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WEIHNACHTEN 93<br />
Botschafter des Jugendstils: große Engel-Oblate<br />
(Chromolithografie auf Pappe<br />
mit Glasseide), 1890/1900<br />
über ganz Deutschland und von dort<br />
aus in viele Länder der Welt. Immergrüne<br />
Zweige vom Buchsbaum, der<br />
Stechpalme oder Koniferen, aber<br />
auch vorzeitig zum Blühen gebrachte<br />
Obstbaumzweige galten schon im<br />
heidnischen Europa als Symbole des<br />
Lebens und der Fruchtbarkeit. Deshalb<br />
wurden mit ihnen in den zwölf<br />
„Rauhnächten" zwischen der Christnacht<br />
und dem 6. Januar die Haushalte<br />
geschmückt, um böse Geister,<br />
Krankheiten und Naturkatastrophen<br />
fernzuhalten.<br />
WEIHNACHTSBÄUME<br />
Die ältesten Weihnachtsbäume im<br />
heutigen Sinn sind erst seit Anfang<br />
des 15. Jahrhunderts nachweisbar.<br />
Eine zeitgenössische Quelle berichtet,<br />
dass 1419 die Freiburger Bäckerzunft<br />
für Bedürftige im Heilig-Geist-<br />
Spital einen mit Papierschmuck,<br />
Obst, Oblaten und Lebkuchen behangenen<br />
Gabenbaum aufstellte,<br />
der am 6. Januar durch die Kinder<br />
„geplündert" wurde. Was den Handwerkszünften<br />
billig war, konnte Adel<br />
und Patriziern nur recht sein: An den<br />
Höfen verbreitete sich zusehends<br />
die Sitte, am Heiligen Abend geschmückte<br />
Bäume aufzustellen. Allerdings<br />
nicht, um den Armen eine<br />
Freude zu bereiten, sondern um<br />
Schlösser, Landsitze und Stadtpalais<br />
damit zu schmücken. Kein Wunder,<br />
dass die Aristokratie damit nicht uneingeschränkte<br />
Sympathie erwarb:<br />
„Unter anderen Lappalien, damit<br />
man die alte Weihnachtszeit oft<br />
mehr als mit Gottes Wort begehet,<br />
ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum,<br />
den man zu Hause aufrichtet,<br />
denselben mit Puppen und<br />
Zucker behängt", brandmarkte der<br />
Straßburger Prediger Johann Conrad<br />
Dannhauer (1603-1666) die weihnachtliche<br />
Prunksucht – zumal den<br />
Fürsten bald nicht mehr allein Bäume<br />
mit Zierrat und Naschwerk genügten:<br />
Im eitlen Wettbewerb um<br />
den schönsten Weihnachtsbaum<br />
begannen sie schließlich, diesen<br />
auch mit Kerzen zu illuminieren, wie<br />
Liselotte von der Pfalz (1652-1722)<br />
1708 in einem Brief an ihre Tochter<br />
berichtet. Darin erinnert sie sich,<br />
dass schon in ihrer Kindheit die<br />
Räume des elterlichen Schlosses mit<br />
kerzenbestückten Buchsbäumen geschmückt<br />
worden seien. Das Heidelberger<br />
Vorbild machte in Adelskreisen<br />
Schule und gegen Ende des 18.<br />
Jahrhunderts feierten alle gekrönten<br />
Häupter Europas das Weihnachtsfest<br />
unter einem illuminierten immergrünen<br />
Baum.<br />
Vorerst blieb der Weihnachtsbaum<br />
aber noch ein Luxus. Erst nach 1800<br />
fand er auch allmählich Eingang in<br />
die guten Stuben des Bürgertums,<br />
zumindest derjenigen, die es sich leisten<br />
konnten. Weniger begüterte Familien<br />
mussten sich weiterhin damit<br />
begnügen, ihre Stube mit immergrünen<br />
Zweigen zu schmücken. Gewissermaßen<br />
aus der Not heraus wurde<br />
Für den US-amerikanischen Markt kreierten<br />
die Lauschaer Glasbläser Sondermotive<br />
wie die „Weihnachts-Micky-<br />
Maus", um 1930<br />
In Lauscha wurde geblasen, was den<br />
Kunden gefiel: ein Affe für amerikanische<br />
Weihnachtsbäume, um 1930