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TECHNIK<br />
61<br />
nicht Amerika, wäre als Vorbild dafür in<br />
Frage gekommen? Die „Amis" hatten uns<br />
mit Marshallplan und Care-Paketen wieder<br />
auf die Beine geholfen, den westlichen Teil<br />
Berlins mit der „Luftbrücke" vor dem Ausbluten<br />
bewahrt und den Westen vor dem<br />
Kommunismus; von ihnen sollten wir Demokratie<br />
lernen, also war es nur logisch,<br />
dass wir versuchten, auch ihren Lebensstil<br />
aufzugreifen. Dieser Stil war letztlich<br />
mit beeinflusst von den vorangegangenen<br />
Jahren: Der Kriegseinsatz in den<br />
Kampfgebieten Europas hatte selbst den<br />
Amerikanern Verzicht abgefordert, nun<br />
zeigte sich die Freude über das Ende dieses<br />
Krieges in einem gewissen Übermut,<br />
der sich auch in der Gestaltung von Alltagsdingen<br />
niederschlug – neben dem<br />
Auto gehörte auch das Radio dazu. Vor allem<br />
im Umgang mit Bakelitradios bewies<br />
man jenseits des großen Teiches einen<br />
unglaublichen Formenreichtum, der von<br />
Einflüssen des Art déco im Zuckerbäckerstil<br />
bis zur weitgehend klaren Linienführung<br />
reichte. Es ist stark anzunehmen,<br />
dass Lorenz die Idee für das extravagante<br />
Design von den Rundfunkgeräten der<br />
amerikanischen Hersteller Crosley (TC 62)<br />
bzw. Capehart abkupferte. Deren kurz zuvor<br />
auf dem dortigen Markt angebotenen<br />
Uhrenradios mit der Typenbezeichnung<br />
TC 62 besitzen ein nahezu gleiches abgestuftes<br />
Gehäuse und weisen auch sonst<br />
(abgesehen von der Uhr) eine frappierende<br />
Ähnlichkeit auf.<br />
Dieses Design hob Lorenz in der Werbung<br />
als „sachliche Schönheit" hervor und un-<br />
Originalprospekt der C-Serie<br />
Lorenz C1, Innenleben<br />
Lorenz C2, Innenleben<br />
Wunsch vieler Interessenten war, sei einmal<br />
dahingestellt, Tatsache ist auf jeden<br />
Fall, dass sich die beiden Kleinradios allein<br />
mit ihrem abgestuften Gehäuse auffallend<br />
von anderen Rundfunkgeräten jener<br />
Zeit unterscheiden. Das wussten auch<br />
Fachzeitschriften wie Das Radio-Magazin<br />
lobend zu erwähnen: „Übrigens fehlt es<br />
nicht an Mut zur Neuerung: Lorenz bringt<br />
seine beiden Kleingeräte C1 und C2 im<br />
amerikanischen Stil..." (Heft 8/1953).<br />
Im amerikanischen Stil<br />
Der Vergleich mit dem Modegeschmack,<br />
der im Land der Cowboys und Indianer<br />
herrschte, war zu dieser Zeit noch durchaus<br />
positiv gemeint: Nach den Erfahrungen<br />
mit der diktatorischen Vergangenheit,<br />
deren Machthaber sogar den Stil der<br />
Kunst diktiert hatten, befand sich die deutsche<br />
Bevölkerung nun in einem Prozess<br />
der Neuorientierung. Wer sonst, wenn