SeeMagazin Hinein ins Vergnügen! (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Szenen einer besonderen<br />
Reise von Stegen über<br />
Dießen nach Tutzing: Der<br />
Transporter hatte eine Länge<br />
von 36,5 Meter, eine Breite<br />
von 6 und eine Höhe von 5,7<br />
Meter. Das Gewicht betrug<br />
130 Tonnen und verteilte sich<br />
auf <strong>ins</strong>gesamt zwölf Achsen.<br />
Ein Schiff wird kommen<br />
WEIL DIE BAYERISCHE SEENSCHIFFFAHRT DIE ALTE MS BERG AUSRANGIEREN UND DURCH DIE<br />
SCHONDORF ERSETZEN WOLLTE, MUSSTE DIE ZU LAND VOM AMMERSEE AN DEN STARNBERGER SEE<br />
GEBRACHT WERDEN ... EINE UNGEWÖHNLICHE REISE IM FRÜHJAHR 2012<br />
Fotos und Text: Ulrike Mertz<br />
Zugegeben, die „MS Schondorf“ schippert nicht auf<br />
dem brasilianischen Amazonas und Walter Stürzl,<br />
Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, ist<br />
kein exzentrischer Klaus K<strong>ins</strong>ki, der von einem Opernhaus<br />
träumt. Dennoch erinnert die Szene stark an „Fitzcarraldo“,<br />
dem Abenteuerfilm von Werner Herzog vor genau 30 Jahren, in<br />
dem neben anderen Unwegsamkeiten auch ein tonnenschweres<br />
Schiff durch den Urwald gezogen wurde. Hier und heute aber<br />
geht es um die „Schondorf“, die über den Bergrücken zwischen<br />
Ammer- und Starnberger See überführt werden soll.<br />
3. März 2012: In der Werft in Stegen am Ammersee liegt die<br />
„Schondorf“, ein dem Wasser entrissenes Ungetüm, das auch mit<br />
abgebautem Führerhaus noch fast sechs Meter hoch ist und 40<br />
Tonnen wiegt. Von dort wird das Schiff auf ein Tiefladergespann<br />
mit zwölf einzeln manövrierbaren Achsen gepackt und festgezurrt.<br />
Um 5:30 Uhr steigt der Steuermann René Klabunde <strong>ins</strong> Führerhaus<br />
seines 36,5 Meter langen und <strong>ins</strong>gesamt 130 Tonnen schweren<br />
Spezial-Lastzuges, angetrieben von nicht weniger als 680 PS.<br />
Gegen 10 Uhr, als sich die letzten Nebelschwaden zu einem<br />
schönen Vorfrühlingsboten lichten, strömen die Menschen aus<br />
ihren Häusern, denn so ein Spektakel gibt es nicht jeden Tag.<br />
René Klabunde gilt als erfahrener Fahrkünstler, dem alle Experten<br />
unter den Schaulustigen am Streckenrand staunend Respekt<br />
zollen. Die anstehenden vierzig Kilometer haben es für das Mammutgefährt<br />
von Stegen über Dießen bis Tutzing in sich, wobei das<br />
Problem weniger die hügeligen Landstraßen sind als die äußerst<br />
kritischen Engstellen in den Ortsdurchfahrten, bei denen oft<br />
nur eine Handbreit Platz zwischen Laster und Hauswand bleibt.<br />
„Ohhh, das wird knapp!“, prophezeit dann auch ein Breitbrunner<br />
Fachmann, der zuvor die knifflige 90-Grad-Kurve samt Schiffsmodell<br />
am Computer maßstabsgerecht simuliert hat – und gescheitert<br />
ist. Und was macht Klabunde? Er meistert diese heikle<br />
Stelle, ohne auch nur einmal zurücksetzen zu müssen! Allerdings<br />
hat er dabei Unterstützung, denn die norddeutsche Spezialfirma<br />
für Schwertransporte hatte zuvor monatelang geme<strong>ins</strong>am mit der<br />
Polizei die optimale Wegstrecke minutiös geplant. Nun versperrt<br />
keine Unterführung den Weg und Männer in gelben Warnwesten<br />
beseitigen „kleinere Hindernisse vor Ort“. Das heißt, sie heben<br />
Strom- und Telefonleitungen an, drehen Ampelanlagen, bauen<br />
Straßenschilder ab und schneiden zu tief hängende Äste gnadenlos<br />
ab. Inning, Breitbrunn, Herrsching, Andechs, Machtlfing und<br />
Traubing werden so ohne den geringsten Zwischenfall passiert.<br />
In Pöcking gönnen sich die Transportmannschaft und die 18<br />
Mann starke Polizeibegleitung eine Verschnaufpause, während<br />
die Einheimischen dicht gedrängt an der Kreuzung am „Gasthof<br />
www.seemagazin.de | <strong>SeeMagazin</strong> 2012 103