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xxxx Aktuelles xxxxxxx<br />
Dr. Otto Widetschek<br />
Aktuelles Kommentiert<br />
Teuflisches Düngemittel<br />
Brennende Düngemittelfabrik<br />
in West, Texas<br />
(Quelle: Keystone/Larry<br />
W. Smith).<br />
Ammoniumnitrat ist seit<br />
dem 19. Jahrhundert ein<br />
Grundstoff für viele<br />
Düngemittel. Immer wieder<br />
kommt es dabei<br />
jedoch zu verheerenden<br />
Explosionen, wie am<br />
17. April 2013 in einer<br />
Düngemittelfabrik in der<br />
Stadt West, die etwa<br />
30 Kilometer von Waco<br />
(Texas) entfernt ist.<br />
Insgesamt 14 Menschen<br />
kamen bei dieser<br />
Katastrophe ums Leben.<br />
Darunter befanden sich<br />
auch 10<br />
Feuerwehrmänner, die<br />
einen ursprünglich ausgebrochenen<br />
Brand<br />
löschen wollten. Über<br />
200 Personen wurden<br />
zum Teil schwer verletzt.<br />
ERDBEBEN DER STÄRKE 2,1<br />
Die gewaltige Explosion zerstörte ein ganzes<br />
Wohnviertel und der Schaden nach diesem Katastrophenereignis<br />
soll gemäß Schätzungen von Versicherungen<br />
über 100 Millionen Euro ausmachen. Die<br />
Erschütterungen waren so heftig, dass die US-Erdbebenwarte<br />
USGS ein kleineres Erdbeben der Stärke 2,1<br />
(nach Richter-Skala) registrierte. Unabhängig davon<br />
fegte eine gewaltige Druckwelle nach der Explosion<br />
durch die Gegend und zerstörte alle Bauwerke in der<br />
unmittelbaren Umgebung der Düngerfabrik. Was war<br />
passiert?<br />
ZERSETZUNG VON AMMONIUMNITRAT<br />
Die Heftigkeit der Explosion – da sind sich die Fachleute<br />
einig – spricht deutlich für die spontane Zersetzung<br />
von Ammoniumnitrat (NH 4<br />
NO 3<br />
), welches in der<br />
Landwirtschaft als Düngemittel eingesetzt wird. Die<br />
Verbindung wird aus wasserfreiem Ammoniak und<br />
Salpetersäure hergestellt. In Reinform ist Ammoniumnitrat<br />
relativ stabil, doch wenn es verunreinigt ist oder<br />
nicht kühl genug gelagert wird, explodiert es sofort,<br />
sagt dazu der Chemiker und Ammoniak-Experte Nikolaus<br />
Korber von der Universität Regensburg.<br />
GEFÄHRLICHE MINERALDÜNGER<br />
Seit dem 19. Jahrhundert werden Wachstum und Ertrag<br />
von Nutzpflanzen mit chemischen Düngemitteln<br />
gefördert. Dazu dienen besonders jene Salze, die Stickstoff,<br />
Phosphor und Kalium enthalten. Das aus Ammoniak<br />
und Salpetersäure gewonnene<br />
Ammoniumnitrat ist dabei als Düngemittel besonders<br />
geeignet, weil es chemisch gebundenen Stickstoff enthält.<br />
Die meisten dieser anorganischen Mineraldünger<br />
sind jedoch leicht entzündlich oder explosiv. Ammoniumnitrat<br />
wird wegen der großen Explosionsgefahr daher<br />
in der Regel nur in Mischungen als Düngemittel<br />
verwendet.<br />
AUCH ALS SPRENGSTOFF EINGESETZT!<br />
Bis zum Zweiten Weltkrieg basierten auch viele<br />
Sprengstoffe auf dieser Chemikalie. Ammoniumnitrat<br />
wurde außerdem bei vielen Anschlägen verwendet. So<br />
war die Substanz in jener Tasche, die bei einem fehlgeschlagenen<br />
Attentat im Dezember 2012 am Hauptbahnhof<br />
Bonn in Deutschland gefunden wurde. 1995<br />
war die Chemikalie für den Anschlag<br />
auf ein Bürogebäude in Oklahoma<br />
City in den USA verwendet worden.<br />
Bei dieser Terroraktion wurde ein<br />
neunstöckiges Hochhaus zerstört und<br />
168 Menschen kamen ums Leben.<br />
Auch der Bombenanschlag im norwegischen<br />
Regierungsviertel im Juli 2011<br />
wurde mit etwa 1.000 kg Ammoniumnitrat<br />
ausgeführt.<br />
DÜNGEMITTELKATASTROPHEN<br />
Bei der Produktion, der Lagerung und<br />
dem Transport von explosiven und<br />
leicht brennbaren Düngemitteln<br />
kommt es immer wieder zu Unglücksfällen<br />
mit schweren Folgen. Hier drei<br />
ausgewählte, besonders dramatische<br />
Ereignisse:<br />
Als das größte Industrieunglück Europas<br />
gilt dabei die Explosion eines<br />
Salpeterlagers im September 1921 in<br />
Oppau bei Ludwigshafen in Deutschland.<br />
Dabei werden mehr als 500<br />
Menschen getötet und fast 2.000 verletzt.<br />
Die Explosion von 4.500 Tonnen<br />
Ammoniumnitrat (Salpeter) hat<br />
dabei einen 18 Meter tiefen Krater in<br />
die Erde gerissen.<br />
Im April 1947 explodiert der französische<br />
Frachter „Grandcamp“ mit 2.300<br />
Tonnen Ammoniumnitrat-Düngemittel<br />
an Bord im Hafen von Texas<br />
City (USA). Das Feuer greift in der<br />
Folge auf die Stadt über und mindestens<br />
581 Menschen kommen ums Leben.<br />
Im September 2001 explodieren in einer<br />
Düngemittel-Fabrik bei Toulouse<br />
in Südfrankreich über 400 Tonnen<br />
Ammoniumnitrat. 31 Menschen sterben,<br />
mehr als 4.500 werden verletzt,<br />
tausende Gebäude stürzen in sich zusammen<br />
oder werden beschädigt.<br />
NITROSE GASE<br />
Und auf noch ein Gefahrenmoment,<br />
welches auch jederzeit in unseren Regionen<br />
auftreten kann, soll hier hingewiesen<br />
werden: Es handelt sich dabei<br />
um das teuflische Gemisch toxischer<br />
Stickoxide in Form der gefährlichen<br />
nitrosen Gase, welche bei allen stickstoffhaltigen<br />
Düngemitteln im Brandfall<br />
entstehen können. Der Wind<br />
erschwert bei Düngemittelbränden<br />
dazu in der Regel nicht nur die Arbeit<br />
der Feuerwehr, sondern kann auch bei<br />
großen Schadstoffwolken Massenvergiftungen<br />
in der Bevölkerung verursachen.<br />
Ja, wir sollten erkennen:<br />
Ammoniumnitrat kann durch seine<br />
möglichen negativen Eigenschaften<br />
im Brand- und Katastrophenfall im<br />
wahrsten Sinn des Wortes als teuflisches<br />
Düngemittel bezeichnet werden!<br />
<strong>Blaulicht</strong> 05-2013 15