PDF-Datei - Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im ...
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M a t t h i a s H u g o t h<br />
Erläuterung: Eine Diskussion des Falls<br />
ergibt, dass die Familie die Tagesstätte<br />
offenbar nur notgedrungen und mangels<br />
ortsnaher Alternative gewählt hat. Grundsätzliche<br />
Vorbehalte seitens der Familie<br />
sind wahrscheinlich. Gesprächsversuche<br />
zum Thema sind <strong>im</strong> Sande verlaufen.<br />
Ergebnis: Die islamische Glaubenslehre<br />
bietet keinen erkennbaren Anhaltspunkt<br />
für die Haltung der Familie. Ob individuelle<br />
religiöse Überzeugungen oder andere<br />
konkrete (!) Sachverhalte der Beschwerde<br />
zugrunde liegen, bleibt letztlich ungeklärt.<br />
Das Beispiel zeigt, dass manche Fragen<br />
nicht befriedigend zu beantworten sind.<br />
Teilnahme an Krippenspielen und<br />
anderen Aufführungen zu religiösen<br />
Themen<br />
Sachverhalt: Es besteht Unsicherheit, ob<br />
musl<strong>im</strong>ische <strong>Kinder</strong> an Aufführungen mit<br />
christlicher Themenstellung teilnehmen<br />
können. Die Erfahrungen der Erzieherinnen<br />
sind widersprüchlich.<br />
Frage: Ist es aus christlicher/islamischer<br />
Sicht statthaft, dass musl<strong>im</strong>ische <strong>Kinder</strong><br />
an solchen Aufführungen teilnehmen?<br />
Erläuterungen: Aus theologischer Sicht<br />
ist die Teilnahme an Theateraufführungen<br />
erlaubt, da es sich nicht um liturgisches<br />
Geschehen handelt. Trotzdem kann es<br />
<strong>im</strong> religiösen Empfinden mancher musl<strong>im</strong>ischer<br />
Eltern eine Grenzüberschreitung<br />
darstellen. Für die Entscheidung<br />
zugunsten oder gegen eine Teilnahme an<br />
Krippenspielen o.ä. sollte <strong>im</strong> Vorfeld mit<br />
den Eltern ein Gespräch über die Inhalte,<br />
aber auch über die religiöse Einordnung<br />
einer solchen Veranstaltung geführt werden.<br />
Erst <strong>im</strong> Nachgang kann mit den <strong>Kinder</strong>n<br />
über eventuelle Rollenbesetzungen<br />
gesprochen werden. Wenn eine Teilnahme<br />
von den Eltern abgelehnt wird, empfiehlt<br />
sich eine einvernehmliche Sprachregelung<br />
hinsichtlich der Begründung. Um die <strong>Kinder</strong><br />
dennoch nicht gänzlich auszuschließen,<br />
können sie eventuell in die Vorbereitung<br />
der Bühne, das Basteln von Kostümen o.ä.<br />
einbezogen werden. In jedem Fall ist der<br />
Elternwille zu respektieren und steht nicht<br />
<strong>im</strong> Widerspruch zum christlichen Profil<br />
einer Einrichtung.<br />
Ergebnis: Persönliche Glaubensüberzeugungen<br />
sind für die Erziehungsvorstellungen<br />
ausschlaggebend. Sie dürfen<br />
nicht einfach ignoriert werden, selbst wenn<br />
sie weniger „offen“ sind als theologische<br />
Richtlinien. Unsicherheiten lassen sich<br />
häufig durch sachliche Gespräche beseitigen,<br />
zu denen religionskundige Vertrauenspersonen<br />
der Eltern hinzugezogen<br />
werden können.<br />
<strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen als Lernorte des Glaubens<br />
für <strong>Kinder</strong> und für Erwachsene –<br />
Was heißt das eigentlich?<br />
p r o f . d r . M a t t h i a s H u g o t h , k a t h . f a c h h o c h s c h u l e f r e i b u r g<br />
Dass in <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen gelernt<br />
wird, ist eine Binsenweisheit. Die <strong>Kinder</strong><br />
lernen täglich Neues. Ganz aus sich heraus,<br />
weil sie neugierig auf die vielen Dinge sind,<br />
die es in der Welt zu entdecken gibt, weil<br />
sie begreifen, Zusammenhänge verstehen,<br />
hinter die Sachen schauen wollen. Und<br />
sie lernen, weil sie von den Erzieherinnen<br />
<strong>im</strong>merfort dazu angeregt und motiviert<br />
werden. Sie lernen schließlich auch durch<br />
die anderen <strong>Kinder</strong>, wenn diese erzählen,<br />
was sie beobachtet und erlebt haben, wenn<br />
diese Fragen stellen und alle mitsamt der<br />
Erzieherin eine Antwort suchen, wenn sie<br />
ihre Ansichten mitteilen und ihre Theorien,<br />
die sie zu diesen und jenen Themen<br />
entwickelt haben.<br />
Das alles ist in tausend Büchern hinreichend<br />
beschrieben und illustriert worden<br />
und muss deshalb hier nicht vertieft<br />
werden. Außerdem können Erzieherinnen<br />
dazu ausgiebig aus eigener Erfahrung berichten.<br />
Dass <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen<br />
„Lernorte“ sind - wer wollte das bezweifeln?<br />
Doch st<strong>im</strong>mt das auch für das Themenfeld<br />
Religion? Und: Lernen hier nur<br />
<strong>Kinder</strong>, oder sind Kitas auch Lernorte<br />
für Erwachsene, vielleicht sogar für die<br />
Erzieherinnen?<br />
Auch diese Fragen dürften viele Erzieherinnen<br />
spontan mit einem klaren Ja<br />
beantworten: <strong>Kinder</strong> wollen alles wissen<br />
und begreifen, was in der Welt vorfindbare<br />
ist und zum Leben der Menschen zu<br />
gehören scheint. Warum sollte man ihnen<br />
die Welt der Religion vorenthalten? Und<br />
dann wissen Erzieherinnen zu gut - und<br />
die meisten geben es auch zu: Wir lernen<br />
natürlich auch von unseren <strong>Kinder</strong>n. Denn<br />
ihre Fragen, ihre Beobachtungen und Entdeckungen<br />
und die Art und Weise, wie<br />
sie sich die Welt erklären, verblüfft uns<br />
<strong>im</strong>mer wieder und lässt uns manchmal die<br />
Dinge auf eine Art und Weise betrachten,<br />
die uns bisher noch gar nicht in den Sinn<br />
gekommen ist.<br />
Wenn man allerdings in den pädagogischen<br />
Alltag mancher Kita hineinschaut, dann ist<br />
von diesen Einsichten der Erzieherinnen<br />
oft nicht viel zu spüren: Religion als Lern-<br />
Kompakt spezial 1/2010 41