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LACKKUNST<br />
sich in der angewandten Kunst mit<br />
dem Werkstoff Lack als Vernis Martin<br />
(Lack Martin) zu einer klangvollen<br />
Beschreibung für ein Verfahren<br />
der Lackverarbeitung, das auf die<br />
Brüder Martin zurückzuführen ist.<br />
Der Begriff ist keine Erfindung der<br />
Martins. Firnis oder Lack wird in der<br />
französischen Sprache Vernis genannt,<br />
so fanden sich im 17. Jahrhundert<br />
für die aus Fernost importierten<br />
Lacke Termini wie „vernis de la<br />
Chine" oder „vernis de Japon". Zur<br />
Imitation der in Europa sehr begehrten<br />
Lacke entwickelten die Brüder<br />
Paar Paneele einer Berline, Holz, Kreidegrundierung,<br />
brauner Lack, Aventurinlack,<br />
Ölmalerei, Klarlack, Paris, Guillaume<br />
oder Étienne Simon Martin zugeschrieben,<br />
um 1745 (Münster, Museum<br />
für Lackkunst)<br />
Toilettenkasten „en tombeau”, Holz,<br />
Rotlack, Dekor aus graviertem Blattgold,<br />
Klarlack, im Inneren Schwarzlack<br />
und Klarlack mit eingestreuten Metallflocken,<br />
vergoldetes und graviertes Kupfer,<br />
Frankreich, 1710-1720 (Museum für<br />
Lackkunst, Münster)<br />
Martin einen sehr hellen, besonders<br />
durchsichtigen Lack oder Lackfirnis<br />
auf Basis von Kopal – den Vernis Martin.<br />
Als Ausgangsmaterial diente ein<br />
aus Sansibar stammender Kopal, ein<br />
dem Bernstein ähnelndes, natürliches<br />
Baumharz.<br />
Bis zum Erscheinen von synthetischen<br />
Lacken diente der Ausdruck<br />
„Vernis Martin” im Allgemeinen zur<br />
Beschreibung aller auf Möbel und<br />
Dekor aufgetragenen Lacke und Firnisse.<br />
Im engeren Sinne steht der<br />
Begriff für alle mit Lack gestalteten<br />
Erzeugnisse, die aus den Werkstätten<br />
der Brüder Martin hervorgingen<br />
oder die ihnen zugeschrieben werden.<br />
Dabei muss erwähnt werden,<br />
dass die französischen<br />
Lackwerkstätten im Gegensatz<br />
zu den deutschen,<br />
englischen und russischen<br />
Lackwarenherstellern<br />
ihre Objekte<br />
mit keinerlei Signatur<br />
versahen. So<br />
sind die in Münster<br />
ausgestellten Werke<br />
nicht von den Brüdern<br />
Martin bezeichnet, sondern<br />
nur anhand von Nachlassinventaren,<br />
den Beschreibungen<br />
von Kunsthändlern und Zeitgenossen<br />
sowie aufgrund der unvergleichlichen<br />
Qualitätsmerkmale den Martins<br />
zuordnen. Die Erfolgsgeschichte<br />
der im Lackhandwerk tätigen Brüder<br />
umfasste die Jahrzehnte zwischen<br />
1710 bis 1789, lediglich die Dauer von<br />
zwei Generationen. In der ersten<br />
Generation waren fünf Brüder tätig:<br />
Guillaume Martin (1689-1749), gefolgt<br />
von Julien Martin (?-1765),<br />
Étienne-Simon Martin (1703-1770),<br />
Robert Martin (1706-1765) und Guillaume<br />
II. Martin (1710-1770). In der<br />
zweiten Generation folgten die<br />
Söhne: Guillaumes Sohn Guillaume-<br />
Jean (1713-?), Étiennes Sohn Étienne-<br />
François (?-1771) sowie Roberts Sohn<br />
Jean-Alexandre, dessen Lebensdaten<br />
unbekannt sind. Das Wirken der<br />
Martins klang mit Beginn der Französischen<br />
Revolution aus.<br />
TOILETTENUTENSILIEN<br />
Als treibende Kraft lässt sich zweifelsohne<br />
der älteste der Brüder Martin,<br />
Guillaume, bezeichnen. In der etwa<br />
1710 gegründeten Lackwerkstatt<br />
von Guillaume Martin dominierte<br />
anfänglich die Fertigung von Utensilien<br />
für den Toilettentisch. Als grundlegender<br />
Bestandteil des weiblichen<br />
Mobiliars ist der Toilettentisch aus<br />
den herrschaftlichen Gemächern des<br />
18. Jahrhunderts nicht wegzudenken,<br />
alle französischen Maler des Rokokos<br />
haben den Moment der Morgentoilette<br />
in feinnervigen <strong>Gemälde</strong>n<br />
festgehalten. So