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BLICKPUNKT<br />
GLAS<br />
■ Weserbergland<br />
Das Weserbergland gehört seit dem Mittelalter<br />
zu den großen Glasregionen in Europa.<br />
Im Dreiländereck Nordhessen, Ostwestfalen<br />
und Südniedersachsen erstreckt<br />
sich das Mittelgebirge entlang der<br />
Oberweser zwischen Hannoversch Münden,<br />
wo Werra und Fulda sich bekanntlich<br />
küssen, ihre Namen büßen müssen und<br />
zur Weser werden, bis zu ihrem Eintritt in<br />
die norddeutsche Tiefebene bei Porta<br />
Westfalica. Seine Züge wie Hils, Ith, Süntel,<br />
Solling, Bramwald und Reinhardswald<br />
erreichen Höhen zwischen 400 und 530<br />
Meter. Im alten Reich lagen in diesem Gebiet<br />
geistliche und weltliche Territorien<br />
und freie Städte, darunter das Hochstift<br />
Paderborn, die Landgrafschaft Hessen-<br />
Kassel, das Herzogtum Braunschweig<br />
und das Kurfürstentum Hannover. Bekannt<br />
ist die Gegend als Märchenland der<br />
Brüder Grimm. Ausgestattet mit viel Geschichte,<br />
Schlössern, Herrenhäusern, Klöstern<br />
und Fachwerkstädten in intakter Natur,<br />
ist hier seit einigen Jahren der Fahrradund<br />
Kulturtourismus stark auf dem Vormarsch.<br />
Bis in unsere Tage spielt die Glasproduktion<br />
hier eine tragende wirtschaftli-<br />
Vier Becher mit Goldmalerei. Fürstliche Glashütte Altmünden, um 1760. H 6,8 cm (Dr. Fischer, Heilbronn,<br />
Auktion vom 02.07.2011)<br />
Pokal mit Wappen der Landgrafen von Hessen-<br />
Kassel. Fürstliche Glashütte Altmünden, um 1720.<br />
H 22,5 cm (Dr. Fischer, Heilbronn, Auktion vom<br />
02.07.2011)<br />
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che Rolle, denkt man an Großhersteller wie<br />
Noelle & von Campe in Boffzen als Lieferanten<br />
von Glasbehältern für Lebensmittel,<br />
Interpane in Lauenförde, einen Weltmarktführer<br />
für Spezialflachglas für extravagante<br />
Architekturprojekte, oder die Glashütte<br />
Grünenplan als Zweigwerk der Schott AG.<br />
Aus dem Grenzraum zum Eggegebirge<br />
bei Bad Driburg stammen allseits bekannte<br />
Namen wie Leonardo Glas der Firma<br />
Glaskoch, Walther-Glas und Ritzenhoff &<br />
Breker.<br />
Die natürlichen Ressourcen Holz und<br />
Quarzsand boten hier die Voraussetzungen<br />
für eine Mengenproduktion von Waldglas,<br />
Gebrauchsglas, Flachglas und allem,<br />
was früher mit dem Begriff der groben<br />
Glasverhüttung bezeichnet wurde, und<br />
das schon seit dem 12. Jahrhundert. Noch<br />
heute kann der aufmerksame Wanderer an<br />
bestimmten Plätzen im Weserbergland, z.<br />
B. im Solling, Tonscherben mit anhaftender<br />
Glasmasse entdecken – es sind Fragmente<br />
von Glashäfen, in denen aus den<br />
Rohstoffen Sand und Holzasche, Pottasche<br />
oder Soda Glasgemenge erschmolzen<br />
wurde. Verglaste Steine können<br />
von einer alten gemauerten Hafenbank<br />
herrühren, während grüne und blaue<br />
Glastropfen als mittelalterliche glastechnische<br />
Relikte identifiziert werden können.<br />
Rodungen im Wald oder längliche Geländeerhebungen<br />
lassen ebenso noch manchen<br />
früheren Standort von Glashütten<br />
bzw. Schmelzöfen erahnen. Die groben<br />
Hütten für Fensterglas und grünes Hohlglas<br />
waren bis ins 18. Jahrhundert hinein<br />
Waldglashütten, die ihren Standort alle 15<br />
bis 20 Jahre verlegten, wenn das Brennholz<br />
verbraucht war, und daher auch Wanderhütten<br />
heißen. Schon seit 1406 waren<br />
die Glaserfamilien, auch jene im Weserbergland,<br />
im Spessartbund organisiert,<br />
der sich einmal im Jahr in Großalmerode<br />
in Nordhessen versammelte und 1537<br />
vom Hessischen Gläsnerbund abgelöst<br />
wurde. Aus Großalmerode stammte auch<br />
der spezielle, weithin exportiert Ton, der<br />
den besonderen Anforderungen zur Herstellung<br />
von Glashäfen genügte. Schwerpunktgebiete<br />
im Weserbergland waren<br />
die bewaldeten Höhen Reinhardswald,<br />
Solling, Hils, Süntel und Deister. Archäologische<br />
Untersuchungen haben Hunderte<br />
ehemalige Glashüttenstandorte nachgewiesen.<br />
Die Hütten bildeten eine wichtige<br />
Einnahmequelle für Grundherren. Neben<br />
groben Glashütten bestanden besonders<br />
seit dem 18. Jahrhundert die sogenannten<br />
feinen Glashütten. Diese waren keine<br />
Wanderglashütten mehr, sondern ortsfeste<br />
Hütten, die mit landesherrlicher Förderung<br />
im Zeichen des Merkantilismus betrieben<br />
wurden und künstlerisch besonders<br />
verziertes weißes Glas herstellten.<br />
Den ausführlichen Artikel „Werserbergland – Glasland”<br />
(neun Seiten, 17 Abbildungen) von Dr. Oliver<br />
Gradel finden Sie in der aktuellen Juli-Ausgabe der<br />
Zeitschrift „Sammler Journal” (ab 25. Juni im Handel<br />
erhältlich)