27.02.2014 Aufrufe

CHE AP 174 Digitalisierung der Lehre.pdf - Centrum für ...

CHE AP 174 Digitalisierung der Lehre.pdf - Centrum für ...

CHE AP 174 Digitalisierung der Lehre.pdf - Centrum für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Internationale Push- und Pullfaktoren <strong>der</strong> <strong>Digitalisierung</strong> <strong>der</strong> <strong>Lehre</strong> und ihr Potenzial <strong>für</strong> Deutschland Seite 27 |<br />

<strong>der</strong>en Anwendung und Übung anschließend während Präsenz- o<strong>der</strong> Betreuungsphasen geschieht.<br />

Lernende haben auf diese Weise die Möglichkeit, sich die Erklärungen noch einmal<br />

anzuhören bzw. anzusehen o<strong>der</strong> sich im Netz eigenständig weitere Erklärungen zu suchen.<br />

Diese Ablösung des lehrerzentrierten Unterrichtsmodells („einer <strong>für</strong> viele, hier und jetzt“) (Müller-Böling<br />

2000, S. 239) zugunsten eines individueller getakteten Wissensvermittlungsprozesses,<br />

in dem die Lerner selbst die Geschwindigkeit und – zum Teil – die Inhalte des Lernens<br />

bestimmen, wird angesichts <strong>der</strong> nun vorhandenen Technologie auch ohne immense zusätzliche<br />

Personal-, Sach- und Zeitaufwände möglich. Durch den Einsatz digitaler Lernangebote<br />

zur Wissensvermittlung können <strong>Lehre</strong>nde – nach einer anfänglichen Investition – von <strong>der</strong> Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Wissensvermittlung entlastet werden und dadurch Zeit <strong>für</strong> die individuellere Betreuung,<br />

die Koordination und Planung <strong>der</strong> durch Tutor(inn)en unterstützten Betreuung o<strong>der</strong> projektbasierten<br />

<strong>Lehre</strong> gewinnen. Ein Vorteil von frei zugänglichen Angeboten wie Lehrvideos<br />

o<strong>der</strong> MOOCs ist es, dass die <strong>Lehre</strong>nden auch von <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> Lernmaterialien entlastet<br />

werden können, da die Vermittlung grundlegenden Stoffes durch bereits vorhandene Materialien<br />

(z.B. Aufzeichnung von Vorlesungen, online verfügbare Skripte) geleistet werden kann.<br />

Somit ermöglicht die Nutzung digitaler Lernmaterialien, individualisierter auf die unterschiedlichen<br />

Bedürfnisse einer heterogenen Lernergruppe einzugehen.<br />

Demgegenüber ist zu bedenken, dass die Vermittlung wissenschaftlichen Wissens ein professionalisierter<br />

Prozess ist: <strong>Lehre</strong>nde werden über einen langen Zeitraum in bestimmten Lehrformen<br />

und didaktischen Konzepten sozialisiert. Die Verbindung mit solchen eher tradierten<br />

Lehrpraktiken kann also Teil <strong>der</strong> Identität als Wissenschaftler(in) bzw. Hochschullehrer(in)<br />

sein, <strong>der</strong> durch neue Lehr- und Lernformen sowie durch damit einhergehende verän<strong>der</strong>te Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Erwartungen irritiert wird. Es kann demnach angenommen werden, dass insbeson<strong>der</strong>e<br />

eher technologieaffine Hochschullehrer(innen) die Funktion von First-Movers übernehmen<br />

und die Herausfor<strong>der</strong>ungen digitalisierter <strong>Lehre</strong> annehmen bzw. die damit verbundenen<br />

Vorteile erkennen und aktiv nutzen.<br />

Neben <strong>der</strong> Entlastung <strong>der</strong> <strong>Lehre</strong>nden durch die Integration standardisierbarer Lehrinhalte aus<br />

digitalen Angeboten können Hochschulen zur Erhöhung <strong>der</strong> Sensibilität <strong>für</strong> die Heterogenität<br />

<strong>der</strong> Studierenden Learning-Analytics (vgl. Abschnitt 2.2.4) einsetzen. Deren Vorteil ist, dass<br />

<strong>Lehre</strong>nde potenziell in <strong>der</strong> Lage sind, die Beteiligung sowie den Lernfortschritt ihrer Studierenden<br />

unmittelbar und individualisiert nachzuvollziehen und so Verständnislücken zu identifizieren,<br />

auf die sie in <strong>der</strong> Präsenzstunde eingehen können. Dabei ist einzuwenden, dass nicht alle<br />

Lerninhalte gleichermaßen standardisierbar sind; wissenschaftliche Fachgemeinschaften werden<br />

sich disziplinspezifisch nur bedingt darauf einigen können, welche Wissensbestände, in<br />

welcher Form und Tiefe als gleichsam disziplinäres Standardwissen gelten können. Zudem<br />

muss gefragt werden, zu welchem Grad die eingesetzten Learning-Analytics den Lernprozess<br />

normieren und die Ausbildung und Stärkung individueller Interessen einschränken. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen besteht in <strong>der</strong> deutschen Bildungstradition<br />

eine hohe Toleranz gegenüber Studierenden, nicht alles zu lernen und zu beherrschen,<br />

son<strong>der</strong>n früh interessengeleitete Schwerpunkte zu setzen, die im Verlauf des Studiums<br />

und ggf. einer akademischen Laufbahn vertieft werden.<br />

Auch deutsche Hochschulen stehen vor den oben beschriebenen Herausfor<strong>der</strong>ungen einer<br />

zunehmend diversen Studierendenschaft und können von den Chancen solcher Blended-<br />

Learning-Modelle profitieren.<br />

<strong>CHE</strong> Arbeitspapier Nr. <strong>174</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!