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Heft April 2013_Heft April 2008 08.04.13 09:46 Seite 29<br />
175 Jahre Forsthaus<br />
Dass das Forsthaus nicht einfach nur eine von vielen jetzigen<br />
oder früheren gastronomischen Einrichtungen in <strong>Forstwald</strong><br />
ist, wird selbst dem Orts-Unkundigen schnell an unserem<br />
Bahnhof deutlich, der nicht den Namen des Stadtteils, sondern<br />
den seiner ältesten und langlebigsten Gaststätte trägt<br />
und damit auch von der überörtlichen Bedeutung des<br />
Forsthauses Zeugnis ablegt.<br />
Aus Heft 31/2002 Seite 71: Forsthaus nach dem Umbau 1930/31<br />
In diesem Jahr kann das Forsthaus sein 175-jähriges Bestehen<br />
begehen.<br />
Für eine ausführlichere Darstellung seiner Geschichte sei auf<br />
den Beitrag des im vergangenen Jahr verstorbenen Walter<br />
Rohrbach zum 150-jährigen Jubiläum verwiesen, der erstmals<br />
1988 in dieser Zeitung veröffentlich wurde und im großen<br />
Sonderheft des „<strong>Forstwald</strong>“ aus Anlass von „50 Jahren Bürger -<br />
verein“ aus dem Jahre 2002 noch einmal abgedruckt ist.<br />
Rohrbach zeichnet in diesem Artikel mit liebevoller Akribie<br />
und großem Humor die ersten anderthalb Jahrhunderte des<br />
Forsthauses nach - von den Anfängen als Sommerhaus von<br />
Gerhard Schumacher und gleichzeitigem Wohnsitz des allseits<br />
ge fürchteten Schumacher´schen Privatförsters Ziegenhorn,<br />
der die Aufgabe hatte, Wilderer und Holzdiebe vom neu angelegten<br />
Wald abzuwehren, bis zu den Tagen der Familie Wer -<br />
ner, die seit 1986 die Restauration betreibt.<br />
Die Anfänge der gastronomischen Nutzung des Forsthauses<br />
gehen einem Bericht der Westdeutschen Zeitung von 2002<br />
zufolge 1 auf das Jahr 1839 zurück, als die die Frau von Förster<br />
Ziegenhorn dazu überging, Kaffee und Wein an Besucher auszuschenken.<br />
Allzu groß dürfte der Andrang der Gäste in dieser<br />
Frühzeit allerdings nicht gewesen sein, denn der Wald war<br />
nach einem großen Brand 1840 mehr als 30 Jahre lang für<br />
Besucher gesperrt. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhun -<br />
derts setzte dann die Entwicklung der Gegend zu einem der<br />
wichtigsten Naherholungsgebiete für gestresste Großstädter<br />
aus Krefeld und Umgebung ein – Grund genug für die Preußi -<br />
sche Staatsbahn, im Jahre 1896 den Haltepunkt „Forsthaus“<br />
mitten im Wald einzurichten, an dem zu Spitzenzeiten im<br />
Sommer bis zu 3000 Gäste ausgestiegen sein sollen 2 . Un -<br />
gefähr zu dieser Zeit kam der regelmäßige Restaurations be -<br />
trieb im „Forsthaus“ in Gang, der für Jahrzehnte in den Hän -<br />
den der im Forsthaus aufgewachsenen Schwester des Försters<br />
Miebach, einer Frau Harth, lag. <strong>Der</strong> Krefelder Künstler Fritz<br />
Huhnen beschreibt in seinem Buch „Gute, Böse und Krefelder“<br />
an schaulich, wie es zuging, wenn die Krefelder Mittelschicht<br />
sich sonntags hier einfand: „Während der so mit dem Pfennig<br />
Rechnende sich bei Mutter Grün verlustierte, ging der gehobene<br />
Mittelstand zum Kurhaus, Praßhof, vor allem aber zum<br />
Forsthaus. Unter den Kiefern saß man auf Holzbänken, und<br />
Frau Hardt sorgte dafür, daß das laufende Tablettband nicht<br />
abriß. Gab´s auch keinen Kuchen, so doch Korinthenweißbrot,<br />
effe Weck mit Apfelkraut und geschmolzener Butter. Ein<br />
Schinkenbrot zum Abschluß befriedigte sogar den verwöhnten<br />
Geschmack.“ 3 Walter Rohrbach erwähnt in seinem<br />
genannten Aufsatz, dass im Garten des Forsthauses 102 Tische<br />
aufgestellt gewesen seien, an denen ursprünglich Kaffee,<br />
Kuchen, Liköre und Wein hätten bestellt werden können; in<br />
den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, als der Waldbesitzer<br />
Hermann Schumacher verstorben war, seien Biere und<br />
Branntweine zum Angebot hinzugekommen.<br />
Durch einen groß angelegten Umbau der Innenräume erhielt<br />
das Forsthaus zu Beginn der dreißiger Jahre den Charakter<br />
einer Gaststätte. Im Zuge der großen Kommunalreform war<br />
zuvor (1929) der <strong>Forstwald</strong> nach Krefeld eingemeindet und<br />
das Gelände einschließlich des Forsthauses von der Stadt<br />
Krefeld gekauft worden. <strong>Der</strong> Restaurationsbetrieb wurde seit<br />
den dreißiger Jahren vom Krefelder Original Heinrich Malz -<br />
korn geführt, der auch das kleine Tiergehege hinter dem<br />
Garten anlegte, in dem es neben Damm- und Rotwild auch<br />
Meer schweinchen, Greifvögel – z.B. einen Bussard namens Ro -<br />
bert – sowie einen zahmen Wolf gegeben habe, wie Walter<br />
Rohrbach ausführt.<br />
Von 1939 an sei dann das Forsthaus eine der Krefelder Karne -<br />
valshochburgen gewesen, da der neue Inhaber Heinrich<br />
Wackers während der gesamten vierziger Jahre als „Prinz<br />
Karneval“ amtiert habe. In die Zeit des Pächters Sackenheim<br />
(1949-1972), der das Forsthaus in erster Linie als Café betrieb,<br />
fiel dann zu Beginn der siebziger Jahre der Anbau mit der<br />
großen Fensterfront und der Waben-Glaswand im Innern. Von<br />
1973 bis 1981 Jahre war die Familie Kaulfuß im Forsthaus<br />
tätig, auf die von 1981 bis 1985 das Ehepaar Herbst als Pächter<br />
folgte. Ihre Pizza aus Kartoffelteig war in ganz Krefeld bekannt.<br />
1986 übernahmen Ullrich und Ursula Werner das Forsthaus.<br />
Mit Unterstützung der Stadt wurden – auch, um den Aufent -<br />
halt für Behinderte zu erleichtern – umfangreiche bauliche<br />
Veränderungen vorgenommen. Das Angebot an Speisen und<br />
Getränken wurde deutlich erweitert und der Betrieb auf die<br />
Abendstunden ausgedehnt.<br />
Als zu Beginn des neuen Jahrtausends weitere umfangreiche<br />
Sanierungsarbeiten fällig wurden, entschloss sich die Stadt<br />
Krefeld zum Verkauf des Forsthauses, das dann im Jahr 2002 in<br />
den Besitz der bisherigen Pächterfamilie überging, die den<br />
Betrieb mit Andre und Andrea Werner nun schon in der zweiten<br />
Generation führt. Dank den Renovierungsarbeiten des vergangenen<br />
Jahrzehnts ist die <strong>Forstwald</strong>er Traditionsgastsätte<br />
nach wie vor ein beliebter Anziehungspunkt für Spazier -<br />
gänger und Ausflügler aus der gesamten niederrheinischen<br />
Region. Zu seiner Strahlkraft trägt das vor einigen Jahren neu<br />
eingeführte tägliche Angebot des großen kalt-warmen<br />
Abend buffets sicherlich in nicht geringer Weise bei.<br />
Wir wünschen dem jung gebliebenen alten Forsthaus, seinen<br />
Inhabern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten viel<br />
Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit und alles erdenklich Gute für<br />
die kommenden Jahrzehnte!<br />
Patrick Albrecht<br />
1 Erschienen in der Ausgabe vom 15.02.2002 auf S. 13 (Wirtschaft in Krefeld. Stadtteile)<br />
2 Diese Zahl findet sich bei Günter Zipp: Die Eisenbahnstrecke durch den <strong>Forstwald</strong>. In: <strong>Der</strong><br />
<strong>Forstwald</strong>. Mitteilungen des Bürgervereins. 17/1988 [ohne Seitenangabe]<br />
3 Huhnen, Firtz: Gute, Böse und Krefelder. Krefeld 2001, S. 32<br />
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