PDF-Datei - Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im ...
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M a t t h i a s H u g o t h<br />
Philosophie“ erfolgt nicht als Denk- und<br />
Gesprächsübung. Die Erkenntnisse und<br />
Einsichten, die gewonnenen Standpunkte<br />
schlagen sich <strong>im</strong>mer auch <strong>im</strong> Verhalten<br />
und Handeln der <strong>Kinder</strong> nieder. Werte<br />
haben nur Sinn, wenn sie sich in konkreten<br />
Lebensvollzügen umsetzen lassen; religiöse<br />
Überzeugungen werden nur glaubwürdig,<br />
wenn sie handlungsleitend sind und dem<br />
Leben eine Richtung geben. <strong>Kinder</strong> wollen<br />
wissen, was sie tun sollen, wenn sie von<br />
einem best<strong>im</strong>mten Wert - etwa dem Wert<br />
Freundschaft - überzeugt sind, was sie tun<br />
sollen, wenn sie daran glauben, dass Gott<br />
die Welt geschaffen und dem Menschen<br />
überantwortet hat, damit er gewissenhaft<br />
und gut mit ihr umgeht.<br />
Handlungsorientierung als ein Kennzeichen<br />
der Bildungsarbeit <strong>im</strong> Bereich „Ethik,<br />
Religion und Philosophie“ hat für die<br />
konzeptionelle Planung zur Folge, dass<br />
es die <strong>Kinder</strong> die Möglichkeit erhalten<br />
zu erproben, was daraus für das Verhalten<br />
und Handeln folgt, wenn sie sich für<br />
eine best<strong>im</strong>mten Wert entscheiden, wenn<br />
sie Aussagen des Glaubens übernehmen,<br />
wenn sie durch eigenes Nachdenken zu<br />
einem Standpunkt gelangt sind. Diese<br />
Erprobungsgelegenheiten sollten auch<br />
die Möglichkeit bieten, dass <strong>Kinder</strong> die<br />
Erfahrung machen, dass andere sich nicht<br />
an dieselben Werte halten wie sie, dass<br />
sie etwas anderes glauben, dass man sich<br />
irren kann. Sie sollten eine beruhigende, ermutigende<br />
Begleitung und Unterstützung<br />
ermöglichen, wenn <strong>Kinder</strong> sich korrigieren,<br />
etwas Neues ausprobieren, zwischen<br />
Verunsicherung und der Neugier auf etwas<br />
Neues einen Weg suchen.<br />
4. Mehrd<strong>im</strong>ensionale Bildungsarbeit<br />
Bei der Beschäftigung mit Themen aus dem<br />
Bereich „Ethik, Religion und Philosophie“<br />
gewinnen <strong>Kinder</strong> nicht nur Einsichten und<br />
Wissen, Orientierung und Handlungssicherheit.<br />
Bei dieser Beschäftigung sind<br />
viele weitere Fähigkeiten gefragt, die die<br />
<strong>Kinder</strong> entwickeln oder vertiefen müssen.<br />
Diese Fähigkeiten sind nicht das eigentliche<br />
Ziel der Beschäftigung mit ethischen,<br />
religiösen oder philosophischen Fragen.<br />
Aber die können einen wichtigen zusätzlichen<br />
Gewinn für die <strong>Kinder</strong> bringen, der<br />
von den Erzieherinnen gesehen und bei<br />
ihrer Bildungsarbeit mit den <strong>Kinder</strong>n<br />
berücksichtigt werden sollte. Gemeint ist<br />
der Erwerb und die Weiterentwicklung<br />
beispielsweise folgender Kompetenzen:<br />
Die sprachlichen und kommunikativen<br />
Kompetenzen - indem die <strong>Kinder</strong> Fragen<br />
stellen, sich auf die Formulierung möglicher<br />
Antworten einlassen, mit anderen ins<br />
Gespräch über die Themen kommen, üben<br />
sie das Sprechen, erweitern sie ihre Fähigkeiten,<br />
auf unterschiedliche Art und Weise<br />
über ein Thema zu reden (sie bereichern<br />
also das Spektrum ihrer Sprachspiele), und<br />
vergrößern sie ihren Wortschatz. Sie lernen<br />
neue Formen kennen, wie man sich mit<br />
anderen über ein Thema auseinandersetzen,<br />
streiten, einig werden, gegenseitig auf<br />
neue Ideen bringen und motivieren kann.<br />
Die Fähigkeiten zu abstrakteren und<br />
logischen Gedankengängen. Gerade die<br />
Themen aus dem Bereich „Ethik, Religion<br />
und Philosophie“ verlangen eine differenzierte<br />
gedankliche Beschäftigung, bei der<br />
sowohl die Fragen, die die <strong>Kinder</strong> stellen,<br />
als auch die Antworten und die daraus<br />
abgeleiteten Theorien einen durchaus beachtlichen<br />
Grad an Abstraktionsvermögen<br />
und an logischer Stringenz erfordern.<br />
Über das Woher und Wozu des Lebens<br />
nachzudenken und miteinander zu reden,<br />
über die Frage, was mit einem Menschen<br />
geschieht, wenn er gestorben ist, über die<br />
Frage, warum manche Menschen böse sind<br />
und anderen Leid antun, und über weitere<br />
Fragen dieser Art geht kein Kind mit<br />
einem kurzen Gedankengang hinweg, Es<br />
denkt in der Regel intensiv und <strong>im</strong>mer<br />
wieder nach, wägt verschiedene Erklärungsmöglichkeiten<br />
ab, zieht Schlussfolgerungen,<br />
sucht nach Argumenten, um diese<br />
dann anderen gegenüber zu vertreten.<br />
Kurz: an das Denkvermögen und an die<br />
Fähigkeit zu logischen Schlüssen werden<br />
bei manchen Themen aus dem Bereich<br />
„Ethik, Religion und Philosophie“ recht<br />
hohe Anforderungen gestellt.<br />
Die kreativ-künstlerischen und sinnlichen<br />
Fähigkeiten des Kindes können bei einer<br />
Beschäftigung mit ethischen, religiösen<br />
oder philosophischen Themen ebenfalls<br />
geschult und weiterentwickelt werden.<br />
Denn das Kind braucht Kreativität und<br />
Fantasie, um Lösungen zu finden und um<br />
die Lösungen, die andere anbieten, nachvollziehen<br />
zu können. Es braucht ein reges<br />
Vorstellungsvermögen, um beispielsweise<br />
Aussagen der Religion über Gott, den<br />
Menschen und die Welt nachvollziehen zu<br />
können. Es braucht sinnliche Fähigkeiten,<br />
um die Bilder, Symbole, Rituale, die Farben,<br />
Gerüche, Töne und Melodien aus der<br />
Welt der Religion erfassen zu können. Es<br />
braucht ein Körperbewusstsein und ein<br />
Körpergefühl, um sich bei religiösem oder<br />
wertorientiertem Verhalten bewegen, gut<br />
auftreten, mit körperlichen Haltungen und<br />
Ausdrucksweisen Standpunkte und Meinungen<br />
unterstreichen und bekräftigen zu<br />
können.<br />
Die Fähigkeiten zu Empathie und der<br />
Gestaltung von harmonischen und disharmonischen<br />
Beziehungen können ebenfalls<br />
bei der Behandlung von Themen aus dem<br />
Bereich „Ethik, Religion und Philosophie“<br />
erforderlich sein. Empathie beispielweise<br />
ist gefragt, wenn ein Kind ein andere<br />
Kind oder die Erzieherin verstehen will,<br />
wenn ihm oder ihr etwas sehr wichtig<br />
ist, wenn es oder sie von einer religiösen<br />
Vorstellung überzeigt ist, wenn überhaupt<br />
die Gefühle bei diesen Themen ins Spiel<br />
kommen. Das Kind will auch erproben, wie<br />
man es anstellt, wen man einem anderen<br />
Menschen bei einer Meinung zust<strong>im</strong>mt<br />
und dies dem anderen zeigen will; es will<br />
zudem die Fähigkeit erwerben und erweitern,<br />
wie man zeigt und in der Beziehung<br />
zu einem Menschen zum Ausdruck bringt,<br />
wenn man ganz anderer Meinung ist, wenn<br />
einem die Auffassung des anderen missfällt,<br />
wenn man sie für dumm, gefährlich,<br />
Angst machen, verrückt oder falsch hält.<br />
Wenn diese Mehrd<strong>im</strong>ensionalität der Bildungsarbeit<br />
<strong>im</strong> Bereich „Ethik, Religion<br />
und Philosophie“ in einer Einrichtung<br />
zur Geltung kommen soll, wenn man also<br />
die Chancen nutzen will, die sich für die<br />
Entwicklung und Entfaltung von unterschiedlichen<br />
Kompetenzen der <strong>Kinder</strong> hier<br />
ergeben, dann muss die Erzieherin in den<br />
pädagogischen Situationen darauf achten,<br />
welche Seiten neben den inhaltlichen be<strong>im</strong><br />
Kind jeweils zusätzlich angesprochen sind,<br />
wo eine Förderung und Unterstützung erfolgen<br />
kann. Konzeptionell schlägt sich<br />
eine solche Überlegung darin nieder, dass<br />
diese Nebeneffekte bei der Formulierung<br />
10 Kompakt spezial 1/2010