KreisLauf-Magazin Ausgabe Oktober 2013
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<strong>KreisLauf</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
im September waren wir sowohl auf<br />
der Landes- als auch auf der Bundesebene<br />
aufgefordert zu wählen. Und das große<br />
Thema im zurückliegenden Wahlkampf<br />
war Gerechtigkeit. Auf den vielen hundert<br />
Wahlplakaten war da von Bildungs-,<br />
Chancen-, Geschlechter-, Leistungs- und<br />
sozialer Gerechtigkeit zu lesen. Vom äußeren<br />
rechten bis zum äußeren linken Flügel<br />
proklamierte jede politische Gruppierung<br />
zu wissen, was Gerechtigkeit ist und wie<br />
Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft hergestellt<br />
werden kann.<br />
Unterschiedliche Ansichten<br />
zum Thema Gerechtigkeit<br />
Für uns Bürger stellte (und stellt sich<br />
weiterhin) also die Frage, ob es sozusagen<br />
die eine, wahre Gerechtigkeit<br />
wirklich gibt.<br />
Gleichzeitig denken wir<br />
darüber nach, auf welchen<br />
Werteinsichten<br />
und ethischen Überlegungen<br />
unser eigenes<br />
Gerechtigkeitsempfinden<br />
beruht. Dass<br />
es unterschiedliche<br />
Ansichten über Gerechtigkeit<br />
gibt, kennen wir<br />
aus unserem Alltag. Da<br />
betrachtet mein Gesprächspartner<br />
einen<br />
Zustand oder Vorgang als gerecht, den<br />
ich als ungerecht empfinde. Das passiert<br />
uns doch ständig. Ob in der Familie, am<br />
Arbeitsplatz, im Vereinsleben oder im politischen<br />
Diskurs, die Meinungen über das<br />
Thema Gerechtigkeit gehen häufig weit<br />
auseinander und die Positionen stehen<br />
nicht selten unversöhnlich gegenüber. Oft<br />
gehen wir im Streit auseinander, weil wir<br />
uns gemeinsam nicht darüber verständigen<br />
konnten, was gerecht ist.<br />
Aus Wissen wird Ge-Wissen<br />
Aber auch unser eigenes Gerechtigkeitsempfinden<br />
ist Schwankungen unterworfen.<br />
Als Kinder und Jugendliche<br />
schätzten wir Vorgänge als ungerecht<br />
ein, die wir heute als gerecht bezeichnen.<br />
Und mit der Übernahme von Verantwortung<br />
oder Funktionen, die wir in unserer<br />
Gesellschaft ausüben, hat sich unsere<br />
Ansicht darüber, was eben gerecht oder<br />
ungerecht ist, ebenfalls verändert. Das<br />
hat nichts damit zu tun, dass wir unberechenbar<br />
nach dem Motto: „Heute so,<br />
morgen ganz anders“ verfahren, sondern<br />
mit der Tatsache, dass wir uns stetig<br />
weiterentwickeln und neue Erkenntnisse<br />
und Lebenserfahrungen in unser Gerechtigkeitsempfinden<br />
mit einfließen lassen.<br />
Unsere Wertvorstellungen und damit unser<br />
Gewissen werden dadurch gefestigt.<br />
Bestimmt Mehrheit<br />
über Gerechtigkeit ?<br />
Wir kennen auch Situationen, in denen<br />
eine Mehrheit darüber entscheidet,<br />
was in einer konkreten Situation „gerecht“<br />
ist. Aber auch solche Mehrheitsbeschlüsse<br />
können uns nicht davon abhalten,<br />
dass wir anderer Meinung sind<br />
und manche Dinge eben als ungerecht<br />
empfinden. Gerechtigkeit lässt sich also<br />
auch nicht über ein Mehrheitsvotum bestimmen<br />
oder gar verordnen. Und manche<br />
Sachen sind vielleicht wahr oder gerecht,<br />
die von einer Mehrheit abgelehnt<br />
werden. Ein besonderes Kriterium von<br />
Gerechtigkeit ist nämlich, dass sie den<br />
Missbrauch von Macht kontrolliert.<br />
Gerechtfertigtes Handeln<br />
Vielleicht ergibt sich aber auch Gerechtigkeit<br />
ganz automatisch aus einer<br />
Grundhaltung, mit der wir ganz persönlich<br />
unserem Mitmenschen gegenübertreten.<br />
Jeder von uns ist durch sein Handeln<br />
seinem Mitmenschen verpflichtet. Das<br />
bedeutet, dass wir unsere Handlungen<br />
verständlich machen müssen. Dies geschieht<br />
am Besten in einer Art und Weise,<br />
dass unser Handeln jederzeit<br />
„gerechtfertigt“<br />
ist, also von unseren<br />
Mitmenschen nicht nur<br />
akzeptiert, sondern<br />
idealerweise als zustimmungswürdig<br />
erachtet<br />
wird. Wir handeln also<br />
„gerecht“, wenn wir<br />
bereit sind, unser Handeln<br />
an bestimmten<br />
ethischen Maßstäben<br />
und gesellschaftlichen<br />
Vorstellungen messen<br />
zu lassen. Somit ist gewährleistet,<br />
dass wir nicht ausschließlich<br />
nach egoistischen, ichbezogenen Motiven<br />
handeln, sondern immer auch das Wohl<br />
der Mitmenschen im Blick haben.<br />
Wer nicht hilft, verhält<br />
sich ungerecht<br />
Jeder Einzelne von uns kann zum<br />
Aufbau einer gerechten Ordnung beitragen,<br />
bei der auch die Bedürfnisse<br />
armer, kranker, alter und entrechteter<br />
Menschen berücksichtigt werden. Eine<br />
Grundüberzeugung ist dabei, dass denjenigen<br />
Menschen, die sich selbst nicht<br />
helfen können, geholfen werden muss -<br />
und dass es dabei eben nicht ungerecht<br />
ist, von den stärkeren Mitgliedern der<br />
Gesellschaft etwas abzuverlangen und<br />
einzufordern. Dementsprechend ist es<br />
auch logisch, dass „unterlassene Hilfeleistung“<br />
in unserem Rechtsstaat unter<br />
Strafe steht, weil das ganz einfach ungerecht<br />
ist.<br />
Notlagen ausbeuten<br />
Gerechtigkeit ist also auch ein Stück<br />
persönliche Bereitschaft, seine eigenen<br />
Wünsche dann hinten anzustellen, wenn<br />
andere Menschen in Not sind oder in Leid<br />
verharren. Umgekehrt ist es eine der größten<br />
Ungerechtigkeiten, wenn Notlagen<br />
anderer Menschen ausgenutzt werden.<br />
Also können wir uns auch so der Gerechtigkeit<br />
nähern, indem wir festhalten,<br />
was wir auf keinem Fall tun dürfen, weil<br />
es ungerecht ist. Dafür haben wir alle ein<br />
gutes Gespür. Und was wir als ungerecht<br />
empfinden, sollten wir eben auch unseren<br />
Mitmenschen nicht zumuten.<br />
Ihr<br />
Michael Thiem<br />
Das nehmen wir<br />
Ihnen ab!<br />
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