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SeeMagazin Hinein ins Vergnügen! (Vorschau)

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Das Milcheis hatte sich längst in den Fluten des Sees aufgelöst<br />

als bei den Privatadressen der zehn größten Milchbarone Europas<br />

zeitgleich eine E-Mail einging.<br />

Es war eine Nachtaufnahme von dem barfüßigen, tiefgekühlten<br />

Alex auf dem Eis vor der Rob<strong>ins</strong>on-Insel, losgeschickt aus<br />

einem Internetcafé in Tutzing. Mit der unmissverständlichen<br />

Botschaft versehen:<br />

›Ist es cool, Gen-Milch als Bio-Milch zu verkaufen?<br />

Nein, es ist tödlich.‹<br />

Unterschrieben war die Mail mit:<br />

›M.I.L.K<br />

Militante Internationale Laktotische Kampftruppe‹<br />

Wie bedrohlich dieses knappe Schreiben wirklich war, zeigte sich<br />

erst, als die aufgeschreckten Milchbarone die jeweiligen Sicherheitsdienste<br />

ihrer Länder eingeschaltet hatten. Denn bei der elektronischen<br />

Spurensuche nach dem Absender der Mail, entdeckte<br />

jeder eine verräterische, kleine digitale Signatur im Foto, die<br />

scheinbar unbeabsichtigt den Besitzer der Kamera oder zumindest<br />

ihren Standort verriet. Es dauerte nicht lange, da hatte jeder<br />

Milchbaron seinen ärgsten Konkurrenten in Verdacht. Und bei<br />

Kommissar Wondrak stand das Telefon nicht mehr still.<br />

»Das versteh ich nicht«, sagte Wondrak in einer Telefonpause<br />

zu Nick, dem Computerspezialisten im Kommissariat, »hat<br />

sich der holländische Milchbaron erst unseren Seeshaupter Eisfabrikanten<br />

vorgeknöpft und nun terrorisiert er mit dem Foto<br />

des Toten seinen deutschen Konkurrenten, oder wie muss ich<br />

mir das vorstellen?«<br />

»Zumindest soll der deutsche Milchbaron glauben, dass<br />

ihn der Holländer terrorisiert. Aber der Holländer fühlt sich ja<br />

genauso bedroht.«<br />

»Von wem?«, fragte Wondrak.<br />

Nick blickte auf einen kleinen Netzplan mit zehn Namen<br />

und 20 Pfeilen, den er sich gezeichnet hatte. »Jeder Milchbaron<br />

hat auf seinem Foto eine andere Signatur. Sie ist nur von Experten<br />

zu finden. Und sie sieht aus, als hätte jemand versucht, die<br />

Signatur zu löschen, das ist wirklich kunstvoll gebaut. Deshalb<br />

fühlt sich nun der Holländer vom Österreicher bedroht, der<br />

Italiener vom Belgier, der Belgier vom Franzosen und so weiter.<br />

Respekt, das war richtig viel Arbeit. Und deshalb sind auch alle<br />

drauf reingefallen.«<br />

»Raffiniert. Und wozu? Um die Milchpanscher vom Panschen<br />

abzuhalten?«<br />

Nick hob den Becher Buttermilch, aus dem er gerade einen<br />

Schluck getrunken hatte, vor seine Augen und blickte ihn nachdenklich<br />

an. ›Bio Buttermilch‹ stand drauf.<br />

Wenn’s kompliziert wird, stellte Wondrak immer die einfachste<br />

Frage: »Wem nützt’s?«<br />

Wondrak hob den Telefonhörer ab, um seinen Chef anzurufen.<br />

»Servus Stürmer, in der Mordsache Alexander Schnitzer<br />

brauchen wir noch ein bisschen Zeit.«<br />

»Wie lange?«<br />

»Ein Jahr vermutlich.«<br />

Gut zwölf Monate später saß ihm Viktor Eliasson gegenüber,<br />

der Chef der Bio-Regiomilch AG aus Bad Tölz. Er war als<br />

Sieger einer erbitterten europäischen Milch-Übernahmeschlacht<br />

hervorgegangen. Während die meisten anderen Milchbarone<br />

(vielleicht unter dem Eindruck einer mysteriösen E-Mail?) ihre<br />

Kapazitäten verringert und sich einen Qualitätskurs verordnet<br />

hatten, konnte Eliasson die freiwerdenden Milch-Kapazitäten<br />

in ganz Europa aufkaufen. Mit der idyllischen grünweißen Verpackung,<br />

die bayrische Voralpenmilch suggerierte, hatte er den<br />

Preiskampf daraufhin so verschärft, dass seine Konkurrenten<br />

nicht mehr mithalten konnten. Zwei von ihnen hatte Eliasson<br />

bereits aufgekauft. Aus diesem Grund kam ihm Wondrak auf<br />

die Spur.<br />

Erst fängt man die Hand, dann den Kopf. Zuerst hatte der<br />

IT-Experte, der die E-Mails für ihn präpariert und verschickt<br />

hatte, im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes alles erzählt.<br />

Und jetzt war also Eliasson dran.<br />

»Warum ausgerechnet Alexander Schnitzer?«, fragte Wondrak.<br />

Eliasson wurde nun seit sechs Stunden ununterbrochen<br />

verhört. Nach vier Stunden hatte sein Anwalt zwar gesundheitliche<br />

Bedenken geäußert, doch Wondrak hatte schmunzelnd<br />

abgewunken. Mit Hinweis auf einen Artikel in einer Wirtschaftszeitung,<br />

in der Eliasson als konditionsstarker Verhandler gefeiert<br />

wurde, der seine Gegner schon mal neun Stunden nonstop am<br />

Sitzungstisch festhielt.<br />

Viktor Eliasson war müde. Er ließ seinen Blick aus dem<br />

Fenster gleiten. »Es ist lange her. Acht oder neun Jahre. Wir<br />

waren zum Segeln auf dem Starnberger See. Ich hatte Gäste.<br />

Uns war der Prosecco ausgegangen und da sind wir zu diesem<br />

kleinen Boot mit dem Sonnenschirm gefahren und wollten<br />

ihm was abkaufen. Und da sagte der junge Mistkerl nur frech:<br />

›An Schiffe über zwölf Meter mit eigenem Kühlschrank verkaufe<br />

ich prinzipiell nichts.‹«<br />

Ö<br />

ONO MOTHWURF<br />

Seine Krimis tragen Titel wie „Taubendreck“ oder „Werbevoodoo“ und<br />

beweisen neben Spannung und Lokalkolorit, dass Ono Mothwurf als Autor<br />

nicht im Wolkenkuckucksheim sitzt, sondern mitten im modernen Leben.<br />

Der Österreicher, 1963 in Traun geboren, studierte an der Fachschule für<br />

Wirtschaftswerbung in Wien, arbeitete als Redakteur beim SURF-Magazin<br />

und als Texter für verschiedene Werbeagenturen. Außerdem ist er Mitglied<br />

im Art Directors Club Deutschland. Mit seiner Frau und drei Söhnen lebt<br />

er im Landkreis Starnberg. Beide oben genannten Krimis und die<br />

Kurzgeschichte aus der Sammlung „Tod am Starnberger See“, herausgegeben<br />

von Sabine Thomas, sind im Gmeiner-Verlag erschienen.<br />

www.seemagazin.de | <strong>SeeMagazin</strong> 2012 35

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