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technik war das Guillochieren, wobei<br />
verschiedene im Rapport angelegte<br />
Muster entweder direkt in den gehärteten<br />
Papiermachérohling, meist<br />
aber in die Schwarzlackschicht eingebracht<br />
wurden. Diese erweiterte<br />
Technik der Lackgravur veranschaulicht<br />
die ausgestellte Bonbonnière<br />
mit Blumenstrauß. Bei dem Behältnis<br />
mit losem Deckel – im Gegensatz<br />
zur formgleichen Tabatière, bei der<br />
der Deckel mittels eines Scharniers<br />
verbunden ist – wurde das in einem<br />
Schwarzlack guillochierte und blattvergoldete<br />
Wellenmuster mit transluzidem<br />
Rotlack überfangen. Das<br />
zentrale Motiv des Buketts sowie die<br />
rahmenden Rocaillen wurden erst in<br />
einem zweiten Schritt eingraviert<br />
und wiederum mit Blattgold ausgelegt<br />
und freipoliert.<br />
Eine weitere Technik, die Ölmalerei,<br />
erzielt bei einer Reihe von Lackdosen<br />
im Zusammenspiel mit weiteren Dekoren<br />
wie der Gravur, der Blattvergoldung<br />
und der Lackierung eine besonders<br />
raffinierte Anmutung. Exemplarisch<br />
steht hierfür die Tabatière<br />
mit der in Öl gemalten Szenerie<br />
eines kindlichen Schäferpaares, das<br />
sich im Schutz von Bäumen niedergelassen<br />
hat. Die amouröse Stimmung<br />
des Deckeldekors geht auf das<br />
<strong>Gemälde</strong> „La leçon de flûte" von<br />
François Boucher zurück. Mit Klarlack<br />
überfangene und polierte Ölmalereien<br />
unter jeglichem Verzicht auf<br />
Blattgoldauflagen, Gravuren oder<br />
andere Techniken finden sich bereits<br />
seit den 50er-Jahren auf vielen kleineren<br />
wie größeren lackierten Etuis<br />
und Dosen.<br />
GALANTERIEN<br />
In den beiden Jahrzehnten vor Ausbruch<br />
der französischen Revolution<br />
produzierten die Pariser Lackwarenhersteller,<br />
trotz des Ablebens der<br />
Martins der ersten und zweiten Generation,<br />
weiterhin mit Lack gestaltete<br />
Galanterien. Diese Erzeugnisse<br />
lassen sich daher nur zu einem geringen<br />
Teil den Werkstätten der verbliebenen<br />
Martins zuordnen. Dennoch<br />
zeichnen sich die ausgestellten<br />
Objekte durch höchste Qualität,<br />
übereinstimmenden Typus mit gleichen<br />
Materialien, Ziertechniken und<br />
stilistischen Merkmalen aus und verdeutlichen,<br />
dass sich Vernis Martin<br />
längst zu einer Gattung und zu einem<br />
Begriff entwickelt hatte. Ein<br />
überaus populäres Necessaire war<br />
das Étui à tablettes (auch als tablette,<br />
souvenir oder carnet de bal bezeichnet).<br />
In seinem rechteckigen,<br />
flachen Inneren barg der Behälter<br />
zusammengenietete Schreibtäfelchen<br />
aus Elfenbein, die sogenannten<br />
tablettes mit einem oder zwei Stiften.<br />
Die frühesten in Vernis Martin<br />
Etui für Riechsalz mit Amoretten (étuivinaigrette),<br />
Papiermaché, Schwarzlack,<br />
orangefarbener Lack, Dekor in Ölmalerei,<br />
mit Klarlack überfangen, Montierung<br />
aus graviertem Gold, im Deckel gemalte<br />
Schildpattimitationen, Innendeckel<br />
aus ausgesägtem und graviertem<br />
Gold, Paris, 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts<br />
(Münster, Museum für Lackkunst)<br />
Bonbonnière mit Punktmuster und Puttengrisaille<br />
nach Boucher, Papiermaché,<br />
Schwarzlack, eingedrilltes Punktmuster,<br />
blattvergoldet, in den Deckel eingelassen<br />
eine goldgerahmte Miniatur in Grisaillemalerei<br />
nach François Boucher auf<br />
Elfenbein, Montierung aus ziseliertem<br />
Gold, Futter aus untermaltem Schildpatt,<br />
Paris, 1774-1780 (Münster, Museum<br />
für Lackkunst)<br />
verzierten Etuis stammen vom Anfang<br />
der 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts,<br />
einige Objekte lassen sich im<br />
Museum für Lackkunst in Münster<br />
entdecken, so das mit Pailletten besetzte<br />
und mit transluzidem Lack<br />
überfangende Etui mit gravierter<br />
Goldmontierung und der ausgesägten<br />
Inschrift „SOUVENIR". Hier stand<br />
ebenfalls ein Verfahren aus der Goldschmiedekunst<br />
Pate, bei dem kleine,