Julia Franck, Ihre fünf Bücher im Vergleich - Sursee

MATURAARBEIT
Julia Franck – Ihre 5 Bücher im Vergleich
6. Historische Hintergründe und Biographie
Für die beiden Bücher „Lagerfeuer“ und „Die Mittagsfrau“ sind die historischen Hintergründe von
grosser Bedeutung. Zudem bestehen wichtige Zusammenhänge zwischen den von der Autorin
geschilderten Geschichten und ihrer eigenen Biographie. Im diesem Kapitel werde ich die in den
Büchern gegebenen Hinweise zu geschichtlichen Ereignissen näher erläutern und die Verbindungen
der Geschichten zum Leben von Julia Franck aufzeigen.
6.1. Lagerfeuer
Das Buch „Lagerfeuer“ basiert auf den historischen Ereignissen nach dem Ende des zweiten
Weltkrieges. Es spielt zur Zeit, als sich die Sowjetunion im Osten vom Sozialismus zum
Kommunismus wandte, immer mit dem Ziel vor Augen, das Privateigentum abzuschaffen und alles
Staateigentum werden zu lassen, und man im Westen den Kapitalismus fand, eine Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung, der das Gewinnstreben des Einzelnen zugrunde liegt.
Julia Franck erzählt von einer jungen Mutter, welche den Osten verlässt, von einem besseren Leben
im goldenen Westen träumt und schlussendlich nicht mehr aus dem heruntergekommenen
Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde herauskommt.
Obwohl Nelly Senff beim Grenzübergang den Westler Gerd Becker bei sich hat, welcher vorgibt,
sie im Westen heiraten zu wollen, werden sie und ihre Kinder stundenlang untersucht.
Nellys ganzer Körper wird abgesucht, zu gross ist die Gefahr, dass die ehemalige Chemikerin
wissenschaftliche Informationen in den Westen schmuggeln könnte und den Osten damit noch
stärker in den Rückstand geraten lassen würde. Nellys Kinder wird sogar die Unterwäsche
abgenommen – warum sollten die Ostler auch zulassen, dass der Westen an wertvolle Unterwäsche
aus dem Osten kam?!
Das Schlimmste aber sind die Befragungen, denn „[e]s [gibt] nur falsche Antworten.“ 63
Wenn diese Kontrollleute einem etwas in die Schuhe schieben wollen, dann schaffen sie das auch,
Nelly stellt sich mehrmals vor, wie diese Leute jemanden einfach verschwinden lassen könnten. Sie
beruhigt sich allerdings damit, dass sie Gerd bei sich hat, denn sie weiss, dass der Westen es nicht
einfach durchgehen liesse, wenn die Zukünftige eines Westlers von einem Verhör im Osten nicht
zurückkehren würde.
Die Protagonistin, deren jüdische Vorfahren den zweiten Weltkrieg überlebt haben – „Ihre Mutter
war Jüdin? […] War die berühmt?“ 64 – hat es auch bei ihrer Aufnahme ins Notaufnahmelager
Berlin-Marienfelde nicht leicht, da man ihren verstorbenen Geliebten für einen russischen Spion
hält, der eventuell doch nicht tot ist.
Sogar als sie das Aufnahmeverhör überstanden hat, scheinen die demütigenden Kontrollen kein
Ende nehmen zu wollen. „Welche Untersuchungen? Die medizinischen. In der ersten Woche.
Warum müssen die Ankommenden in Quarantäne, und wozu werden ihre Körperspuren in kleinen
Röhrchen festgehalten, wofür muss man Blutproben und Stuhlproben abgeben, warum werden die
Körper untersucht und vermessen? Welchem Zweck dienen diese Dinge, wenn nicht der
Demütigung?“ 65 Nachdem sie nun schon einiges mitgemacht hat, nur um in einem
63 Franck, Julia, Lagerfeuer, 4. Auflage Januar 2008, 2003, S. 12
64 Franck, Julia, Lagerfeuer, 4. Auflage Januar 2008, 2003, S. 19
65 Franck, Julia, Lagerfeuer, 4. Auflage Januar 2008, 2003, S. 233
Sandra Tanner, Klasse 6c, 2008 36