„Wer würde denn den Hochzeitsturm schleifen ... - Zfd-online.net
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BRIEFE AN DIE REDAKTION II<br />
Modernisierung völkischen und rassistischen Denkens<br />
Für die doppelte Staatsbürgerschaft<br />
Wenn plötzlich alle fordern, was ohnehin<br />
schon lange selbstverständlich sein sollte,<br />
so könne doch nur etwas faul sein. – Einige<br />
kritische ZeitgenossInnen reagieren auf das<br />
plötzlich vieldiskutierte Thema der doppelten<br />
Staatsbürgerschaft mit Skepsis. Als Antwort<br />
auf die Solinger Morde und die Folgeanschläge<br />
sei dies verfehlt; die Wurzeln des<br />
rassistischen Verhaltens wür<strong>den</strong> dadurch<br />
nicht berührt; es erfolge lediglich eine Umbenennung,<br />
mit der kein einziges gesellschaftliches<br />
Problem gelöst werde … so und ähnlich<br />
lauten die Argumente. Sie sind nicht von<br />
der Hand zu weisen, aber sie verfehlen die<br />
Ebene, auf der die Forderung der doppelten<br />
Staatsbürgerschaft trotzdem Sinn macht.<br />
Denn sie wäre zuerst und vor allem eine Einrichtung<br />
auf der Ebene der politischen Institutionen:<br />
die Anerkennung der seit langem<br />
hier leben<strong>den</strong> „AusländerInnen“ und ihrer<br />
Kinder als gleichberechtigte BürgerInnen.<br />
Die doppelte Staatsbürgerschaft ist kein Mittel,<br />
gesellschaftliche Stimmungen oder<br />
Bewußtseinslagen zu verändern, sie wird für<br />
sich genommen auch keine rassistischen<br />
AStA der FH: „Uns reicht’s“<br />
Wir haben es satt, immer wieder die heuchlerischen<br />
Mitleidsbekundungen zu hören! Wir<br />
haben es satt, immer die gleiche Lüge als<br />
Entschuldigung zu hören, daß diese faschistischen<br />
Anschläge nur Taten von irregeführten,<br />
milieugeschädigten Jugendlichen<br />
seien. Eine Lüge, die uns vorgaukelt, es sei<br />
Zufall, daß soviele Attentate hintereinander<br />
passieren. Eine Lüge, die verschleiert, daß<br />
alles ein organisierter Schritt der Faschisten<br />
ist, die ihren Erfolg (Abschaffung des Asylrechts)<br />
ausbauen wollen. Politische Morde<br />
wer<strong>den</strong> als psychosoziale Wutausbrüche<br />
verharmlost.<br />
Gleichzeitig aber wird von Parteien und<br />
Medien weiter Hetze gegen Flüchtlinge und<br />
MigrantInnen gemacht. Die Politiker haben<br />
durch die volksgemeinschaftliche Geschlossenheit<br />
im Bundestag ein fundamentales<br />
Grund- und Menschenrecht abgeschafft und<br />
somit <strong>den</strong> Ansporn für die jüngsten faschistischen<br />
Angriffe geliefert. Sie sind mitverantwortlich<br />
für alles, was hier passiert, doch<br />
haben sie noch viele andere Menschen auf<br />
dem Gewissen: Die Abgeschobenen, die in<br />
ihrer Heimat gefoltert und ermordet wer<strong>den</strong><br />
oder durch die wirtschaftliche Misere und<br />
Kriege, die dieses Land mitverursacht, krepieren<br />
müssen.<br />
Was wird gegen all das unternommen? Was<br />
ist seitens der Regieren<strong>den</strong> und des Staates<br />
zu erwarten?<br />
Seit Hoyerswerda wur<strong>den</strong> ganze drei militante<br />
faschistische Organisationen von über<br />
siebzig verboten und zwar mit Vorankündigung<br />
über die Medien! Weiterhin wur<strong>den</strong><br />
zwei bekannten Persönlichkeiten der rechtsextremen<br />
Szene die Bürgerrechte entzogen.<br />
Nach Mölln wur<strong>den</strong> bewußt ’zig Anschläge<br />
verschwiegen und bagatellisiert. Mit der<br />
„ausländerfreundlichen“ Allparteien-Demo<br />
in Berlin und <strong>den</strong> Lichterketteninszenierungen<br />
wurde der „gute“ Deutsche mit der<br />
demokratischen Gesinnung vorgeführt. Mit<br />
der Abschaffung des Asylrechts sollte dem<br />
„verständlichen Druck der Straße “ (d.h. <strong>den</strong><br />
Faschisten) entgegengewirkt wer<strong>den</strong>.<br />
Ist mit diesen Leuten, selbst falls sie alle<br />
nationalistischen Organisationen verböten,<br />
irgendwas zu bewirken?<br />
Im Gegensatz dazu wur<strong>den</strong> viele AntifaschistInnen<br />
beim Versuch, Asylbewerberheime<br />
Gewalttaten verhindern („weil im Ernstfall ja<br />
doch niemand nach dem Paß fragt“). Das<br />
alles spricht nicht gegen eine neue Regelung<br />
der Staatsbürgerschaft, aber gegen manche<br />
Argumente, mit der die Diskussion um sie<br />
geführt wird. Dabei stehen bisher auch bei<br />
BefürworterInnen meist nur die Bedürfnisse<br />
der Deutschen im Vordergrund: die eigene<br />
Selbstachtung, der diese Geste jetzt geschuldet<br />
ist; die Demonstration des eigenen guten<br />
Willens; der Versuch, das Bild der Deutschen<br />
im Ausland zu retten, etc.<br />
Aufklärung statt Abklärung<br />
Damit wird die politische Dimension dieser<br />
rechtlichen Veränderung nicht begriffen. Ein<br />
weiteres Hindernis ist die inzwischen allzu<br />
übliche Vorstellung, die Menschen existierten<br />
nur in verschie<strong>den</strong>en, in sich homogenen<br />
Ethnien und Kulturen, ein Gedanke, der sich<br />
vielleicht aus der Diskussion der multikulturellen<br />
Gesellschaft heraus verselbständigt<br />
hat. Dort wird die Feststellung getroffen, daß<br />
hierzulande bereits Menschen ganz verschie<strong>den</strong>er<br />
Kulturen leben, verbun<strong>den</strong> mit der Forderung,<br />
sie in ihrer Andersartigkeit zu ach-<br />
Wir wer<strong>den</strong> keine völkisch-nationalistische Verbindungen dul<strong>den</strong><br />
Um dieses Bild in der ZD nicht mehr sehen zu müssen.<br />
zu schützen oder Faschistentreffen zu verhindern,<br />
übelst geschlagen, verhaftet und<br />
angeklagt. Ganz zu schweigen von der Justiz,<br />
die nicht nur auf dem rechten Auge blind ist,<br />
sondern auch besonders laut <strong>den</strong> Medienund<br />
Regierungschor mitsingt: „links ist wie<br />
rechts.“<br />
Berührungsängste mit <strong>den</strong> AntifaschistInnen<br />
haben jedoch auch viele demokratische Bürger.<br />
Sie fin<strong>den</strong> das Mor<strong>den</strong> unmöglich, doch<br />
unmöglich fin<strong>den</strong> sie auch die Forderungen<br />
der AusländerInnen nach Rechten. Genauso<br />
verurteilen sie deren Selbstverteidigung.<br />
Ihrer Meinung nach sind die Faschisten ein<br />
Problem, das zu lösen ist; doch bitte nicht so<br />
politisch, nicht so entschie<strong>den</strong>.<br />
Aber Solingen ist nicht Mölln!<br />
Die meisten der hunderttausend DemonstrantInnen<br />
nach Mölln bleiben jetzt zu Hause.<br />
„Was können wir mehr tun als auf die<br />
Straße zu gehen? Und was haben wir schon<br />
gemacht?“ Andere, vor allem Jugendliche,<br />
sind sich klar darüber: Von <strong>den</strong> Schreibtischtätern<br />
in Bonn und anderswo ist nur<br />
noch Schlimmeres zu erwarten. Sie wollen<br />
handeln, sie wollen <strong>den</strong> Tätern keine Opfer<br />
mehr bieten. Und schon ist das Lager<br />
gespalten. Für die Clique Medien, Regierende,<br />
große Parteien ein gefun<strong>den</strong>es Fressen.<br />
Die beunruhigten Bürger wer<strong>den</strong> in Demokraten<br />
und in gewalttätige mutmaßliche Terroristen<br />
geteilt. Doch das Thema ist nicht<br />
„mit oder ohne Gewalt“ gegen die Faschisierung,<br />
sondern „entschie<strong>den</strong> dagegen oder<br />
nicht!“<br />
Wir, die zu dieser Resolution stehen, wer<strong>den</strong><br />
jede(n), der auf Hochschulebene in irgendeiner<br />
Art auch nur Sympathie zu nationalistischen,<br />
rassistischen Inhalten oder Aktionen<br />
zeigt, isolieren. Zum Beispiel Vereine wie der<br />
„Bund gegen Anpassung“ oder das „Schiller-<br />
Institut“ wie auch diverse reaktionäre, völkisch-nationalistische<br />
Verbindungen wer<strong>den</strong><br />
wir hier nicht dul<strong>den</strong>. Dazu fordern wir die<br />
Hochschulverwaltung auf, ihnen die Genehmigung<br />
zu verwehren und sich nicht schützend<br />
vor sie zu stellen.<br />
Es muß jegliche Aktivität, ob Treffen, Feier,<br />
Kandidatur etc. faschistischer Organisationen<br />
in Darmstadt und Umgebung mit allen<br />
Mitteln verhindert wer<strong>den</strong>.<br />
AStA der Fachhochschule Darmstadt<br />
Bitte rufen Sie mich doch an, wenn wieder so ein Fall<br />
ansteht. Ich möchte doch nicht in der ersten Reihe sitzen.<br />
Auch ein Schwarzfahrer. Telefon 7 57 24<br />
ten. Das ist notwendig und richtig. Aber es<br />
kann nicht angehen, aus dieser Andersartigkeit<br />
ein ideologisches Monstrum zu machen,<br />
in dessen Bann uns der Gedanke schon gar<br />
nicht mehr in <strong>den</strong> Sinn kommt, daß Menschen<br />
auf einer bestimmten Ebene auch Gleiche<br />
sind.<br />
Gegen diese simple Abstraktion aufklärerischen<br />
Denkens scheint heute eine Übermacht<br />
der unmittelbaren Wahrnehmung von<br />
Verschie<strong>den</strong>heit zu stehen, die offenbar auch<br />
bequem ist, weil sie vorweg Grenzen setzt<br />
und Begegnung und Auseinandersetzung<br />
erst gar nicht in Betracht zieht. Die Vorstellung<br />
in sich homogener Ethnien und Kulturen,<br />
die sich weder austauschen noch durch<br />
vielfältige gegenseitige Einflüsse verändern<br />
ist realitätsfremd, aber nichtsdestoweniger<br />
wirksam. Wird dies als für sich bestehende<br />
Grundtatsache aufgefaßt, so scheint ihr auch<br />
politisch Rechnung getragen wer<strong>den</strong> zu<br />
müssen. Argumente für ein verändertes<br />
Staatsbürgerrecht sind dann auch kaum<br />
noch zu fin<strong>den</strong>. Immerhin, mit linkem Selbstverständnis<br />
ist man eben dafür, auch wenn<br />
man auch in multikultureller Abgeklärtheit so<br />
seine Be<strong>den</strong>ken hat.<br />
Neue und alte Blocka<strong>den</strong><br />
Wer nicht dafür ist, hat auf diese Weise erst<br />
recht „Argumente“. Doch leider entsprechen<br />
sie nur zu genau ideologischen Postulaten,<br />
die neu-rechte Intellektuelle hervorgebracht<br />
haben: Indem sie auf ein „Recht auf Verschie<strong>den</strong>heit“<br />
pochen, fordern sie auch, verschie<strong>den</strong>e<br />
Kulturen nicht zu vermischen,<br />
<strong><strong>den</strong>n</strong> erst Vermischung produziere Aggression<br />
und Konflikte. Daß die in diesem Lager<br />
bewußt vorgenommene Modernisierung völkischen<br />
und rassistischen Denkens mit der<br />
gesellschaftlichen Normalisierung dieser<br />
Auffassungen inzwischen so breiten Erfolg<br />
hat, ist mehr als be<strong>den</strong>klich. Von <strong>den</strong> Verständnisbekundungen<br />
für die Brandstifter<br />
von Rostock und einigen Begründungen der<br />
Asylrechtsänderung bis hin zu Augsteins<br />
Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft<br />
dürfte dieses Phänomen inzwischen sattsam<br />
bekannt sein.<br />
Mit dem gelten<strong>den</strong>, an „Blut“, d.h. an<br />
Abstammung gebun<strong>den</strong>en deutschen<br />
Staatsangehörigkeitsrecht leistet man sich<br />
solche Schnörkel nicht. Wer „deutsches<br />
Egozentrisch, frustriert und verkrampft?<br />
Eine Abo-Kündigung, ihr Grund und eine engagierte Antwort<br />
Nach einem Vierteljahr „Zeitung für Darmstadt“<br />
im Abonnement möchte ich – symbolisch<br />
und rechtzeitig – zum nächstmöglichen<br />
Zeitpunkt kündigen.<br />
Warum? Mit jeder Ausgabe werde ich unzufrie<strong>den</strong>er<br />
mit dem Gebotenen. Zieht man die<br />
Anzeigen und <strong>den</strong> Terminkalender ab (da reichen<br />
mir die „Klappe“ und die „darmstädter<br />
nachrichten“), und läßt man die Parteien-<br />
Standpunkte links (bzw. rechts) liegen, so<br />
reduziert sich das Redaktionelle größtenteils<br />
auf die folgen<strong>den</strong> Hieb- und Stichworte: egozentrisch,<br />
frustriert und verkrampft.<br />
Anspruch und Wirklichkeit – was die Darmstädter<br />
Presselandschaft beleben sollte, verliert<br />
(gefällt?) sich in pseudorevolutionärer<br />
Aufgeregtheit und riecht sehr nach querulantiger<br />
Ein-Mann-Show (mit Pseudonym/en).<br />
Wenigstens die Karikaturen haben Qualität,<br />
das Layout ist allerdings unsäglich bieder –<br />
ZD experimentell?<br />
Insgesamt hat das Stu<strong>den</strong>ten-Zeitungs-<br />
Niveau, was sich vielleicht auch ein wenig<br />
auf die (noch) unbedeutende (verkaufte!)<br />
Auflage auswirkt?!<br />
Jürgen Müller-Stephan<br />
Sehr geehrter Herr Müller-Stephan,<br />
Ihre Abonnement-Kündigung ist ab sofort<br />
verzeich<strong>net</strong> und gleichzeitig eine Sperre registriert.<br />
Sie sind unser achter Abonnent, der<br />
dieses Jahr gekündigt hat, als einziger mit<br />
Begründung, deshalb setzen wir uns öffentlich<br />
mit Ihren Argumenten auseinander.<br />
Die Republik kennt viele, allzuviele Schlafmützen,<br />
die lediglich noch mit ihrer Unzufrie<strong>den</strong>heit<br />
zu Markte ziehen können. Ansonsten<br />
bleibt ihren Hirnen das Lesen von Kauf-Angebots-Bildchen<br />
vorbehalten – vom Denken<br />
ganz zu schweigen – siehe „Klappe“.<br />
Aus genau dem besagten Grunde kommen<br />
dann psychologisierende Argumente, die zwar<br />
Rationalität suggerieren sollen, aber lediglich<br />
Spiegel für geistige Unbekleckertheit sind.<br />
Blut“ nicht vorweisen kann, der soll sich<br />
wenigstens klar für Deutschland entschei<strong>den</strong><br />
und anpassen. Daß dies an der Situation der<br />
hier leben<strong>den</strong> AusländerInnen vorbeigeht, ist<br />
schon oft genug gesagt wor<strong>den</strong>. Wenn sie<br />
zunehmend befürchten müssen, Opfer von<br />
Terror und Gewalt zu wer<strong>den</strong>, wird die Aufforderung<br />
zu einer eindeutigen Entscheidung<br />
noch fragwürdiger.<br />
Gleichheit ohne Angleichung<br />
Ein gegenüber „Inhalten“ wie Rasse, Blut<br />
und Volk formalisiertes republikanisches<br />
Staatsbürgerrecht wäre auch für die Gegebenheiten<br />
einer de facto multikulturellen<br />
Gesellschaft offen. Mit einem formalen Bürgerstatus<br />
ist Assimilation ebenso möglich<br />
wie die Pflege oder <strong>den</strong> Rückzug auf ein<br />
anderes kulturelles Erbe und alle möglichen<br />
Lebensweisen und alle möglichen Lebensweisen<br />
und Begegnungsformen dazwischen.<br />
Offensichtlich ist, daß auf der politischen<br />
Ebene weiter Regelungen getroffen wer<strong>den</strong><br />
müßten, um die Möglichkeit tatsächlicher<br />
Integration zu eröffnen, wie auch die Sicherheit<br />
an Leib und Leben zu garantieren. Dazu<br />
gehören ein Antidiskriminierungsgesetz, die<br />
Förderung interkultureller Begegnungen,<br />
aber auch die Einstellung von Ausländern in<br />
<strong>den</strong> Polizeidienst. Wie sehr diese Möglichkeiten<br />
dann wahrgenommen wer<strong>den</strong>, bleibt<br />
unumgänglich eine Angelegenheit der einzelnen<br />
Betroffenen. Daß die Deutschen dabei<br />
genauso neue Anstöße erhalten können wie<br />
die Zugewanderten, sollte eigentlich nicht<br />
eigens erwähnt wer<strong>den</strong> müssen. Das gilt<br />
auch für die Tatsache, daß Konfliktpotentiale<br />
– wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen<br />
auch – niemals durch theoretische Harmoniesucht<br />
aufgelöst wer<strong>den</strong> können. Um<br />
Konflikte demokratisch auszutragen, kann<br />
die abgesicherte Gleichberechtigung aller<br />
Beteiligten aber nur förderlich sein.<br />
Ob und wie aber die Deutschen und die sogenannten<br />
Ausländer miteinander und nicht<br />
nur nebeneinander leben, bleibt eine Angelegenheit<br />
alltäglichen Verhalten, Re<strong>den</strong>s und<br />
Handelns für alle Seiten, die weder durch<br />
Trauer- und Protestkundgebungen noch<br />
durch politische Willensbildung ersetzt wer<strong>den</strong><br />
kann.<br />
Brigitte Gotthold<br />
Ist es <strong><strong>den</strong>n</strong> wirklich so schwer, neben dem verbrannten<br />
Ideal einer unerfüllbaren Objektivität<br />
verschie<strong>den</strong>e Wirklichkeiten zu erkennen?<br />
„Egozentrisch“: Hätten Sie selbst auch nur<br />
einmal Ihre treffsichere Urteilskraft verwandt,<br />
um informierend oder meinungsbil<strong>den</strong>d<br />
an die Öffentlichkeit zu treten – der mir<br />
unterschobene Egozentrismus wäre schon<br />
wieder um Ihren Standpunkt relativiert wor<strong>den</strong>.<br />
„Frustriert“: Den Wissenschaften sei Dank,<br />
daß wir dieses Vokabular zu unserem Arsenal<br />
zählen dürfen, <strong><strong>den</strong>n</strong> wie sonst sollten wir<br />
schwachbrüstige Vorurteile noch in Worte<br />
fassen? Wenn Sie auch nur ein einziges Mal<br />
ein Stück unseres Kampfgeistes in natura erlebt<br />
hätten, wür<strong>den</strong> Sie ob Ihrer Zeilen<br />
schamrot wer<strong>den</strong>.<br />
„Verkrampft“: Dieser Begriff kommt aus dem<br />
Medizinischen und soll wohl so etwas suggerieren<br />
wie geistige Starrheit, sprich festgefahrenen<br />
Standpunkt etc; am besten probieren<br />
Sie sich noch einmal im Lesen-Lernen.<br />
Danach dürfen Sie wieder in Korrespon<strong>den</strong>z<br />
mit mir treten.<br />
Angelegentlich Ihres in der ZD ersten publizistischen<br />
Auftretens müssen Sie sich ernsthaft<br />
der Frage unterziehen, was Sie unter revolutionär<br />
verstehen und daraus folgend,<br />
was für Sie „pseudorevolutionär“ ist. (Wo<br />
haben Sie die Worte bloß aufgepickt?) Sie<br />
ein Marxist? Wohl kaum, <strong><strong>den</strong>n</strong> wer von<br />
„Querulantentum“ dort spricht, wo ihm alle<br />
Argumente fehlen, gehört in die verstaubte<br />
Ecke des stockschlagen<strong>den</strong> wilhelminischen<br />
Oberlehrers (mit seinen Vorurteilen für die<br />
deutsche Rasse), der durch Prügel Disziplin<br />
erzwingen will.<br />
Daß für Sie aus Ihrer argument- und anspruchlosen<br />
Wirklichkeitsbetrachtung des<br />
Psychologisierens heraus, die Wirklichkeiten<br />
selbst verloren gehen und Wahrnehmungsdefizite<br />
greifen, stellen Sie plastisch bildhaft<br />
mit dem Begriff der „Ein-Mann-Show“ dar,<br />
das typisch deutsch-englische Vokabular der<br />
Nummer 51 · 25.6.1993 · Seite 14<br />
„Massenselbstmord<br />
auch in der<br />
BRD möglich“<br />
„Universelles Leben“<br />
lehnt jegliche Gewalt ab<br />
Da sind sie wieder, die selbsternannten<br />
Experten und Sektenjäger, die im Gewande<br />
der honorigen Pfarrer die unliebsame „Konkurrenz“<br />
bekämpfen, wie weiland die Inquisitoren.<br />
Daß freilich Pfarrer Behnk, der vor<br />
knapp zwei Jahren mit der Vorgabe antrat,<br />
<strong>den</strong> Dialog zu fördern, nun in völlig unsachlicher<br />
Weise die Tragödie in Texas dazu verwendet,<br />
ausgerech<strong>net</strong> die Urchristen im Universellen<br />
Leben anzuschwärzen, das mag<br />
doch etwas verwundern. Wer diese Gruppierung<br />
kennt, der weiß, daß ein Selbstmord<br />
(der übrigens in Texas noch längst nicht<br />
nachgewiesen ist) für diese Menschen völlig<br />
un<strong>den</strong>kbar wäre, da sie – im Gegensatz zu<br />
<strong>den</strong> Institutionen Kirche – jegliche Gewalt<br />
ablehnen, gleich, ob gegen sich selbst oder<br />
gegen andere. Was Herrn Behnk nun selbst<br />
betrifft: Wer Menschen, die er gar nicht<br />
kennt, unterstellt, sie hätten keine „Gewissensbildung“,<br />
der zeigt doch nur seine eigene<br />
Gewissenlosigkeit in der Ausführung des<br />
Rufmords in allen Variationen. Daß Herr<br />
Behnk <strong>den</strong> Urchristen noch dazu „jegliche<br />
Kritikfähigkeit“ absprechen möchte, ist<br />
wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß<br />
diese in einer sehr klaren Art und Weise<br />
immer wieder <strong>den</strong> Finger in die Wun<strong>den</strong><br />
kirchlicher Versäumnisse gelegt haben. Ist<br />
nicht gerade in <strong>den</strong> Kirchen Kritikfähigkeit<br />
unerwünscht, vor allem, wenn sie <strong>den</strong> Großsekten<br />
an <strong>den</strong> Geldbeutel zu gehen beginnt?<br />
Ähnlich fa<strong>den</strong>scheinig sind die Vorwürfe der<br />
„geschlossenen Ideologie“. Wer selbst <strong>den</strong><br />
freien Willen des Menschen mißachtet,<br />
indem er diesen schon als Säugling in seine<br />
eigenen Reihen rekrutiert und bei Zuwiderhandlungen<br />
die ewige Verdammnis androht,<br />
wie dies beide Kirchen tun, der kann doch<br />
anderen keinen Nachhilfeunterricht in Toleranz<br />
erteilen. Bleibt das Positive an solchen<br />
Rundumschlägen: Sicher wird es jetzt immer<br />
mehr Mitbürgern klar wer<strong>den</strong>, woher der<br />
Wind bei <strong>den</strong> Kirchen weht und welche knallharten<br />
Wirtschaftsinteressen hinter solchen<br />
unchristlichen Kampagnen stecken. Der<br />
Lack ist ab.<br />
Dieter Albrecht<br />
Fernsehfanatiker. Es ist wohl die Glotze, die<br />
so vernebelt, daß Sie die Welt, in der Sie leben,<br />
nur noch als Talkshow betrachten läßt?<br />
Der Informationsmarkt als Unterhaltungsund<br />
Belustigungsmedium, als Ort persönlich<br />
ausgetragener Eitelkeiten. Der Narziß entblößt<br />
seine Eigenliebe gar noch unbewußt im<br />
schreiben<strong>den</strong> Sich-äußern: Haben Sie heute<br />
schon vor dem Spiegel gestan<strong>den</strong> und überlegt,<br />
Ihre Haare einfärben zu lassen, weil<br />
grau alt macht? Haben Sie schon <strong>den</strong> Termin<br />
für das wöchentliche Solarium vormerken<br />
lassen? … Nicht zu vergessen, ein paar unfrisierte,<br />
laut gedachte Narziß-Probleme:<br />
welches Auto, welche Felgen, welcher Spoiler<br />
passen zu meiner Individualität, zu meinem<br />
Image? Und damit wären wir wieder am<br />
Anfang: Der Narziß im Konsumzeitalter. Viel<br />
Glück durch Kauf!<br />
A propos Frustration – gehen Sie nur ruhig<br />
kaufen, reisen und knabbern Sie ihre Chips-<br />
Nüsse-Ketchup-Frites vor der Fußball-flimmern<strong>den</strong><br />
Glotze und halten Sie so ihre Frust-<br />
Schwelle möglichst niedrig. Für Leute wie<br />
Sie bietet das Leben so wenigstens etwas<br />
Vergnügliches. Falls Sie Neues kennenlernen<br />
möchten: Das Hessische Kultusministerium<br />
informiert sie gern über die heute gebräuchlichen<br />
Lehrbücher.<br />
„Unbedeutende Auflage“: In der ZD schreiben<br />
derzeit 24 AutorInnen (ohne Pseudonyme),<br />
mit steigender Ten<strong>den</strong>z. Die gedruckte<br />
Auflage von 10.000 Exemplaren erreicht<br />
mehr als 8.000 LeserInnen. Das Stu<strong>den</strong>ten-<br />
Dasein ist übrigens nichts Negatives – im<br />
Gegenteil, so mancher wäre froh, er hätte<br />
dieses Niveau erreicht. Viele Stu<strong>den</strong>ten-Zeitungen<br />
sind interessanter als professionelle<br />
Machwerke – wir danken für das Kompliment.<br />
Für <strong>den</strong> Biedermann von heute ist alles<br />
Schwarz-Weiße langweilig, Farbe muß schon<br />
sein (deshalb die „Klappe“?) folglich ist das<br />
Bunte bieder und das Schwarz-weiße unsäglich.<br />
Gute Nacht Herr Müller-Stephan<br />
Michael Grimm