Julia Franck, Ihre fünf Bücher im Vergleich - Sursee
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MATURAARBEIT<br />
<strong>Julia</strong> <strong>Franck</strong> – <strong>Ihre</strong> 5 Bücher <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong><br />
5.4. Parallelen der Mutter-Kind-Beziehungen<br />
Grob vereinfacht kann man sagen, dass in den drei Werken „Der neue Koch“, „Lagerfeuer“ und<br />
„Die Mittagsfrau“ zwei verschiedene Arten von Mutter-Kind-Beziehungen dargestellt werden.<br />
Zwischen Mutter und Protagonistin in „Der neue Koch“ und bei Selma und Helene Würsich in „Die<br />
Mittagsfrau“ herrscht ein ganz schlechtes Verhältnis. Das Leben der Protagonistinnen weist<br />
bezüglich der Beziehung zur Mutter zwei grundlegend verschiedene Phasen auf: In der Kindheit<br />
versuchen die Mädchen alles, um die Gunst der Mutter zu erlangen, suchen die Nähe zur Mutter,<br />
würden alles hergeben für eine kleine Zärtlichkeit… Es ist ein Kampf um Liebe, welcher von den<br />
Müttern nicht bemerkt wird, denn in „Der neue Koch“ ist das Interesse der Mutter für alles andere<br />
grösser als das für ihre Tochter und in „Die Mittagsfrau“ kann beziehungsweise will die Selma ihre<br />
Tochter nicht erkennen aus Enttäuschung über die vier Totgeburten vor Helenes Geburt. Ab der<br />
Jugend aber verändern sich die Einstellungen der Töchter bezüglich ihren Müttern, die<br />
Enttäuschung über die ausgebliebene Liebe schlägt um in Hass. Aus dem Kampf um Liebe ist ein<br />
Kampf gegen die Mutter geworden: Die Protagonistinnen beginnen sich zur Wehr zu setzten, tun<br />
nun <strong>im</strong> Gegensatz zu früher alles, was der Mutter nicht gefällt und Ekeln sich vor der Liebe der<br />
Mutter.<br />
Die Beziehung zwischen Helene und Peter in „Die Mittagsfrau“ scheint auch diesem oben<br />
beschriebenen Muster zu entsprechen, ähnelt aber bei genauerer Betrachtung doch mehr der in<br />
„Lagerfeuer“ beschriebenen Mutter-Kind-Beziehung. Obwohl auch hier nicht von einem<br />
liebevollen Verhältnis gesprochen werden kann, so sind hier die Gründe für die ausbleibende Liebe<br />
andere. Während Nelly in „Lagerfeuer“ durch ihre finanziellen Probleme, der Trauer um den<br />
verstorbenen Mann und der Ausweglosigkeit ihrer Situation nicht mehr in der Lage ist, die<br />
materiellen aber auch emotionalen Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen, hat Helene in „Die<br />
Mittagsfrau“ unter den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des zweiten Weltkrieges und den<br />
mit dem Job als Krankenschwester verbundenen schl<strong>im</strong>men Erinnerungen und Schuldgefühlen zu<br />
leiden, wodurch ihr die Kraft fehlt, ihrem Sohn Liebe zu geben. Es ist also die schwere Last ihrer<br />
Sorgen, die es den Müttern unmöglich machen, sich auch noch genügend um die Kinder zu<br />
kümmern.<br />
Wichtig ist aber, zu beachten, dass die Bücher in personalem Erzählverhalten geschrieben sind<br />
(siehe Kapitel 3, „Erzählweise“). Man kann sich also nicht zu hundert Prozent darauf verlassen,<br />
dass die Mutter-Kind-Beziehungen wirklich so aussehen, es wird einzig und allein gezeigt, wie sie<br />
von den Protagonistinnen empfunden werden.<br />
Sandra Tanner, Klasse 6c, 2008 35