und obwohl das Unternehmen<br />

mit 45 Millionen Kunden noch weit<br />

hinter AT&T (110 Millionen) und Verizon<br />

(119 Millionen) liegt, sind die beunruhigt.<br />

AT&T bietet T-Mobile-Kunden bis zu 450<br />

Dollar, wenn die in sein Netz zurückkehren;<br />

die Telekom-Tochter dagegen bis 650 Dollar<br />

Wechselbonus für Kunden der Konkurrenz.<br />

Die Frage ist, ob die Rabatte und damit<br />

geringeren Umsätze pro Kunde auf die Telekom<br />

zurückfallen? Oder ob Legeres Kalkül<br />

aufgeht, den Marktwert hochzutreiben und<br />

T-Mobile dann an Interessenten wie den <strong>vom</strong><br />

japanischen Internet-Tycoon Masayoshi Son<br />

kontrollierten US-Mobilfunker Sprint zu verkaufen.<br />

Immerhin hat die T-Mobile-Aktie, die<br />

durch den Zusammenschluss mit dem Konkurrenten<br />

MetroPCS im Mai 2<strong>01</strong>3 an die Börse<br />

kam, seither 60 Prozent zugelegt.<br />

Wobei noch offen ist, ob sich Legere mit<br />

seiner Strategie nicht vielleicht selbst ein<br />

Bein gestellt hat.Denn er hat ja gerade erst<br />

eindrucksvoll die Segnungen des Wettbewerbs<br />

für die Kunden bewiesen.Gut möglich<br />

also, dass die US-Wettbewerbshüter auch einen<br />

erneuten Verkaufsversuch torpedieren.<br />

Der Autor ist WirtschaftsWoche-Korrespondent<br />

im Silicon Valley und beobachtet<br />

von dort seit Jahren die Entwicklung der<br />

wichtigsten US-Technologieunternehmen.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 73<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Management&Erfolg<br />

Schein und Wirklichkeit<br />

SERIE SPURWECHSEL (II) | Mit Superstars wie Claudia Schiffer und Bryan Adams<br />

will Opel-Marketingvorstand Tina Müller das angekratzte Image des Autobauers<br />

aufpolieren. Doch wie gut passt die Glamourwelt zu Opel?<br />

Als sich die Tür des anthrazitfarbenen<br />

Autos öffnet, klickt und<br />

blitzt es 100-fach, innerhalb<br />

weniger Sekunden, aus allen<br />

Richtungen. Dutzende Fotografen<br />

richten Augen und Kameras auf das<br />

Objekt ihrer Begierde – jeder auf der Jagd<br />

nach dem perfekten Bild von Claudia<br />

Schiffer. Schwarzes Abendkleid, hohe<br />

Schuhe, knallrote Lippen: Die blonde<br />

Schönheit stolziert ein paar Mal auf dem<br />

roten Teppich, der eigens ausgerollt wurde<br />

– vor dem Auto und einer atemberaubenden<br />

nächtlichen Kulisse, dem für die Weltausstellung<br />

1929 erbauten Palast zu Füßen<br />

des Montjuic, dem Stadthügel vor den Toren<br />

Barcelonas. In Schiffers Rücken funkeln<br />

die Lichter der katalanischen Hauptstadt,<br />

das Top-Model strahlt in die Kameras,<br />

wirft mit einer Kopfbewegung ihre<br />

blonde Mähne über die Schulter nach hinten.<br />

Doch nach ein paar Sekunden unterbricht<br />

der Regisseur die Szene, dreht sich<br />

um und sucht mit seinem Blick die wichtigste<br />

Frau des Abends – Tina Müller.<br />

„Nicht schlecht“, kommentiert die Opel-<br />

Marketingchefin die Szene, die sie ein paar<br />

Meter entfernt auf einem Bildschirm verfolgt<br />

hat. „Aber sie soll mal etwas langsamer<br />

aus dem Wagen aussteigen.“<br />

LIPPENSTIFT STATT KINDERAUGEN<br />

Was im ersten Moment nach einem Werbedreh<br />

für Lippenstift, Haarspray oder teuren<br />

Schmuck aussieht, ist in Wirklichkeit<br />

Werbung für ein kreuzbraves Familienauto:<br />

den Meriva von Opel.<br />

Die Szenerie erweckt den Anschein, die<br />

ehemalige Kosmetikmanagerin hätte vergessen,<br />

dass sie seit August nicht mehr<br />

Haarpflege von Henkel<br />

ins rechte Licht<br />

setzt, sondern für die<br />

Vermarktung von<br />

Blech, Mechanik und<br />

vier Rädern aus dem<br />

Hause Opel zuständig ist. Doch die 45-<br />

Jährige ist überzeugt, dass Glamour, Top-<br />

Models und prächtige Kulissen nicht für<br />

das Geschäft mit der Schönheit reserviert<br />

sind. Schließlich soll sie dem angestaubten<br />

Markenimage des Autobauers aus Rüsselsheim<br />

zu neuem Glanz verhelfen.<br />

Und das ist auch bitter nötig: Hat Opel<br />

doch seit Jahren ein Problem mit der<br />

Attraktivität seines Images. Selbst Opel-<br />

Fahrer stehen der eigenen Marke reserviert<br />

gegenüber, wie ein Langzeitvergleich des<br />

Markenrankings Best Cars der Fachzeitschrift<br />

„Auto Motor und Sport“ mit der<br />

Konkurrenz von Volkswagen und Ford<br />

zeigt (siehe Grafik). Zwar hat Opel von den<br />

neuen Modellen Adam und Mokka 2<strong>01</strong>3<br />

Unzufriedene Opelaner<br />

Wiesehr Fahrer die Marke ihres<br />

Wagens mögen (in Prozent)<br />

80<br />

VW<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

Ford<br />

20<br />

2006 05 06 07 08 09 10 11 12 <strong>13</strong><br />

Quelle:Motor Presse Stuttgart<br />

Opel<br />

mehr als 110 000 Stück<br />

verkauft. „Aber das Image<br />

der Marke“, bestätigt<br />

Müller, „hinkt noch hinterher.“<br />

Daran konnte zuletzt<br />

auch die Verpflichtung von Promi-Sternchen<br />

wie Sängerin Lena Meyer-Landrut<br />

oder Lovelyn Enebechi, Siegerin der Model-<br />

Castingshow „Germany’s Next Topmodel“<br />

kaum was ändern. Mit Claudia Schiffer<br />

holte Opel nun einen Weltstar an Bord und<br />

versucht so an die glamourösen Fünfzigerjahre<br />

anzuknüpfen, als Schauspielerin<br />

Hildegard Knef sich mit dem Opel Olympia<br />

ablichten ließ (siehe Seite 76).<br />

Für klassische Autospots scheint Müller<br />

dagegen eher wenig übrig zu haben: Statt<br />

auf die Inszenierung kurvenreicher Fahrten<br />

durch schöne Landschaften oder leuchtender<br />

Kinderaugen beim ersten Anblick von<br />

Papas neuem Wagen zu vertrauen, versucht<br />

sie, das offensichtliche Imageproblem<br />

ihres neuen Arbeitgebers nicht mühsam<br />

unterm Deckel zu halten, sondern es<br />

offensiv zu thematisieren und mittelfristig<br />

zu verbessern. „Wir werden Opel stärker im<br />

Lifestyle-Bereich positionieren“, hatte Müller<br />

vor wenigen Wochen im WirtschaftsWoche-Interview<br />

angekündigt. „Das bringt<br />

uns jüngere Kunden, mehr Frauen und<br />

wird die Marke mit ihrer Sozialstruktur upgraden“<br />

(WirtschaftsWoche 47/2<strong>01</strong>3).<br />

Dafür engagiert sie zum Beispiel Rocksänger<br />

und Fotograf Bryan Adams. Der hat<br />

seinen Namensvetter – den Opel Adam –<br />

für einen Kalender abgelichtet. Der Musiker,<br />

inzwischen als ernsthafter Fotograf<br />

etabliert, hat das Opel-Modell in seinen<br />

Farb- und Schwarz-Weiß-Aufnahmen so»<br />

SERIE<br />

SPURWECHSEL (II)<br />

Tina Müllers Start<br />

in der Autobranche<br />

FOTOS: OPEL<br />

74 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Abgedreht Mit Topmodel Claudia<br />

Schiffer will Marketing-Vorstand Tina<br />

Müller (Bild unten rechts, Mitte)<br />

das Opel-Image aufpolieren. Schiffer<br />

wirbt in der gerade produzierten<br />

Europa-Kampagne für den Opel Meriva.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 75<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Management&Erfolg<br />

»<br />

abgelichtet, dass es mitunter eher an eine<br />

Kunstskulptur denn einen klassischen<br />

Kleinwagen erinnert. Da scheint es nur<br />

konsequent, dass die Bilder nicht nur auf<br />

klassischen Werbestrecken in Magazinen<br />

gedruckt werden, sondern bald auch im<br />

Museum zu sehen sein werden – im Haus<br />

der Kunst in München, einem der renommiertesten<br />

Museen Europas, erwartet der<br />

Autokonzern zahlreiche geladene Gäste<br />

zur Vernissage mit anschließendem exklusivem<br />

Dinner. Und bei der Modemesse<br />

Bread & Butter, die Mitte Januar in Berlin<br />

stattfindet, stellt Opel den Shuttleservice.<br />

ZWISCHEN GENIAL UND FATAL<br />

Was auf den ersten Blick innovativ und hip<br />

erscheint, ist nicht unumstritten: Im Internet<br />

etwa ist die Diskussion um Claudia<br />

Schiffer als neue Werbebotschafterin längst<br />

entbrannt, zum Beispiel in dem Internet-<br />

Portal Autohaus online. Was Autofans wie<br />

der Nutzer mit dem Pseudonym Wayne<br />

Rooney als „geniale Idee“ feiern, ist für Kritiker<br />

wie Melanie eine „fatale Fehlentscheidung“.<br />

Ob Autofans, Kunden oder Angestellte:<br />

Fragen zu Müllers Strategie dürften sich<br />

viele stellen. Interessieren sich Opel Stammkunden<br />

wirklich für Mode und Fotografie?<br />

Wie passt das neue Hochglanz-Image zu<br />

den Erlebnissen beim Autokauf, der nicht so<br />

sehr von Model-Glamour und Blitzlichtgewitter<br />

geprägt ist, sondern von tristen Autohäusern?<br />

Wie groß ist die Glaubwürdigkeit,<br />

wenn Superstars von den neuen Modellen<br />

schwärmen, obwohl sie privat lieber Nobelkarossen<br />

aus Ingolstadt oder Sportwagen<br />

aus Zuffenhausen fahren? Und würde Opel<br />

Flottes Modell Kalenderbild des Opel<br />

Adam, inszeniert von Bryan Adams<br />

sein Geld nicht besser in innovative Technologien<br />

und Design investieren, als teuren<br />

Weltstars hohe Gagen zu zahlen?<br />

Fragen, die durchaus ihre Berechtigung<br />

haben – Tina Müller aber keinesfalls bange<br />

machen: Schiffer hin oder her – ein höherer<br />

Marketingetat steht der Managerin jedenfalls<br />

nicht zur Verfügung, aber dafür eine<br />

große Portion Entschlossenheit.<br />

Die demonstriert sie auch beim Videodreh<br />

in Barcelona: Gerade mal von acht<br />

Uhr bis halb zehn hat das Team beim<br />

abendlichen Dreh Zeit, um alle Szenen mit<br />

Claudia Schiffer zu filmen. Müller weiß,<br />

dass es nach wochenlangen Vorbereitungen<br />

genau diese anderthalb Stunden sind,<br />

die über den Erfolg der Kampagne entscheiden.<br />

Um sicher zu gehen, dass alles schnell<br />

genug geht, mahnt sie schon im Vorfeld,<br />

nicht zu viel Zeit beim Umbau von Licht<br />

und Kamera zwischen den verschiedenen<br />

Einstellungen zu verlieren. „Das ging gestern<br />

viel zu langsam“, sagt sie in der<br />

Schlussbesprechung mit der Produktionsfirma<br />

in der Eingangshalle des Museums<br />

zwischen Säulen aus Marmor und goldfarbenen<br />

Stehleuchten. Was ihr Gegenüber<br />

manchmal als zu hart empfindet, hält<br />

Opels Vorstandsmitglied für notwendig.<br />

„Wir haben oftmals keine Zeit, noch fünf<br />

Schleifen zu drehen“, sagt Müller.<br />

Denn die 45-Jährige hat es eilig. Bis 2<strong>01</strong>5<br />

will sie das Ansehen der Marke deutlich<br />

verbessern, sich an diesem Ziel auch messen<br />

lassen.<br />

„Sie ändert endlich wirklich mal etwas“,<br />

heißt es von einem ihrer direkten Mitarbeiter.<br />

Auch Müllers Vorgänger hätten zwar<br />

stets angekündigt, was sie alles umstellen<br />

wollen – wirklich getraut habe sich aber<br />

niemand.<br />

Müllers Mut wird auch durch die Konstruktion<br />

ihres Postens begünstigt: Einen<br />

Vorstand, der wie jetzt Müller ausschließlich<br />

für Marketing zuständig ist, hat es bei<br />

Opel noch nicht gegeben. Ihre Vorgänger<br />

vereinten die Ressorts Marketing und Vertrieb<br />

– diese Zwangsbindung hat der neue<br />

Vorstandsvorsitzende Karl-Thomas Neumann<br />

jetzt aufgehoben. Er hat Müller gezielt<br />

für die Kreativabteilung verpflichtet<br />

und den Vertrieb dem erfahrenen Automobilmanager<br />

Peter Christian Küspert unterstellt.<br />

Müller kann so gewagtere Entscheidungen<br />

treffen, ohne ständig die unmittelbaren<br />

Auswirkungen auf den Vertrieb be-<br />

FOTOS: OPEL<br />

Immer wieder bieder<br />

Von der Knef bis zur Graf: Mit welchen Promis Opel geworben hat<br />

1988<br />

Steffi Graf<br />

Nach dem Tennis-As<br />

wurde sogar eine<br />

Sonderedition des<br />

Modells Corsa benannt.<br />

Warb auch für das<br />

Sportcoupé Calibra<br />

1951<br />

Hildegard Knef<br />

Die Schauspielerin<br />

posiert vor einem<br />

Opel Olympia<br />

1979<br />

Max Schmeling<br />

Der ehemalige Boxweltmeister<br />

ließ sich für<br />

eine Postkarte mit dem<br />

Opel Senator ablichten<br />

76 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


ücksichtigen zu müssen. „Über den Glamour-Faktor<br />

ist ein positiver Imagetransfer<br />

möglich“, kommentiert Thomas Bieling,<br />

Sprecher des Vorstandes beim Verband<br />

Deutscher Opel-Händler, Müllers Marketingstrategie.<br />

Hinzu kommt: Während früher meist<br />

Manager aus der zweiten oder dritten Reihe<br />

die Verhandlungen mit der Werbeagentur<br />

und den Produktionsfirmen führten,<br />

übernimmt Müller diese Aufgaben oftmals<br />

selbst. Sie ist sich nicht zu schade, über Details<br />

zu befinden, die ihre Vorgänger längst<br />

delegiert hätten. Damit verprellt sie einerseits<br />

zwar lang gediente Manager, die sich<br />

in ihrer Macht beschnitten fühlen, wie man<br />

sich hinter vorgehaltener Hand erzählt.<br />

Andererseits beschleunigt sie Abläufe und<br />

Prozesse.<br />

So wie an diesem Abend in Barcelona, in<br />

einem schwarzen Pavillon hinter dem Nationalmuseum,<br />

Müllers temporärer Schaltzentrale.<br />

Schon einige Stunden bevor die<br />

erste Klappe fällt, prasseln pausenlos Fragen<br />

auf sie ein. „Welche französische Übersetzung<br />

finden Sie für den Schlusssatz am<br />

treffendsten?“, „Wie gefallen Ihnen die Outfits<br />

der Models?“, „Können wir uns kurz die<br />

neueste Version des Spots für den Opel<br />

Adam anschauen?“– kaum einer am Set,<br />

der Müller nicht zu einer schnellen Entscheidung<br />

drängt.<br />

Und sie ist keine, die Dinge einfach<br />

durchwinkt. Das eine Model soll etwas wilder<br />

gestylt werden, der eine Schnitt im Video<br />

ist ihr zu unruhig. Sie stellt Nachfragen,<br />

fällt dabei schon mal ihrem Gegenüber ins<br />

Wort. Blitzschnell wechselt sie zwischen<br />

verschiedenen Ansprechpartnern und<br />

Themen. Selbst wenn es hektisch wird, behält<br />

sie den Überblick – auch als der Dreh<br />

mit La Schiffer zu platzen drohte. Denn eine<br />

Woche bevor es losgehen sollte in Barcelona,<br />

war noch nicht klar, ob das Top-Model<br />

auf Opels Konditionen überhaupt eingeht<br />

und zusagt. Obwohl die Statisten längst angefragt,<br />

die Stylistin gebucht und die anderen<br />

Models ausgewählt waren.<br />

„Jemand anders hätte so eine knappe<br />

Kiste wahrscheinlich abgeblasen“, sagt einer<br />

der am Projekt Beteiligten. Doch Müller<br />

zieht es durch, riskiert höhere Kosten<br />

und gewinnt letztlich.<br />

ERFOLG UND ELEGANZ<br />

Warum sie ausgerechnet Claudia Schiffer<br />

für Opels neue Europa-Kampagne haben<br />

wollte? „Schiffer steht für Erfolg, Perfektion<br />

und Eleganz“, sagt Müller. Und Qualität aus<br />

deutschen Landen – die Kernbotschaft dieser<br />

internationalen Kampagne, die auf<br />

mehrere Spots ausgelegt ist. „It’s a German“,<br />

sagt Schiffer am Ende eines jeden<br />

Kurzfilms, ob auf dem roten Teppich oder<br />

in der Tiefgarage. „Tina Müller hat diesen<br />

roten Faden in unsere Europa-Kampagne<br />

gebracht“, sagt der lang gediente Opel-Marketingmanager<br />

Tamás Bátor, „das hatten<br />

wir vorher nicht.“ Genauso wenig wie Erfahrung<br />

im Umgang mit Weltstars. „Das<br />

sind Tina Müllers Kontakte und ihre Expertise.“<br />

Schließlich hat sie bei Henkel schon<br />

mit Heidi Klum, Eva Padberg und Cindy<br />

Crawford gedreht.<br />

Nun also mit Claudia Schiffer. Deren Managerin<br />

sitzt auf einem Stuhl neben Müller.<br />

Beide schauen auf den Monitor, der das<br />

Bild von der Filmkamera überträgt, die einige<br />

Meter entfernt die Szenen einfängt.<br />

Ob sie mit den Aufnahmen glücklich sei,<br />

will Müller nach jeder Einstellung wissen.<br />

Denn die neue Opel-Frau weiß, wie<br />

schwierig es ist, unzufriedene Superstars<br />

zu besänftigen.<br />

In Barcelona dreht Müller schon die<br />

Spots Nummer vier und fünf in ihrer nicht<br />

mal fünfmonatigen Amtszeit. „So viel haben<br />

wir in so kurzer Zeit noch mit keinem<br />

Kunden geschafft“, sagt ein Mitarbeiter von<br />

der Werbeagentur Scholz & Friends.<br />

Diese Betriebsamkeit ist anstrengend,<br />

auch für Müller selbst: Gegen 23 Uhr<br />

schnappt sie sich ihre Handtasche, verabschiedet<br />

sich, denn um 6.50 Uhr am nächsten<br />

Morgen geht ihr Flug nach Paris zur Tagung<br />

der französischen Opel-Händler.<br />

„Morgen soll es den ganzen Tag regnen“,<br />

sagt ein Mitarbeiter der Produktionsfirma,<br />

der sie kurz vor der Tür abfängt. Der zweite<br />

Drehtag wäre damit komplett hinüber. Also<br />

nimmt Müller noch mal auf einer Ledercouch<br />

im Foyer Platz. Und statt auf etwaige<br />

Regenpausen am nächsten Tag zu hoffen,<br />

verdonnert sie Statisten, Models, Produktionshelfer,<br />

Kameramann und Regisseur<br />

kurzerhand zu einer Nachtschicht. Alle<br />

Szenen müssen bis zum Morgengrauen<br />

abgedreht sein.<br />

Um Viertel nach elf verabschiedet sie<br />

sich schließlich endgültig ins Hotel. Am<br />

nächsten Vormittag setzt der Regen ein, für<br />

24 Stunden. Einer von zwei Regentagen im<br />

Dezember.<br />

n<br />

kristin.schmidt@wiwo.de<br />

2<strong>01</strong>3 Jürgen Klopp<br />

Der Trainer von Borussia Dortmund ist derzeit das Gesicht von<br />

Opel in Deutschland. Die Spots liefen auch in Polen – dort<br />

hat der Fussballverein aus dem Ruhrpott viele Fans, weil mehrere<br />

polnische Nationalspieler in seinem Kader stehen<br />

2<strong>01</strong>0 Lena Meyer-Landrut<br />

Die Gewinnerin des Eurovision Song Contests 2<strong>01</strong>0 sollte Opels<br />

Image verjüngen – mit wenig Erfolg<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 77<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Management&Erfolg<br />

SPRENGERS SPITZEN<br />

Nur noch den Hintern retten<br />

Warum eine Minderleister-Quote gegen schwache Mitarbeiter Unternehmen schadet.<br />

Erst die Inszenierung als sich<br />

rekelndes Modepüppchen in<br />

einem Hochglanzmagazin, dann<br />

die publikumswirksame Abschaffung<br />

des Home Office, zuletzt eine jährliche<br />

Quote für Minderleister: Yahoo-Chefin<br />

Marissa Mayer ist nicht nur Vorgesetzte<br />

von mehr als 10000 Mitarbeitern – sie ist<br />

vor allem begnadete Selbstdarstellerin. Jedes<br />

Marketingmittel ist ihr recht, um den<br />

Kampf um Aufmerksamkeit gegen mächtige<br />

Wettbewerber zu gewinnen.<br />

Bei genauem Hinsehen aber wird klar:<br />

Vor dem Hintergrund des amerikanischen<br />

Arbeitsrechts ist der Versuch nicht<br />

neu, jedes Jahr die schlechtesten Mitarbeiter<br />

zu identifizieren. Seit der damalige<br />

General-Electric-Chef Jack Welch in den<br />

Neunzigerjahren damit hantierte, verhalten<br />

sich viele Unternehmen ähnlich –<br />

offen oder heimlich. Hierzulande aber ist<br />

die Empörung groß.<br />

Dabei hat Frau Mayer mit ihrer Aussage<br />

durchaus einen wunden Punkt getroffen:<br />

Statistisch schleppt jedes Unternehmen<br />

mindestens zehn Prozent leistungsschwache<br />

Mitarbeiter mit. Leute, die nur<br />

noch da sind, aber nicht mehr dabei. In<br />

Branchen mit strengem Kündigungsschutz<br />

liegt der Prozentsatz höher. Zudem<br />

haben wir ein massives Konsequenzproblem<br />

in den Unternehmen.<br />

Verantwortlich dafür ist die geradezu absurd<br />

arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung.<br />

Aber auch viele Führungskräfte sind Schönwetterkapitäne.<br />

Als Bonbon-Onkel finden die sich prima, lassen aber jede<br />

Konsequenz vermissen, wenn Geben und Nehmen nicht mehr<br />

ausgeglichen sind.<br />

Reinhard Sprenger, 60, Ex-Manager bei 3M<br />

und Adecco, zählt zu den renommiertesten<br />

deutschsprachigen Managementautoren.<br />

»Statt Verantwortung<br />

zu übernehmen,<br />

versteckt sich der Chef<br />

hinter der Scheinobjektivität<br />

von Zahlen«<br />

TOTALITÄR UND DÜMMLICH<br />

Aber löst eine Minderleister-Quote diese Probleme? Eindeutig<br />

nein. Wie jede Quote ist sie totalitär und dümmlich. Totalitär, weil<br />

wir nicht vergessen sollten, wer die großen Quotierer waren: Hitler,<br />

Stalin, Mao. Dümmlich, weil sie nur neue Probleme schafft: Sie<br />

schädigt das Image des Unternehmens auf den Personalmärkten.<br />

Wer mit Knappheit zu kämpfen hat, gar Suchanzeigen aufgeben<br />

muss, den sollte das kümmern. Geschwächt wird auch die Kernidee<br />

eines jeden Unternehmens: die Zusammenarbeit. Dass es nicht um<br />

persönliche Exzellenz geht, sondern das passgenaue Zusammenspiel<br />

unterschiedlicher Menschen. Frau<br />

Mayers Quote dagegen ist der Triumph<br />

des alten personenzentrischen Denkens<br />

über das Primat der Kooperation.<br />

MEIN GEWINN, SEIN VERLUST<br />

Drittens: Die Bürokratie wird explodieren.<br />

Wird der Wettbewerb innerhalb des Unternehmens<br />

angeheizt, werden alle das<br />

Vernünftige tun: versuchen, den eigenen<br />

Hintern zu retten. Denn Misstrauen ist<br />

unter Wettbewerbsbedingungen eine kluge<br />

Strategie. Und dann ist das Einzige, was<br />

einen Mitarbeiter an seinem Teampartner<br />

interessiert, sein Versagen: Mein Gewinn<br />

ist sein Verlust. Das wird das Arbeitsklima<br />

vergiften. Und es bringt uns auch beim<br />

Kunden keinen Meter weiter: Die Energie<br />

wird innen gebunden, statt sie auf die<br />

Wünsche der Klienten zu lenken.<br />

Hauptverlierer aber ist die Qualität:<br />

1. Hat ein Chef das Personal in seiner<br />

Abteilung hervorragend entwickelt, ein<br />

anderer aber nicht, vergleichen Prozente<br />

Unvergleichliches. Denn wer in jedem<br />

Team stur die Schwächsten aussortiert,<br />

muss sich auch von Mitarbeitern trennen,<br />

die im Vergleich zu Kollegen anderer<br />

Teams Top-Leister sind.<br />

2. Es ist ratsam, schlechte Leute einzustellen,<br />

weil sie die eigene Position verbessern.<br />

Ebenso, sich schwachen Teams<br />

anzuschließen, in denen man als Einäugiger<br />

König ist. Man muss ja nicht wirklich<br />

gut sein, nur besser als die anderen. Das Ergebnis aus Unternehmensperspektive:<br />

eine Abwärtsspirale.<br />

3. Eine Minderleister-Quote verschärft die Tendenz zum Messen<br />

von Quantitäten. Bewerten? Unwichtig. Angemessenheit? Papperlapapp.<br />

Statt Verantwortung zu übernehmen, versteckt man sich<br />

hinter der Scheinobjektivität von Zahlen. Führungskräfte spielen<br />

die Pontius-Pilatus-Nummer, verweisen auf die Quote und sind<br />

aus dem Schneider. Kann man würdeloser managen? Kann man<br />

inkonsequenter sein – Führungskräfte in ihren Jobs belassen, die<br />

da nicht hingehören? Dabei wusste schon Albert Einstein: „Nicht<br />

alles, was zählt, kann gezählt werden. Und nicht alles, was gezählt<br />

werden kann, zählt.“<br />

Bleibt zu hoffen, dass Frau Mayer Yahoo mit Karacho an die<br />

Wand fährt. Die Aktionäre wird das ärgern. Die wirklich guten Leute<br />

aber sind dann schon längst gegangen. Freiwillig.<br />

n<br />

FOTO: LITERATURTEST/SABINE FELBER<br />

78 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

Abheben mit<br />

Übernahmekandidaten<br />

AKTIEN | Der Dax tastet sich an die 10 000-Punkte-Marke heran, die Luft an der Börse<br />

wird dünner. Warum Anleger jetzt die Aktien von Unternehmen kaufen sollten, die<br />

im Visier von Firmenjägern stehen, in welchen Branchen das Übernahmefieber steigt.<br />

Fressen oder gefressen werden?<br />

Kaum einem europäischen Unternehmenslenker<br />

stellt sich<br />

diese Frage so massiv wie Vodafone-Chef<br />

Vittorio Colao. Im<br />

September hatte er angekündigt, seine 45<br />

Prozent am US-Mobilfunker Verizon Wireless<br />

für <strong>13</strong>0 Milliarden Dollar an den Partner<br />

Verizon zu verkaufen. Vor einem Monat<br />

genehmigten die Kartellbehörden den<br />

Deal. Nun steht Colao unter Zugzwang, er<br />

muss fressen, die Milliarden wie geplant<br />

für Zukäufe im Kernmarkt Europa einsetzen.<br />

Denn mit seiner prall gefüllten Kasse<br />

könnte Vodafone sonst selbst gefressen<br />

werden. US-Gigant AT&T soll ein Auge auf<br />

die Briten geworfen haben. Ein Zusammenschluss<br />

würde einen Giganten mit<br />

knapp 380 Milliarden Dollar Marktwert<br />

schaffen. Seit Ende August hat die Vodafone-Aktie<br />

fast 30 Prozent zugelegt, fast<br />

doppelt so viel wie der Index Eurostoxx 50.<br />

Noch aber ist der Markt<br />

nicht heiß gelaufen. Übernahmen<br />

deutscher Unternehmen<br />

im Gesamtwert<br />

von 82 Milliarden Euro hat<br />

der Dienstleister Dealogic<br />

in seiner Datenbank, 37<br />

Prozent mehr als 2<strong>01</strong>2,<br />

aber deutlich weniger als<br />

die <strong>13</strong>7 Milliarden aus dem<br />

Rekordjahr 2007. Für Anleger<br />

ein gutes Zeichen: Der<br />

Markt für Fusionen und<br />

Übernahmen signalisiert<br />

noch nicht, dass die Börse<br />

übertreibt. „Nach einem<br />

Plus von 25 Prozent im Dax<br />

2<strong>01</strong>3 suchen Anleger Sondersituationen.<br />

Im reifen Haussezyklus<br />

tritt das Thema Übernahmen so in den<br />

Vordergrund“, beobachtet Michael Kollenda,<br />

Vorstand von Salutaris Capital Management<br />

in München.<br />

Übernahmefantasie und bereits laufende<br />

Aufkäufe stützen die Kurse begehrter<br />

Unternehmen. Selbst wenn die Börse einbricht,<br />

verliert ein Aufkäufer nicht schlagartig<br />

das Interesse an seinem Zielobjekt. Er<br />

wird eher weiter Stücke einsammeln. Gerade<br />

bei heiß laufenden Börsen bieten<br />

Übernahmeaktien deshalb Kurschancen<br />

und Sicherheit. Was spricht dafür, dass es<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong> mehr Übernahmen geben wird?<br />

n Historisch niedrige Zinsen ermöglichen<br />

günstige Finanzierungen.<br />

n Unternehmen sind noch nicht zu teuer.<br />

„Die Bewertungen sind im Durchschnitt<br />

noch attraktiv“, urteilt Alexander Roos, Leiter<br />

des Geschäfts mit Übernahmen bei<br />

Boston Consulting. Unternehmen suchten<br />

Kabel Deutschland und Celesio an der Spitze<br />

Die größten Übernahmen 1 und Aktienpaket-Verkäufe 2<strong>01</strong>3<br />

Ziel<br />

Kabel Deutschland<br />

Celesio<br />

GSW Immobilien<br />

MAN (24,97 Prozent)<br />

GBWAG (91,92 Prozent)<br />

Sky DE (9,09 Prozent)<br />

Evonik (4,6 Prozent)<br />

Prime Office<br />

Generali DE (6,98 Prozent)<br />

Käufer<br />

Vodafone<br />

McKesson<br />

Deutsche Wohnen<br />

Volkswagen<br />

Patrizia Immobilien<br />

Twenty-First Century Fox<br />

Temasek<br />

German Acorn Real Estate<br />

Assicurazioni Generali<br />

Branche<br />

Telekommunikation<br />

Pharmahandel<br />

Immobilien<br />

Industrie<br />

Immobilien<br />

Funk und Fernsehen<br />

Industrie<br />

Immobilien<br />

Versicherer<br />

1 nur börsennotierte Unternehmen; Quelle: Mergermarket, eigene Recherchen<br />

Kaufpreis<br />

(in Mrd. Euro)<br />

8,6<br />

5,5<br />

3,9<br />

2,8<br />

2,5<br />

0,9<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

bei Übernahmezielen Wachstum und Innovationen.<br />

„Allerdings sind viele aus<br />

Angst vor volkswirtschaftlichen Schocks<br />

immer noch zurückhaltend“, sagt Roos.<br />

n Doch diese Ängste lassen offenbar nach.<br />

„Das Umfeld hat sich stabilisiert, die Unternehmen<br />

haben viel Bargeld und stehen<br />

unter Druck, für Wachstum zu sorgen“, sagt<br />

Alexander Doll, Co-Deutschland-Chef von<br />

Barclays. In stagnierenden Branchen, etwa<br />

der Telekomindustrie, könnten Firmen nur<br />

noch durch Übernahmen wachsen.<br />

n „Viele der potenziellen Übernahmeziele<br />

haben sich schlankgespart und lupenreine<br />

Bilanzen, was sie noch attraktiver macht“,<br />

sagt Tim Schmiel, auf Übernahmen spezialisierter<br />

Manager von VM Vermögen in<br />

Düsseldorf. Potenzielle Ziele könnten dank<br />

hoher Cash-Flows Zinsen für Kredite aus<br />

Übernahmefinanzierungen selbst tragen.<br />

n Auch der Kursaufschwung dürfte helfen.<br />

„Börsennotierte Unternehmen können<br />

den Weg der Kapitalerhöhung<br />

nutzen oder ihre Aktien<br />

als Währung einsetzen“,<br />

sagt Jens Maurer, Leiter<br />

des deutschen Übernahmegeschäfts<br />

bei Morgan<br />

Stanley.<br />

n Ein Treiber sind aktivistische<br />

Investoren. Fonds<br />

wie Cevian und Finanzhaie<br />

wie Carl Icahn kaufen sich<br />

bei Unternehmen ein und<br />

drängen das Management<br />

zu Verkäufen von Teilen<br />

oder Zukäufen. „Sie haben<br />

mehr Geld eingesammelt<br />

als je zuvor und sind bereit,<br />

sogar die weltgrößten<br />

»<br />

FOTO: KURT FUCHS<br />

80 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


<strong>13</strong>0 Milliarden<br />

Dollar brachte Vodafone der<br />

Verkauf von Verizon<br />

Wireless, die Kasse lockt<br />

Aufkäufer wie AT&T<br />

30 Prozent<br />

legte die Vodafone-Aktie<br />

seit Ende August zu,<br />

mehr als doppelt so viel wie<br />

der Euro Stoxx 50<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

»<br />

Übernahmekandidat Vossloh<br />

Der Bahntechniker könnte seine<br />

Transportsparte abstoßen<br />

Wer ist dran?<br />

Thiele (Knorr-Bremse, hält 25 Prozent)<br />

Unternehmen anzugreifen“, sagt Wolfgang<br />

Fink, Chef des deutschen Investmentbankings<br />

bei Goldman Sachs.<br />

Andere Aktivisten wie der Hedgefonds<br />

Elliott steigen in laufende Übernahmen<br />

ein. Als der US-Konzern McKesson den<br />

Pharmahändler Celesio schlucken wollte,<br />

kaufte Elliott 25 Prozent der Celesio-Aktien<br />

und hätte den Deal blockieren können.<br />

Am Mittwoch sickerte durch,<br />

McKesson und Elliott würden sich einigen,<br />

Celesio stiegen um gut acht Prozent.<br />

Letztlich konnte Elliott einen um 50 Cent<br />

erhöhten Preis erzwingen. Wer sich bei<br />

den Übernahmen von Kabel Deutschland,<br />

Demag oder Techem in Elliotts Kielwasser<br />

hängte, verdiente in den vergangenen<br />

Jahren gut.<br />

n Noch mehr Feuerkraft haben Finanzinvestoren.<br />

In Private-Equity-Fonds schlummern<br />

weltweit 384 Milliarden Dollar, die<br />

investiert werden wollen. Der Druck auf<br />

die Fondsmanager, das Geld in Unternehmen<br />

zu stecken, steigt mit jeder Kursrally.<br />

2<strong>01</strong>3 verkauften sie vor allem Unternehmen,<br />

die sie in den Jahren vor der Finanzkrise<br />

erworben hatten. „Aber der Druck<br />

wächst, auch mehr Neugeschäft zu machen“,<br />

sagt Barclays-Banker Doll. Bei nicht<br />

börsennotierten Unternehmen kommen<br />

die Heuschrecken laut einer Studie des<br />

Wirtschaftsprüfers Ernst & Young (EY) immer<br />

seltener zum Zug, die Bereitschaft der<br />

Mittelständler, „für ihre Entwicklung mit<br />

Finanzinvestoren zusammenzuarbeiten,<br />

ist eher gering“, sagt EY-Partner Wolfgang<br />

Taudte. Fonds, die in Deutschland einsteigen<br />

wollen, könnten vermehrt börsennotierte<br />

Unternehmen mit breit gestreutem<br />

Aktienkapital ins Visier nehmen.<br />

Die wohl heißesten Gerüchte drehen<br />

sich um Telekomunternehmen. „Das Potenzial<br />

für Übernahmen und Fusionen in<br />

dem Sektor ist in Europa groß“, sagt Gabriel<br />

Bartholdi, Aktienstratege bei J. Safra Sarasin<br />

in Basel. Die Börsen sehen das genauso.<br />

Selbst in der üblicherweise ruhigen Zeit um<br />

den Jahreswechsel lösten Berichte über Finanzierungspläne<br />

des japanischen Mobilfunkers<br />

Softbank für den Kauf der Telekom-<br />

Tochter T-Mobile US starke Kursbewegungen<br />

aus. T-Mobile-US-Aktien legten in 14<br />

Tagen um gut ein Fünftel zu; Titel der Mutter<br />

Deutsche Telekom (Anteil rund 70 Prozent)<br />

stiegen auf ein Sechs-Jahres-Hoch.<br />

TELEKOMUNTERNEHMEN IM VISIER<br />

Schon seit dem Sommer ist der Kurs des<br />

Bonner Konzerns wachgeküsst: Weil sich<br />

seither eine Konsolidierungswelle in der<br />

Branche ankündigt, gewannen T-Aktien<br />

rund 40 Prozent. Berichte über Interessenten<br />

für T-Mobile US brachten Mitte Dezember<br />

noch mal Schwung in den Kurs. Als<br />

Interessent wird neben Softbank der Satelliten-TV-Anbieter<br />

Dish gehandelt.<br />

Sollte die Telekom ihr US-Abenteuer beenden,<br />

stünden ihr endlich die Mittel für<br />

einen großen Wurf in Europa zu Verfügung.<br />

Das Objekt der Begierde könnte die<br />

französische Orange (Ex-France-Télécom)<br />

sein. Das große Konsolidierungsspiel kann<br />

nur gewinnen, wer in Großbritannien,<br />

Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland<br />

signifikante Marktanteile hält oder erwirbt.<br />

Lukrativ, nicht wegen ihrer Größe,<br />

aber wegen kaufkräftiger Kundschaft, sind<br />

zudem die skandinavischen Märkte und<br />

Anbieter, die teils in Osteuropa, teils in<br />

Asien gut unterwegs sind.<br />

Ein großes Stück <strong>vom</strong> Kuchen versucht<br />

sich Telefónica zu sichern. Bisher sind die<br />

Spanier Minderheitsaktionär der Holding<br />

Telco, die zwar nur 22,45 Prozent der Anteile<br />

an Telecom Italia hält, damit aber den<br />

gesamten Konzern kontrolliert. Die Spanier<br />

wollen schrittweise die Großaktionäre<br />

Mediobanca, Intesa und Generali herauskaufen,<br />

um als neuer Mehrheitseigner Telco<br />

steuern zu können.<br />

Bei der deutschen E-Plus, Tochter der<br />

niederländischen KPN, sind die Spanier<br />

schon wesentlich weiter. Die Aktionäre der<br />

niederländischen Muttergesellschaft von<br />

E-Plus, KPN, stimmten im Herbst dem Verkauf<br />

an Telefónica Deutschland (bekannt<br />

als O2) für 8,55 Milliarden Euro zu. Das Geschäft<br />

ist noch nicht durch: Die Kartellbehörden<br />

nehmen die Übernahme kritisch<br />

unter die Lupe. Ein zweiter Interessent für<br />

E-Plus und die Mutter steht schon parat.<br />

Der mexikanische Milliardär Carlos Slim<br />

könnte über sein Unternehmen América<br />

Móvil schnell zuschlagen, falls die Kartellbehörden<br />

O2 absagen. Schon im Herbst<br />

legte América Móvil ein Angebot für KPN<br />

vor, zog dann aber zurück.<br />

Ebenfalls mit attraktiver Dividende, aber<br />

mit noch mehr Übernahmefantasie ausgestattet,<br />

ist die Teliasonera-Aktie. France<br />

Télécom wollte den schwedisch-finnischen<br />

Telekomkonzern schon kaufen. 2008<br />

wehrte Teliasonera das Angebot noch ab.<br />

Wer die nordeuropäischen und baltischen<br />

Märkte erobern will, kommt aber an Teliasonera<br />

nicht vorbei. Der aktuelle Börsenwert<br />

liegt sogar unter dem ehemaligen<br />

Kaufangebot von France Télécom. Da dürfte<br />

also noch was gehen.<br />

Daran gemessen ist Telekom Austria ein<br />

kleiner Fisch. Die Österreicher sind in der<br />

Zange zwischen Staat (28,4 Prozent Anteil)<br />

und América Móvil (22,8) geraten. Letztere<br />

würde gern aufstocken. Wie die Deutsche<br />

Telekom kaufte Telekom Austria insbesondere<br />

im Südosten Europas zu. Wegen des<br />

schon hohen Anteils von América Móvil an<br />

Telekom Austria forderten Gewerkschafter<br />

zuletzt eine „vollständige Rückverstaatli-<br />

FOTO: LAIF/REA/FREDERIC MAIGROT<br />

82 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


chung“. Auch in diesem Fall dürfte es einen<br />

Aufschlag für Aktionäre geben.<br />

Die Vodafone-Aktie ist mit einem Kurs-<br />

Gewinn-Verhältnis von 18 nicht mehr billig.<br />

Eine Alternative ist, auf Unternehmen<br />

zu wetten, die von Vodafone gefressen werden<br />

könnten. Nach der Übernahme von<br />

Kabel Deutschland könnten die Briten das<br />

Kabelimperium von John Malone ins Visier<br />

nehmen. Malone hält über seine Holding<br />

Liberty Global Kabelnetzbetreiber in zwölf<br />

europäischen Ländern. Wer seinen Kunden<br />

ein Bündel aus Festnetz, Internet, Mobilfunk<br />

und TV bieten will, kommt an Liberty<br />

Global nicht vorbei. Auch die BT<br />

Group könnte ein Opfer von Vodafone werden.<br />

Seit der Trennung von der Mobilfunksparte<br />

hat sich die ehemalige British Telecom<br />

auf Internet-Anschlüsse für Privathaushalte<br />

beschränkt. Attraktiv für Käufer<br />

wären neben der Kundenkartei die Festnetzinfrastruktur<br />

sowie das Firmenkundengeschäft,<br />

das BT Global global betreibt.<br />

CHANCENREICHE INDUSTRIEWERTE<br />

„Auch in der Industrie gibt es Konsolidierungsbedarf“,<br />

sagt Doll. Im Spätsommer<br />

2<strong>01</strong>3 erhöhte die schwedische AB Volvo ihren<br />

Anteil am Motorenbauer Deutz von 6,7<br />

auf knapp 25 Prozent. Da der zweite ehemalige<br />

Deutz-Großaktionär, Same Deutz-<br />

Fahr aus Italien, inzwischen ausgestiegen<br />

ist, wäre der Weg für eine Übernahme frei.<br />

Schuler-Aktien bieten ebenfalls Potenzial,<br />

trotz 60 Prozent Wertzuwachs in 14 Monaten.<br />

Am Pressenhersteller hält die österreichische<br />

Andritz 93,6 Prozent und müsste<br />

nach derzeitigen Kursen nur gut 50 Millionen<br />

Euro in die Hand nehmen, um Altaktionäre<br />

abzufinden. Mit 20 Prozent Aufschlag<br />

kostete der Komplettkauf 60 Millionen Euro<br />

– für die Grazer mit 5,2 Milliarden Euro Jahresumsatz<br />

ein Pappenstiel. Deutlich tiefer in<br />

die Tasche greifen müsste Knauf. Der Gipshersteller<br />

hat sich in einem ersten Anlauf 7,8<br />

Prozent an Klöckner & Co gesichert. Der<br />

Stahl- und Metallhändler ist an der Börse<br />

eine Milliarde Euro wert. Vorstellbar ist,<br />

dass Knauf sukzessive seine Anteile aufstockt,<br />

nachdem der Klöckner-Kurs 2<strong>01</strong>3 in<br />

etwa mit dem Markt gelaufen ist und damit<br />

keine überhitzte Aufkaufprämie hat.<br />

Fantasie ist auch in der Aktie des Bahntechnikers<br />

Vossloh. Nachdem die Familie<br />

nur noch etwas weniger als zehn Prozent<br />

hält, ist unklar, was mit dem Unternehmen<br />

passiert. Heinz Hermann Thiele, Inhaber<br />

des Autozulieferers Knorr Bremse, hat<br />

zwar dementiert, dass er sein 25-Prozent-<br />

Paket an Vossloh aufstocken oder gar<br />

»Es gibt keinen<br />

solchen Plan<br />

für die absehbare<br />

Zukunft«<br />

Aktionär Thiele über eine Vossloh-Übernahme<br />

Knorr-Bremse mit Vossloh verschmelzen<br />

und Vossloh von der Börse nehmen wolle.<br />

Besäße Thiele mehr als 30 Prozent der<br />

Vossloh-Aktien, müsste er den restlichen<br />

Aktionären ein Übernahmeangebot machen.<br />

Es gebe aber keinen solchen Plan<br />

„auf absehbare Zeit“, sagte Thiele im Dezember<br />

der WirtschaftsWoche.<br />

Als Optionen bleiben ihm aber eine Verschmelzung<br />

mit anderen Unternehmen<br />

Im Visier der Aufkäufer<br />

Kennzahlen der Kandidaten, wie wahrscheinlich eine Übernahme ist<br />

Unternehmen/Land/Branche<br />

Vodafone/GB/Telekom<br />

T-Mobile US/US/Mobilfunk<br />

Orange/FR/Telekom<br />

Telecom Italia/IT/Telekom<br />

Teliasonera/SE/Telekom<br />

Telekom Austria/A/Telekommunik.<br />

Liberty Global/GB/Kabelnetz<br />

BT Group/GB/Festnetz<br />

Deutz/DE/Industriemotoren<br />

Schuler/DE/Maschinen<br />

Klöckner & Co/DE/Stahlhandel<br />

Vossloh/DE/Bahntechnik<br />

Elexis/DE/Maschinenbau<br />

Mifa/DE/Fahrradhersteller<br />

Nanofocus/DE/Messtechnik<br />

SGL Carbon/DE/Spezialchemie<br />

Nordex/DE/Maschinenbau<br />

Tod’s /IT/Ledermode<br />

Puma/DE/Sportartikel<br />

GK Software/DE/Software<br />

Pironet/DE/Software<br />

P&I/DE/Software-Service<br />

Synaptics/US/Software<br />

Tibco/US/Software<br />

Teradata/US/Software-Service<br />

Yelp/US/Software<br />

OpenTable/US/Software-Service<br />

potenzielle Aufkäufer<br />

AT & T<br />

Softbank, Dish<br />

Deutsche Telekom<br />

Telefónica<br />

Orange<br />

América Móvil<br />

Vodafone<br />

Vodafone<br />

AB Volvo<br />

Andritz<br />

Knauf<br />

Knorr-Bremse<br />

SMS Gruppe<br />

Hero Cycles<br />

VW, BMW<br />

BMW, VW, Voith<br />

Wettbew. aus China<br />

LVMH<br />

Kering<br />

SAP<br />

Cancom<br />

Edge Holding<br />

Samsung<br />

SAP, HP<br />

Oracle<br />

Yahoo<br />

Yahoo, Google<br />

oder der Verkauf von Teilen. Laut Finanzdienst<br />

Bloomberg plant Vossloh, seine<br />

Transportsparte an China Railway abzustoßen.<br />

Analysten sehen das als Chance für<br />

die Chinesen, in Europa Fuß zu fassen.<br />

Noch nicht gefruchtet hat die Spekulation,<br />

dass die SMS Gruppe als Großaktionär<br />

bei der Technologieholding Elexis aufstocken<br />

könnte. Auch deshalb hat sich der Elexis-Kurs<br />

2<strong>01</strong>3 kaum nach oben bewegt,<br />

nachdem er sich seit 2009 binnen knapp<br />

vier Jahren vervierfacht hatte. Eine Investition<br />

in die Aktie sollte sich aber auf längere<br />

Sicht lohnen. Denn neben der Übernahmespekulation<br />

überzeugt Elexis mit einer hohen<br />

Eigenkapitalquote von 59 Prozent, soliden<br />

Cash-Flows und guten Gewinnen.<br />

Viel Musik ist in der Aktie des ostdeutschen<br />

Fahrradherstellers Mifa. Im Juli kündigte<br />

der eine strategische Partnerschaft<br />

mit dem größten indischen Fahrradher-<br />

1 = in Mio. Euro; 2 = Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis des Gewinns 2<strong>01</strong>2; l = Übernahme läuft oder sehr<br />

wahrscheinlich; l = Übernahme mittelfristig wahrscheinlich; l Übernahme möglich; Quelle: Bloomberg,<br />

eigene Recherchen<br />

ISIN<br />

GB00B16GWD56<br />

US87259<strong>01</strong>040<br />

FR000<strong>01</strong>33308<br />

IT0003497168<br />

SE0000667925<br />

AT0000720008<br />

GB00B8W67662<br />

GB00309<strong>13</strong>577<br />

DE0006305006<br />

DE000A0V9A22<br />

DE000KC<strong>01</strong>000<br />

DE0007667107<br />

DE0005085005<br />

DE000A0B95Y8<br />

DE0005400667<br />

DE00072353<strong>01</strong><br />

DE000A0D6554<br />

IT0003007728<br />

DE0006969603<br />

DE0007571424<br />

DE0006916406<br />

DE00069<strong>13</strong>403<br />

US87157D1090<br />

US88632Q1031<br />

US88076W1036<br />

US9858171054<br />

US68372A1043<br />

Kurs<br />

(in Euro)<br />

2,86<br />

24,70<br />

9,09<br />

0,80<br />

5,92<br />

6,14<br />

64,32<br />

4,60<br />

6,68<br />

26,62<br />

10,40<br />

69,80<br />

24,<strong>01</strong><br />

6,70<br />

3,50<br />

29,55<br />

11,32<br />

109,80<br />

225,95<br />

48,50<br />

4,87<br />

51,<strong>01</strong><br />

39,92<br />

16,75<br />

33,72<br />

53,91<br />

61,<strong>13</strong><br />

Börsenwert<br />

1<br />

<strong>13</strong>8758<br />

19780<br />

24089<br />

14460<br />

25647<br />

2721<br />

25547<br />

36397<br />

807<br />

796<br />

1037<br />

930<br />

221<br />

66<br />

10<br />

2098<br />

916<br />

3367<br />

3408<br />

92<br />

71<br />

393<br />

<strong>13</strong>21<br />

2731<br />

5499<br />

3762<br />

1422<br />

KGV<br />

<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

12,3<br />

52,2<br />

9,5<br />

9,7<br />

11,8<br />

17,8<br />

73,5<br />

16,8<br />

<strong>13</strong>,8<br />

12,9 2<br />

32,3<br />

16,5<br />

16,2<br />

23,1<br />

25,0<br />

73,3<br />

29,8<br />

20,2<br />

20,4<br />

17,8<br />

23,8 2<br />

18,9 2<br />

19,3<br />

36,2<br />

17,4<br />

414,7<br />

52,3<br />

Status<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

l<br />

»<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 83<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

»<br />

steller Hero Cycles an. Es sei vorgesehen,<br />

dass Hero eine Minderheitsbeteiligung<br />

an Mifa kauft. Details soll es geben,<br />

sobald „diesbezügliche Verhandlungen<br />

fortgeschritten sind“. Seither ist Funkstille,<br />

das Unternehmen sagt, man verhandle<br />

noch. In einer (von Mifa bezahlten) Studie<br />

schreibt Montega Research, dass sie, wenn<br />

es zu einer Kooperation und Minderheitsbeteiligung<br />

komme, „eine spätere Übernahme<br />

von Mifa nicht für unwahrscheinlich<br />

erachten“. AWD-Gründer Carsten<br />

Maschmeyer kontrolliert rund 28 Prozent<br />

der Mifa. Interessiert könnte auch die Cycleurope<br />

sein, einer der größten europäischen<br />

Fahrradkonzerne, mit dem Mifa bei<br />

der Entwicklung und Produktion hochwertiger<br />

Fahrräder und E-Bikes kooperieren<br />

will. Investoren haben das Schicksal des<br />

Wettbewerbers Derby Cycle vor Augen, der<br />

nach einem gescheiterten Übernahmeversuch<br />

durch die niederländische Accell<br />

Group 2<strong>01</strong>2 von der niederländischen Pon<br />

Holdings übernommen wurde.<br />

Kollenda sieht Kandidaten derzeit vor<br />

allem im High-Tech-Bereich. Nanofocus<br />

entwickelt optische 3-D-Oberflächen-<br />

Messtechnik und will in die Produktionsüberwachung<br />

einsteigen. Interessant wäre<br />

das vor allem für die Automobilbranche.<br />

Die muss bei neuen Motoren den Spritverbrauch<br />

senken; dazu ist es notwendig,<br />

die Reibung innerhalb des Motors zu verringern.<br />

Nanofocus hat Überwachungssysteme<br />

entwickelt, die Motorblöcke aus der laufenden<br />

Produktion zerstörungsfrei vermessen<br />

können. Früher musste man den<br />

Block zersägen, um genaue Stichproben zu<br />

Übernahmekandidat Mifa<br />

Der Fahrradbauer profitiert <strong>vom</strong><br />

boomenden Markt für E-Bikes<br />

Wer ist dran?<br />

Hero Cycles (Indien)<br />

nehmen. „Ein Unternehmen wie VW oder<br />

BMW könnte versuchen, sich diese Technologie<br />

exklusiv zu sichern und Nanofocus<br />

zu kaufen, um die Belieferung von Mitbewerbern<br />

zu verhindern“, hofft Kollenda.<br />

Er verweist auf den Bieterkampf in der<br />

Carbon-Industrie, der Werkstoff wird für<br />

leichte Bauteile benötigt. BMW-Erbin Susanne<br />

Klatten hat sich über ihr Investmentbüro<br />

SKion, das 26,9 Prozent an SGL Carbon<br />

hält, und indirekt als Hauptaktionärin<br />

von BMW (der Autobauer besitzt weitere<br />

16 Prozent an SGL) schon fast die Aktienmehrheit<br />

gesichert. Weitere Zukäufe werden<br />

aber von anderen Investoren blockiert;<br />

so hält VW knapp zehn Prozent, der<br />

Maschinenbaukonzern Voith rund neun.<br />

Mit im Spiel ist Klatten auch beim Windanlagenbauer<br />

Nordex. Dessen Vorstandschef<br />

katapultierte am Dienstag den Aktienkurs<br />

um gut neun Prozent nach oben, als er<br />

»Eine spätere<br />

Übernahme halten<br />

wir nicht für<br />

unwahrscheinlich«<br />

Montega Research in einer Mifa-Auftragsstudie<br />

in einem Interview die Aktie als Übernahmeziel<br />

chinesischer Branchengrößen ins<br />

Spiel brachte.<br />

Im Juli hatte der französische Luxuskonzern<br />

LVMH für zwei Milliarden Euro den<br />

Kaschmirweber Loro Piana übernommen.<br />

„Der Trend zu Übernahmen in der Luxusbranche<br />

beschleunigt sich“, sagte damals<br />

Milton Pedraza, Chef des New Yorker Beraters<br />

Luxury Institute LLC, gegenüber<br />

Bloomberg. Mit dem Kauf des italienischen<br />

Familienunternehmens könnte LVMH den<br />

Grundstein für weitere Übernahmen legen.<br />

Gelingen könnten die, wenn LVMH<br />

den bisherigen Piana-Inhaber Pier Luigi<br />

Loro Piana in der Geschäftsführung seines<br />

Unternehmens lässt. Dann könnten sich<br />

weitere Unternehmer dazu entschließen,<br />

ihre Marken LVMH zum Kauf anzubieten –<br />

wenn sie weiter die Möglichkeit haben,<br />

mitzuentscheiden. So gilt auch Diego Della<br />

Valle mit seinem Konzern Tod’s als Kandidat<br />

für eine Übernahme. Das Unternehmen<br />

ist vor allem für seine Mokassins bekannt.<br />

Della Valle sitzt im Aufsichtsrat von<br />

LVMH; außerdem hält eine LVMH-Tochter<br />

3,5 Prozent an Tod’s. Potenzial hat Tod’s auf<br />

aktuellem Kursniveau noch: Mit einem geschätzten<br />

KGV von gut 20 für <strong>2<strong>01</strong>4</strong> ist Tod’s<br />

günstiger als europäische Modeaktien, die<br />

im Schnitt gut 15 Prozent teurer sind.<br />

Ein weiterer Luxusriese, die französische<br />

Kering (vormals PPR), zieht bei Puma die<br />

Strippen. Als die Ergebnisse des nach Adidas<br />

zweitgrößten deutschen Sportartikelherstellers<br />

zu wünschen übrig ließen, setzte<br />

Kering 2<strong>01</strong>3 einen Chefwechsel durch.<br />

Kering hatte 2007 von den Tchibo-Erben 27<br />

Prozent übernommen und relativ schnell<br />

auf 60 Prozent aufgestockt. Seither sammelte<br />

man weiter fleißig Puma-Anteile ein<br />

und hält inzwischen 83 Prozent. Gut möglich,<br />

dass dies noch nicht das Ende ist.<br />

HARTE GEWINNE MIT SOFTWARE<br />

Über 80 Prozent seit Empfehlung zugelegt<br />

hat das Papier des Softwareunternehmens<br />

IBS. Allerdings dürfte das Beste jetzt gelaufen<br />

sein. Anleger sollten die üppigen Gewinne<br />

mitnehmen. Stecken könnte man<br />

sie zum Beispiel in die kleine (knapp 40<br />

Millionen Euro Umsatz), aber hochprofitable<br />

GK Software. Das Unternehmen ist auf<br />

Softwarelösungen für den Einzelhandel<br />

spezialisiert. Zu den Kunden zählen Hornbach,<br />

Tchibo, Netto, Kaufhof und Douglas.<br />

Aufträge, wie zuletzt von Migros, werden<br />

oft zusammen mit SAP reingeholt. SAP beteiligte<br />

sich zum Jahresende mit gut fünf<br />

Prozent und hat ein bis Ende 2020 laufen-<br />

FOTOS: DDP IMAGES/CANDY WELZ, BLOOMBERG NEWS/ALESSIA PIERDOMENICO<br />

84 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


des Vorkaufsrecht an den faktisch gut 52<br />

Prozent, die noch in der Hand der Gründer<br />

sind. Die wollten auf dem aktuellen Kursniveau<br />

keine Aktien abgeben. Bei höheren<br />

Kursen könnte sich das ändern.<br />

Heiß begehrt sind Unternehmen, die<br />

über Cloud-Technologie verfügen, also<br />

Programme und Daten auf große Rechner<br />

im Internet auslagern. Der TecDax-Wert<br />

Cancom übernahm deshalb Pironet, die<br />

vor allem Mittelständler wie die Kulmbacher<br />

Brauerei oder den 1. FC Köln mit Softwaredienstleistungen<br />

beliefert. Ein Angebot<br />

von Cancom an die Aktionäre von Pironet<br />

von Mitte Dezember über 4,50 Euro pro<br />

Aktie wurde noch einmal auf 4,80 Euro erhöht.<br />

Cancom hält fast 75 Prozent, dürfte<br />

aber noch aufstocken. Schon jetzt plant<br />

Cancom Gewinnbeiträge von Pironet ein.<br />

Dass auch nach einer Mehrheitsübernahme<br />

durchaus noch Kursgewinne drin<br />

sind, beweist P&I Personal & Informatik.<br />

Das Unternehmen bietet Cloud-basierte<br />

Software für Personalmanagement. P&I<br />

wurde von der Carlyle Group an den Finanzinvestor<br />

Edge Holding weitergereicht.<br />

Der meldete zuletzt knapp 92 Prozent der<br />

Stimmrechte und bietet den Aktionären 50<br />

Euro je Aktie, P&I notiert darüber.<br />

»Der Trend zu<br />

Übernahmen in<br />

der Luxusbranche<br />

gewinnt an Fahrt«<br />

Milton Pedraza, Luxury Institute LLC, New York<br />

US-GIGANTEN MIT VOLLEN KASSEN<br />

Auch für die US-Technologieriesen bleibt<br />

der Aufkauf von Unternehmen eine wichtige<br />

Wachstumsstrategie, vor allem in den<br />

Boommärkten Internet, Tablets und<br />

Smartphones, Online-Werbung, Cloud<br />

Computing und Datenanalyse.<br />

Synaptics aus dem Silicon Valley liefert<br />

die Software für die Steuerung von Displays<br />

in Notebooks, Smartphones und<br />

Tablets, beispielsweise Amazons Kindle<br />

und Googles Nexus 5. Während Apple<br />

selbstentwickelte Technologie für die<br />

Steuerung seiner iPhones und iPads verwendet,<br />

setzt die Konkurrenz auf die Lösungen<br />

von Synaptics. Das Unternehmen<br />

ist relativ unbekannt und nicht teuer. Für<br />

Giganten wie Samsung und Lenovo könnten<br />

die Kalifornier zum Ziel werden; die<br />

Asiaten wollen sich stärker im Silicon Valley<br />

einkaufen.<br />

Auch Softwareanbieter Tibco könnte für<br />

Wettbewerber – Oracle, SAP, EMC, IBM –<br />

attraktiv sein. Tibco ist Spezialist für das<br />

Zusammenführen und Verwalten von Daten.<br />

Seine Produkte haben einen guten Ruf,<br />

sind in der Regel aber teurer als die der<br />

Konkurrenz. Tibco-Chef Vivek Ranadive<br />

hatte deshalb zuletzt Probleme, Wachstum<br />

vorzuweisen, was die Aktie unter Druck<br />

Übernahmekandidat Tod’s<br />

Der italienische Schuhhersteller ist für<br />

globale Luxuskonzerne interessant<br />

Wer ist dran?<br />

LVMH (hält 3,5 Prozent)<br />

Tabelle<br />

brachte. Tibco ist deshalb mit einem Börsenwert<br />

<strong>vom</strong> 3,6-fachen Jahresumsatz relativ<br />

billig. Seine Spotfire-Sparte, die große<br />

Datenmengen visualisiert, ist sehr erfolgreich<br />

im Wachstumsmarkt Datenanalyse.<br />

Der direkte Wettbewerber Tableau Software<br />

setzt nur knapp 200 Millionen Dollar<br />

um, wird aber mit dem 20-fachen Jahresumsatz<br />

bewertet.<br />

Als weitere Perle im Wachstumsmarkt<br />

Big Data gilt Teradata. Das Unternehmen<br />

ist ein Pionier bei Data-Warehousing (Zusammenführen<br />

und Auswerten von großen<br />

Datenmengen). Kunden sind Telekom-<br />

und Handelsriesen. 2<strong>01</strong>2 zog Teradata<br />

aus 2,7 Milliarden Dollar Umsatz 419<br />

Millionen Dollar Gewinn. Doch das<br />

Wachstum hat sich 2<strong>01</strong>3 abgeschwächt,<br />

vor allem wegen des Preisdrucks der Wettbewerber:<br />

Oracle, SAP, IBM, EMC und<br />

auch Amazon investieren stärker in Data-<br />

Warehousing. Die Aktie ist 2<strong>01</strong>3 von 64 auf<br />

45 Dollar gefallen. Teradata könnte mit<br />

seinem Umsatz von unter drei Milliarden<br />

Dollar zu klein sein, um in diesem Markt<br />

auf Dauer gegen die Großen zu bestehen.<br />

Zumindest einer der Top-Manager eines<br />

Wettbewerbers kennt das Unternehmen<br />

bestens: Mark Hurd, der frühere HP-Chef<br />

und jetzige Stellvertreter von Oracle-CEO<br />

Larry Ellison, führte früher Teradata.<br />

Internet-Größen wie Google, Yahoo<br />

oder Facebook kaufen in der Regel noch<br />

nicht börsennotierte Wachstumsunternehmen.<br />

Jetzt fordert die Börse, dass sie<br />

ihren Umsatz signifikant ausbauen, deshalb<br />

könnten sie vermehrt börsennotierte<br />

Unternehmen kaufen, deren Geschäftsmodelle<br />

ausgereift sind. Zum Beispiel die<br />

Vermarkter Yelp und OpenTable, die beide<br />

mit dem Vermitteln von Dienstleistungen,<br />

vorrangig von Restaurantbuchungen,<br />

gut Umsatz machen. Die Aktien sind<br />

schon teuer, was jedoch einen Aufkauf<br />

nicht ausschließt.<br />

Für Größen wie Yahoo oder Google würde<br />

eine Übernahme Sinn machen. Yahoo<br />

wollte Yelp schon vor dem Börsengang<br />

schlucken, scheiterte aber. Der erwartete<br />

Börsengang der chinesischen Yahoo-Beteiligung<br />

Alibaba aber dürfte Milliarden in<br />

die Kassen von Yahoo spülen. Chefin Marissa<br />

Mayer steht unter dem Druck, in Bereiche<br />

mit bewährten Geschäftsmodellen<br />

zu expandieren, und könnte deshalb einen<br />

Aufpreis für Yelp oder OpenTable akzeptieren.<br />

n<br />

stefan hajek, matthias hohensee | Silicon Valley,<br />

sebastian kirsch, hauke reimer | Frankfurt, christof<br />

schürmann, cornelius welp | Frankfurt, geld@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 85<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

In die roten Zahlen gelotst ZDF-Traumschiff<br />

MS Deutschland<br />

Licht ins Dunkel<br />

ANLEIHEN | Im Minibondmarkt tauchen zweifelhafte<br />

Geschäftemacher auf. Immer mehr Anleihen fallen aus.<br />

Warum es noch mehr Pleiten geben könnte.<br />

Das Traumschiff MS Deutschland<br />

schippert aktuell in Vietnam herum.<br />

Die thailändische Insel Ko Samui<br />

haben die Passagiere bereits hinter sich gelassen,<br />

sie haben den königlichen Palast in<br />

Bangkok und die Tempelanlagen von Angkor<br />

Wat bestaunt. Zwischen 3995 („Kabine<br />

Fortuna innen“) und 15 740 Euro („Eigner-<br />

Suite“) kostet der 17-tägige Spaß. Offenbar<br />

reicht das nicht: Im ersten Halbjahr 2<strong>01</strong>3<br />

fuhr der in die Jahre gekommene Dampfer<br />

einen Fehlbetrag von 4,8 Millionen Euro<br />

ein – er hält sich nur über Wasser, weil der<br />

bisherige Gesellschafter Aurelius einen<br />

Millionenkredit zur Zahlung von Anleihezinsen<br />

gegeben hat. Anleger haben der MS<br />

Deutschland Beteiligungsgesellschaft 50<br />

Millionen Euro geliehen, an der Börse sind<br />

die Bonds nur noch 33 wert. Die Agentur<br />

Scope hat ihr Rating zurückgezogen, begleitet<br />

<strong>vom</strong> Protest des Unternehmens.<br />

Mitte der Woche meldete Aurelius den<br />

Verkauf der MS Deutschland an Finanzinvestor<br />

Callista. Er wirbt damit, binnen<br />

sechs Monaten die Sanierung seiner Käufe<br />

einzuleiten. Die Anleihe stieg. Anleger<br />

könnten sich zu früh freuen: Callista wurde<br />

neu gegründet, das Schiff ist ihr erster Kauf.<br />

Und Sanierung heißt bisweilen Pleite: Das<br />

schuldenfreie Unternehmen wirtschaftet<br />

weiter, Anleger werden mies abgefunden.<br />

Zwar ist der Traumschiff-Bond mit dem<br />

Schiff besichert. Doch ob ein Verkauf die 50<br />

Millionen bringen würde, ist ungewiss. Für<br />

Anleger sei es am besten, lästerte ein Investor,<br />

wenn der Kahn im Hafen absaufe und<br />

die Versicherung zahlen müsse.<br />

440 MILLIONEN EURO PERDU<br />

Schlechte Nachrichten von Mittelstandsanleihen<br />

kamen zuletzt Schlag auf Schlag:<br />

Im September rutschte der Windpark-Projektierer<br />

Windreich in die Pleite (siehe Seite<br />

60). Abfallverwerter FFK Environment<br />

beantragte im Oktober Insolvenz. Mitte<br />

November folgte die börsennotierte Getgoods.<br />

Eine Farce – keine vier Wochen zuvor<br />

hatte der Online-Händler verkündet,<br />

eine 60 Millionen schwere Anleihe erfolgreich<br />

platziert zu haben. Am 10. Dezember<br />

bereitete der Münchner Personalvermittler<br />

HKW Personalkonzepte seinen Insolvenzantrag<br />

vor. Drei Tage später war es bei der<br />

börsennotierten S.A.G. Solarstrom so weit.<br />

Der Anlagenbauer befindet sich nun im Insolvenzverfahren<br />

in Eigenverwaltung.<br />

Jetzt ist klar: Ausfälle im Mittelstand treffen<br />

nicht mehr bloß Emittenten aus den<br />

gebeutelten erneuerbaren Energien. Mittelständler<br />

haben seit 2<strong>01</strong>0 mit gut 100<br />

Bonds fast fünf Milliarden Euro bei Anlegern<br />

gepumpt. Doch Zinsen von bis zu 11,5<br />

Prozent können viele nicht erwirtschaften,<br />

rund 440 Millionen Euro sind schon perdu.<br />

Ausfälle sind das eine Problem – doch<br />

immer häufiger treten nun auch zweifelhafte<br />

Geschäfte ans Tageslicht. Mehrere<br />

Staatsanwaltschaften ermitteln.<br />

n Die Staatsanwaltschaft Schwerin verdächtigt<br />

German-Pellets-Geschäftsführer<br />

Peter Leibold des Kreditbetruges, Betruges<br />

und der unrichtigen Darstellung von Bilanzen.<br />

German Pellets und Leibold weisen<br />

Vorwürfe zurück und gehen davon aus,<br />

dass das Verfahren eingestellt wird.<br />

n Bei Windreich vermutet die Staatsanwaltschaft<br />

Stuttgart Insolvenzverschleppung,<br />

Bilanzmanipulation und Kreditbetrug. Ex-<br />

Chef Willi Balz widerspricht: Er habe „korrekt<br />

bilanziert“, schrieb er der Redaktion.<br />

n Die Akte von Getgoods hat die Staatsanwaltschaft<br />

Frankfurt/Oder nun an die Abteilung<br />

für Wirtschaftskriminalität in Potsdam<br />

geschickt. Die Frankfurter hatten Unternehmen<br />

und Privaträume des Geschäftsführers<br />

Markus Rockstädt-Mies<br />

durchsucht. Verdacht:Unterschlagung von<br />

Ware im Wert von 50 Millionen Euro und<br />

ein möglicher Verstoß gegen das Aktienrecht.<br />

Getgoods soll Handys verkauft haben,<br />

die eine Firma nur gelagert hatte. Hätte<br />

er Verkäufe als Umsatz ausgewiesen, wären<br />

Finanzberichte falsch. Getgoods und<br />

Röckstädt-Mies wollten sich nicht äußern.<br />

n Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden<br />

geht gegen Mitarbeiter des Internet-Unternehmens<br />

Unister vor, dem Anteile am<br />

Online-Vermittler Travel24 gehören. Travel24<br />

wurde im Dezember durchsucht.<br />

Verdacht: Computerbetrug. Als Beschuldigte<br />

werden auch Vorstand und der Aufsichtsratschef<br />

der Travel24.com AG geführt.<br />

Das zu Travel24 gehörende Flugportal<br />

flug24.de soll Preisvorteile nicht an<br />

Kunden weitergegeben haben. Ermittelt<br />

wird auch wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.<br />

Travel24 weist Vorwürfe zurück.<br />

Leidtragende sind Sparer, der Bondkurs<br />

sackte auf rund 72 Prozent.<br />

ALTER BEKANNTER<br />

Den Markt geentert hat Axel Sartingen. Er<br />

ist Aufsichtsratschef beim Online-Spiele-<br />

Vermarkter Gamigo und hat bisher als klagefreudiger<br />

Aktionär von sich reden gemacht,<br />

der Vergleiche mit Unternehmen<br />

schließt. Das Landgericht Düsseldorf hat<br />

ihn 2<strong>01</strong>2 wegen Marktmanipulation zu 60<br />

Tagessätzen verurteilt. Das sei bekannt ge-<br />

FOTO: FLASHMEDIA BILD/HAUSER<br />

86 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Anleger haben<br />

fünf Milliarden<br />

Euro verliehen<br />

wesen, sagt Sartingen. Er sei „unbestraft“.<br />

Gamigo hat zwölf Millionen eingesammelt.<br />

Doch die Zahlen überzeugen nicht: In den<br />

ersten neun Monaten summierte sich der<br />

Nettoverlust auf 3,5 Millionen Euro.<br />

Mit Interessenkonflikten belastet ist die<br />

Konstruktion bei German Pellets, die Holzpellets<br />

zum Heizen verkaufen. Geschäftsführer<br />

Peter Leibold und Ehefrau Anna Kathrin<br />

gehört der Laden. Anleger leihen der<br />

German Pellets GmbH Geld. Ein Teil ist in<br />

US-Pelletwerke geflossen. Damit fängt das<br />

Problem an: Bei einer Pleite haben Sparer<br />

keinen Zugriff, da die Werke einer Stiftung<br />

in Österreich gehören, deren Begünstigte<br />

Frau Leibold ist.<br />

Das erste US-Werk der Stiftung, Texas<br />

Pellets, wird von der Emittentin nur betrieben.<br />

Das zweite Leibold-Werk, Louisiana<br />

Pellets, soll bis zum Frühjahr laufen. Die<br />

Ratingagentur Creditreform taxiert die Investitionen<br />

der Emittentin in US-Projekte<br />

auf 75,7 Millionen Euro.<br />

Die US-Werke, so die Emittentin, würden<br />

„grundsätzlich“ über Bonds der US-<br />

Gesellschaften finanziert. Das Wort grundsätzlich<br />

benutzen Juristen, um ein Hintertürchen<br />

offenzulassen. Es ist ein Scheunentor:<br />

Zwar hat die Stiftung Bonds begeben,<br />

aber die Emittentin haftet für einen<br />

Teil der Schulden, bei Texas Pellets 23,3<br />

Millionen Euro. Einen Teil des Eigenkapitals<br />

der Stiftung hat die Emittentin laut Prospekt<br />

„darlehensweise“ überwiesen.<br />

Geht bei dem komplizierten Projekt etwas<br />

schief, könnte eine Kettenreaktion die<br />

Emittentin ins Trudeln bringen. Creditreform<br />

rechnet mit „einer starken Ausweitung“<br />

der Haftungsverpflichtungen für die<br />

Emittentin. Die wiederum wiegelt ab:<br />

Chancen lägen bei German Pellets, Risiken<br />

bei einer US-Investitionsgesellschaft.<br />

Undurchsichtig ist, wer Gewinne einstreicht.<br />

Wieso darf etwa Texas Pellets, die<br />

der Stiftung gehört, Rohstoffe kaufen, nur<br />

um das Holz an die German Pellets Texas<br />

LLC zu verkaufen, die das Werk betreibt<br />

und eine mittelbare Tochter der Emittentin<br />

ist? Und warum verkauft LLC fertige Pellets<br />

nicht an Endkunden, sondern wieder an<br />

Texas Pellets, welche dann – endlich! – Ware<br />

verkauft? Die Margen, beteuert German<br />

Pellets, streiche selbstredend LLC ein und<br />

damit mittelbar die Anleiheemittentin.<br />

Hohe Gewinnmargen hat die bitter nötig,<br />

sie hat sich sportlich verschuldet:<br />

Bonds über 152 Millionen Euro kosten elf<br />

Millionen Euro Zinsen jährlich, dazu kommen<br />

Genussrechte, Mezzaninekapital,<br />

Kredite. German Pellets hat mit Banken<br />

Covenants vereinbart – Kennzahlen, die erreicht<br />

werden müssen, damit Banken kein<br />

Geld einfordern. Teilweise wurden Covenants<br />

verletzt. Banken hätten aber keine<br />

Kredite gekündigt, die Linien bestünden<br />

weiter und würden „vertragsgemäß bedient“,<br />

so German Pellets.<br />

Trotzdem hat Creditreform German Pellets<br />

im November mit der mittelguten Note<br />

BBB bewertet. Heißt:Die Bonität ist okay.<br />

Verlass ist auf ein solches Rating nicht.<br />

Das letzte Rating des Personalvermittlers<br />

HKW Personalkonzepte vor der Insolvenz<br />

lag bei BBB- unter Beobachtung, immer<br />

noch eine stark befriedigende Bonität.<br />

»<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

»<br />

Erst drei Wochen vor der Insolvenz setzte<br />

Creditreform das Rating aus, nachdem HKW<br />

angekündigt hat, Zinsen später zu zahlen.<br />

Doch das Geld ist nicht weg – es hat nur<br />

ein anderer. Schuldner der Emittentin hätten<br />

„nicht fristgerecht“ gezahlt, der Emittentin<br />

fehle Liquidität zur Zinszahlung, begründete<br />

HKW. Merkwürdig, hatte man einen<br />

Teil des Geldes doch an sich selbst verliehen:<br />

Laut Creditreform sind Mittel im<br />

Konzernverbund weitergereicht worden.<br />

Im Gegenzug hätten Patronatserklärungen<br />

für die Emittentin bestanden. Es waren Finanzanlagen<br />

ausgewiesen, die die Zinsen<br />

„bei weitem überstiegen“.<br />

Forderungen von 5,54 Millionen Euro<br />

stehen zum Halbjahr Ende Juni im Finanzbericht.<br />

Schuldner war die nun ebenso insolvente<br />

HKW Holding GmbH, Mutter der<br />

Emittentin. Sie gehört je zur Hälfte den damaligen<br />

geschäftsführenden HKW-Gesellschaftern<br />

Dieter Kick und Gerrit Brunsveld.<br />

Weder Kick noch der vorläufige Insolvenzverwalter<br />

Axel Bierbach wollten sich<br />

Gut Holz! Bagger schaufelt bei German<br />

Pellets in Wismar Späne<br />

äußern. Brunsveld war nicht erreichbar.<br />

Schade, denn ein Bericht von Creditreform<br />

wirft Fragen über seine Rolle auf. Zukäufe,<br />

schreibt die Agentur, seien „nicht durch die<br />

operativ tätige HKW Personalkonzepte“<br />

getätigt worden, sondern unter dem Dach<br />

der niederländischen Kosinus Investments,<br />

die Brunsveld gehört. Angeblich<br />

sollte die Gruppe so umgebaut werden,<br />

dass die Emittentin von Gewinnen der<br />

Käufe profitiert hätte. Creditreform hielt<br />

dies „für dringend erforderlich, um die<br />

Transparenz gegenüber Dritten zu verbessern“.<br />

Dem Plan kam die Insolvenz zuvor.<br />

Die nächsten Verluste deuten sich an:<br />

3W Power, die das Geschäft des Elektrotechnikers<br />

AEG Power Solutions führt,<br />

konnte 9,25 Millionen Euro Zinsen für die<br />

100-Millionen-Anleihe zunächst nicht zahlen.<br />

Und bevor bekannt wurde, dass neue<br />

Investoren einspringen und Zinsen zahlen<br />

würden, schnellten Anleihe- und Aktienkurs<br />

in die Höhe. Die Finanzaufsicht BaFin<br />

nimmt nun eine „routinemäßige Vorprüfung“<br />

auf möglichen Insiderhandel vor.<br />

Hoffnung setzen Anleger nun auf den<br />

neuen Aufsichtsratschef Dirk Wolfertz, der<br />

einst die aus AEG-Töchtern gebaute Elexis<br />

aus der Krise holte. „Ich rechne damit, dass<br />

wir schon in wenigen Wochen auf die Anleihegläubiger<br />

und Aktionäre zugehen und<br />

ihnen einen Vorschlag zur Neupositionierung<br />

von 3W Power präsentieren können“,<br />

sagt Wolfertz. Anleger werden wohl nicht<br />

100 Prozent zurückerhalten. Ob der Abschlag<br />

bei 68 Prozent liegt, wie der Kurs signalisiert,<br />

bleibt abzuwarten. Mutige wetten<br />

mit kleiner Position auf den Turn-around.<br />

JEDER FÜNFTE BOND ABGESTÜRZT<br />

Laut Geschäftsbericht von Dezember war<br />

die Liquiditätssituation beim Tütensuppenhersteller<br />

Zamek schon zum Stichtag<br />

im Sommer angespannt und hat sich „im<br />

weiteren Verlauf noch nicht entspannt“.<br />

Der Fortbestand berge „nicht unerhebliche<br />

Gefahren“. Wer Bonds hält, kann überlegen,<br />

zum jüngst gestiegenen Kurs auszusteigen,<br />

bevor im Mai Zinsen anstehen.<br />

Laut Ratingagentur Scope notierte am 6.<br />

Januar fast jeder fünfte Minibond unter 65<br />

Prozent. Je niedriger der Kurs, umso höher<br />

die Rendite – und umso höhere Zinsen<br />

muss ein Mittelständler bieten, wenn er eine<br />

neue Anleihe auflegt. Ein mächtiges<br />

Problem, denn in den nächsten drei Jahren<br />

werden Minibonds über zwei Milliarden<br />

Euro fällig. Angeschlagene Unternehmen<br />

werden weder ihre Anleihe zurückzahlen<br />

noch eine neue begeben können – bei Kursen<br />

unter 100 ist das schlicht zu teuer. n<br />

annina.reimann@wiwo.de | Frankfurt<br />

Hier ist Vorsicht angesagt<br />

Wessen Anleihekurse bereits unter Wasser sind, wer noch in schwieriges Fahrwasser geraten könnte<br />

Unternehmen (Branche)<br />

Air Berlin (Luftfahrt)<br />

Alno (Küchenbau)<br />

Gamigo (Online-Spiele)<br />

German Pellets (Energie)<br />

More & More (Mode)<br />

MS Deutschland (Schifffahrt)<br />

MT-Energie (Biogas)<br />

Rena (Maschinenbau)<br />

3W Power (Elektrotechnik)<br />

Zamek (Nahrungsmittel)<br />

Bondvolumen 1<br />

(in Mio. Euro)<br />

Bond I-III: 500<br />

45<br />

12<br />

Bond I-II: 152<br />

8<br />

50<br />

<strong>13</strong>,6<br />

Bond I-II: 77,4<br />

100<br />

45<br />

Kurs/Rendite 2<br />

(in Prozent)<br />

105/4,6<br />

80,6/14,9<br />

83,5/14,3<br />

104,3/4,7<br />

81/14,8<br />

67/19,2<br />

34/55,4<br />

75/24,2<br />

31,8/106,8<br />

33,5/49,1<br />

Kommentar<br />

überlebt dank Aktionär Etihad; negatives Eigenkapital; Netto-Cash-Flow der ersten neun Monate 2<strong>01</strong>3 negativ<br />

negativer operativer Cash-Flow: –30,9 Mio. Euro (09/2<strong>01</strong>3); Eigenkapital negativ, zuletzt mit –11,9 Mio. Euro<br />

schreibt Verlust, zuletzt lag das Nettoergebnis der ersten neun Monate bei –3,5 Mio. Euro<br />

schwaches Eigenkapital: 14,4% (06/2<strong>01</strong>3); Achtung: Emittentin haftet für hohe externe Millionenschulden<br />

negatives Halbjahresergebnis: –1,3 Mio Euro, Finanzierungssituation laut Unternehmen teilweise angespannt<br />

Fehlbetrag zum 1. Halbjahr 2<strong>01</strong>3: –4,8 Mio. Euro; ehemaliger Mehrheitsgesellschafter finanzierte die Zinsen<br />

in Restrukturierung; hat Mitarbeiter entlassen; Halbjahresfehlbetrag 2<strong>01</strong>3: –20,3 Mio. Euro<br />

im 3. Quartal 2<strong>01</strong>3 negatives Ebitda: –5,5 Mio.Euro; Projekte verzögern sich; Rating wurde auf B gesenkt<br />

Zinszahlung verzögert; erwartet Verlust für 2<strong>01</strong>3; Restrukturierung der Anleihe wird vermutlich vorbereitet<br />

Verlust ausgeweitet; negativer Cash-Flow; Geschäftsbericht: Fortbestand birgt „nicht unerhebliche Gefahren“<br />

1 berücksichtigt sind Bonds in Mittelstandsanleihesegmenten der Börsen; 2 bei mehreren Bonds kürzeste Restlaufzeit; Quelle: Börsen, Finanzberichte, eigene Recherche; Stand: 9.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

FOTO: LAIF/ZENIT/LANGROCK<br />

88 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse<br />

Flott zum Ausgang<br />

PROKON | Der Windpark-Betreiber hat schockierend schlechte<br />

Zahlen vorgelegt. Nun wollen vermehrt Anleger ihre Genussrechte<br />

loswerden. Das könnte Prokon in die Knie zwingen.<br />

Die Mitarbeiter von Prokon haben<br />

durchaus kreative Argumente zur<br />

Hand, wenn sie ihren Anlegern erklären<br />

müssen, dass sie pro Jahr mehr Zinsen<br />

ausschütten, als sie verdienen:<br />

„Wenn das Steueraufkommen der Bundesrepublik<br />

nicht genügt“, schreibt ein Mitarbeiter,<br />

wie es seit Jahrzehnten üblich sei,<br />

dann würden im Grunde die Zinsen für<br />

deutsche Staatsanleihen nicht aus Gewinnen<br />

bezahlt, sondern mit Geld, das man<br />

neu aufnehme. „Warum vertraut man der<br />

Bundesrepublik sein Geld an, obwohl sie<br />

die Zinsen nur aus neuen Krediten zahlen<br />

kann? Weil angenommen wird, dass die<br />

Rückzahlungen nicht gefährdet sind.“<br />

Dieses Prinzip soll auch für Prokon gelten.<br />

Der Ökospezialist aus Itzehoe hat bei<br />

74 832 Anlegern knapp 1,4 Milliarden Euro<br />

in Form von Genussrechten eingesammelt,<br />

die er unter anderem in Windparks<br />

investiert. Die Zeichner erhielten hierfür in<br />

den vergangenen Jahren bis zu acht Prozent<br />

Zinsen, obwohl Prokon mit seinen<br />

Unternehmen operativ so viel gar nicht<br />

erwirtschaftet hat (WirtschaftsWoche<br />

05/2<strong>01</strong>3). Wie Prokon das macht, lässt die<br />

Mail des Vertriebsmitarbeiters erahnen: Er<br />

weist darauf hin, dass die langfristige Ertragserwartung<br />

dazu berechtige, „aktuell<br />

Zinsen aus frisch aufgenommenem Kapital<br />

Gegen Windmühlen Genussrechte-Anbieter<br />

führt mühsamen Abwehrkampf<br />

»Leider lassen<br />

sich Anleger<br />

von Medien<br />

verängstigen«<br />

Aus einem Prokon-Brief an Anleger<br />

zu bezahlen, wenn der operative Gewinn<br />

zurzeit dazu nicht ausreicht“.<br />

Im Klartext: Die Anleger müssen darauf<br />

hoffen, dass die mit ihrem Geld finanzierten<br />

Investitionen irgendwann mal so viel<br />

Geld abwerfen, dass nicht nur die dann<br />

laufend fälligen Zinsen, sondern auch die<br />

zuvor ausgeschütteten wieder hereingeholt<br />

werden.<br />

Prokon lässt keinen Zweifel daran, dass<br />

das gelingt. Der konzernweite Verlust in<br />

Höhe von 171 Millionen Euro im vorvergangenen<br />

Jahr sei kein Grund zur Sorge,<br />

lässt Prokon seine Anleger wissen. Vielmehr<br />

sei es normal, dass ein Unternehmen<br />

in der Investitionsphase erst einmal Verluste<br />

mache, so wie die Hausfrau ja auch<br />

erst einmal investieren müsse, wenn sie<br />

Kekse backt (siehe Schaubild).<br />

Damit hat Prokon auch völlig recht. Verluste<br />

in der Investitionsphase sind weder<br />

schlimm noch außergewöhnlich, sofern<br />

das von Anlegern eingesetzte Kapital zuzüglich<br />

Zinsen später tatsächlich eingefahren<br />

wird. Genau das ist aber keineswegs so<br />

sicher, wie Prokon behauptet.<br />

Zum einen schüttet das Unternehmen<br />

schon seit Jahren mehr aus, als es operativ<br />

verdient, obwohl viele Windparks in Betrieb<br />

sind und laufend Geld reinkommt.<br />

2<strong>01</strong>3 wird sich das wohl nicht ändern: Prokon<br />

weist für die ersten zehn Monate ein<br />

Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen<br />

in Höhe von 33,5 Millionen<br />

Euro aus. Die Zinszahlungen an Anleger<br />

waren im selben Zeitraum mit 67 Millionen<br />

Euro doppelt so hoch. Das soll – behauptet<br />

Prokon – nicht so bleiben. 2020 plant das<br />

Unternehmen mit einem Gewinn in Höhe<br />

von 110 Millionen Euro und <strong>Ausgabe</strong>n für<br />

Zinsen von 95,7 Millionen Euro. 2040 soll<br />

das Genussrechtskapital vollständig zurückgezahlt<br />

sein.<br />

Das könnte bei der aktuellen Zinslast – je<br />

nach Tilgungsgeschwindigkeit – jedoch<br />

schwierig werden.<br />

DAS GELD DER ANLEGER IST TEUER<br />

Modell 1: Prokon hat etwa für seinen<br />

Windpark Bornstedt-Rottmersleben laut<br />

einer Übersicht aus dem Jahr 2<strong>01</strong>2 43,2<br />

Millionen Euro ausgegeben. 31,5 Millionen<br />

Euro davon waren Genussrechtskapital,<br />

weitere 11,7 Millionen Euro kamen von<br />

Banken.<br />

Angenommen, der Park erhält den Bankkredit<br />

für drei Prozent Zinsen pro Jahr und<br />

tilgt ihn innerhalb von zehn Jahren, dann<br />

würden 3,51 Millionen Euro Zinskosten<br />

anfallen. Für das Genussrechtskapital werden<br />

mindestens sechs Prozent pro Jahr fällig.<br />

Diese Annahmen sind für Prokon äußerst<br />

vorteilhaft, da die Zinslast in der Vergangenheit<br />

deutlich höher war.<br />

Hinzu kommen noch Verwaltungskosten<br />

in Höhe von zwei Prozent pro Jahr, bezogen<br />

auf das Genussrechtskapital. Mit<br />

dieser Kostenquote rechnete Prokon intern<br />

selbst, wie aus dem Geschäftsbericht einer<br />

anderen Konzerngesellschaft hervorgeht.<br />

Tilgt der Windpark das Genussrechtskapital<br />

erst nach 25 Jahren, entstehen Zinskosten<br />

in Höhe von 63 Millionen Euro. Unberücksichtigt<br />

bleiben Zinskosten in der Bauund<br />

Planungsphase. Der Park müsste bis<br />

zu seinem Lebensende folglich knapp 110<br />

FOTO: MAURITIUS IMAGES/AGE<br />

90 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Millionen Euro verdienen. Laut Prokons eigenen<br />

Prognosen wird der Park aber wohl<br />

nur auf einen Überschuss von 86 Millionen<br />

kommen. Die Rechnung ginge folglich<br />

nicht auf.<br />

Andere Parks verdienen zwar deutlich<br />

mehr, als sie müssen. Das reicht allerdings<br />

nicht. Für 20 typische Prokon-Windparks,<br />

die zwischen 1999 und 2<strong>01</strong>1 errichtet wurden,<br />

ist die Differenz zwischen Soll- und<br />

Ist-Rendite 95 Millionen Euro hoch.<br />

Die Rechnung ist auf die wesentlichen<br />

Kosten- und Ertragskomponenten reduziert<br />

und enthält einige Unbekannte. Sie<br />

zeigt aber, wie sehr die hohen Genussrechtszinsen<br />

das Geschäft belasten.<br />

PROBLEME MIT PALETTEN<br />

Modell 2: Prokons Rechnung geht hingegen<br />

auf, wenn die Windparks gleich ab<br />

dem ersten Lebensjahr beginnen, die<br />

Bankkredite und das hoch verzinste Genussrechtskapital<br />

zu tilgen. Das würde bei<br />

den 20 Windparks der ersten Modellrechnung<br />

die Zinslast – ausschließlich für die<br />

Parks – um knapp 40 Prozent drücken.<br />

Damit die Rechnung dann auch für den<br />

gesamten Konzern aufgeht, müsste das<br />

Unternehmen die von den Parks getilgten<br />

Genussrechte gleich wieder gewinnbringend<br />

investieren. Denn der Anleger will ja<br />

weiterhin mindestens sechs Prozent Zinsen<br />

auf sein eingesetztes Kapital haben.<br />

Dass das gelingt, ist höchst zweifelhaft.<br />

Denn bei Prokon läuft vieles nicht rund.<br />

Der Holzpalettenhersteller HIT Holzindustrie<br />

Torgau, an dem Prokon beteiligt ist,<br />

machte im vorvergangenen Jahr 6,8 Millionen<br />

Euro Verlust. Die Prokon Pflanzenöl<br />

GmbH, die etwa Biodiesel herstellt,<br />

steckt schon länger in Schwierigkeiten.<br />

2<strong>01</strong>2 lag das Minus bei 36,9 Millionen<br />

Euro.<br />

Die hohen Verluste müssen die<br />

Anleger – glaubt man Prokon – aber<br />

nicht weiter stören. Das Kapital sei<br />

durch Sachwerte, etwa durch Windparks<br />

abgesichert, die im Oktober<br />

2<strong>01</strong>3 knapp 1,8 Milliarden Euro wert<br />

gewesen sein sollen. Das wären 30<br />

Prozent mehr, als Anleger bis dahin<br />

eingezahlt haben. Ob die angesetzten<br />

Werte realistisch sind, ist nur schwer<br />

überprüfbar.<br />

Um „Stille Reserven“ zu ermitteln,<br />

wird ein Verkaufspreis für die Vermögenswerte<br />

geschätzt. Da es keinen re-<br />

»Lassen Sie uns<br />

gemeinsam den<br />

Großkonzernen<br />

die Stirn bieten«<br />

Aus einem Prokon-Brief an Anleger<br />

gen Handel mit gebrauchten Windparks<br />

gibt und auch die zukünftigen Einnahmen<br />

nicht genau vorherzusehen sind, ist das<br />

schwierig – bei jedem Unternehmen, nicht<br />

nur bei Prokon.<br />

Obwohl die Probleme nicht neu sind, geraten<br />

Anleger nun offenbar in Panik. So<br />

schreibt Prokon-Chef Carsten Rodbertus<br />

an einen Genussrechtsinhaber: „Leider lassen<br />

sich Anleger von Medien verängstigen<br />

und manipulieren, kündigen überstürzt ihre<br />

Genussrechte und entziehen uns damit<br />

Kapital.“ Der Brief liegt der WirtschaftsWoche<br />

vor. Rodbertus bittet den Anleger darin,<br />

auf eine Auszahlung der Zinsen „abweichend<br />

von seinen bisherigen Plänen“ zu<br />

verzichten, und geht einfach pauschal<br />

davon aus, dass das für den Genussrechtsinhaber<br />

in Ordnung ist. Bei „dringendem<br />

Kapitalbedarf“solle der Anleger sich innerhalb<br />

von acht Wochen melden.<br />

„Das widerspricht den Genussrechtsbedingungen“,<br />

sagt Marc Gericke, Kapitalmarktrechtler<br />

bei der Kanzlei Göddecke,<br />

„weil das Schweigen der Anleger unzulässigerweise<br />

als Zustimmung gewertet wird.“<br />

Die Anleger sollten sich genau überlegen,<br />

ob sie das wollten. „Sie tauschen ihren Anspruch<br />

auf Auszahlung in Genussrechtskapital.“<br />

Wenn der Anleger die Zinsen auf seinem<br />

Konto habe, sei das deutlich sicherer.<br />

Bei Prokon laufen nun die Leitungen<br />

heiß: „Es ist uns zurzeit leider nicht möglich,<br />

alle Anrufe sofort entgegenzunehmen“,<br />

heißt es auf der Homepage.<br />

Die Lage ist brandgefährlich. „Sollten<br />

sich weiterhin Anleger verängstigen lassen“,<br />

warnt Rodbertus in dem Brief, bestehe<br />

die Gefahr, dass nicht alle Auszahlungen<br />

fristgerecht geleistet werden können.<br />

„Schlimmstenfalls kommt es zur selbsterfüllenden<br />

Prophezeiung: Wir werden gezwungen“<br />

unter anderem die Windparks<br />

zu verkaufen. In einem anderen Brief an einen<br />

Anleger, der seine Genussrechte gekündigt<br />

hat, bittet Rodbertus bereits um<br />

Ratenzahlung.<br />

Wenn zu viele Anleger zum Ausgang<br />

drängen, drohen Notverkäufe. Bei solchen<br />

sind die Preise oft mies. Das wiederum hat<br />

schwerwiegende Folgen für all diejenigen,<br />

die investiert bleiben, weil möglicherweise<br />

kein Vermögen mehr vorhanden ist, wenn<br />

ihre Genussrechte fällig werden.<br />

Im Sinne aller Anleger wäre es, wenn zumindest<br />

der Großteil von ihnen die Ruhe<br />

behielte und Prokon-Chef Rodbertus die<br />

Zeit nutzt, um sein Unternehmen auf eine<br />

solide Finanzbasis zu stellen. So wie die<br />

Hausfrau auf günstigere Zutaten umsteigt,<br />

wenn sie ihre Luxuskekse nicht los wird. n<br />

melanie.bergermann@wiwo.de | Frankfurt<br />

Auf den Keks gegangen Prokon erklärt<br />

verunsicherten Investoren die Wirtschaft<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 91<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse | Steuern und Recht<br />

DOPPELTER HAUSHALT<br />

Besser ohne<br />

die Tochter<br />

LEBENSVERSICHERUNG<br />

Kein Riester über 50?<br />

2<strong>01</strong>5 könnte der Garantiezins auf 1,25 Prozent fallen – mit überraschenden Folgen.<br />

Für Sparer über 50 dürfte es <strong>vom</strong> kommenden<br />

Jahr an schwer werden, eine Riester-Rentenpolice<br />

zu bekommen. Grund: Die Lebensversicherer<br />

werden voraussichtlich ihren Garantiezins für<br />

Neukunden auf 1,25 Prozent senken. Aktuell liegt<br />

er bei 1,75 Prozent. Der Garantiezins gilt zwar für<br />

Neukunden in allen Lebens- und Rentenversicherungen<br />

(abgesehen von Fondspolicen und<br />

neuen Policen ohne Garantien), doch bei Riester<br />

bereitet er besondere Probleme. Die Anbieter<br />

müssen Riester-Sparern garantieren, dass zum<br />

Rentenbeginn wenigstens die Summe aus Einzahlungen<br />

und staatlichen Zulagen als Guthaben<br />

vorliegt. Bevor Versicherer Kunden den Garantiezins<br />

gutschreiben, dürfen sie aber Kosten in<br />

Rechnung stellen. Somit verzinst sich nur ein Teil<br />

der Einzahlungen. Ist der Garantiezins niedrig,<br />

gleichen die garantierten Kapitalerträge die Kosten<br />

zu spät aus. Bei 1,25 Prozent Garantiezins<br />

und moderaten Kosten braucht dies etwa 17 Jahre.<br />

Wollten Kunden über 50 dann eine Riester-<br />

Police abschließen, würde der Garantiezins nicht<br />

mehr ausreichen, um den Kapitalerhalt zum<br />

Rentenbeginn zu erfüllen. Der Garantiezins gilt<br />

nach Abschluss für die Vertragslaufzeit. Altkunden<br />

haben daher höhere Garantien, bis zu 4,0<br />

Prozent. Die Deutsche Aktuarvereinigung hat der<br />

Bundesregierung die Absenkung empfohlen.<br />

Meist folgt die Regierung den Experten. Sollten<br />

die Renditen sicherer Anleihen im Jahresverlauf<br />

weiter steigen, könnte aber auch eine Absenkung<br />

um 0,25 Punkte auf 1,5 Prozent ausreichen.<br />

Ein Ehepaar setzte rund 9000<br />

Euro Kosten für eine Zweitwohnung<br />

als Kosten doppelter<br />

Haushaltsführung von der Steuer<br />

ab. Der Mann, ein Diplom-<br />

Ingenieur, nutzte die Wohnung<br />

aus beruflichen Gründen.<br />

Gleichzeitig lebte in der Zweitwohnung<br />

auch die Tochter des<br />

Paares. Diese war Anfang 30<br />

und hatte keine eigenen Einkünfte.<br />

Das Finanzamt wollte<br />

die Wohnungskosten nicht<br />

anerkennen und bekam vor<br />

dem Finanzgericht Münster<br />

recht (14 K 1196/10 E, Revision<br />

möglich). Werde eine Zweitwohnung<br />

auch einem Angehörigen<br />

überlassen, der Anspruch<br />

auf Unterhalt habe, überlagerten<br />

private Gründe die beruflichen<br />

Gründe, die für die Zweitwohnung<br />

sprechen, urteilten<br />

die Richter. Damit ließe sich<br />

nicht mehr ermitteln, welcher<br />

Anteil der Kosten beruflich entstanden<br />

ist. Da das Paar den an<br />

die Tochter geleisteten Unterhalt,<br />

zu dem auch die Kosten<br />

der Wohnungsüberlassung<br />

zählten, selbst steuerlich geltend<br />

gemacht hatte, würde eine<br />

zusätzliche Berücksichtigung<br />

als Kosten doppelter Haushaltsführung<br />

zu einer, zumindest<br />

teilweisen, doppelten Steuerermäßigung<br />

führen. Auch das sei<br />

nicht zulässig.<br />

RECHT EINFACH | Keller<br />

Das Souterrain gehört nicht zu<br />

den beliebtesten Etagen. Dennoch<br />

kann man sich deswegen<br />

böse in die Haare geraten – bis<br />

hin zum Gerichtstermin.<br />

§<br />

Schnorchel. Eine Berlinerin<br />

kaufte sich für 14 831 Euro<br />

eine Tauchausrüstung. Die<br />

Dame verstaute das Equipment<br />

in ihrem Keller. Kurz vor<br />

Weihnachten räumten Einbrecher<br />

den nur mit einem Vorhängeschloss<br />

gesicherten Kellerraum<br />

leer. Die Hausratversicherung<br />

wollte nur einen Bruchteil des Schadens<br />

erstatten, schließlich handele<br />

es sich um grobe Fahrlässigkeit. Das<br />

Gericht sah das ähnlich und sprach<br />

der Taucherin nur 11 877 Euro zu<br />

(Landgericht Berlin, 23 O 438/11).<br />

Altbau. Ein Mann aus Franken mietete<br />

eine Altbauwohnung. Nach Einzug<br />

bemerkte er, dass der Keller<br />

feucht war. Der Altbauliebhaber verlangte<br />

Mietminderung. Als sich der<br />

Hauseigentümer querlegte, zog der<br />

Mieter vor Gericht. Erfolg hatte er<br />

damit nicht. In Altbauten, so der<br />

Richter, sei mit einer „gewissen<br />

Feuchtigkeit“ im Untergeschoss zu<br />

rechnen. Empfindliche Gegenstände<br />

müssten eben in der Wohnung oder<br />

einem Depot untergebracht werden<br />

(Amtsgericht Ansbach, 2 C<br />

2268/11).<br />

Winterschlaf. Ein Hannoveraner<br />

lagerte im Keller Küchenutensilien,<br />

Reisetaschen und eine Schildkröte<br />

im Winterschlaf. Da die Tür zum<br />

Keller unverschlossen war, nahm<br />

der Vermieter an, dass der Raum<br />

als Müllhalde zweckentfremdet<br />

wurde. Kurzerhand ließ der Hauseigentümer<br />

den Verschlag räumen.<br />

Das Tier landete samt Transportbox<br />

auf einer Deponie. 560<br />

Euro musste der Eigentümer für<br />

seine eigenmächtige Aktion zahlen:<br />

260 Euro für die Gegenstände<br />

und 300 Euro für die Schildkröte<br />

(Amtsgericht Hannover, 502 C<br />

7971/<strong>13</strong>).<br />

FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/SODAPIX AG, FOTOLIA, PR<br />

92 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


KIRCHENSTEUER<br />

Automatisch in den Klingelbeutel<br />

Anleger zahlen auf Kapitalerträge<br />

25 Prozent Abgeltungsteuer.<br />

Oben drauf kommt als Zuschlag<br />

die Kirchensteuer. Der Kirchensteuersatz<br />

liegt in Bayern und<br />

Baden-Württemberg bei acht<br />

Prozent, in allen übrigen Bundesländern<br />

bei neun Prozent.<br />

Bisher werden nur die 25 Prozent<br />

Abgeltungsteuer automatisch<br />

abgeführt – unabhängig<br />

davon, ob die Anleger Kirchenmitglieder<br />

sind oder nicht. Wer<br />

nicht kirchensteuerpflichtig ist,<br />

muss Kapitalerträge seit 2009<br />

nicht mehr bei der Steuererklärung<br />

angeben. Vom 1. Januar<br />

kommenden Jahres an führen<br />

die Banken auch automatisch<br />

STEUERBESCHEID<br />

Einspruchsfrist beachten<br />

Finanzämter sind nach einem<br />

Urteil des Bundesfinanzhofs<br />

nicht verpflichtet, bei Steuerbescheiden<br />

darauf hinzuweisen,<br />

dass Einsprüche auch per<br />

E-Mail möglich sind (X R 2/12).<br />

Es genüge, die Steuerzahler darüber<br />

aufzuklären, dass Einsprüche<br />

schriftlich einzureichen<br />

sind. Laut Gesetz müssen<br />

Steuerzahler innerhalb eines<br />

Monats nach Eingang des Steuerbescheids<br />

Einspruch einlegen.<br />

Die Frist beginnt drei Tage<br />

nachdem das Finanzamt den<br />

Bescheid abgeschickt hat. Nach<br />

einem Einspruch muss das Finanzamt<br />

das Steuerverfahren<br />

neu aufrollen. Lehnt es den Einspruch<br />

ab, haben die Steuerzahler<br />

einen Monat Zeit, gegen<br />

das Finanzamt zu klagen. Fehlt<br />

im Steuerbescheid die Belehrung<br />

über die Rechtsmittel der<br />

Steuerzahler oder ist diese unverständlich<br />

formuliert, gilt<br />

nicht die kurze Frist von einem<br />

Monat, sondern eine längere<br />

Frist von einem Jahr, für den<br />

Einspruch und für die Klage.<br />

die Kirchensteuer auf abgeltungsteuerpflichtige<br />

Kapitalerträge<br />

ab.<br />

In diesem Jahr müssen die<br />

Anleger allerdings noch bei ihrer<br />

Bank, Versicherung oder<br />

Sparkasse ein Formular ausfüllen,<br />

mit dem das Finanzinstitut<br />

angewiesen wird, die Kirchensteuer<br />

abzuziehen und ans Finanzamt<br />

weiterzuleiten. Alternativ<br />

können sie Kapitalerträge<br />

in der Steuererklärung angeben,<br />

damit das Finanzamt die<br />

Kirchensteuer einzieht.<br />

Wer aus der Kirche ausgetreten<br />

ist, muss Bank und Finanzamt<br />

darüber informieren. Beim<br />

von 2<strong>01</strong>5 an geltenden automatisierten<br />

Verfahren müssen die<br />

Steuerzahler selbst nicht mehr<br />

aktiv werden. Bereits in diesem<br />

Jahr können die Kreditinstitute<br />

die Daten zur Religionszugehörigkeit<br />

der Anleger beim Bundeszentralamt<br />

für Steuern abrufen.<br />

Von 2<strong>01</strong>5 an sind Banken<br />

und Sparkassen gesetzlich dazu<br />

verpflichtet, einmal jährlich<br />

beim Bundeszentralamt nachzufragen,<br />

ob und in welchem<br />

Ausmaß die Anleger kirchensteuerpflichtig<br />

sind. Für Anleger,<br />

die keiner Religionsgemeinschaft<br />

angehören, die<br />

Kirchensteuer erhebt, ändert<br />

sich mit dem neuen Verfahren<br />

nichts.<br />

URHEBERRECHT<br />

Volljährige<br />

haften selbst<br />

Eltern, die Inhaber eines Internet-Anschlusses<br />

sind, haften<br />

nicht für illegale Downloads eines<br />

volljährigen Kindes, soweit<br />

sie keine Anhaltspunkte dafür<br />

hatten, dass gegen Gesetze verstoßen<br />

wird (Bundesgerichtshof<br />

I ZR 169/12). Volljährige<br />

Kinder seien eigenverantwortlich<br />

und müssten daher weder<br />

über illegale Downloads aufgeklärt<br />

noch überwacht werden,<br />

so die Richter.<br />

UNTERMIETER<br />

JENS KLARMANN<br />

ist Partner der<br />

Kanzlei Pasau<br />

Niemeyer<br />

Dorsch Klarmann<br />

David<br />

in Kiel.<br />

n Herr Klarmann, bei Untervermietungen<br />

kommt es<br />

immer wieder zu Streit zwischen<br />

Hauptmieter und<br />

Eigentümer. Was raten Sie<br />

den Vertragsparteien?<br />

Zwischen Hauptmieter und<br />

Eigentümer sollte klar geregelt<br />

sein, ob und unter welchen<br />

Bedingungen die Erlaubnis<br />

zur Untervermietung widerrufen<br />

werden kann. Zudem<br />

sollte im Mietvertrag stehen,<br />

innerhalb welcher Frist der<br />

Untermieter ausziehen muss.<br />

So schützt sich der Eigentümer<br />

vor unerwünschten Untermietern,<br />

und der Hauptmieter<br />

schafft Rechtssicherheit<br />

für seinen Untermieter.<br />

n Was gilt für das Verhältnis<br />

zwischen Hauptmieter und<br />

Untermieter?<br />

Hauptmieter und Untermieter<br />

sollten vereinbaren, dass das<br />

Mietverhältnis mit der Kündigung<br />

des Hauptmieters endet.<br />

Anderenfalls könnte sich der<br />

Hauptmieter gegenüber dem<br />

Eigentümer schadensersatzpflichtig<br />

machen, weil der<br />

nicht die komplette Wohnung<br />

vermieten kann und dadurch<br />

Einnahmeausfälle hat.<br />

SCHNELLGERICHT<br />

UNZULÄSSIGE KUNDENGUTSCHEINE<br />

§<br />

Autowerkstätten dürfen Kunden, die auf Kosten<br />

ihrer Versicherung das Auto reparieren lassen,<br />

keine Gutscheine für Folgeaufträge geben. Kunden<br />

hätten sonst einen Anreiz, die Werkstatt trotz eventuell<br />

überhöhter Reparaturpreise zu beauftragen (Oberlandesgericht<br />

Hamm, 4 U 31/<strong>13</strong>).<br />

GELDBUSSE WEGEN KLEINKIND OHNE GURT<br />

§<br />

Autofahrer müssen eine Geldbuße zahlen, wenn<br />

sich ein vierjähriges Kleinkind während der Fahrt<br />

abgeschnallt hat. Sie sind verpflichtet, das Tragen<br />

des Gurts laufend zu kontrollieren und eventuell stark<br />

befahrene Strecken ohne Kontrollmöglichkeit zu<br />

meiden (Oberlandesgericht Hamm, 5 RBs 153/<strong>13</strong>).<br />

STÜRZENDE LEHRERIN IM PECH<br />

§<br />

Stürzt eine Lehrerin beim Mittagessen in einem<br />

benachbarten Sparkassengebäude mit Kantine<br />

und verletzt sich, muss die gesetzliche Unfallversicherung<br />

dafür nicht aufkommen. Erst mit Durchschreiten<br />

der Außentür des Sparkassengebäudes<br />

hätte der Versicherungsschutz gegriffen (Landessozialgericht<br />

Baden-Württemberg, L 8 U 1506/<strong>13</strong>).<br />

KORREKTUR SCHIFFSFONDS HEFT 1/2/<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

§<br />

Das Emissionshaus MPC hat, anders als im Artikel<br />

genannt, den Schiffsfonds MS Santa Giovanna<br />

und nicht den MS Navalia 3 aufgelegt. Bei Auflage<br />

wurden 18,6 Millionen Euro investiert. MPC geht von<br />

3,5 Millionen Euro Verkaufserlös aus.<br />

n Kann ein neuer Eigentümer<br />

eine bestehende Erlaubnis<br />

zur Untervermietung<br />

einfach kündigen?<br />

Solange der alte Mietvertrag<br />

besteht, lässt sich die Erlaubnis<br />

nicht einseitig kündigen.<br />

Ein Widerruf wäre nur möglich,<br />

wenn eine der im Mietvertrag<br />

genannten Bedingungen<br />

erfüllt wäre. Eine Untervermietung<br />

wäre in diesem Fall nur<br />

auszuschließen, wenn beide<br />

Parteien dem einvernehmlich<br />

zustimmten.<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 Redaktion: martin.gerth@wiwo.de, niklas hoyer<br />

93<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse | Geldwoche<br />

KOMMENTAR | Eine Versicherung<br />

brauchen Anleger nur, wenn sie<br />

etwas absichert. Alles andere ist<br />

überflüssig. Von Niklas Hoyer<br />

Das spar ich mir<br />

Wie wär es damit?<br />

Eine Geldanlage,<br />

in die Sie auf Jahrzehnte<br />

einzahlen<br />

und die Ihnen weniger als 0,5<br />

Prozent Zins auf Ihren Beitrag<br />

garantiert. Je nach Erfolg des<br />

Anbieters haben Sie außerdem<br />

die Chance, etwas mehr einzustreichen.<br />

Sollten Sie den Vertrag<br />

nicht durchhalten, hätten<br />

Sie allerdings Geld verloren.<br />

Kein Interesse? Verständlich.<br />

Genau damit werden Lebensund<br />

Rentenversicherer <strong>vom</strong><br />

kommenden Jahr an zu kämpfen<br />

haben, wenn der Garantiezins<br />

voraussichtlich sinkt (siehe<br />

Seite 92). Neukunden bekommen<br />

dann wohl nur noch 1,25<br />

Prozent Garantiezins vor Kosten<br />

in Aussicht gestellt, nach Kosten<br />

bleibt als echte Beitragsrendite<br />

– je nach Laufzeit – nicht mal<br />

halb so viel übrig. Schon bei aktuell<br />

1,75 Prozent Garantiezins<br />

wenden Kunden sich ab. Das<br />

Neugeschäft der Lebensversicherer<br />

ist binnen zehn Jahren<br />

um 40 Prozent eingebrochen.<br />

RISIKO BESSER TEILEN<br />

Zu Recht, die Kosten für eine<br />

derart ertragsschwache Geldanlage<br />

können Anleger sich getrost<br />

sparen. Schon eine simple Depotaufteilung<br />

mit je 30 Prozent<br />

Aktien und Anleihen, 25 Prozent<br />

Gold, 15 Prozent Tagesgeld und<br />

jährlicher Anpassung der Depotanteile<br />

hätte ihnen bei Sparbeginn<br />

zwischen 2000 und 2<strong>01</strong>2<br />

vier bis neun Prozent Rendite<br />

gebracht (WirtschaftsWoche<br />

1/2/<strong>2<strong>01</strong>4</strong>). Das Risiko dieses<br />

Mischdepots ist überschaubar.<br />

Überflüssig sind Versicherungen<br />

dennoch nicht. Anleger<br />

brauchen sie – als Versicherung,<br />

nicht als Anlage. Versicherte<br />

zahlen dafür, dass eine<br />

Gruppe Risiken trägt, die sie<br />

allein nicht schultern könnten.<br />

Dass ein solches Risiko eintritt,<br />

ist nicht sehr wahrscheinlich. Ist<br />

der Schaden beim Eintritt groß<br />

und würde den Einzelnen in den<br />

Ruin treiben, macht es dennoch<br />

Sinn, für Schutz zu zahlen.<br />

Das Geschäft der Lebensversicherer<br />

hat damit wenig zu tun.<br />

Die meisten Versicherten sollen<br />

laut Vertrag 20 oder 30 Jahre<br />

einzahlen und bekommen zum<br />

Schluss Geld auf einen Schlag.<br />

Risikokomponenten, etwa Auszahlungen<br />

im Todesfall an Angehörige<br />

oder Renten bei Berufsunfähigkeit,<br />

sind nur mit<br />

Kleinbeträgen enthalten. Meist<br />

sind die Leistungen viel zu gering,<br />

um Schutz zu bieten.<br />

Allenfalls Rentenpolicen sichern<br />

auch etwas ab. Aus ihnen<br />

fließt das Geld später lebenslang<br />

in monatlichen Raten. Sie schützen<br />

Versicherte so davor, dass<br />

sie, wenn sie lange leben, in Altersarmut<br />

rutschen. Noch lassen<br />

sich laut Bund der Versicherten<br />

aber 90 Prozent aller<br />

Rentenversicherten später<br />

keine Rente auszahlen, sondern<br />

doch alles auf einen Schlag.<br />

Grund: Versicherte mit vor 2005<br />

abgeschlossenen Policen profitieren<br />

bei Einmalauszahlung von<br />

Steuerfreiheit. In Zukunft, wenn<br />

nach 2005 abgeschlossene Policen<br />

auslaufen, dürften sich<br />

mehr Versicherte für eine Rente<br />

entscheiden. Fakt ist aber auch,<br />

dass die Versicherer so hohe Lebenserwartungen<br />

ansetzen, teils<br />

über 110 Jahre, dass die Verrentung<br />

nicht attraktiv ist. Angesichts<br />

der Niedrigzinsen müssen<br />

Versicherer sich jetzt entscheiden:<br />

Nur wer sich auf seine Stärken<br />

besinnt und wesentliche<br />

Risiken fair absichert, hat Anlegern<br />

noch etwas zu bieten.<br />

TREND DER WOCHE<br />

Basisarbeit für die Kurse<br />

Mit Rücksicht auf die Märkte werden sich die<br />

Notenbanken hüten, die Zinsen zu früh anzuheben.<br />

Am 1. Februar wird die Führung<br />

der US-Notenbank von Ben<br />

Bernanke auf Janet Yellen übergehen.<br />

Ändern wird sich an der<br />

expansiven Geldpolitik nichts.<br />

Die monatlichen Anleihekäufe<br />

werden zwar von 85 Milliarden<br />

Dollar auf 75 Milliarden zurückgefahren.<br />

Im jüngsten Fed-<br />

Protokoll aber ist zu lesen, dass<br />

der Nutzen der Kaufprogramme<br />

für die Stabilisierung der<br />

Anleihemärkte zuletzt kaum<br />

noch spürbar war (siehe Chartsignal<br />

Seite 99). Die Notenbanker<br />

erwarten bei dieser Rücknahme<br />

bisher keine negativen<br />

Folgen für die Märkte. Dass die<br />

US-Wirtschaft langsam in die<br />

Gänge kommt und etwa IWF-<br />

Chefin Christine Lagarde für die<br />

Konjunktur in Amerika „<strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

viel mehr Sicherheit“ sieht,<br />

Die zwei von der Stütze<br />

Noch-Fed-Chef Bernanke<br />

und Nachfolgerin Yellen<br />

muss nicht automatisch den<br />

großen Zinsanstieg einleiten.<br />

IWF und Fed rechnen mit zunehmenden<br />

Risiken in den<br />

Schwellenländern – ein weiterer<br />

Grund, warum die Geldpolitik<br />

großzügig bleiben dürfte.<br />

Auch in Europa bleiben die<br />

Leitzinsen auf niedrigem Niveau,<br />

verspricht EZB-Chef Mario<br />

Draghi. Bei weniger als einem<br />

Prozent Inflation besteht<br />

auf absehbare Zeit kein Bedarf,<br />

den Leitzins (derzeit 0,25 Prozent)<br />

anzuheben. Dabei will<br />

Draghi in Zukunft stärker dafür<br />

sorgen, dass die Geldspritzen<br />

der EZB nicht überwiegend in<br />

den Banken bleiben, sondern<br />

(über Kreditvergabe) an die Unternehmen<br />

gehen. Das kommt<br />

der Konjunktur zugute – und<br />

damit auch den Aktienkursen.<br />

Trends der Woche<br />

Entwicklung der wichtigsten Finanzmarkt-Indikatoren<br />

Stand: 9.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> / 18.03 Uhr aktuell seit einer Woche 1 seit einem Jahr 1<br />

Dax 30 9421,61 +0,2 +22,0<br />

MDax 16543,03 +0,2 +33,8<br />

Euro Stoxx 50 3090,26 +1,0 +14,2<br />

S&P 500 1833,65 +0,1 +25,5<br />

Euro in Dollar 1,3612 –0,3 +4,3<br />

Bund-Rendite (10 Jahre) 1 1,90 –0,04 2 +0,43 2<br />

US-Rendite (10 Jahre) 1 2,99 ±0 2 +1,12 2<br />

Rohöl (Brent) 3 107,11 –1,4 –5,0<br />

Gold 4 1226,00 +0,1 –26,0<br />

Kupfer 5 7282,00 –2,1 –9,6<br />

1<br />

in Prozent; 2 in Prozentpunkten; 3 in Dollar pro Barrel; 4 in Dollar pro Feinunze,<br />

umgerechnet 903,46 Euro; 5 in Dollar pro Tonne; Quelle: vwd group<br />

FOTOS: FRANK SCHEMMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, GETTY IMAGES/ALEX WONG, CORBIS/REUTERS/BRENDAN MCDERMID<br />

94 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


DAX-AKTIEN<br />

Keine Angst vor der EU<br />

Trotz vieler Probleme hat die Aktie der Deutschen<br />

Bank die Chance auf eine Erholung.<br />

HITLISTE<br />

35 Milliarden Euro ist die<br />

Deutsche Bank nur noch an<br />

der Börse wert, etwa halb so<br />

viel wie die französische<br />

Großbank BNP Paribas oder<br />

die amerikanische Investmentbank<br />

Goldman Sachs.<br />

Grund sind die vielen Problemfälle<br />

der Deutschen<br />

Bank (Zinsmanipulation, Derivate-Bilanzierung,<br />

Hypothekengeschäfte<br />

in den USA), die<br />

ihr derzeit besonders von der<br />

Aufsichtsbehörde BaFin vorgehalten<br />

werden. Dennoch<br />

hat die Aktie die Chance auf<br />

eine Zwischenerholung. Auslöser<br />

ist die Regulierungspolitik<br />

der EU, die nach den neuesten<br />

Entwürfen nicht so scharf wird,<br />

wie ursprünglich geplant. Vor<br />

allem die Drohung, dass die<br />

Banken ihr Geschäft rund um<br />

Wertpapiere (Investmentbanking)<br />

<strong>vom</strong> klassischen Bankgeschäft<br />

mit Spareinlagen komplett<br />

abspalten müssten, ist<br />

abgeschwächt. Für die Bank ist<br />

das besonders wichtig, da sie in<br />

normalen Jahren hier weit mehr<br />

als die Hälfte ihrer Gewinne hereinholt.<br />

Nur noch nach oben?<br />

Händler an der New<br />

Yorker Börse<br />

BÖRSEN<br />

Vorweggelaufen<br />

Die Kurse an Wall Street haben sich von den ökonomischen<br />

Realitäten abgekoppelt.<br />

Dax<br />

Kurs Kursent- Gewinn KGV Börsen- Dividen-<br />

(€) wicklung pro Aktie (€) wert den-<br />

1 Woche 1 Jahr 2<strong>01</strong>3 <strong>2<strong>01</strong>4</strong> <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

(Mio. €) rendite<br />

(%) 1<br />

Dax 9421,61 +0,2 +22,0<br />

Aktie<br />

Stand: 9.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> / 18.02 Uhr<br />

Adidas 88,63 –3,0 +31,8 4,03 4,96 18 18543 1,52<br />

Allianz 127,95 –0,2 +21,7 <strong>13</strong>,33 <strong>13</strong>,58 9 58339 3,52<br />

BASF NA 76,72 +0,4 +7,4 5,44 6,<strong>01</strong> <strong>13</strong> 70466 3,39<br />

Bayer NA 98,82 –1,2 +36,6 5,74 6,47 15 81719 1,92<br />

Beiersdorf 72,88 –0,3 +16,7 2,37 2,67 27 18366 0,96<br />

BMW St 83,86 +0,4 +16,2 7,95 8,16 10 53753 2,98<br />

Commerzbank 12,89 +12,3 +4,7 0,31 0,75 17 14670 -<br />

Continental 158,30 +0,5 +82,0 11,06 12,49 <strong>13</strong> 31661 1,42<br />

Daimler 62,15 +0,8 +45,5 5,40 5,73 11 66465 3,54<br />

Deutsche Bank 36,17 +6,1 –1,5 3,02 4,12 9 36867 2,07<br />

Deutsche Börse 61,62 +3,1 +31,0 3,39 3,95 16 11893 3,73<br />

Deutsche Post 25,69 –0,8 +54,0 1,51 1,65 16 31060 2,72<br />

Deutsche Telekom 12,25 +1,0 +34,1 0,67 0,70 18 54527 5,71<br />

E.ON 12,93 –1,0 –10,2 1,19 1,02 <strong>13</strong> 25873 8,51<br />

Fresenius Med.C. St 52,45 +3,6 +4,5 3,59 3,94 <strong>13</strong> 16<strong>13</strong>1 1,43<br />

Fresenius SE&Co 115,05 +3,7 +34,0 5,77 6,55 18 25965 0,83<br />

Heidelberg Cement St 56,05 +1,4 +17,7 3,66 4,21 <strong>13</strong> 10509 0,84<br />

Henkel Vz 81,61 –1,4 +34,4 4,05 4,43 18 33861 1,16<br />

Infineon 7,50 –2,2 +16,1 0,26 0,39 19 8102 1,60<br />

K+S NA 22,90 +5,9 –33,3 2,<strong>13</strong> 1,15 20 4382 6,11<br />

Lanxess 46,82 –1,7 –24,4 1,49 3,49 <strong>13</strong> 3896 2,14<br />

Linde 147,00 –2,3 +12,4 7,92 8,94 16 27290 1,84<br />

Lufthansa 15,94 +5,1 +7,7 0,89 1,49 11 7332 -<br />

Merck <strong>13</strong>0,55 +1,2 +27,1 8,82 9,22 14 8436 1,30<br />

Münchener Rückv. 152,45 –2,5 +12,6 16,77 16,75 9 27341 4,59<br />

RWE St 24,95 –2,7 –20,3 3,91 2,46 10 15221 8,02<br />

SAP 61,75 +0,1 +1,2 3,31 3,64 17 75860 1,78<br />

Siemens 97,76 –1,2 +21,3 4,80 6,73 15 86127 3,07<br />

ThyssenKrupp 17,61 +3,0 –4,8 -0,55 0,60 29 9060 -<br />

Volkswagen Vz. 199,45 –0,5 +16,2 20,39 23,53 8 90888 1,78<br />

1<br />

berechnet mit der zuletzt gezahlten Dividende<br />

Die größte Volkswirtschaft der<br />

Welt sind immer noch die<br />

USA, und die wichtigste Börse<br />

ist immer noch Wall Street.<br />

Dort starteten die beiden säkularen<br />

Aufwärtstrends der<br />

Nachkriegszeit, als der Marktwert<br />

der börsennotierten Unternehmen<br />

bei 23 (1948) und<br />

30 Prozent (1982) der US-<br />

Land<br />

USA<br />

Japan<br />

Großbritannien<br />

Hongkong<br />

China<br />

Kanada<br />

Frankreich<br />

Deutschland<br />

Schweiz<br />

Australien<br />

Südkorea<br />

Indien<br />

Brasilien<br />

Taiwan<br />

Russland<br />

Spanien<br />

Schweden<br />

Italien<br />

Singapur<br />

Mexiko<br />

Malaysia<br />

Aktienmarktkapitalisiserung<br />

in Milliarden<br />

Dollar<br />

22<strong>13</strong>2<br />

4623<br />

4002<br />

3494<br />

3348<br />

2128<br />

2100<br />

1990<br />

1515<br />

<strong>13</strong>51<br />

1163<br />

1117<br />

951<br />

918<br />

765<br />

751<br />

715<br />

627<br />

569<br />

495<br />

492<br />

in Prozent<br />

des BIPs 1<br />

<strong>13</strong>2<br />

92<br />

161<br />

1249<br />

37<br />

117<br />

77<br />

55<br />

234<br />

91<br />

97<br />

64<br />

43<br />

189<br />

36<br />

55<br />

129<br />

30<br />

198<br />

37<br />

157<br />

Wirtschaftsleistung lag. Damals<br />

legten vor allem Investitionen<br />

die Basis für Prosperität in der<br />

Zukunft und für steigende Preise<br />

von Unternehmensanteilen,<br />

heute steigen vor allem die Aktienpreise.<br />

Das Verhältnis von<br />

Marktwert zur Wirtschaftsleistung<br />

erreicht inzwischen <strong>13</strong>0<br />

Prozent.<br />

* Bruttoinlandsprodukt 2<strong>01</strong>3 gemäß Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF);<br />

Quelle: Bloomberg, IWF<br />

Land<br />

Saudi-Arabien<br />

Südafrika<br />

Niederlande<br />

Belgien<br />

Indonesien<br />

Dänemark<br />

Thailand<br />

Norwegen<br />

Chile<br />

Türkei<br />

Finnland<br />

Philippinen<br />

Kolumbien<br />

Polen<br />

VAE<br />

Irland<br />

Katar<br />

Israel<br />

Österreich<br />

Argentinien<br />

Welt<br />

Aktienmarktkapitalisiserung<br />

in Milliarden<br />

Dollar<br />

471<br />

470<br />

386<br />

360<br />

346<br />

322<br />

322<br />

307<br />

264<br />

219<br />

216<br />

214<br />

205<br />

202<br />

192<br />

169<br />

155<br />

155<br />

120<br />

47<br />

61561<br />

in Prozent<br />

des BIPs 1<br />

66<br />

<strong>13</strong>3<br />

48<br />

71<br />

40<br />

91<br />

80<br />

60<br />

94<br />

27<br />

83<br />

79<br />

55<br />

39<br />

49<br />

77<br />

78<br />

57<br />

29<br />

10<br />

84<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 95<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse | Geldwoche<br />

AKTIE Eldorado Gold<br />

Durststrecke beim<br />

Goldpreis überstehen<br />

Tunnelblick Eldorado ist einer<br />

der kostengünstigsten Förderer<br />

Goldaktien, selbst jene mit<br />

sehr soliden Fundamentaldaten,<br />

sind nichts für Anleger<br />

mit schwachen Nerven. Bei<br />

der Aktie von Eldorado Gold<br />

etwa sorgte die sommerliche<br />

Erholungsrally zunächst für<br />

ein hübsches Kursplus von<br />

gut 30 Prozent (Wirtschafts-<br />

Woche 23/2<strong>01</strong>3). Bis zum<br />

Jahresende allerdings hatte<br />

sich das Plus in ein Minus von<br />

über 20 Prozent verwandelt.<br />

Diesen neuerlichen Rückschlag<br />

können nervenstarke<br />

Anleger jetzt zum Nachfassen<br />

nutzen. Der an der Börse aktuell<br />

mit 4,2 Milliarden Dollar<br />

bewertete Goldförderer betreibt<br />

drei Minen in China,<br />

zwei in der Türkei und eine in<br />

Brasilien. In Griechenland<br />

bauen die Kanadier in einer<br />

Mine Silber, Blei und Zink ab,<br />

zwei Goldbergwerke sind in<br />

der Bauphase und eines in<br />

Planung. In der Entwicklungsphase<br />

stecken außerhalb<br />

Griechenlands je ein Projekt<br />

in Brasilien, Rumänien und<br />

China. Die wirtschaftlich<br />

abbaubaren Goldreserven<br />

umfassen gut 28 Millionen<br />

Unzen. 2<strong>01</strong>3 dürfte die Jahresproduktion<br />

um rund <strong>13</strong> Prozent<br />

auf 745 000 Unzen Gold<br />

gestiegen sein, bei Produktionskosten<br />

von etwa 550 Dollar<br />

pro Unze. Unter Einrechnung<br />

der Aufwendungen für<br />

Erhaltung, Exploration und<br />

Verwaltung erhöhen sich die<br />

Kosten je Unze auf 980 Dollar.<br />

Eldorado ist damit einer der<br />

kostengünstigsten Goldförderer,<br />

die Branche produziert im<br />

Schnitt gut 20 Prozent teurer.<br />

Nicht eingerechnet sind hier die<br />

Kosten für den Bau neuer und<br />

die Erweiterung bestehender<br />

Minen. Dafür dürfte Eldorado<br />

2<strong>01</strong>3 rund 430 Millionen Dollar<br />

eingesetzt haben. Werden diese<br />

aufgeschlagen, dann liegen die<br />

Gesamtkosten je geförderter<br />

Unze bei 1500 Dollar. Die Gewinnschwelle<br />

liegt damit über<br />

dem Goldpreis. Doch Eldorado<br />

ist gerüstet, auch eine längere<br />

Durststrecke zu überstehen.<br />

Die Nettoliquidität liegt bei<br />

124,6 Millionen Dollar, in der<br />

Kasse liegen Barmittel von<br />

725,4 Millionen Dollar, und es<br />

besteht eine nicht ausgeschöpfte<br />

Kreditlinie von 375 Millionen<br />

Dollar. Zudem könnte der Investitionsplan<br />

weiter gestutzt<br />

werden. Damit würden sich die<br />

Produktionsziele nach hinten<br />

verschieben. Allerdings versprechen<br />

die Minen, die in den<br />

nächsten Jahren in Betrieb gehen<br />

sollen, einen Rückgang der<br />

Produktionskosten um ein Drittel<br />

und einen Förderanstieg auf<br />

über 1,5 Millionen Unzen.<br />

Eldorado Gold<br />

ISIN: CA2849021035<br />

20<br />

16<br />

12<br />

10<br />

8<br />

50-Tage-Linie<br />

6<br />

200-Tage-Linie<br />

4<br />

2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3 14<br />

Kurs/Stoppkurs(in Dollar): 5,87/4,66<br />

KGV 2<strong>01</strong>3/<strong>2<strong>01</strong>4</strong>: 36,2/21,2<br />

Dividendenrendite(in Prozent):0,6<br />

Chance<br />

Risiko<br />

Niedrig<br />

Hoch<br />

Quelle:FactSet<br />

AKTIE Bilfinger<br />

8125 Euro Kursgewinn<br />

für Roland Koch<br />

Bilfinger<br />

ISIN: DE0005909006<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

2<strong>01</strong>0<br />

Volles Rohr<br />

Anlage zur Verflüssigung<br />

von Erdgas in Norwegen<br />

Als Hessens Ex-Ministerpräsident<br />

Roland Koch im<br />

Juli 2<strong>01</strong>1 die Führung des<br />

MDax-Unternehmens Bilfinger<br />

übernahm, kaufte er für<br />

knapp 50 000 Euro 730 Aktien<br />

zum Kurs von 68,27 Euro. Bei<br />

aktuell 79,40 Euro steht Koch<br />

8125 Euro im Plus – und es<br />

können noch ein paar Euro<br />

mehr werden.<br />

Der von Koch forcierte<br />

Ausbau spezieller Ingenieurdienstleistungen<br />

(etwa<br />

Kühlsysteme für Gasverflüssigungsanlagen)<br />

und des Immobilien-Services<br />

lohnt sich:<br />

Vor zehn Jahren holte Bilfinger<br />

Berger (damals reiner<br />

Baukonzern) aus 5,4 Milliarden<br />

Euro Geschäftsvolumen<br />

57 Millionen Euro Nettogewinn,<br />

gut ein Prozent Marge.<br />

In diesem Jahr dürften es bei<br />

8,9 Milliarden Euro Gesamtleistung<br />

rund 260 Millionen<br />

Reingewinn werden – fast die<br />

dreifache Marge.<br />

Und der Ausbau des Geschäfts<br />

mit Dienstleistungen<br />

rund um Industrieanlagen<br />

und Gebäude geht weiter. In<br />

Großbritannien hat Bilfinger<br />

soeben den Immobilienspezialisten<br />

Europa Support<br />

Services aus Manchester<br />

übernommen. Damit versechsfachen<br />

die Mannheimer<br />

ihr lukratives Servicegeschäft<br />

auf der Insel.<br />

Natürlich, auch das Dienstleistungsgeschäft<br />

leidet unter<br />

Wirtschaftsschwankungen. Bis<br />

Herbst vergangenen Jahres lag<br />

Bilfinger bei den Erträgen etwa<br />

zehn Prozent unter Vorjahr.<br />

Doch die Auftragseingänge steigen.<br />

Meilensteine sind hier der<br />

mit der polnischen Regierung<br />

vor Kurzem in Angriff genommene<br />

Bau von Offshore-Windkraftanlagen<br />

in der Ostsee und<br />

ein verlängerter Wartungsvertrag<br />

mit Norwegens Statoil für<br />

Öl- und Gasplattformen in der<br />

Nordsee.<br />

11<br />

Quelle:FactSet, Bloomberg<br />

50-Tage-Linie<br />

200-Tage-Linie<br />

12 <strong>13</strong><br />

Kurs/Stoppkurs(in Euro): 79,40/67,50<br />

KGV2<strong>01</strong>3/<strong>2<strong>01</strong>4</strong>:15,6/12,9<br />

Dividendenrendite(in Prozent):3,8<br />

Chance<br />

Risiko<br />

Niedrig<br />

Hoch<br />

FOTOS: CORBIS/ROBERT GARVEY, PR, BLOOMBERG NEWS (2)<br />

96 Redaktion: Geldwoche+Zertifikate: Frank Doll, Anton Riedl<br />

Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


ZERTIFIKATE Fiat<br />

Rasante Aufholjagd mit<br />

Sergio Marchionne<br />

Stark mit Chrysler Zugriff auf<br />

11,5 Milliarden Dollar Cash<br />

Mit dem jüngsten Kurssprung<br />

nach der Komplettübernahme<br />

der amerikanischen Tochter<br />

Chrysler dürfte die Fiat-Aktie<br />

ihren Anstieg noch nicht<br />

beendet haben – im Gegenteil:<br />

Wahrscheinlich ist dies nur<br />

die Initialzündung, die den<br />

Kurs langfristig noch viel weiter<br />

treiben kann.<br />

2009, als Chrysler am Boden<br />

lag, stieg Fiat unter seinem<br />

Chef Sergio Marchionne bei<br />

dem US-Konkurrenten ein.<br />

Seitdem ging es mit Chrysler<br />

aufwärts. Der US-Marktanteil<br />

wuchs von neun auf elf Prozent,<br />

gegen die ebenfalls erstarkte<br />

Konkurrenz von General<br />

Motors und Ford.<br />

Nur sieben Milliarden Dollar<br />

kostet Fiat nun die Übernahme<br />

von Chrysler insgesamt. Das ist<br />

extrem günstig (Daimler zahlte<br />

1998 das Fünffache) und kann<br />

Fiat auf ein völlig neues Niveau<br />

bringen: Einkauf, Produktion,<br />

Absatz, Modellpolitik und Entwicklung<br />

können in großem Stil<br />

vereinheitlicht werden. Dabei<br />

ist Chrysler nicht nur rentabel,<br />

die US-Tochter verfügt auch<br />

über 11,5 Milliarden Dollar<br />

Barmittel, die nun zum Teil<br />

der angeschlagenen Mutter Fiat<br />

zugutekommen dürften.<br />

Bis 2<strong>01</strong>5 will Fiat-Chrysler die<br />

Hauptnotierung seiner Aktie in<br />

die USA verlegen. 33 Cent ist<br />

den Amerikanern ein Dollar<br />

Jahresumsatz von GM derzeit<br />

wert, Ford kommt auf 44 Cent.<br />

Fiat-Chrysler dagegen bringt es<br />

gerade mal auf 10 Cent. Natürlich,<br />

die Rendite des neuen<br />

US-italienischen Autoriesen<br />

(weltweit Nummer sieben)<br />

hängt noch weit hinterher.<br />

Doch die Aufholjagd läuft – und<br />

mit Zertifikaten lässt sich dieser<br />

Anstieg feinsteuern.<br />

Rabattaktion oder einen Gang hochschalten<br />

Anlagezertifikat und Hebelpapier auf die Fiat-Aktie<br />

(Kurs aktuell 6,76 Euro)<br />

Kurs (Euro)<br />

Stoppkurs<br />

(Euro)<br />

Funktion<br />

Kauf-Verkauf-<br />

Spanne<br />

Emittentin<br />

(Ausfallprämie)<br />

ISIN<br />

Chance/Risiko<br />

Discount für Anleger<br />

5,40<br />

4,59<br />

Quelle: Thomson Reuters<br />

Bietet 20,1 Prozent Rabatt auf den<br />

Aktienkurs, begrenzt aber den Maximalgewinn<br />

auf 11,1 Prozent; dafür<br />

genügt es, wenn die Aktie bis Fälligkeit<br />

(19. Dezember <strong>2<strong>01</strong>4</strong>) bei 6,00<br />

Euro notiert; Aktienkurse unter 6,00<br />

Euro schmälern den Gewinn, Verluste<br />

entstehen unter Einstiegsniveau bei<br />

5,40 Euro<br />

0,2 Prozent<br />

BNP Paribas<br />

(0,8 Prozent = geringes Risiko)<br />

DE000BP91C16<br />

5/4<br />

Longzertifikat für Spekulanten<br />

2,33<br />

1,86<br />

Verstärkt die Kursbewegung der<br />

Aktie derzeit etwa mit dreifachem<br />

Hebel: Steigt die Aktie um zwei Prozent,<br />

gewinnt das Zertifikat ungefähr<br />

sechs Prozent; Achtung: Sinkt Aktie<br />

unter Knock-out-Schwelle (derzeit<br />

4,5<strong>01</strong>5 Euro), entsteht Totalverlust;<br />

keine feste Laufzeitgrenze<br />

0,4 Prozent<br />

Commerzbank<br />

(1,1 Prozent = mittleres Risiko)<br />

DE000CZ71H61<br />

10/9<br />

ANLEIHE General Electric<br />

Rentabler<br />

Einschnitt<br />

Der Ausstieg aus dem Geschäft<br />

mit Konsumentenkrediten<br />

läuft. In diesem Jahr will<br />

der amerikanische Mischkonzern<br />

General Electric (GE)<br />

20 Prozent dieser Sparte an<br />

die Börse bringen, 2<strong>01</strong>5 dann<br />

die restlichen Anteile. Das<br />

weltweite Geschäft mit Konsumentenkrediten<br />

ist bisher<br />

ein Schwerpunkt der Finanzgeschäfte<br />

von GE. Die jedoch<br />

hatten den Industrieriesen in<br />

der Finanzkrise mächtig nach<br />

unten gezogen. Von 2007 bis<br />

2009 halbierte sich der gesamte<br />

Nettogewinn auf elf<br />

Milliarden Dollar. In der Erfolgsstory<br />

von GE war das ein<br />

so tiefer Einschnitt, dass seitdem<br />

die Finanzgeschäfte<br />

schrittweise verkauft und das<br />

Industriegeschäft wieder ausgebaut<br />

wird.<br />

Das industrielle Kerngeschäft<br />

(mit Flugzeugmotoren,<br />

Wind- und Gasturbinen,<br />

Kraftwerksgeneratoren, Wassertechnik,<br />

Medizintechnik)<br />

erzielt in den meisten Teilbereichen<br />

derzeit zweistellige<br />

Wachstumsraten. In den USA<br />

profitiert GE davon, dass sich<br />

– befeuert von billigem Gas<br />

aus Schiefergestein – eine<br />

neue Industrialisierung vollzieht.<br />

Das internationale Geschäft<br />

wird <strong>vom</strong> Nachholbedarf<br />

in den Schwellenländern<br />

und der leichten konjunkturellen<br />

Erholung in Europa angetrieben.<br />

Großaufträge kamen<br />

zuletzt aus Algerien für<br />

Gaskraftwerke im Wert von<br />

1,9 Milliarden Dollar, von der<br />

Lufthansa für Flugzeugtriebwerke<br />

im Wert von 2,5 Milliarden<br />

Dollar, aus Russland für<br />

Gasverflüssigungstechnik<br />

über 600 Millionen Dollar. Mit<br />

229 Milliarden Dollar (Stand<br />

Ende September) ist das Auftragspolster<br />

so dick wie nie.<br />

Kraftwerke statt Kredite Turbinenproduktion<br />

GE Frankreich<br />

GE sollte damit in der Lage<br />

sein, den Umsatz von 146 Milliarden<br />

Dollar (2<strong>01</strong>3) in diesem<br />

Jahr auf mehr als 150 Milliarden<br />

Dollar zu erhöhen. Das ist zwar<br />

noch weit entfernt <strong>vom</strong> bisherigen<br />

Spitzenwert von 182 Milliarden<br />

kurz vor der Finanzkrise;<br />

damals jedoch war das Zahlenwerk<br />

durch die Finanzgeschäfte<br />

aufgebläht. Jetzt ist das Wachstum<br />

besser fundiert. Das zeigt<br />

sich vor allem an der Nettomarge<br />

(Reingewinn <strong>vom</strong> Umsatz):<br />

Sie schrumpfte in den<br />

Krisenjahren auf sieben Prozent,<br />

dürfte <strong>2<strong>01</strong>4</strong> aber wieder<br />

bei über elf Prozent liegen. Zugleich<br />

sollte das Eigenkapital<br />

mit 125 Milliarden Dollar einen<br />

neuen Spitzenwert erreichen.<br />

Die Finanztochter GE Capital ist<br />

mit 11,3 Prozent Kernkapitalquote<br />

gut finanziert.<br />

General Electric, 1890 gegründet<br />

von Glühbirnen-Erfinder<br />

Thomas Alva Edison, ist als<br />

einziges Unternehmen von Anfang<br />

an im Dow Jones vertreten.<br />

Mit dem S&P-Rating AA+ (nur<br />

eine Stufe unter dem begehrten<br />

AAA) ist GE eine Top-Adresse.<br />

Für Anleger hierzulande sind in<br />

Euro notierte GE-Anleihen ein<br />

Basisinvestment.<br />

Kurs (%) 112,12<br />

Kupon (%) 4,35<br />

Rendite (%) 2,62<br />

Laufzeit bis 3. November 2021<br />

Währung<br />

Euro<br />

ISIN<br />

XS0273570241<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 97<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Geld&Börse | Geldwoche<br />

FONDS Scherrer Small Caps Europe<br />

Gefallene Engel rein,<br />

teure Überflieger raus<br />

Lackautomat Süss Microtec<br />

hofft auf Wende bei Halbleitern<br />

Der Schweizer Fondsberater<br />

Josef Scherrer aus Eschlikon<br />

wählt seine Aktien aus etwa<br />

300 Titeln mit weniger als 300<br />

Millionen Euro Börsenwert,<br />

vorzugsweise deutsche Nebenwerte.<br />

„Auch wenn kleinere<br />

deutsche Unternehmen<br />

noch günstiger sind als vergleichbare<br />

aus der Schweiz,<br />

wird es doch zunehmend<br />

schwerer, unterbewertete<br />

Titel zu finden“, sagt Scherrer.<br />

Ob ein Titel günstig ist oder<br />

nicht, misst Scherrer vor allem<br />

am Verhältnis von Unternehmenswert<br />

(Marktkapitalisierung<br />

plus Nettoschulden)<br />

zum Ergebnis vor Zinsen<br />

und Steuern (Ebit). Vor etwa<br />

einem Jahr habe der Faktor<br />

dieses Verhältnisses bei den<br />

meisten deutschen Nebenwerten<br />

noch bei vier bis fünf<br />

gelegen, inzwischen liege die<br />

Spanne bei sieben bis acht.<br />

Scherrer hat sich daher von<br />

einigen gut gelaufenen Aktien<br />

getrennt, darunter der Maschinenbauer<br />

LPKF Laser &<br />

Electronics (2<strong>01</strong>3: plus <strong>13</strong>4<br />

Prozent) und das IT-Unternehmen<br />

GFT (2<strong>01</strong>3: plus 117<br />

Prozent).<br />

Scherrer weicht jetzt auf Aktien<br />

aus, die im vergangenen<br />

Jahr in Schwierigkeiten steckten,<br />

aber seiner Meinung<br />

nach das Potenzial haben, in<br />

den kommenden Monaten<br />

die Wende zu schaffen. Dazu<br />

zählt der Schweizer Vermögensverwalter<br />

unter anderem<br />

den deutschen Maschinenbauer<br />

Süss Microtec. „Auf dem<br />

Markt für Halbleiter schrumpfen<br />

derzeit die Überkapazitäten,<br />

die Hersteller aus China und<br />

Taiwan werden daher ihren Maschinenpark<br />

ausbauen oder<br />

modernisieren“, sagt Scherrer.<br />

Noch allerdings ist Süss Microtec<br />

ein Hoffnungswert. Trotz<br />

Aktienrally hat sich die Aktie<br />

seit März 2<strong>01</strong>1 in etwa halbiert.<br />

Langweiliger, aber weniger<br />

riskant ist das Logistikunternehmen<br />

Nordwest Handel, ein<br />

weiterer von Scherrers Favoriten.<br />

Nordwest übernimmt für<br />

mittelständische Unternehmen<br />

den Einkauf und Transport von<br />

Waren, vor allem Stahl, Haustechnik<br />

und Baubedarf. Weil<br />

Stahl zuletzt nicht so stark<br />

gefragt war, lief die Aktie im vergangenen<br />

Jahr dem SDax weitgehend<br />

hinterher. Erst seit November<br />

läuft Nordwest Handel<br />

besser als der Index. Scherrer<br />

macht dafür das derzeit gut<br />

laufende Lagergeschäft verantwortlich.<br />

Die Margen fürs<br />

Lagergeschäft lägen deutlich<br />

höher als beim Einkauf und<br />

Transport, so der Schweizer<br />

Vermögensverwalter.<br />

ScherrerSmall Caps Europe<br />

ISIN: LI0<strong>01</strong>8448063<br />

150<br />

140<br />

<strong>13</strong>0<br />

120<br />

110<br />

100<br />

90<br />

Chance<br />

Risiko<br />

Niedrig<br />

Auf100 umbasiert;<br />

Quelle:Thomson Reuters<br />

SDax<br />

2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3 14<br />

Hoch<br />

Die besten deutschen Aktienfonds<br />

Wie die erfolgreichsten Portfolio-Manager abgeschnitten haben<br />

Fondsname<br />

Die Gewinner unter den volumenstärksten Fonds<br />

iShares TecDax (DE)<br />

Allianz Nebenwerte Deutschland<br />

DWS German Small/Mid Cap<br />

DWS Aktien Strategie Deutschl.<br />

CS Small & Mid Cap Germany<br />

iShares MDax<br />

UBS Small Caps Germany<br />

FPM Stockp. Germany All Cap<br />

UniDeutschland XS<br />

DWS Investa<br />

Fidelity Germany<br />

DWS German Equities Typ O<br />

Acatis Aktien Deutschland<br />

UBS German High Dividend<br />

Baring German Growth<br />

DWS Deutschland<br />

DWS Invest German Equities<br />

iShares DivDax<br />

JPM Germany Eq.<br />

Pioneer German Equity<br />

Allianz Thesaurus<br />

Allianz Vermögensbildung<br />

JB EF German Value<br />

Deka Daxplus Max Div.<br />

Metzler Aktien Deutschland<br />

Hansasecur<br />

Allianz German Equity<br />

Concentra<br />

Deka Dax<br />

iShares Dax<br />

Deka Dax (ausschütt.)<br />

DekaLux-Deutschland<br />

Lyxor ETF Dax<br />

Fondak<br />

ComStage Dax<br />

UBS Aktienf. Special Deutschl.<br />

DekaFonds CF<br />

db x-trackers Dax<br />

Allianz Adifonds<br />

Akrobat Europa<br />

Die Sieger bei den kleinen Portfolios<br />

Scherrer Small Caps Europe<br />

FPM Stockp. Germany Small/Mid Cap<br />

Lux-Euro-Stocks TecDax<br />

DB Platinum III Platow I1<br />

Lupus Alpha Sm. German Champs<br />

Monega Innovation<br />

UBS Mid Caps Germany<br />

Warburg Small&Midcaps Deutschl.<br />

ComStage SDax®<br />

HAIG MB Max Value<br />

ISIN<br />

DE0005933972<br />

DE0008481763<br />

DE0005152409<br />

DE0009769869<br />

LU0052265898<br />

DE0005933923<br />

DE0009751651<br />

LU<strong>01</strong>24167924<br />

DE0009750497<br />

DE0008474008<br />

LU0048580004<br />

DE0008474289<br />

LU<strong>01</strong>58903558<br />

LU0775052292<br />

GB0000822576<br />

DE0008490962<br />

LU0740822621<br />

DE0002635273<br />

LU<strong>01</strong>11753843<br />

DE0009752303<br />

DE0008475<strong>01</strong>3<br />

DE0008475062<br />

LU0048167570<br />

DE000ETFL235<br />

DE0009752238<br />

DE0008479023<br />

LU0840617350<br />

DE0008475005<br />

DE000ETFL<strong>01</strong>1<br />

DE0005933931<br />

DE000ETFL060<br />

LU0062624902<br />

LU0252633754<br />

DE0008471<strong>01</strong>2<br />

LU0378438732<br />

DE0008488206<br />

DE0008474503<br />

LU0274211480<br />

DE0008471038<br />

LU<strong>01</strong>38526776<br />

LI0<strong>01</strong>8448063<br />

LU0207947044<br />

LU<strong>01</strong>08712554<br />

LU0247468878<br />

LU<strong>01</strong>29233093<br />

DE0005321020<br />

DE0009751750<br />

DE000A0RHE28<br />

LU0603942888<br />

LU<strong>01</strong>21803570<br />

Wertentwicklung<br />

in Prozent<br />

seit 3<br />

Jahren 1<br />

11,3<br />

15,0<br />

16,0<br />

14,1<br />

16,0<br />

17,0<br />

10,2<br />

1 jährlicher Durchschnitt (in Euro gerechnet); 2 je höher die Jahresvolatilität<br />

(Schwankungsintensität) in den vergangenen drei Jahren, desto riskanter der Fonds;<br />

Quelle: Morningstar; Stand: 6. Januar <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

9,5<br />

9,0<br />

11,9<br />

<strong>13</strong>,0<br />

12,1<br />

14,2<br />

–<br />

12,6<br />

<strong>13</strong>,3<br />

12,7<br />

11,8<br />

10,6<br />

11,3<br />

10,5<br />

10,6<br />

10,2<br />

6,7<br />

10,7<br />

9,4<br />

<strong>13</strong>,6<br />

<strong>13</strong>,1<br />

10,4<br />

10,3<br />

10,5<br />

7,2<br />

10,2<br />

7,5<br />

10,6<br />

9,8<br />

8,1<br />

10,5<br />

9,8<br />

12,9<br />

14,5<br />

16,3<br />

10,4<br />

16,3<br />

<strong>13</strong>,9<br />

10,1<br />

15,0<br />

–<br />

–<br />

7,8<br />

seit 1<br />

Jahr<br />

37,8<br />

37,6<br />

37,1<br />

35,6<br />

35,3<br />

35,3<br />

34,1<br />

33,2<br />

31,9<br />

31,1<br />

29,0<br />

28,7<br />

28,1<br />

27,7<br />

27,6<br />

26,8<br />

25,8<br />

25,6<br />

25,4<br />

24,2<br />

23,7<br />

23,6<br />

23,6<br />

23,5<br />

23,3<br />

22,3<br />

22,1<br />

21,8<br />

21,5<br />

21,5<br />

21,3<br />

21,3<br />

21,3<br />

21,0<br />

20,6<br />

20,5<br />

20,5<br />

20,4<br />

19,9<br />

19,9<br />

37,3<br />

35,5<br />

35,1<br />

33,9<br />

33,6<br />

32,9<br />

32,6<br />

27,6<br />

27,1<br />

26,7<br />

Volatilität<br />

2<br />

in<br />

Prozent<br />

15,3<br />

16,5<br />

17,1<br />

20,7<br />

15,6<br />

15,8<br />

16,0<br />

16,8<br />

15,9<br />

21,8<br />

18,1<br />

20,5<br />

12,5<br />

–<br />

18,9<br />

21,5<br />

21,6<br />

18,9<br />

18,2<br />

18,5<br />

19,2<br />

19,7<br />

17,2<br />

15,0<br />

17,8<br />

19,5<br />

18,5<br />

18,8<br />

18,6<br />

18,6<br />

18,5<br />

21,0<br />

18,6<br />

19,5<br />

18,6<br />

17,7<br />

20,1<br />

18,6<br />

18,4<br />

11,8<br />

14,5<br />

14,9<br />

14,2<br />

12,7<br />

14,6<br />

14,6<br />

15,4<br />

–<br />

–<br />

18,5<br />

FOTO: PR<br />

98 Redaktion Fonds: Martin Gerth, Heike Schwerdtfeger<br />

Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


CHARTSIGNAL<br />

Kontrollverlust<br />

Die Anleihekäufe der US-Notenbank können den<br />

Anstieg der Zinsen nicht stoppen.<br />

Seit 2008 laufen die Renditen<br />

zehnjähriger US-Staatsanleihen<br />

in einem Abwärtstrendkanal<br />

nach unten. Die<br />

Bewegungen innerhalb dieses<br />

Trendkanals wurden maßgeblich<br />

beeinflusst von den drei<br />

Anleihekaufprogrammen der<br />

US-Notenbank Fed (Quantitative<br />

Easing, QE). Nur sind die<br />

Renditen während der Laufzeiten<br />

von QE1, QE2 und QE3<br />

nicht gefallen, sondern gestiegen<br />

(Strecken A–B, C–D, E–F).<br />

Dafür gesorgt haben dürften<br />

Umschichtungen von Staatsanleihen<br />

in riskantere Vermögensklassen<br />

wie Aktien<br />

oder Hochzinsanleihen. Umgekehrt<br />

sind die Renditen mit<br />

dem Auslaufen von QE1 und<br />

QE2 und vor dem Hintergrund<br />

einer anhaltend schwachen<br />

Weltwirtschaft jeweils<br />

gefallen (Strecken B–C, D–E).<br />

Zugleich sind die Aktienkurse<br />

eingebrochen. Diese Bewegungen<br />

sind der Beleg für das<br />

Versagen von QE als Mittel zur<br />

Stimulierung der Wirtschaft.<br />

Am 25. Juli 2<strong>01</strong>2 erreichten<br />

die Renditen mit 1,379 Prozent<br />

ihr zyklisches Tief (1). Wenige<br />

Zinswende<br />

Der 30-jährige Abwärtstrend bei den US-Zinsen ist gebrochen<br />

5,5<br />

4,5<br />

3,5<br />

2,5<br />

1,5<br />

1,0<br />

Quelle: Thomson Reuters<br />

Abwärtstrendkanal<br />

A<br />

Wochen später rechtfertigte<br />

Fed-Chef Ben Bernanke die Auflage<br />

von QE3 damit, die Zinsen<br />

tief halten zu wollen (E). Nur haben<br />

sich die Renditen seither<br />

fast verdoppelt. Charttechniker<br />

hat das nicht überrascht. Denn<br />

der vorherige Absturz der Renditen<br />

auf 1,379 Prozent erfüllte<br />

alle Kriterien einer Trendbeschleunigung.<br />

Trendbeschleunigungen<br />

legen spekulative<br />

Blasen offen und laufen einem<br />

Nachfragevakuum voraus. Der<br />

Renditeanstieg über die Abwärtstrendlinie<br />

T1 ( 2) markierte<br />

sehr wahrscheinlich das Ende<br />

des mehr als 30-jährigen Abwärtstrends<br />

bei den US-Zinsen.<br />

Der jüngste Ausbruch aus dem<br />

Abwärtstrendkanal nach oben<br />

(3) dokumentiert diese strukturelle<br />

Veränderung. Eine erneute<br />

Schwäche der US-Wirtschaft<br />

dürfte eine massive und dauerhafte<br />

Ausweitung der monetären<br />

Staatsfinanzierung nach<br />

sich ziehen. Für die Fed wäre<br />

dies mit Blick auf ihren unlängst<br />

angekündigten Ausstieg aus<br />

QE3 der Offenbarungseid. Dollar<br />

und Bonds könnten unter<br />

starken Abgabedruck geraten.<br />

B<br />

2006 2007 2008 2009 2<strong>01</strong>0 2<strong>01</strong>1 2<strong>01</strong>2 2<strong>01</strong>3 14<br />

C<br />

D<br />

T1<br />

2<br />

E<br />

1<br />

Untertasse<br />

F<br />

3<br />

RELATIVE STÄRKE<br />

Und sie überlebt doch<br />

Nach 100 Prozent Kursgewinn ist die Commerzbank-<br />

Spekulation noch immer nicht ausgereizt.<br />

Die Commerzbank ist fast bis<br />

an die Spitze der starken europäischen<br />

Aktien vorgedrungen<br />

(Tabelle Rang 2). Seit der<br />

Empfehlung als „hochriskante<br />

Spekulation“ (Wirtschafts-<br />

Woche 32/2<strong>01</strong>3) hat sich das<br />

Papier verdoppelt. Und die<br />

Rally kann weitergehen. Entscheidend<br />

dafür ist, dass die<br />

Commerzbank als systemrelevante<br />

Bank wohl überleben<br />

dürfte. Angesichts von 1200 Filialen<br />

und 600 Milliarden Euro<br />

Bilanzsumme ist der aktuelle<br />

Börsenwert von 15 Milliarden<br />

Euro keineswegs zu hoch. Auch<br />

institutionelle Investoren sehen<br />

bei der Cobank deutlich weniger<br />

Risiken: Die Prämien für<br />

Kreditausfallversicherungen<br />

betragen nur noch 1,1 Prozent.<br />

In den Krisenjahren waren sie<br />

mehr als dreimal so hoch.<br />

Wer schlägt den Index?<br />

Die innerhalb der vergangenen drei Monate am stärksten<br />

gestiegenen und gefallenen Aktien 1<br />

Rang Aktie Index Kurs 2 Kursentwicklung Relative Trend 3<br />

(€) (in Prozent) Stärke<br />

3 Monate 1 Jahr<br />

(in Prozent)<br />

Gewinner<br />

1 Cancom TecDax 33,95 +47,34 +147,07 42,2<br />

2 Commerzbank Dax <strong>13</strong>,18 +40,77 +7,02 37,2<br />

3 LPKF Laser&El. TecDax 20,41 +41,64 +142,18 31,2<br />

4 Tui MDax 12,53 +36,04 +66,11 29,9<br />

5 Bechtle TecDax 56,60 +37,65 +83,05 28,9<br />

6 Fresenius SE&Co Dax 115,90 +29,70 +35,00 21,2<br />

7 Osram Licht MDax 43,14 +25,19 - 20,2 4<br />

8 RTL Group (LU) MDax 96,37 +25,81 - 16,7<br />

9 K+S NA Dax 23,19 +22,80 -32,41 16,4 4<br />

10 Continental Dax 161,85 +22,75 +86,03 15,4<br />

11 Fuchs Petrolub Vz MDax 71,54 +20,74 +21,60 15,1<br />

12 Wacker Chemie MDax 90,59 +19,73 +57,55 <strong>13</strong>,8 4<br />

<strong>13</strong> Evotec TecDax 4,06 +18,91 +42,91 <strong>13</strong>,7 4<br />

14 Aareal Bank MDax 29,70 +22,73 +67,99 <strong>13</strong>,6<br />

15 Freenet TecDax 21,85 +19,53 +45,47 <strong>13</strong>,4<br />

16 PSI NA TecDax 14,30 +20,17 -8,39 <strong>13</strong>,4 4<br />

17 ING Groep (NL) Stoxx50 10,64 +19,03 +38,91 <strong>13</strong>,1<br />

18 Celesio MDax 23,77 +17,32 +76,47 <strong>13</strong>,0 5<br />

19 Wincor Nixdorf MDax 53,37 +17,34 +38,26 11,9 4<br />

20 Drillisch TecDax 21,35 +20,76 +79,37 11,6 5<br />

21 Leoni MDax 54,83 +18,55 +89,26 11,0 5<br />

22 Gerresheimer MDax 50,73 +17,98 +30,78 10,9 4<br />

23 Nemetschek TecDax 52,26 +<strong>13</strong>,73 +53,71 10,9 4<br />

24 BB Biotech (CH) TecDax 118,85 +17,27 +53,93 10,6 4<br />

Verlierer<br />

152 Stand. Chartered (GB) Stoxx50 1253,00 -14,73 -24,40 -20,6 5<br />

151 LVMH (FR) Stoxx50 124,45 -14,05 -9,85 -20,0 5<br />

150 Südzucker MDax 19,44 -12,12 -37,19 -18,1 5<br />

149 ADVA Optical Net. TecDax 4,09 -11,43 -7,84 -16,2 5<br />

148 Tesco (GB) Stoxx50 324,50 -10,25 -7,06 -16,1 5<br />

147 Elringklinger Na MDax 30,18 -6,72 +19,55 -<strong>13</strong>,2 5<br />

146 Richemont (CH) Stoxx50 85,10 -4,33 +9,59 -<strong>13</strong>,0<br />

145 RWE St Dax 25,29 -7,58 -19,20 -12,7 5<br />

144 Salzgitter MDax 30,00 -5,12 -25,88 -12,4 5<br />

1<br />

aus Dax, MDax, TecDax und Stoxx Europe 50 im Vergleich zum Stoxx Europe 600;<br />

2<br />

bei GB in Pence, bei CH in Franken; 3 Änderung um mindestens fünf Ränge; 9.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong>,<br />

<strong>13</strong>:00 Uhr<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 99<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Perspektiven&Debatte<br />

»Der allmächtige Dollar<br />

ist unser Gott«<br />

INTERVIEW | Leonardo DiCaprio Der Hauptdarsteller des Films „Wolf of the Wall Street“ über<br />

die Betrügereien an den Börsen und die Unterwelt Finanzmarkt.<br />

Herr DiCaprio, wie gut kennen Sie sich an<br />

der Wall Street und den internationalen<br />

Finanzmärkten aus?<br />

Null. Ich verfolge nicht die Entwicklungen<br />

auf den Aktienmärkten; offen gestanden<br />

ergeben sie für mich keinen Sinn.<br />

Trotzdem machen Sie einen Film über<br />

einen der größten Brokerunternehmer der<br />

USA, dessen Firma vor seiner Verurteilung<br />

wegen Betruges ein Milliardenvermögen<br />

verwaltete.<br />

Meine Kenntnisse sind dafür egal. Wir haben<br />

ja auch bewusst Szenen eingebaut, wo<br />

ich in die Kamera spreche und erkläre:<br />

„Das klingt alles verwirrend für Sie, aber<br />

darauf kommt es nicht an. Die Frage ist:<br />

Geschieht hier etwas Illegales?“ Und genau<br />

das war der Fall. Wenn wir einen Film gemacht<br />

hätten, der sich mit den Feinheiten<br />

der Finanzwelt beschäftigt, wären die Leute<br />

geistig ausgestiegen. Es war ohnehin<br />

schon Risiko genug, einen Film mit dem<br />

Wort „Wall Street“ im Titel zu machen. Unsere<br />

Geldgeber waren etwas besorgt, dass<br />

wir damit das Publikum abschrecken.<br />

Was war dann das Motiv, dieses Projekt<br />

anzustoßen? Sie versuchten schließlich<br />

sechs Jahre lang, den Film auf die Beine<br />

zu stellen.<br />

Auch wenn der Film eine Komödie ist, so<br />

sind seine Protagonisten im Endeffekt<br />

ziemlich destruktive, abstoßende Personen.<br />

Sie stehen auf der gleichen Ebene wie<br />

die Leute, die die amerikanische Wirtschaft<br />

zerstörten. Und es ist notwendig, dass wir<br />

Filme machen, die sich mit der dunklen<br />

Seite der menschlichen Natur beschäftigen.<br />

Regisseur Martin Scorsese hat das in<br />

seinen verschiedenen Filmen über die Mafia<br />

getan. Und Finanzmakler Jordan Belfort<br />

BÖRSENFIGUREN<br />

Echte Haie<br />

FLORIAN HOMM<br />

Sein Hedgefonds ACM<br />

verwaltete drei Milliarden<br />

Euro, 2007 tauchte Homm<br />

unter und sitzt nun in<br />

Italien in Auslieferungshaft.<br />

In den USA läuft eine Klage gegen ihn.<br />

CARL ICAHN<br />

Großinvestor. Und „Corporate<br />

Raider“ – Firmenjäger,<br />

diese Bezeichnung<br />

hat sich Icahn neben<br />

Milliarden Dollar erarbeitet.<br />

Vorbild für die Filmfigur „Gordon Gekko“.<br />

HENRY KRAVIS<br />

„Geläuterter Barbar“ wird<br />

der Gründer der Investmentfirma<br />

KKR genannt,<br />

er gilt als Mitbegründer der<br />

Private-Equity-Branche.<br />

Seine Geschäftsmodelle waren Vorbild<br />

für Oliver Stones Film „Wall Street“.<br />

MICHAEL MILKEN<br />

Galt als „Junk Bond King“,<br />

1989 wegen Finanzbetrugs<br />

inhaftiert. Saß<br />

22 Monate von 10 Jahren<br />

Haft ab. Lebenslang für<br />

Börsenhandel gesperrt. Nennt sich heute<br />

„Philantropist“ und Medizinförderer.<br />

war auf seine Weise Teil der Unterwelt.<br />

Aber er war dabei letztlich nur ein kleiner<br />

Fisch in einem Meer voller Wale. Leuten,<br />

die die Schlupflöcher im Finanzsystem<br />

fanden und somit unsere Volkswirtschaft<br />

um Trilliarden von Dollar beraubten.<br />

Gleichzeitig verkörperte er mit seiner Einstellung<br />

die Mentalität dieser Gruppe.<br />

Worin besteht sie?<br />

Hedonismus und Egoismus. Dieser Mann<br />

dachte an niemand außer sich selbst und<br />

gab jeder seiner Schwächen nach. Und diese<br />

Haltung findet sich allerorten. Der allmächtige<br />

Dollar ist der Gott unserer Zeit –<br />

was ich zutiefst deprimierend finde. Es ist ja<br />

auch nicht so, dass diese Leute kriminalisiert<br />

werden. Ein Jordan Belfort war immerhin<br />

22 Monate in Haft, aber die CEOs der<br />

Großunternehmen, die unsere Ökonomie<br />

kaputt gemacht haben, die erhalten weiterhin<br />

ihre Bonuszahlungen statt knallharter<br />

Strafen. So können sie mit ihren Manipulationen<br />

und Raubzügen unbehelligt weitermachen.<br />

Das ist ekelhaft. Aus diesem<br />

Grund hatten wir die Finanzkrise in den<br />

Dreißigern, und aus den gleichen Gründen<br />

hat sie sich unlängst wiederholt. Aber obwohl<br />

wir angeblich einen Abschwung erlebt<br />

haben, ziehen die Preise an. Wenn ich<br />

mir Apartments in New York ansehe, die<br />

kosten jetzt viermal so viel wie früher.<br />

Was wäre Ihre Lösung?<br />

Wir müssten einen „Reset“-Knopf für das<br />

ganze System drücken. Wenn man diesen<br />

Finanzmarktjongleuren nicht auf die Finger<br />

schaut und sie den Preis für ihr Handeln<br />

nicht zahlen lässt, wird sich dieser Zyklus<br />

wiederholen. Wir brauchen Regeln. Und<br />

zwar auch deshalb, weil dieses Handeln<br />

dem menschlichen Überlebensinstinkt<br />

FOTOS: NELE BENDGENS FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, BLOOMBERG NEWS (3), © 2<strong>01</strong>3 PARAMOUNT PICTURES<br />

100 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


entspricht. Wir wollen expandieren, wir MR. UNTERGANG<br />

Wie hoffnungsvoll sind Sie da?<br />

wollen ständig mehr konsumieren. Was ist<br />

Ein bisschen zynisch kann ich schon<br />

denn die Vorstellung <strong>vom</strong> amerikanischen Er war der Posterboy der „Titanic“, doch werden, wenn ich mir den Zustand der<br />

Traum, die heutzutage bei Jung und Alt längst hat sich Leonardo DiCaprio zum Menschheit ansehe. Andererseits gibt<br />

grassiert? – „Werde immer reicher! Tue, was<br />

seriösen Schauspieler entwickelt, der in<br />

es immer wieder auch hoffnungsvolle<br />

„Wolf of Wall Street“ (ab 16. Januar im Kino)<br />

für dich richtig ist.“ Diese Haltung ist nicht<br />

Signale. Nehmen Sie Jordan Belfort selbst.<br />

den Exzessen der Finanzbranche nachspürt.<br />

nur absurd, sondern auch gefährlich. Der 39-Jährige, der dafür eine Golden-Globe- Er distanziert sich von dem, was er getan<br />

Wovor fürchten Sie sich? Der nächsten Nominierung erhielt, hat dazu dezidierte hat, für ihn war das ein dunkler Pfad,<br />

Finanzkrise?<br />

Ansichten, die nicht zu einem Multimillionenstar<br />

aber auch eine lehrreiche Erfahrung.<br />

Ich fürchte um unsere Zukunft. Wir können<br />

diesen Expansionskurs nicht einfach so fortsetzen,<br />

weil auch die Weltbevölkerung<br />

wächst. Es gibt keine endlosen Ressourcen zu passen scheinen.<br />

te intakt zu halten, während die jeweiligen<br />

Jetzt gibt er Motivationsseminare und<br />

erzählt ganz offen von den Fehlern, die er<br />

gemacht hat.<br />

Sie haben den Dokumentarfilm „11th<br />

auf diesem Planeten. Aus der Sicht der Umweltschützer<br />

Volkswirtschaften weiter auf dem Vor-<br />

Hour“ produziert, der sich mit ökologibiet.<br />

ist die Erde wie ein Kriegsgemarsch<br />

sind. Wir müssen ein paar Alternatischen<br />

Problemen beschäftigt. Können Sie<br />

Sie kämpfen darum, unberührte Gebie- ven zu diesem „Business as usual“ finden. mit Ihren Mitteln etwas bewirken? »<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 1<strong>01</strong><br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Perspektiven&Debatte<br />

»<br />

Wer weiß, wer weiß. Auf der einen Seite<br />

darfst du solche Themen nicht zu schulmeisterlich<br />

aufbereiten. In unserem Fall<br />

haben wir das Mittel der Satire gewählt.<br />

Aber andererseits ist die Frage, wie die<br />

Leute darauf reagieren. Nehmen Sie das<br />

Beispiel des alten „Wall Street“. Ich habe<br />

mit so vielen Brokern gesprochen, und die<br />

meinten: „Ich wollte so sein wie Gordon<br />

Gekko, und deshalb habe ich diesen Beruf<br />

gewählt.“ Moment mal, das war eine<br />

Schauergeschichte über die Gier an der<br />

Wall Street, und dieser Typ erlebte eine absolute<br />

Bruchlandung. Du kannst also die<br />

Wirkung nicht vorherbestimmen. Abgesehen<br />

davon sind ernsthafte Filme<br />

immer schwieriger zu finanzieren.<br />

Hollywood ist Teil des ganzen<br />

Wirtschaftssystems, also verhält<br />

es sich nach den gleichen Regeln.<br />

Wie sehen die in diesem Falle<br />

aus?<br />

Wir leben im Zeitalter des Blockbusters.<br />

Das heißt, sobald ein<br />

Film ein bestimmtes Budget<br />

überschreitet, muss er irgendwelche<br />

Explosionen, Roboter und<br />

solche Sache haben, sonst wollen<br />

ihn die Studios nicht finanzieren.<br />

Wenn du eine ernsthafte Geschichte<br />

erzählen willst, dann<br />

musst du unter einem bestimmten<br />

Budget bleiben. Aufwendige<br />

epische Projekte, wie ich sie<br />

immer gemacht habe – zum Beispiel<br />

„Aviator“ oder „Blood<br />

Diamond“, wären heute kaum<br />

noch zu machen. Die Ära, wo die<br />

Regisseure das Sagen hatten, ist<br />

vorbei.<br />

Aber Sie haben ja „Wolf of Wall Street“<br />

mit großem Aufwand und Starregisseur<br />

Scorsese auf die Beine gestellt. Das ist<br />

doch ein Widerspruch.<br />

Nein, denn es war ja auch extrem schwierig.<br />

Jahrelang habe ich versucht, es ganz<br />

traditionell im Studiosystem finanzieren zu<br />

lassen, aber es hat einfach nicht funktioniert.<br />

Die Leute wollten ein alternatives<br />

Ende, wo wir für die Handlungen der Protagonisten<br />

irgendeine Entschuldigung anhängen.<br />

Aber sinnigerweise gibt es Finanziers,<br />

die Kinoliebhaber sind. Die haben<br />

wir gefunden. Sie waren der Ansicht, dass<br />

es einen Markt für derart erwachsene Unterhaltungsfilme<br />

gibt. Und dass dieser Film<br />

wirklich Erfolg haben wird, wenn wir dabei<br />

die Grenzen des Machbaren ausreizen und<br />

ihn so verrückt und verrucht erzählen wie<br />

nur irgend möglich.<br />

Eigentlich verbindet man die Vorstellung<br />

eines verruchten Lebens auch mit dem<br />

Dasein eines Stars.<br />

Sie können mir glauben, dass ich selbst<br />

keine solche Exzesse wie ein Jordan Belfort<br />

erlebt habe. Und ich beneide ihn auch<br />

nicht. Der Mann war süchtig – nach Drogen,<br />

Sex und Geld. Und er konnte nicht stoppen.<br />

Wofür geben Sie eigentlich Ihr Geld aus?<br />

Sie wollen das wirklich wissen?<br />

Warum nicht?<br />

Ich möchte jetzt keinen Einblick in meinen<br />

Finanzhaushalt geben. Aber nur so viel: Ich<br />

finde, es ist wichtig, dass man der Gesellschaft<br />

etwas zurückgibt. Wer immer sich in<br />

»Für viele Broker ist Gordon<br />

Gekko ein Vorbild«<br />

einer Position mit Macht und Geld befindet,<br />

sollte etwas für die Welt tun. Ich habe<br />

auch persönlich nichts gegen Leute mit<br />

Reichtum, solange sie verantwortungsvoll<br />

damit umgehen. Es gibt auch sehr viele, die<br />

das tun, aber es gibt noch mehr, die völlig<br />

rücksichtslos mit Geld um sich werfen.<br />

Aber was war Ihre Motivation, die<br />

potenziell lukrative Laufbahn eines<br />

Schauspielers einzuschlagen?<br />

Lukrativ ist sie nur in ganz wenigen Fällen.<br />

Ich hatte einfach als Kind das Verlangen<br />

danach, das war rein instinktiv. Zum Glück<br />

wurde ich im Stadtteil Hollywood groß –<br />

keiner besonders gediegenen Gegend übrigens.<br />

Und gerade weil ich hier lebte,<br />

konnte ich meinen Eltern sagen, dass sie<br />

mich zu Vorsprechterminen bringen und<br />

mir einen Agenten besorgen sollen. Ich<br />

komme aus der unteren Mittelschicht, und<br />

hätten wir irgendwo anders gelebt, wäre<br />

das alles nicht möglich gewesen. Wobei ich<br />

erst mal gar nicht begriff, dass man mit der<br />

Schauspielerei Geld verdienen kann. Ich<br />

dachte, das sei nur zum Spaß.<br />

Wie war es dann, als Sie mit „Titanic“<br />

zum weltweiten Medienphänomen wurden?<br />

War das Teil einer Strategie?<br />

Absolut nicht. Ich begann meine Karriere<br />

mit kleineren unabhängigen Produktionen,<br />

und mit „Titanic“ wich ich dann von<br />

diesem Muster ab, weil ich etwas Neues<br />

ausprobieren wollte. Und das entwickelte<br />

sich zufälligerweise zum – damals – erfolgreichsten<br />

Film aller Zeiten. Auf einmal zirkulierte<br />

mein Bild um die ganze Welt, was<br />

ich sehr surreal fand. Und es<br />

erschien diese andere Person<br />

– diese Medienkreation<br />

von Leonardo DiCaprio. Für<br />

mich war sie nur ein Witz.<br />

Aber ich habe sie dann langsam<br />

sterben lassen, indem<br />

ich mich aus der Öffentlichkeit<br />

zurückgezogen und nur<br />

auf meine ökologischen Interessen<br />

und auf die Arbeit<br />

konzentriert habe.<br />

Gab es Phasen, wo Sie<br />

diesen Film bereuten?<br />

Ganz ehrlich. Es gibt so viele<br />

Leute auf der ganzen Welt,<br />

die Unglaubliches durchmachen.<br />

Und da soll ich<br />

mich über „Titanic“ beklagen?<br />

Ich war immer froh darüber.<br />

Aus meiner Sicht sind<br />

Filme als Kunstform so relevant<br />

wie Gemälde oder<br />

Skulpturen. Und in 100 Jahren<br />

werden die Leute sich noch diesen<br />

Film anschauen. Ich bin also Teil eines historischen<br />

Phänomens. Und gerade dadurch<br />

habe ich so viele Gelegenheiten erhalten,<br />

meine berufliche Karriere nach<br />

meinen Vorstellungen zu steuern.<br />

Woher nehmen Sie diese Einstellung zum<br />

eigenen Erfolg?<br />

Weil ich ihn realistisch sehe. Wenn du die<br />

Chance hast, mit diesem Job deinen Lebensunterhalt<br />

zu verdienen, ist das ein verdammter<br />

Glücksfall. Natürlich spürst du die Versuchung,<br />

dich über die Begleiterscheinungen<br />

deines Erfolgs zu beklagen. Aber du solltest<br />

deine Grenzen kennen. Sei dankbar. Es gibt<br />

unzählige Leute, die würden töten, um in der<br />

gleichen Position zu sein wie ich. Und wer<br />

bin ich schon? Ich treffe keine politischen<br />

Entscheidungen. Ich bin ein Entertainer,<br />

nichts weiter als ein besserer Entertainer. n<br />

rüdiger sturm | perspektiven@wiwo.de<br />

FOTO: © 2<strong>01</strong>3 PARAMOUNT PICTURES<br />

102 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Kost-Bar<br />

FOTOS: PR, PASCALE MARTHINE TAYOU: CLOTH PAINTINGS 2<strong>01</strong>3; CARTOON: PAUL NOTH/CONDÉ NAST PUBLICATIONS/WWW.CARTOONBANK.COM<br />

AUSSTELLUNG IN BREGENZ<br />

Kunst der Verwandlung<br />

Der 1966 geborene,<br />

in Gent lebende<br />

Kameruner Pascale<br />

Marthine Tayou ist<br />

bekannt geworden<br />

durch seine Teilnahme<br />

an der<br />

Documenta 11 und<br />

der Biennale<br />

von Venedig 2005<br />

und 2009. Das<br />

Kunsthaus Bregenz<br />

zeigt nun <strong>vom</strong><br />

24. Januar bis 27.<br />

April unter dem<br />

Titel „I love you!“<br />

einen speziell<br />

für das Museum konzipierten Überblick über sein Werk, das von erstaunlicher<br />

stilistischer Vielfalt und Vitalität geprägt ist, Zitate afrikanischer Stammeskunst<br />

spielerisch mit europäischem Kunsthandwerk kreuzt und unterschiedlichste<br />

Genres, von der Zeichnung bis zu Installationeen aus Neonlicht und Eisen, miteinander<br />

verbindet. Dabei werden oft Fundstücke des Alltags zum Material<br />

für Objekte: So türmt Tayou einfache Kochtöpfe zu einem an Constantin Brancusis<br />

„endlose Säule“ erinnernden Turm übereinander, bildet aus mehreren Hundert<br />

Vogelhäusern eine Favela nach oder collagiert farbige Stoffreste zu abstrakten<br />

Kompositionen (Bild). kunsthaus-bregenz.at<br />

AUKTION IN LONDON<br />

Tafelkultur<br />

Es ist die wohl bekannteste<br />

Suppendose der Welt: die<br />

Campbell’s Soup, die Pop-Art-<br />

Künstler Andy Warhol im Bild<br />

zeigte. Nun kommt am 16. Januar<br />

eine von Warhol signierte<br />

Dose (Schätzpreis 1800 bis 2400<br />

Euro) im Londoner Auktionshaus<br />

Christie’s unter den Hammer.<br />

Bei der Auktion „Die<br />

Kunst des Essens und Trinkens“<br />

werden mehr als 180 Objekte<br />

versteigert. Die Auswahl reicht<br />

von Stillleben alter Meister über<br />

Werbeplakate der Jahrhundertwende<br />

bis zu Porzellan, wie<br />

einem Kaffeeservice von Keith<br />

Haring. christies.com<br />

THE NEW YORKER<br />

„We want to register a domestic partnership.“<br />

ALLES ODER NICHTS<br />

JAN KATH<br />

Teppichdesigner und<br />

Geschäftsführer der Jan Kath<br />

Design GmbH<br />

Aktien oder Gold?<br />

Keins von beidem, ich bin kein<br />

spekulativer Mensch.<br />

Cabrio oder SUV?<br />

SUV – ich mag es, den<br />

Überblick zu behalten. Meine<br />

Kollegen sagen, ich bin ein<br />

Kontrollfreak.<br />

Schaltung oder Automatik?<br />

Egal, kann ich beides.<br />

Paris oder London?<br />

London – allein schon wegen<br />

der guten französischen<br />

Restaurants.<br />

Dusche oder Wanne?<br />

Dusche. Ich relaxe beim<br />

Kochen.<br />

Maßschuhe oder Sneakers?<br />

Am liebsten Maß-Sneakers.<br />

Schuhe sind mir sehr wichtig.<br />

Ich habe drei Schuhschränke.<br />

Rotwein oder Weißwein?<br />

Gin Tonic – gerne The Duke<br />

von einer kleinen Münchner<br />

Brennerei und dann: viel Gin,<br />

wenig Tonic.<br />

Mountainbike oder Rennrad?<br />

Mountainbike – ich bestimme<br />

lieber selber, wo ich langfahre.<br />

Berge oder Meer?<br />

Ich bin regelmäßig in den<br />

Teppichmanufakturen in meiner<br />

zweiten Heimat Nepal<br />

unterwegs. Wann immer Zeit<br />

ist, fahre ich von Kathmandu<br />

nach Nagarkot – der Blick auf<br />

den Himalaja ist einzigartig!<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 Redaktion: christopher.schwarz@wiwo.de<br />

103<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux€5,30 | Griechenland€6,00 | Großbritannien GBP5,40 | Italien €6,00 | Polen PLN27,50 | Portugal €6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien €6,00 | Tschechische Rep. CZK 200,- | Ungarn FT 2000,-<br />

Leserforum<br />

Berlin DeralternativeKoalitionsvertragder siebenTop-Ökonomen<br />

Gadgets<br />

Diebesten<br />

High-Tech-Spielzeuge<br />

desJahres<br />

Gründer<br />

Wieaus Studenten<br />

Unternehmer<br />

werden<br />

Kostenfalle Internet<br />

Wie teuer werden TV, Videos und Computerspiele?<br />

Unternehmen&Märkte<br />

Wie teuer wird das Surfen, wenn die<br />

Deutsche Telekom ihr Netz ausbaut.<br />

Heft 51/2<strong>01</strong>3<br />

Einblick<br />

Chefredakteur Roland Tichy über Angela<br />

Merkel und was uns die große<br />

Koalition bringen wird. Heft 51/2<strong>01</strong>3<br />

Unverantwortlich<br />

Ich kenne niemanden, der so<br />

abgebrüht ist wie die Machtpolitikerin<br />

Angela Merkel. Was ihr<br />

im Wege stand, hat sie eliminiert.<br />

Politiker mit Wirtschaftskompetenz,<br />

die über mehr als<br />

eine Wahlperiode nachdenken,<br />

sind alle weg. Wofür das C in der<br />

CDU steht, weiß auch keiner<br />

mehr. Rente war eigentlich:<br />

Menschen, die altersbedingt<br />

nicht mehr arbeiten können,<br />

vor dem Verhungern zu bewahren.<br />

Heute ist das ein weiterer<br />

Lebensabschnitt mit Kreuzfahrten,<br />

an den sich vielleicht irgendwann<br />

nach Jahrzehnten<br />

ein paar Jahre Pflegebedürftigkeit<br />

anschließen. Dumm nur: Irgendjemand<br />

muss dafür bezahlen<br />

und Steuern entrichten.<br />

Heute die Reserven der Rentenversicherungen<br />

plündern ist<br />

unverantwortlich.<br />

Winfried Sühling<br />

via E-Mail<br />

51<br />

16.12.2<strong>01</strong>3|Deutschland €5,00<br />

5 1<br />

4 1 98065 805008<br />

In den Markt pressen<br />

In Ihrem Artikel haben Sie sehr<br />

schön aufgedröselt, in welcher<br />

Zwickmühle der einstige Monopolist<br />

steckt. Wenn die Deutsche<br />

Telekom ihr Netz nicht modernisiert<br />

und auf superschnell<br />

trimmt, wird sie ihre Position als<br />

Marktführer einbüßen. Das ganze<br />

Hickhack um die Flatrate und<br />

die Diskussion um die Orientierung<br />

an Volumen zeigt nur, dass<br />

man in der Konzernspitze nach<br />

Lösungen sucht, die möglichst<br />

schmerzfrei in den Markt gepresst<br />

werden sollen. Dass das<br />

nicht funktionieren wird, dafür<br />

sorgt die Konkurrenz. Die ist oft<br />

nicht nur billiger, sondern auch<br />

noch servicebewusster. Die<br />

Flatrate, das scheint die Telekom<br />

zu vergessen, ist eine echte<br />

Orientierungsgröße für den<br />

Verbraucher geworden, um die<br />

Angebote zu vergleichen. Und<br />

da schneidet die Telekom häufig<br />

schlechter ab. Ein Zurück zur<br />

Volumenberechnung würde die<br />

Telekom noch mehr Kunden<br />

kosten.<br />

Werner Holst<br />

via E-Mail<br />

Politik&Weltwirtschaft<br />

Parteichef Sigmar Gabriel setzt mit<br />

dem Mitgliederentscheid alles auf<br />

eine Karte. Heft 50/2<strong>01</strong>3<br />

Alles abnicken<br />

Die große Koalition (GroKo) bedeutet<br />

nicht vier Jahre Stillstand.<br />

Die GroKo bedeutet die<br />

absolute Mehrheit im Bundestag<br />

bei allen Abstimmungen zu<br />

Sparreformen, die auf Deutschland<br />

zukommen werden. Eine<br />

minimale Opposition, die nicht<br />

in der Lage ist, die GroKo an<br />

jedweder Entscheidung zu hindern.<br />

Es dürfte klar sein, zulasten<br />

welcher Bevölkerungsgruppe<br />

diese Sparreformen gehen<br />

werden.<br />

Sylvia Hartmann<br />

wiwo facebook<br />

Der Volkswirt/Denkfabrik<br />

Hans-Werner Sinn widerspricht<br />

der Kritik an den deutschen Exportüberschüssen.<br />

Heft 50/2<strong>01</strong>3<br />

Passiver Reflex<br />

Die buchhalterische Saldenlogik<br />

Leistungsbilanzüberschuss<br />

gleich Kapitalexport, die Hans-<br />

Werner Sinn den Kritikern wie<br />

den Verteidigern der deutschen<br />

Überschüsse entgegenhält, besagt<br />

leider so gut wie nichts<br />

über die kausalen Zusammenhänge<br />

zwischen beiden Größen.<br />

Sinn suggeriert recht deutlich,<br />

dass die deutschen Kredite<br />

an das Ausland, zu denen in<br />

den letzten Jahren vor allem öffentliche<br />

Institutionen gedrängt<br />

wurden, die Ursache der Leistungsbilanzüberschüsse<br />

waren.<br />

Das ist vor allem vor dem Hintergrund<br />

wenig überzeugend,<br />

dass rund drei Viertel dieser<br />

Kredite in Form von Target-Forderungen<br />

der Bundesbank anfielen.<br />

Diese Kredite werden<br />

dem Ausland ja nicht aktiv angedient,<br />

sondern sie ergeben<br />

sich als passiver Reflex aus<br />

deutschen Überschüssen, die<br />

mit im Ausland geschaffenem<br />

Geld bezahlt wurden. Ursache<br />

also ist der Wunsch nach deutschen<br />

Waren und nicht umgekehrt<br />

der Kredit selbst. Auch die<br />

Gelder der übrigen Kredite<br />

mussten nicht zwangsläufig<br />

nach Deutschland zurückfließen.<br />

Das geschah, weil man<br />

deutsche Waren wollte. Als Ursache<br />

der Überschüsse gerät<br />

damit das Kernproblem wieder<br />

in den Vordergrund: die mangelnde<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Krisenländer. Für sie bleibt<br />

als Ausweg aus der Euro-Krise<br />

nur die Rückkehr zu neuen nationalen<br />

Währungen und deren<br />

Abwertung. So sollte allmählich<br />

der Kommentar angesehener<br />

deutscher Ökonomen zur Leistungsbilanzproblematik<br />

enden.<br />

Dr. Gernot Müller<br />

Düsseldorf<br />

Nur keine Illusionen<br />

Deutschland sollte endlich zur<br />

Kenntnis nehmen, dass ausländische<br />

Politiker an ihre nächste<br />

Wahl und an ihr Land denken,<br />

und (vielleicht) erst dann an andere<br />

Dinge wie zum Beispiel die<br />

Logik. Griechenland hat den<br />

Euro doch nicht deshalb übernommen,<br />

weil es Europa „dienen“<br />

oder den deutschen Export<br />

stärken wollte, sondern<br />

weil es sich davon die Stabilität<br />

des Euro und die damit verbundenen<br />

niedrigen Zinsen versprach.<br />

Würde es sich für gewisse<br />

Länder lohnen, den Euro zu<br />

verlassen, dann würden sie es<br />

tun. Nur keine Illusionen.<br />

Wolfram Wiesel<br />

Rösrath (Nordrhein-Westfalen)<br />

Der Volkswirt<br />

Eine Lösung der Schuldenkrise ist<br />

nicht in Sicht, also sollen Anleger<br />

bluten. Heft 50/2<strong>01</strong>3<br />

Leeres Versprechen<br />

Warum muss man sich mit einem<br />

solchen Horrorszenario,<br />

dem Frontalangriff auf unser<br />

Geld, beschäftigen? Konnte<br />

man im vorigen Jahrhundert in<br />

Europa noch Kriege für die Zerrüttung<br />

der Finanzen und des<br />

Geldes verantwortlich machen,<br />

so ist es jetzt das Unvermögen<br />

der Politiker. Hauptursachen<br />

sind die von ihnen tolerierten<br />

ungezügelten Machenschaften<br />

der Banken, die übermäßige<br />

Staatsverschuldung und vor allem<br />

die Einführung des Euro.<br />

Den Deutschen wurde damit<br />

ein Garant der Stabilität, die<br />

Bundesbank, genommen. Dies<br />

geschah unter der Vortäuschung,<br />

dass die Europäische<br />

Zentralbank (EZB) genauso<br />

konstituiert und stabilitätsbewusst<br />

sei wie die Bundesbank.<br />

Dies stellte sich als leeres<br />

Versprechen heraus. Die Lasten<br />

dieser ungebremsten Verschuldung<br />

und vor allem der Einführung<br />

des Euro werden nun ausgerechnet<br />

denen aufgeladen,<br />

die die schwächsten Schultern<br />

haben: den Sparern und den<br />

Rentnern.<br />

Josef Kneip<br />

Wackernheim (Rheinland-Pfalz)<br />

Leserbriefe geben die Meinung des<br />

Schreibers wieder, die nicht mit der<br />

Redaktionsmeinung übereinstimmen<br />

muss. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />

WirtschaftsWoche<br />

Postfach 10 54 65<br />

40045 Düsseldorf<br />

E-Mail: leserforum@wiwo.de<br />

Bei Zuschriften per E-Mail bitten wir<br />

um Angabe Ihrer Postadresse.<br />

TITELILLUSTRATION: CHRISTOPH NIEMANN, DMITRI BROIDO; FOTO: FOTOLIA<br />

104 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Firmenindex<br />

Leitung Franziska Bluhm<br />

ONLINE<br />

Chefin <strong>vom</strong> Dienst Dr. Silke Fredrich<br />

Redaktion Rebecca Eisert, Ferdinand Knauß, Saskia Littmann,<br />

Meike Lorenzen, Tim Roman Rahmann, Andreas Toller<br />

E-Mail online@wiwo.de<br />

BÜROS<br />

Hervorgegangen aus<br />

DER DEUTSCHE VOLKSWIRT<br />

Gegründet 1926<br />

Pflichtblatt der Wertpapierbörsen in<br />

Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart<br />

40045 Düsseldorf, Postfach 105465,<br />

(für Briefe)<br />

402<strong>13</strong> Düsseldorf, Kasernenstraße 67,<br />

(für Pakete, Päckchen und Frachtsendungen)<br />

REDAKTION<br />

Fon (0211) 887–0, E-Mail wiwo@wiwo.de<br />

Chefredakteur Roland Tichy<br />

Stellvertretende Chefredakteure Henning Krumrey,<br />

Franz W. Rother<br />

Geschäftsführende Redakteurin/Chefin <strong>vom</strong> Dienst<br />

Angela Kürzdörfer<br />

Creative Director/Leiter Produktentwicklung Holger Windfuhr<br />

Chefreporter Dieter Schnaas<br />

Chefreporter international Florian Willershausen<br />

Menschen der Wirtschaft Hermann J. Olbermann;<br />

Thomas Stölzel, Oliver Voß<br />

Politik & Weltwirtschaft Konrad Handschuch; Bert Losse,<br />

Jens Konrad Fischer, Malte Fischer, Hans Jakob Ginsburg<br />

Unternehmen & Märkte Reinhold Böhmer, Stephanie Heise;<br />

Jürgen Berke, Mario Brück, Nele Hansen, Henryk Hielscher,<br />

Rüdiger Kiani-Kreß, Michael Kroker, Peter Steinkirchner,<br />

Reporter: Anke Henrich, Hans-Jürgen Klesse, Jürgen Salz,<br />

Harald Schumacher, Dr. Andreas Wildhagen,Management:<br />

Julia Leendertse*<br />

Technik & Wissen Lothar Kuhn; Thomas Kuhn, Dieter Dürand<br />

(Dossiers), Wolfgang Kempkens (Autor)*, Susanne Kutter,<br />

Andreas Menn, Jürgen Rees<br />

Management & Erfolg Manfred Engeser; Daniel Rettig,<br />

Kristin Schmidt, Claudia Tödtmann<br />

Geld & Börse Hauke Reimer; Christof Schürmann, Frank Doll,<br />

Martin Gerth, Stefan Hajek, Niklas Hoyer, Dr. Anton Riedl<br />

Perspektiven & Debatte Thorsten Firlus-Emmrich;<br />

Dr. Christopher Schwarz (Reporter)<br />

Layout Svenja Kruse (stv. AD); Beate Clever, Karin Heine,<br />

Claudia Immig, Horst Mügge<br />

Bildredaktion Silke Eisen; Lena Flamme, Patrick Schuch<br />

Syndication wiwo-foto.de<br />

Bildbearbeitung Uwe Schmidt<br />

Informationsgrafik Anna Tabea Hönscheid, Konstantin Megas,<br />

Carsten Stollmann, Gerd Weber<br />

Schlussredaktion Martina Bünsow; Dieter Petzold<br />

Produktion Markus Berg, Petra Jeanette Schmitz<br />

Berlin Henning Krumrey; Dr. Christian Ramthun, Max Haerder,<br />

Christian Schlesiger, Dieter Schnaas, Cordula Tutt (Autorin)<br />

Askanischer Platz 3, 10963 Berlin,<br />

Fon (030) 61686–121, Fax (030) 61686–170<br />

Brüssel Silke Wettach*, <strong>13</strong>b, Av. de Tervuren, B-1040 Bruxelles,<br />

Fon (00322) 2346452, Fax (00322)2346459<br />

E-Mail silke.wettach@wiwo.de<br />

Frankfurt<br />

Melanie Bergermann (Reporterin), Florian Zerfaß<br />

Unternehmen + Märkte Mark Fehr, Cornelius Welp<br />

Geld & Börse Hauke Reimer; Annina Reimann, Heike Schwerdtfeger<br />

Eschersheimer Landstraße 50, 60322 Frankfurt<br />

Fon (069) 2424–4903, Fax (069) 2424594903<br />

London Yvonne Esterházy*, 1 Mansel Road,<br />

London SW19 4AA, Fon (0044) 2089446985,<br />

E-Mail yvonne.esterhazy@wiwo.de<br />

München Matthias Kamp, Nymphenburger Straße 14,<br />

80335 München, Fon (089) 545907–28, Fax (0211) 887–978718<br />

New York Angela Hennersdorf, Martin Seiwert, 44 Wall Street, 7 th floor,<br />

Suite 702, New York, NY 10005, Fon (0<strong>01</strong>) 6465900672<br />

E-Mail angela.hennersdorf@wiwo.de, martin.seiwert@wiwo.de<br />

Paris Karin Finkenzeller*, 21 Boulevard de la Chapelle,<br />

75<strong>01</strong>0 Paris, Fon (0033) 695929240<br />

E-Mail karin.finkenzeller@wiwo.de<br />

São Paulo Alexander Busch*, R. Otavio de Moraes<br />

Dantas, N.° 15, apto. 04 – Vila Marina, CEP 04<strong>01</strong>2–110<br />

São Paulo, Brasilien, Fon/Fax (005511) 50281112 ,<br />

E-Mail alexander.busch@wiwo.de<br />

Shanghai Philipp Mattheis*, 100 Changshu Lu, No 2/App. 105,<br />

200040 Shanghai,<br />

Fon (0086<strong>13</strong>7) 64118414,<br />

E-Mail philipp.mattheis@wiwo.de<br />

Silicon Valley Matthias Hohensee*, 809 B Cuesta Drive # 147,<br />

Mountain View, CA 94040,<br />

Fon (0<strong>01</strong>650) 9629110,<br />

E-Mail matthias.hohensee@wiwo.de<br />

Tokio Martin Fritz*, c/o Foreign Correspondents’ Club of Japan<br />

Yurakucho Denki North Building 20F, Yurakucho 1–7–1, Chiyoda-ku,<br />

100–0006 Tokyo, Japan<br />

Fon/Fax (008150) 36435446,<br />

E-Mail martin.fritz@wiwo.de<br />

(*Freie/r Mitarbeiter/in)<br />

Verantwortlich für diese <strong>Ausgabe</strong> i.S.d.P.<br />

Konrad Handschuch (Politik&Weltwirtschaft, Der Volkswirt),<br />

Reinhold Böhmer (Unternehmen&Märkte), Hauke Reimer<br />

(Geld&Börse), Manfred Engeser (Management&Erfolg),<br />

Thorsten Firlus (Perspektiven&Debatte), Hermann J. Olbermann<br />

(Menschen der Wirtschaft), Thomas Kuhn (Technik&Wissen)<br />

VERLAG<br />

Handelsblatt GmbH<br />

(Verleger im Sinne des Presserechts)<br />

Geschäftsführung Jörg Mertens, Claudia Michalski, Gabor Steingart<br />

Abonnement/Vertriebsservice<br />

Kundenservice WirtschaftsWoche<br />

Postfach 9245, 97092 Würzburg<br />

Fon 08000002054<br />

Fax (0211) 887–3642<br />

E-Mail vertriebsservice@wiwo.de<br />

Jahresabonnement Inland 238,80 Euro, bei vierteljährlicher Zahlung<br />

63,00 Euro. Vorzugspreis für Schüler und Studenten Inland (gegen<br />

Nachweis) 169,00 Euro, bei vierteljährlicher Zahlung 45,90 Euro.<br />

Abopreis Ausland 302,70 Euro, für Schüler und Studenten<br />

(gegen Nachweis) 232,90 Euro, zuzüglich MwSt. in den EU-Ländern.<br />

Luftpostzuschläge auf Anfrage.<br />

Zahlungen für Abonnements bitte ausschließlich auf folgendes Konto:<br />

Commerzbank AG, Düsseldorf, Nr. 211884100 (BLZ 30080000)<br />

Mitglieder des Bundesverbands deutscher Volks- und Betriebswirte<br />

e.V. (bdvb) erhalten die WirtschaftsWoche im Rahmen Ihres Mitgliedsbeitrags<br />

geliefert.<br />

Mitglieder des BDIVWA erhalten die WirtschaftsWoche zum Mitglieds-<br />

Sonderpreis.<br />

Studentische Mitglieder des Bundesverbandes der Börsenvereine<br />

an Deutschen Hochschulen (BVH) erhalten die WirtschaftsWoche im<br />

Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />

Mitglieder der Landesarchitektenkammern erhalten die Wirtschafts-<br />

Woche zum Mitglieds-Sonderpreis.<br />

Mitglieder des VDE – Verband der Elektrotechnik, Elektronik,<br />

Informationstechnik e.V. erhalten die WirtschaftsWoche zum Mitglieds-<br />

Sonderpreis.<br />

Young Professionals des BME – Bundesverband Materialwirtschaft,<br />

Einkauf und Logistik e.V. erhalten das Wirtschafts-Woche eMagazin im<br />

Rahmen ihrer Mitgliedschaft<br />

Mitglieder des b.b.h. – Bundesverband selbständiger Buchhalter und<br />

Bilanzbuchhalter erhalten die WirtschaftsWoche im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />

Heft-Nachbestellung<br />

Fon (0211) 887–3640, Fax (0211) 887–3642<br />

E-Mail shop@vhb.de<br />

Anzeigenleitung Patrick Priesmann<br />

Verantwortlich für Anzeigen Peter Diesner<br />

Anzeigenverkauf<br />

iq media marketing gmbh<br />

Kasernenstraße 67, Postfach 102663,<br />

40<strong>01</strong>7 Düsseldorf,<br />

Fon (0211) 887–2315, Fax (0211) 374955<br />

Anzeigenservice<br />

Fon (0211) 887–2339<br />

Anzeigentarife<br />

Fon (0211) 887–<strong>13</strong>76, Fax (0211) 887–2330<br />

E-Mail wiwo@iqm.de<br />

Mediainformationen www.iqm.de<br />

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 55<br />

Zahlungen für Anzeigen<br />

bitte ausschließlich auf folgendes Konto:<br />

Dresdner Bank AG, Düsseldorf,<br />

Nr. 211455000 (BLZ 30080000)<br />

Werbung in wiwo.de<br />

Fon (0211) 887–2653, Fax (0211) 887–2656<br />

E-Mail iqdigital@iqm.de<br />

Artikelanfragen<br />

Fon (0211) 887–1888 (Mo.–Fr. 9–12 Uhr)<br />

Fax (0211) 887–972820<br />

E-Mail artikelanfragen@vhb.de<br />

Nutzungsrechte<br />

Fon (069) 7591–2930 (Mo.–Fr. 9–16 Uhr)<br />

E-Mail nutzungsrechte@vhb.de<br />

Druck Prinovis Nürnberg GmbH, Breslauer Straße 300,<br />

90471 Nürnberg<br />

Vertrieb DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH,<br />

www.dpv.de<br />

Die WirtschaftsWoche wird ganz oder in Teilen im Print und digital<br />

vertrieben. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift<br />

darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt<br />

oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere<br />

die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in<br />

elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM.<br />

Für die Übernahme von Artikeln in interne elektronische<br />

Pressespiegel erhalten Sie die erforderlichen Rechte über<br />

PMG Presse-Monitor GmbH, Berlin,<br />

Fon (030) 284930 oder www.presse-monitor.de.<br />

Printed in Germany.<br />

ISSN 0042–8582.<br />

Für unverlangt eingeschickte Manuskripte, Fotos und Illustrationen<br />

keine Gewähr.<br />

Internationale Partner<br />

<strong>Wirtschaftswoche</strong> (USPS no 0009592) is published weekly by Handelsblatt GmbH. Subscription price for USA is $270 per annum.<br />

K.O.P.: German Language Pub., 153 S Dean St, Englewood NJ 07631. Periodicals Postage is paid at Englewood NJ 07631 and additional<br />

mailing offices. Postmaster: Send Address changes to: <strong>Wirtschaftswoche</strong>, GLP, PO Box 9868, Englewood NJ 07631.<br />

Die Angaben bezeichnen den<br />

Anfang des jeweiligen Artikels<br />

A<br />

AB Volvo...............................................................................................80<br />

Accell Group.........................................................................................80<br />

ADAC................................................................................................... 64<br />

Adidas..................................................................................................14<br />

AirBnB................................................................................................. 42<br />

Alfa Romeo...........................................................................................56<br />

Alibaba.................................................................................................80<br />

Amazon...................................................................................... 9, 42, 80<br />

América Móvil.......................................................................................80<br />

Andritz................................................................................................. 80<br />

Apotheker- und Ärztebank.....................................................................50<br />

Apple........................................................................................62, 73, 80<br />

AT&T.........................................................................................42, 73, 80<br />

Audi..................................................................................................... 56<br />

Aurelius................................................................................................86<br />

B<br />

Bain..................................................................................................... 52<br />

Bank of America................................................................................... 42<br />

Bank für Sozialwirtschaft...................................................................... 11<br />

Barclays............................................................................................... 80<br />

BASF..............................................................................................50, 70<br />

BASF Plant Science...............................................................................70<br />

Bayer................................................................................................... 70<br />

BayernLB............................................................................................. 12<br />

Bilfinger............................................................................................... 96<br />

Blacklane............................................................................................. 48<br />

BMW.............................................................................................. 56, 80<br />

BNP Paribas......................................................................................... 95<br />

Boehringer Ingelheim.............................................................................. 8<br />

Bogner................................................................................................. 52<br />

Boston Consulting.................................................................................80<br />

Brand Networks....................................................................................52<br />

BT Group.............................................................................................. 80<br />

Bublcam...............................................................................................14<br />

Bugatti................................................................................................. 52<br />

Burmester............................................................................................ 52<br />

C<br />

Cadillac................................................................................................ 56<br />

Callista.................................................................................................86<br />

Cancom................................................................................................80<br />

Capstan................................................................................................61<br />

Carlyle Group........................................................................................80<br />

Caterpillar............................................................................................ 61<br />

CBS......................................................................................................62<br />

Celesio................................................................................................. 80<br />

Chevrolet..............................................................................................56<br />

China Railway....................................................................................... 80<br />

Chrysler..........................................................................................56, 97<br />

Cisco....................................................................................................42<br />

Citibank................................................................................................42<br />

ClearChannel........................................................................................62<br />

Commerzbank................................................................................ 37, 99<br />

Thomas Cook........................................................................................11<br />

Creditreform.........................................................................................86<br />

Cycleurope........................................................................................... 80<br />

D<br />

Daimler...........................................................................................48, 97<br />

Dealogic............................................................................................... 80<br />

Dedon.................................................................................................. 52<br />

Demag..................................................................................................80<br />

Derby Cycle.......................................................................................... 80<br />

Deutsche Bank............................................................................... 50, 95<br />

Deutz................................................................................................... 80<br />

Digg..................................................................................................... 42<br />

Dish..................................................................................................... 80<br />

Walt Disney...........................................................................................42<br />

Dodge.................................................................................................. 56<br />

Douglas................................................................................................80<br />

3M................................................................................................. 61, 78<br />

3W Power.............................................................................................86<br />

DSM.....................................................................................................62<br />

Dupui-Castérès.....................................................................................61<br />

DZ Bank............................................................................................... 50<br />

E<br />

Ebay.....................................................................................................42<br />

Edge Holding........................................................................................ 80<br />

Eldorado Gold....................................................................................... 96<br />

Elexis..............................................................................................80, 86<br />

Elliott................................................................................................... 80<br />

EMC..................................................................................................... 80<br />

E-Plus...................................................................................................80<br />

Escada................................................................................................. 52<br />

EY........................................................................................................ 80<br />

F<br />

Fab.com............................................................................................... 12<br />

Facebook........................................................................................42, 80<br />

FFK Environment.................................................................................. 86<br />

Fiat.................................................................................................56, 97<br />

flug24.................................................................................................. 86<br />

Ford................................................................................................56, 97<br />

France Télécom.................................................................................... 80<br />

G<br />

Gamigo.................................................................................................86<br />

General Electric.............................................................................. 42, 97<br />

General Motors............................................................................... 56, 97<br />

Generali................................................................................................80<br />

German Pellets..................................................................................... 86<br />

Getaround............................................................................................ 42<br />

Getgoods..............................................................................................86<br />

GK Software......................................................................................... 80<br />

Glashütte Original................................................................................. 52<br />

GlaxoSmithKline......................................................................................8<br />

Goldman Sachs...............................................................................80, 95<br />

Goodyear..............................................................................................61<br />

Google............................................................................ 9, 42, 48, 62, 80<br />

Groupon............................................................................................... 42<br />

Grub Brugger........................................................................................60<br />

H<br />

Hamburger Sparkasse...........................................................................50<br />

Hengeler Mueller.................................................................................. 50<br />

Henkel..................................................................................................74<br />

Hero Cycles.......................................................................................... 80<br />

Hess.....................................................................................................60<br />

Heuliez.................................................................................................61<br />

Hewlett-Packard...................................................................................14<br />

HIT Holzindustrie Torgau....................................................................... 90<br />

HKW Personalkonzepte.........................................................................86<br />

Honda.................................................................................................. 56<br />

Honeywell.............................................................................................42<br />

Hornbach............................................................................................. 80<br />

Hostettler Kramarsch und Partner......................................................... 50<br />

Hyundai..........................................................................................56, 64<br />

I<br />

IBM................................................................................................ 42, 80<br />

IBS.......................................................................................................80<br />

IDC.......................................................................................................42<br />

Illig Braun Kirschnek............................................................................. 60<br />

Indiegogo....................................................................................... 14, 42<br />

Intel..................................................................................................... 42<br />

Intesa...................................................................................................80<br />

J<br />

J. Safra Sarasin............................................................................... 60, 80<br />

JC Decaux............................................................................................ 62<br />

Jeep.....................................................................................................56<br />

JP Morgan............................................................................................ 42<br />

K<br />

Kabel Deutschland................................................................................80<br />

Kering.................................................................................................. 80<br />

Kia....................................................................................................... 64<br />

Kiip...................................................................................................... 42<br />

Kleiner Perkins..................................................................................... 42<br />

Klöckner & Co.......................................................................................80<br />

Knorr Bremse....................................................................................... 80<br />

KPN..................................................................................................... 80<br />

KWS..................................................................................................... 70<br />

L<br />

Lancia.................................................................................................. 56<br />

Rena Lange...........................................................................................52<br />

Lange & Söhne......................................................................................52<br />

Leica.............................................................................................. 14, 52<br />

Lenovo................................................................................................. 80<br />

Lesara.................................................................................................. 12<br />

Liberty Global....................................................................................... 80<br />

Lightcar................................................................................................42<br />

Loro Piana............................................................................................ 80<br />

LVMH................................................................................................... 80<br />

Lyft...................................................................................................... 42<br />

M<br />

Macquarie............................................................................................ 60<br />

Markit.................................................................................................. 37<br />

McKesson.............................................................................................80<br />

McLagan.............................................................................................. 50<br />

Media Tenor......................................................................................... 12<br />

Media-Saturn........................................................................................14<br />

Mediobanca..........................................................................................80<br />

Mercedes....................................................................................... 52, 56<br />

Metanomics..........................................................................................70<br />

Metro................................................................................................... 14<br />

Microsoft........................................................................................14, 42<br />

Mifa..................................................................................................... 80<br />

Migros..................................................................................................80<br />

Mini......................................................................................................56<br />

Mister Spex.......................................................................................4, 16<br />

Molex................................................................................................... 61<br />

Morgan Stanley.....................................................................................80<br />

mytaxi.................................................................................................. 48<br />

N<br />

Nanofocus............................................................................................80<br />

Nest Labs............................................................................................. 42<br />

Netto....................................................................................................80<br />

Nieding + Barth.................................................................................... 60<br />

Nissan.............................................................................................. 9, 56<br />

Nordex................................................................................................. 80<br />

Novartis..................................................................................................8<br />

O<br />

O2........................................................................................................80<br />

Occhio..................................................................................................52<br />

Öger Tours............................................................................................ 11<br />

Opel............................................................................................... 56, 74<br />

OpenTable............................................................................................ 80<br />

Oracle.................................................................................................. 80<br />

Orange................................................................................................. 80<br />

P<br />

P&I Personal & Informatik..................................................................... 80<br />

Palantir.................................................................................................42<br />

Panono.................................................................................................14<br />

Parking Panda.......................................................................................42<br />

Partech Ventures.................................................................................. 12<br />

PayPal............................................................................................ 42, 48<br />

Pepsi....................................................................................................42<br />

Pironet................................................................................................. 80<br />

Plantec.................................................................................................70<br />

Porsche.......................................................................................... 52, 56<br />

Procter & Gamble................................................................................. 42<br />

Prokon................................................................................................. 90<br />

Puma..............................................................................................12, 80<br />

Q<br />

Qualcomm............................................................................................42<br />

R<br />

Ram..................................................................................................... 56<br />

Renault................................................................................................ 64<br />

Rent the Runway...................................................................................42<br />

Richemont............................................................................................52<br />

Ritter....................................................................................................12<br />

Roche.....................................................................................................8<br />

S<br />

S&K-Gruppe......................................................................................... 12<br />

S.A.G. Solarstrom..................................................................................86<br />

Salutaris Capital Management...............................................................80<br />

Samsung...................................................................................42, 73, 80<br />

Jil Sander............................................................................................. 52<br />

SAP................................................................................................14, 80<br />

Scanada............................................................................................... 42<br />

Scanadu............................................................................................... 45<br />

Schiesser..............................................................................................60<br />

Schlecker............................................................................................. 60<br />

Schuler.................................................................................................80<br />

Scope...................................................................................................86<br />

Serveball.............................................................................................. 14<br />

SGL Carbon.......................................................................................... 80<br />

Shell.....................................................................................................42<br />

SideCar................................................................................................ 42<br />

Siemens............................................................................................... 42<br />

SKion................................................................................................... 80<br />

Softbank.............................................................................................. 80<br />

Sony.....................................................................................................61<br />

Sprint................................................................................................... 73<br />

Statoil.................................................................................................. 96<br />

Ströer...................................................................................................62<br />

Subaru................................................................................................. 56<br />

Sungene............................................................................................... 70<br />

Swatch................................................................................................. 52<br />

Synaptics............................................................................................. 80<br />

T<br />

T+A......................................................................................................52<br />

Tado.....................................................................................................42<br />

Tchibo..................................................................................................80<br />

Techem................................................................................................ 80<br />

Telco....................................................................................................80<br />

Telecom Italia.......................................................................................80<br />

Telefónica............................................................................................ 80<br />

Telekom Austria....................................................................................80<br />

Teliasonera...........................................................................................80<br />

Teradata...............................................................................................80<br />

Tesco................................................................................................... 62<br />

Tibco....................................................................................................80<br />

T-Mobile............................................................................................... 73<br />

T-Mobile US..........................................................................................80<br />

Tod’s.................................................................................................... 80<br />

Towers Watson......................................................................................50<br />

Toyota.................................................................................................. 56<br />

Travel24...............................................................................................86<br />

TÜV-Nord............................................................................................. 64<br />

Twitter..................................................................................................42<br />

U<br />

Uber...............................................................................................42, 48<br />

Udacity.................................................................................................42<br />

Unister................................................................................................. 86<br />

V<br />

Vae Solis...............................................................................................61<br />

VM Vermögen....................................................................................... 80<br />

Vodafone..............................................................................................80<br />

Voith.................................................................................................... 80<br />

Volkswagen.....................................................................................56, 80<br />

Vossloh.................................................................................................80<br />

Vural Öger Touristik...............................................................................11<br />

W<br />

Wellendorff...........................................................................................52<br />

Windreich.......................................................................................60, 86<br />

Wunderkind..........................................................................................52<br />

Y<br />

Yahoo............................................................................................. 78, 80<br />

Yelp......................................................................................................80<br />

Yorktown Technologies..........................................................................70<br />

Z<br />

Zamek..................................................................................................86<br />

Egon Zehnder....................................................................................... 14<br />

WirtschaftsWoche <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> Nr. 3 105<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


Ausblick<br />

„Ich könnte mir eine Art<br />

Selbstverpflichtung<br />

von Regierungsmitgliedern<br />

vorstellen, für die Zeit<br />

nach Ausscheiden aus dem<br />

Amt sich geschäftliche<br />

Rücksicht aufzuerlegen. Auch<br />

Karenzzeiten halte ich für<br />

vorstellbar.“<br />

„Geld allein macht<br />

echt nicht glücklich.“<br />

Jörg Asmussen<br />

Staatssekretär (SPD), zu seiner<br />

Entscheidung zugunsten des<br />

Privatlebens von der Europäischen<br />

Zentralbank ins Bundesarbeitsministerium<br />

zu wechseln, obwohl er nun<br />

150 000 Euro im Jahr weniger verdient<br />

Ronald Pofalla<br />

Ex-Kanzleramtschef (CDU), der einen<br />

Wechsel in den Bahn-Vorstand<br />

anstrebt, am 15. Dezember 2005<br />

über das Engagement von Altkanzler<br />

Gerhard Schröder (SPD) bei der<br />

Gaspipeline-Gesellschaft Nord Stream<br />

„Es gibt keinen Bereich,<br />

in dem Ausnahmen <strong>vom</strong><br />

Mindestlohn gerechtfertigt sind<br />

– außer den der Auszubildenden<br />

und der studienbegleitenden<br />

Praktikanten.“<br />

„Uns muss man nicht<br />

sagen, wie man<br />

mit Ausländern umgeht.“<br />

Horst Seehofer<br />

CSU-Chef und bayrischer<br />

Ministerpräsident, zur Kritik an<br />

seiner Einwanderungspolitik<br />

„Wer betrügt, der fliegt.“<br />

Frank Bsirske<br />

Chef der Gewerkschaft Verdi<br />

„Das Instrument liegt<br />

für mich vorerst auf Eis.“<br />

Heiko Maas<br />

Bundesjustizminister (SPD), über die<br />

Einführung der Datenvorratsspeicherung,<br />

bevor ein Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofs vorliegt<br />

CSU<br />

zu Einwanderern, die das<br />

Sozialsystem missbrauchen<br />

„Wir können in der Pflege seit<br />

Jahren nur bestehen,<br />

weil es auch qualifizierte<br />

Zuwanderung gibt.“<br />

Hermann Gröhe<br />

Bundesgesundheitsminister (CDU)<br />

„Wir wollen und wir brauchen<br />

keine neuen Gesetze, um die<br />

Freizügigkeit einzuschränken.“<br />

László Andor<br />

EU-Sozialkommissar, über die<br />

Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

„Digitale Magazine sind<br />

ein Kernbestandteil unserer<br />

langfristigen Vision.“<br />

Marissa Mayer<br />

Chefin des Internet-Konzerns Yahoo<br />

„Der Flughafen kann <strong>2<strong>01</strong>4</strong><br />

nicht eröffnet werden.“<br />

Klaus Wowereit<br />

Berlins Regierender Bürgermeister<br />

„Ich denke, wir werden<br />

das Turnier zwischen<br />

dem 15. November und dem<br />

15. Januar austragen.“<br />

„Die Vorstellung, wir können<br />

mit billigem Geld die Ursachen<br />

der Krise bekämpfen, ist<br />

gefährlich. Geldpolitik wirkt<br />

wie ein Schmerzmittel; nachlassende<br />

Symptome dürfen<br />

nicht davon ablenken,<br />

die Ursachen zu therapieren.“<br />

Jens Weidmann<br />

Bundesbank-Präsident<br />

„Als Anleger lebt man im<br />

Moment mit einem Leidzins,<br />

mit ,d‘ geschrieben,<br />

unter dem alle leiden.“<br />

Carsten Maschmeyer<br />

Ex-Gesellschafter und Ex-Chef des<br />

Finanzvertriebs AWD<br />

»Solange jeder Bürgermeister in<br />

diesem Land die Bahn als sein Eigentum<br />

betrachtet, braucht der Konzern<br />

einen starken hauptamtlichen Lobbyisten.<br />

Pofalla ist die perfekte Wahl.«<br />

Hartmut Mehdorn<br />

Geschäftsführer des Großflughafens BER und Ex-Chef der<br />

Deutschen Bahn, über den angestrebten Wechsel des früheren<br />

Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) in den Bahn-Vorstand<br />

Jérome Valcke<br />

Generalsekretär des Weltfußballverbandes<br />

Fifa, zur Verlegung der<br />

Weltmeisterschaft 2022 in Katar <strong>vom</strong><br />

Sommer in den Winter<br />

„Stand jetzt bleibt das<br />

Turnier im Sommer.“<br />

Jim Boyce<br />

Fifa-Vizepräsident, kurz nach der<br />

Ankündigung seines Generalsekretärs,<br />

die Fußball-WM 2022 <strong>vom</strong><br />

Sommer in den Winter zu verlegen<br />

„Live is Life.“<br />

Thomas de Maizière<br />

Ex-Verteidigungsminister (CDU),<br />

wünscht sich, dass die Bundeswehr<br />

beim Großen Zapfenstreich zu seinem<br />

Abschied den Hit der österreichischen<br />

Popgruppe Opus spielt<br />

ILLUSTRATION: TORSTEN WOLBER<br />

106 Nr. 3 <strong>13</strong>.1.<strong>2<strong>01</strong>4</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!