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HDTV Heimkino Total (Vorschau)

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im Radio jedoch auf eine Farbe begrenzt: Grau.<br />

Man erkennt also: Eine Dynamikbegrenzung<br />

kann Musik schon einmal den Garaus machen.<br />

Traurigerweise ist seit geraumer Zeit ein Trend<br />

zu beobachten, wobei ein Musikstück das Mastering-Studio<br />

als maximalkomprimiertes Produkt<br />

verlässt. Schließlich gilt: Je weniger Dynamik,<br />

desto lauter kann ein Song gemischt werden.<br />

Und wie bei der Werbung auch, verkauft sich<br />

der lauteste Sound nun einmal am besten.<br />

Stichwort Marktschreier: Man bleibt an dem<br />

Fischstand stehen, der am lautesten umworben<br />

wird. Ob der Fisch dann aber auch schmeckt, ist<br />

eine ganz andere Sache. Gleiches gilt somit im<br />

akustischen Maße für die CD.<br />

Was macht ein Mastering-Studio?<br />

Nachdem in der Aufnahmesession alle Instrumente ihren Weg aufs Magnetband (oder Festplatte) gefunden<br />

haben, werden sie im nächsten Schritt - im sogenannten Mixdown - in ihrer Lautstärke angepasst,<br />

mit Effekten veredelt und schließlich als finale Abmischung ausgegeben. So werden beispielsweise<br />

48 Einzelspuren auf zwei Spuren (Stereo) heruntergerechnet. Im Tonstudio endet meist hier der<br />

Prozess. Die Audiodatei wird nun dem Mastering-Studio übergeben, wo unabhängige Toningenieure<br />

mit „frischen Ohren“ das Werk finalisieren. Zum Einsatz kommen hier spezielle Kompressoren, Limiter<br />

und Equalizer. Auch eine Anpassung an das gewünschte Zielmedium wird vorgenommen - sei es CD,<br />

DVD oder Schallplatte. Dabei kann es vorkommen, dass ein Musikalbum für die Vinyl-Fassung seine<br />

volle Dynamik beibehält, währenddessen die CD-Version dynamisch stark eingegrenzt wird, um sich<br />

möglichst laut im Radio durchzusetzen.<br />

Fisch für zu Hause<br />

Wenngleich diese Praxis auf dem Radiomarkt<br />

verheerend wirkt, so hat sie im <strong>Heimkino</strong> durchaus<br />

ihre Berechtigung. Will man einen Film zu<br />

einer Uhrzeit schauen, wenn die Nachbarn bereits<br />

im Bett schlummern, wirken sich Lautstärkesprünge<br />

von flüsternd leise bis donnernd laut<br />

eher negativ auf den Frieden am Gartenzaun<br />

aus. Der sogenannte Midnight-Modus grenzt<br />

die Dynamik erheblich ein. Auch der durchschlagende<br />

Bassanteil wird merklich reduziert.<br />

Allerdings wird hierbei auch die Atmosphäre<br />

des Filmes stark ausgebremst, je stärker diese<br />

„Volumen-Bremse“ getreten wird. Solange man<br />

selbst entscheiden kann, ob man eine Dynamikkompression<br />

vornehmen möchte, gibt es keinen<br />

Grund zum Anstand. Ärgerlich ist jedoch, dass<br />

die ursprünglichen Kinosoundtracks für viele<br />

DVD-Fassungen bereits im Vorfeld dynamisch<br />

Die Tonmischung von Kinofilmen verlangt<br />

nach einer besonders hohen Anzahl von<br />

Audiokanälen<br />

Beim Mastering-Prozess hingegen spielen eher ein akustisch<br />

perfekter Raum, sensible Ohren sowie hochwertige Hardware<br />

eine Rolle<br />

eingeengt werden. Als Endkonsument hat man<br />

keine Möglichkeit mehr, diese „Bremse“ zu lockern.<br />

Diese Veränderung hat keineswegs mit<br />

dem Budget einer Filmproduktion zu tun. Eine<br />

Kompression verursacht keine zusätzlichen Kosten<br />

oder Arbeitsschritte. Vielmehr liegt der umgekehrte<br />

Fall vor. Auch Fernsehsender können<br />

dem „Zusammendrücken“ der Audiowellenform<br />

nicht widerstehen.<br />

Wie kann man dieser Misere entgehen? Leider<br />

bleibt nur zu hoffen, dass Filmverleiher die dynamische<br />

Version im Urzustand belassen bzw.<br />

die Dynamik nicht allzu sehr einschränken.<br />

So hätten audiophile <strong>Heimkino</strong>benutzer ihre<br />

Freude und Zuschauer mit hellhörigen Wänden<br />

könnten im Nachhinein immer noch eine<br />

Begrenzung durch den Midnight-Modus vornehmen.<br />

Als letzte Möglichkeit bleibt einem<br />

meistens nur ein manuelles Nachregeln der<br />

Lautstärke während des Filmes übrig. Leider<br />

stinkt diese Vorgehensweise genauso wie ein<br />

alter Fisch.<br />

Redakteur Lukas Schlaffke sprach mit den Toningenieuren der<br />

Berliner Calyx-Mastering-Studios, welche ihre Ohren u. a. an den<br />

Sound von Limp Bizkit, Till Brönner oder der Deutschen Staatsoper<br />

Berlin angelegt haben.<br />

Herr Kondren, inwieweit entwickelt sich Ihrer Meinung nach das „Lautheitsrennen“?<br />

Bleibt es bei dem Trend, immer mehr Gas zu geben, wenn<br />

es um die Dynamikeinschränkung geht, oder besinnt man sich wieder auf<br />

Songs, die zwischendrin auch mal leiser werden?<br />

Sowohl als auch. Vonseiten der Künstler ist immer mehr ein Rückbesinnen auf<br />

eine eher natürlichere Dynamik festzustellen. Seitens der Plattenindustrie - und<br />

hier sind insbesondere die Major-Labels gemeint - wird um fast jeden Preis immer<br />

noch auf „Lautheit“ gedrängt. Man behauptet, auf diese Weise mehr Tonträger<br />

und Downloads zu verkaufen. Wir glauben nicht wirklich daran und sehen diesen<br />

Zusammenhang nur bedingt.<br />

Denken Sie, dass sich „plattgemasterte“ CDs ohne Dynamik einbürgern,<br />

da sich die Konsumenten oder Künstler mit der Zeit an diese Ästhetik<br />

gewöhnt haben?<br />

Sicherlich gibt es einen Effekt der Gewöhnung. Die größere Reaktion wird aber<br />

sein, dass Musikhörer eines Tages feststellen werden, dass ihre alten Platten, CDs<br />

oder Analog-Kassetten so deutlich besser klingen als vieles, was heute auf den<br />

Markt kommt. Wer dieses Klanggefühl einmal wiederentdeckt hat, zeigt sich<br />

nachfolgend der Versuchung „lauter ist besser“ ziemlich resistent gegenüber.<br />

Welchen Sinn hat es, wenn Soundtracks aus dem Kino für eine DVD-Fassung<br />

in der Dynamik eingeschränkt werden?<br />

Das ist in einem vernünftigen Rahmen sehr sinnvoll und auch notwendig. Der<br />

Dynamikumfang einer Kinomischung beträgt bis zu 50 Dezibel. Zu Hause wäre<br />

ein solcher Spitzenpegel (wenn technisch überhaupt möglich) der sichere Anfang<br />

eines Streits mit dem Nachbarn oder der Polizei. Also wird leiser geregelt - doch<br />

nun sind die leisen Stellen nicht mehr hörbar, einziger Ausweg: Reduzierung der<br />

Kino-Dynamik auf ca. 25 bis 35 Dezibel. Allerdings, wie gesagt: Das vernünftige<br />

Maß ist hier der richtige Weg und nicht der Kampfsport um die „Lautheit“.<br />

Denken Sie, dass sich diese Lautheits-Entwicklung auch ohne heutige<br />

Technologien (z. B. Software-Limiter) vollzogen hätte?<br />

Sicherlich begann diese Entwicklung ein Massenphänomen zu werden, als die<br />

Technologie billig und verfügbar wurde. Wir bei CALYX Mastering und viele unserer<br />

professionellen Kollegen erzielen die „Lautheit“ der Produktionen nur zu<br />

einem kleinen Teil über moderne digitale Limiter. Den Löwenanteil der „Lautheit“<br />

gewinnen wir mit analoger, z. T. sehr alter Technik. Diese Art des „Lautheitsgewinns“<br />

ist wesentlich musikalischer und wird auch als weniger „komprimiert“<br />

wahrgenommen. Sicherlich wäre die heutige Musik auch ohne die Verfügbarkeit<br />

von moderner Soft- und Hardware zur Dynamikbegrenzung um einiges lauter als<br />

vor 20 Jahren. Hauptverantwortlich für die ungeliebte Problematik viel zu lauter<br />

Produktionen ist aber der unsachgemäße Umgang mit den Tools und das Dilemma,<br />

schlechte Produktionen dann wenigstens (zu) laut machen zu müssen, da sie<br />

sonst überhaupt keine Wirkung mehr hätten.<br />

Vielen Dank für das Gespräch<br />

Wissen | HD+TV | 6.2007 051

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