27.02.2014 Aufrufe

Download aktuelles Heftes - Aachen

Download aktuelles Heftes - Aachen

Download aktuelles Heftes - Aachen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Hochtour<br />

Mont Blanc Mont Maudit Mont Blanc du Tacul Biwak Bivouac de la Fourche<br />

Text und Fotos:<br />

Horst Wernerus<br />

Mont Maudit<br />

der verfluchte Berg 4465m<br />

Der verfluchte Berg“, ja so heißt der<br />

Mont Maudit ins Deutsche übersetzt.<br />

Es ist jener Berg, der noch im Sommer 2012<br />

Schlagzeilen durch ein tragisches Lawinenunglück<br />

auf seiner Nordseite gemacht<br />

hat. So oft bestiegen wird sein Gipfel nicht,<br />

aber der Aufstieg auf den Mont Blanc von<br />

der Cosmiques-Hütte aus folgt ein großes<br />

Stück weit diesem Weg. Und so tummelt<br />

sich auf diesem Streckenabschnitt an der<br />

Nordseite des Berges täglich eine größere<br />

Anzahl von Berggängern. Einsamkeit<br />

wird man hier nicht finden. Nähert man<br />

sich dem Mont Maudit aber von der Südseite,<br />

ist einem eine tolle Hochtour abseits der<br />

Massen gewiss. Die Route über den Kuffnergrat,<br />

auch als Tour-Ronde-Grat bekannt,<br />

wurde bereits 1887 erstbestiegen und stellt<br />

eine sehr abwechslungsreiche, lange und<br />

lohnenswerte Grattour auf den Gipfel dar.<br />

Mit dem Eisrückgang ist aus der früher<br />

überwiegenden Eistour mittlerweile eine<br />

gute Mixtour mit vielen Felspassagen geworden.<br />

Die technischen Schwierigkeiten<br />

sind zwar nicht besonders hoch, doch darf<br />

die Tour nicht unterschätzt werden. Eis bis<br />

55 Grad und auch im Fels geht es in den<br />

3. Grad, vielleicht auch mal bis in den 4.<br />

Grad. Gepaart mit der Ausgesetztheit des<br />

Grates, der Länge und der Höhe, in der<br />

man sich bewegt, sollte man den Schwierigkeiten<br />

mit einer gewissen Souveränität<br />

und Ausdauer begegnen können.<br />

Der Mont Maudit ist ein sehr schöner<br />

Gipfel im Schatten des Mont Blanc. Sein<br />

spitzer Felsaufbau reckt sich wie eine freche<br />

Nase, steil gegen den Himmel und ist<br />

von allen Seiten gut zu erkennen. Verglichen<br />

mit den Heerschaften von Menschen,<br />

die sich fast täglich Richtung Mont Blanc<br />

bewegen, ist es am Kuffnergrat eher einsam.<br />

Man hat sogar gute Möglichkeiten,<br />

die ganze Tour, den ganzen Berg für sich<br />

alleine zu haben. Ja, es ist nicht der Mont<br />

Blanc, dafür ist es Bergsteigen an einem<br />

wunderschönen Berg über eine tolle Route,<br />

so wie ich es liebe.<br />

Und mit dieser Liebe für etwas weniger<br />

begangene Gipfel war ich wohl nicht alleine.<br />

Lydia hatte mich im Frühjahr auf<br />

diese Tour aufmerksam gemacht und wir<br />

Kuffnergrat - Eine Traum - Hochtour<br />

abseits der Massen, abseits der<br />

ausgetretenen Pfade, und doch in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft zum<br />

Mont Blanc.<br />

Vallée Blanche<br />

Aig. du Plan<br />

Foto: Lydia Hilgers<br />

entwickelten die Idee, sie gemeinsam in<br />

die Tat umzusetzen. Das zur Verfügung<br />

stehende Zeitfenster war knapp und die<br />

einzige gemeinsame Möglichkeit reduzierte<br />

sich auf 3,5 Tage (Do. bis So. mittag)<br />

im August.<br />

Müde …<br />

Lydia war bereits seit über einer Woche<br />

in den Bergen unterwegs und bestens akklimatisiert.<br />

Ich selbst bin ein paar Tage<br />

vorher ins Wallis gefahren und habe die<br />

Zeit genutzt, um meine Anpassung zu<br />

verbessern. Der Wetterbericht bröckelte<br />

etwas und das Zeitfenster reduzierte sich<br />

erneut. Es blieben noch Do. und Fr., dann<br />

sollte eine Gewitterfront nach Chamonix<br />

rollen. Schön, dass Lydia so flexibel war.<br />

Der Treffpunkt wurde auf Mittwoch vorverlegt<br />

und ich war froh am Abend, kurz<br />

vor Chamonix, in ein glückliches, müdes<br />

und grinsendes Gesicht von ihr blicken<br />

zu dürfen. In einer kurzen „Beichte“ offerierte<br />

sie mir, dass sie heute noch vom Rif.<br />

Carrel am Matterhorn gestartet ist, selbiges<br />

über den Liongrat hinauf und Hörnligrat<br />

hinunter, solo überschritten hat…<br />

und deshalb – und nur deshalb – ein ganz<br />

kleines bißchen müde wäre.<br />

Die Tour …<br />

Unsere Sachen haben wir schnell gepackt<br />

und am nächsten Morgen geht es mit dem<br />

ersten Bus durch den Mont Blanc Tunnel.<br />

Von dort mit der Seilbahn hinauf auf<br />

3375m. Am Endpunkt liegt das Ref. Torino,<br />

welches zurzeit durch die Modernisierung<br />

der Seilbahn in eine gigantische Hochgebirgsbaustelle<br />

verwandelt wurde. Im Getummel<br />

von vielen Menschen ziehen wir<br />

die Steigeisen an und ziehen angeseilt hinaus<br />

auf den Gletscher. Bereits nach 100m<br />

habe ich das Gefühl, in eine neue Welt<br />

einzutauchen. Der Lärm, die Menschen,<br />

alles schlagartig weg und die Schönheit der<br />

Berge rückt in den Vordergrund. Der Mont<br />

Maudit und der Kuffnergrat liegen in ihrer<br />

vollen Pracht vor uns. Wir ziehen still und<br />

zufrieden in das Gletscherbecken Vallée<br />

Blanche der Randkluft entgegen. Von dort<br />

führt uns ein erster steiler Aufstieg hinauf<br />

zum Beginn des Kuffnergrates, an dessen<br />

abgewandter Seite das Bivouac de la Fourche<br />

auf etwa 3682m steht, welches das Ziel<br />

für den heutigen Tag ist. Der Bergschrund<br />

ist kurz und steil. Das anschließende steile<br />

Firnfeld fängt an aufzuweichen und mit<br />

der Anstrengung kommen bei mir die<br />

ersten Schweißperlchen. Es dauert nicht<br />

lange und wir erreichen weiter oben über<br />

die Felsen das Biwak.<br />

Das Biwak, ein Bau aus Holz und Blech,<br />

liegt hoch am Grat und ist auf einer kleinen<br />

Plattform in die steilen Felsen gebaut.<br />

Brenva Gletscher, Brenva Flanke und Mont<br />

Blanc liegen eindrucksvoll vor uns. Es ist<br />

einsam hier oben, erst später am Tag werden<br />

noch zwei französische Bergsteiger<br />

das Biwak erreichen. Die Schachtel strahlt<br />

einen urigen Charakter aus und bietet etwa<br />

12 Personen Platz. Ein paar Decken hat es,<br />

ansonsten nichts – bis auf das ein oder andere<br />

Überbleibsel irgendwelcher Vorgänger.<br />

Es dauert nicht lange, bis der mitgebrachte<br />

Kocher den Schnee geschmolzen<br />

hat, und wir zufrieden die erste Tasse Tee<br />

trinken. Begleitet von einem traumhaften<br />

Bergpanorama entgleiten wir früh auf<br />

dem harten und staubigen Lager in die<br />

Träume der Nacht.<br />

Der Wecker klingelt gegen 4 Uhr morgens<br />

und obwohl Lydia und ich noch nie zuvor<br />

eine gemeinsame Tour in den Bergen unternommen<br />

haben, spulen wir nicht nur<br />

das Morgenprogramm in einer fast wortlosen<br />

Routine ab, als wären wir bereits ein<br />

über Jahre eingespieltes Team. Alles geht<br />

sehr zügig. Rasch verschwindet ein kurzes<br />

Frühstück in uns, Kocher und Ausrüstung<br />

im Rucksack und im Schein der Stirnlampe<br />

machen wir uns auf den Grat. Die Luft<br />

ist herrlich, das Wetter hervorragend. Wir<br />

steigen, wir klettern, wir genießen die Stille,<br />

wir halten inne. Der Blick zurück nach<br />

Osten, dort wo gerade die Sonne aufgeht<br />

und dieses Spiel zwischen einem feuerrotem<br />

Himmel und den Schattenrissen der<br />

schroffen Berge erzeugt, ist erneut atemberaubend.<br />

Wir genießen jede Sekunde,<br />

jeden Blick, jeden Meter. Einfach Bergsteigen,<br />

- einfach traumhaft.<br />

Wir kommen zügig voran. Nur für eine<br />

kurze Seillänge direkt hinter der Biwakschachtel<br />

benötigen wir das Seil. Seitdem<br />

steigen wir seilfrei. Eis- und Felspassagen<br />

wechseln sich ab und geben der Tour einen<br />

abwechslungsreichen und spannenden<br />

Charakter. Mit etwas Instinkt ist der<br />

richtige Weg durch die zerrissenen Felspassagen<br />

und über scharfe Firngrate gut<br />

zu finden. Er orientiert sich immer an<br />

der logischen Linie des teilweise breiten<br />

Hauptgrates. Haken sucht man in der Route<br />

vergebens.<br />

Das Geschenk..<br />

Die Sonne gewinnt rasch an Höhe und<br />

leuchtet die Landschaft immer wieder neu<br />

aus. Dieser Live-Lichtbilder-Vortrag, den<br />

uns die Natur hier bietet, nehmen wir mit<br />

grenzenloser Freude und Demut auf – ein<br />

riesen Geschenk.<br />

4 DAVON: 1/13 DAVON: 1/13<br />

DAVON: 2/13 DAVON: 2/13 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!