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HANDWERK / Werften<br />
Der Traditionalist<br />
Ernst Simmerding in Leoni<br />
1910 war die Werft vom<br />
Großvater des heutigen<br />
Besitzers Ernst Simmerding<br />
aufgebaut worden. Sein Herz<br />
schlägt für Klassiker und<br />
Oldtimer, die bei ihm auch<br />
restauriert werden.<br />
Ein Prachtstück wird in Leoni zu Wasser gelassen. Edle<br />
Mahagoni-Ausstattung, Elektromotor und Hightech-<br />
Rumpf. Die Sonne wärmt mit zarten Frühlingstemperaturen<br />
und der Starnberger See plätschert, als ob<br />
er die schönste Postkartenidylle dazu abgeben müsste.<br />
Ernst Simmerding, 58, fährt langsam mit seinen Fingern über das<br />
glänzende Deck des Bootes. Seine buschigen Augenbrauen spiegeln<br />
sich im blank polierten Holz. Unter dem Namen „Simmerding<br />
Classicline“ baut die Werft solche Elektroboote in Kle<strong>ins</strong>erien.<br />
Auch Liebhaber klassischer Holzboote und alter Yachten<br />
mit Flair kommen in die Werft nach Leoni.<br />
Vor einem Vierteljahrhundert übernahm Ernst Simmerding, der<br />
eigentlich Berufsfischer ist und zusätzlich Forstwissenschaften<br />
studiert hat, die Traditionswerft von seinem Vater. Dass er nach<br />
dem Studium als Beamter in einem staubigen Büro über Akten<br />
zum Thema Holz vertrocknen könnte, darauf hatte der junge<br />
Ernst keine Lust. Die direkte Arbeit mit dem lebendigen Material<br />
kam seinem Naturell viel näher. 1910 war die Werft in Starnberg<br />
von Simmerdings Großvater gegründet worden. Nach einem<br />
Brand verlegte man den Betrieb <strong>ins</strong> bisherige Winterlager an das<br />
Ostufer des Starnberger Sees nach Leoni. 75 Angestellte hatte<br />
der Großvater seinerzeit. Ernst Simmerding breitet die Arme<br />
aus. Überhaupt waren es Hoch-Zeiten für die alteingesessene<br />
Starnberger Familie. Man baute Holz-Yachten und Motorboote<br />
und betrieb sogar eine private Linienschifffahrt. Veränderungen<br />
im Bootsbau haben den Familienbetrieb dann immer wieder<br />
gefordert. In den 1960er-Jahren baute Ernst Simmerdings Vater<br />
noch Motorboote aus Mahagoni und Jollenkreuzer. Zehn Jahre<br />
später kam die Ära der Kunststoffboote aus der Fabrik, die billiger<br />
waren als handgearbeitete Meisterwerke. Doch gerade für diese<br />
Oldtimer schlägt Ernst Simmerdings Herz von Kindesbeinen an.<br />
„Da riecht man einen Hauch Moder und beim Segeln knarzt es“,<br />
erklärt er lachend, bis sein Pferdeschwanz wippt. Das Restaurieren<br />
ist heute ein Schwerpunkt der Werft mit seinen vier Mitarbeitern.<br />
Neue Boote wie das Elektroboot, das heute seine Wassertaufe hat,<br />
werden aber ebenso gebaut. Das dritte Standbein der Werft ist die<br />
Vermietung von Liegeplätzen und das „Einwintern“ der Boote.<br />
Denn vom 1. November bis zum 31. März ist ein großer Teil des<br />
Sees Vogelschutzgebiet und darf nicht befahren werden.<br />
Ernst Simmerding kehrt zurück in die Werkstatt und bereitet die<br />
Bootsübergabe vor. Handbuch, Taue und Vertrag liegen bereit.<br />
Über Simmerdings Computer schaut der junge König Ludwig<br />
interessiert aus seinem Rahmen herab. Die Käufer kommen und<br />
sind vom Fleck weg begeistert von ihrem Elektroboot im Nostalgie-Gewand.<br />
Höchste Zeit, dass der Bootsbauer jetzt selbst aufs<br />
Wasser kommt. Drei bis vier Oldtimer-Regatten fährt er jedes<br />
Jahr. Er blickt auf den See, winkt dem Ehepaar zu und ein Seebärlächeln<br />
lässt viele kleine Falten um seine Augen tanzen.<br />
Ö<br />
40 <strong>SeeMagazin</strong> 2012 | www.seemagazin.de