15.04.2014 Aufrufe

„Wer würde denn den Hochzeitsturm schleifen ... - Zfd-online.net

„Wer würde denn den Hochzeitsturm schleifen ... - Zfd-online.net

„Wer würde denn den Hochzeitsturm schleifen ... - Zfd-online.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BRIEFE AN DIE REDAKTION II<br />

Modernisierung völkischen und rassistischen Denkens<br />

Für die doppelte Staatsbürgerschaft<br />

Wenn plötzlich alle fordern, was ohnehin<br />

schon lange selbstverständlich sein sollte,<br />

so könne doch nur etwas faul sein. – Einige<br />

kritische ZeitgenossInnen reagieren auf das<br />

plötzlich vieldiskutierte Thema der doppelten<br />

Staatsbürgerschaft mit Skepsis. Als Antwort<br />

auf die Solinger Morde und die Folgeanschläge<br />

sei dies verfehlt; die Wurzeln des<br />

rassistischen Verhaltens wür<strong>den</strong> dadurch<br />

nicht berührt; es erfolge lediglich eine Umbenennung,<br />

mit der kein einziges gesellschaftliches<br />

Problem gelöst werde … so und ähnlich<br />

lauten die Argumente. Sie sind nicht von<br />

der Hand zu weisen, aber sie verfehlen die<br />

Ebene, auf der die Forderung der doppelten<br />

Staatsbürgerschaft trotzdem Sinn macht.<br />

Denn sie wäre zuerst und vor allem eine Einrichtung<br />

auf der Ebene der politischen Institutionen:<br />

die Anerkennung der seit langem<br />

hier leben<strong>den</strong> „AusländerInnen“ und ihrer<br />

Kinder als gleichberechtigte BürgerInnen.<br />

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist kein Mittel,<br />

gesellschaftliche Stimmungen oder<br />

Bewußtseinslagen zu verändern, sie wird für<br />

sich genommen auch keine rassistischen<br />

AStA der FH: „Uns reicht’s“<br />

Wir haben es satt, immer wieder die heuchlerischen<br />

Mitleidsbekundungen zu hören! Wir<br />

haben es satt, immer die gleiche Lüge als<br />

Entschuldigung zu hören, daß diese faschistischen<br />

Anschläge nur Taten von irregeführten,<br />

milieugeschädigten Jugendlichen<br />

seien. Eine Lüge, die uns vorgaukelt, es sei<br />

Zufall, daß soviele Attentate hintereinander<br />

passieren. Eine Lüge, die verschleiert, daß<br />

alles ein organisierter Schritt der Faschisten<br />

ist, die ihren Erfolg (Abschaffung des Asylrechts)<br />

ausbauen wollen. Politische Morde<br />

wer<strong>den</strong> als psychosoziale Wutausbrüche<br />

verharmlost.<br />

Gleichzeitig aber wird von Parteien und<br />

Medien weiter Hetze gegen Flüchtlinge und<br />

MigrantInnen gemacht. Die Politiker haben<br />

durch die volksgemeinschaftliche Geschlossenheit<br />

im Bundestag ein fundamentales<br />

Grund- und Menschenrecht abgeschafft und<br />

somit <strong>den</strong> Ansporn für die jüngsten faschistischen<br />

Angriffe geliefert. Sie sind mitverantwortlich<br />

für alles, was hier passiert, doch<br />

haben sie noch viele andere Menschen auf<br />

dem Gewissen: Die Abgeschobenen, die in<br />

ihrer Heimat gefoltert und ermordet wer<strong>den</strong><br />

oder durch die wirtschaftliche Misere und<br />

Kriege, die dieses Land mitverursacht, krepieren<br />

müssen.<br />

Was wird gegen all das unternommen? Was<br />

ist seitens der Regieren<strong>den</strong> und des Staates<br />

zu erwarten?<br />

Seit Hoyerswerda wur<strong>den</strong> ganze drei militante<br />

faschistische Organisationen von über<br />

siebzig verboten und zwar mit Vorankündigung<br />

über die Medien! Weiterhin wur<strong>den</strong><br />

zwei bekannten Persönlichkeiten der rechtsextremen<br />

Szene die Bürgerrechte entzogen.<br />

Nach Mölln wur<strong>den</strong> bewußt ’zig Anschläge<br />

verschwiegen und bagatellisiert. Mit der<br />

„ausländerfreundlichen“ Allparteien-Demo<br />

in Berlin und <strong>den</strong> Lichterketteninszenierungen<br />

wurde der „gute“ Deutsche mit der<br />

demokratischen Gesinnung vorgeführt. Mit<br />

der Abschaffung des Asylrechts sollte dem<br />

„verständlichen Druck der Straße “ (d.h. <strong>den</strong><br />

Faschisten) entgegengewirkt wer<strong>den</strong>.<br />

Ist mit diesen Leuten, selbst falls sie alle<br />

nationalistischen Organisationen verböten,<br />

irgendwas zu bewirken?<br />

Im Gegensatz dazu wur<strong>den</strong> viele AntifaschistInnen<br />

beim Versuch, Asylbewerberheime<br />

Gewalttaten verhindern („weil im Ernstfall ja<br />

doch niemand nach dem Paß fragt“). Das<br />

alles spricht nicht gegen eine neue Regelung<br />

der Staatsbürgerschaft, aber gegen manche<br />

Argumente, mit der die Diskussion um sie<br />

geführt wird. Dabei stehen bisher auch bei<br />

BefürworterInnen meist nur die Bedürfnisse<br />

der Deutschen im Vordergrund: die eigene<br />

Selbstachtung, der diese Geste jetzt geschuldet<br />

ist; die Demonstration des eigenen guten<br />

Willens; der Versuch, das Bild der Deutschen<br />

im Ausland zu retten, etc.<br />

Aufklärung statt Abklärung<br />

Damit wird die politische Dimension dieser<br />

rechtlichen Veränderung nicht begriffen. Ein<br />

weiteres Hindernis ist die inzwischen allzu<br />

übliche Vorstellung, die Menschen existierten<br />

nur in verschie<strong>den</strong>en, in sich homogenen<br />

Ethnien und Kulturen, ein Gedanke, der sich<br />

vielleicht aus der Diskussion der multikulturellen<br />

Gesellschaft heraus verselbständigt<br />

hat. Dort wird die Feststellung getroffen, daß<br />

hierzulande bereits Menschen ganz verschie<strong>den</strong>er<br />

Kulturen leben, verbun<strong>den</strong> mit der Forderung,<br />

sie in ihrer Andersartigkeit zu ach-<br />

Wir wer<strong>den</strong> keine völkisch-nationalistische Verbindungen dul<strong>den</strong><br />

Um dieses Bild in der ZD nicht mehr sehen zu müssen.<br />

zu schützen oder Faschistentreffen zu verhindern,<br />

übelst geschlagen, verhaftet und<br />

angeklagt. Ganz zu schweigen von der Justiz,<br />

die nicht nur auf dem rechten Auge blind ist,<br />

sondern auch besonders laut <strong>den</strong> Medienund<br />

Regierungschor mitsingt: „links ist wie<br />

rechts.“<br />

Berührungsängste mit <strong>den</strong> AntifaschistInnen<br />

haben jedoch auch viele demokratische Bürger.<br />

Sie fin<strong>den</strong> das Mor<strong>den</strong> unmöglich, doch<br />

unmöglich fin<strong>den</strong> sie auch die Forderungen<br />

der AusländerInnen nach Rechten. Genauso<br />

verurteilen sie deren Selbstverteidigung.<br />

Ihrer Meinung nach sind die Faschisten ein<br />

Problem, das zu lösen ist; doch bitte nicht so<br />

politisch, nicht so entschie<strong>den</strong>.<br />

Aber Solingen ist nicht Mölln!<br />

Die meisten der hunderttausend DemonstrantInnen<br />

nach Mölln bleiben jetzt zu Hause.<br />

„Was können wir mehr tun als auf die<br />

Straße zu gehen? Und was haben wir schon<br />

gemacht?“ Andere, vor allem Jugendliche,<br />

sind sich klar darüber: Von <strong>den</strong> Schreibtischtätern<br />

in Bonn und anderswo ist nur<br />

noch Schlimmeres zu erwarten. Sie wollen<br />

handeln, sie wollen <strong>den</strong> Tätern keine Opfer<br />

mehr bieten. Und schon ist das Lager<br />

gespalten. Für die Clique Medien, Regierende,<br />

große Parteien ein gefun<strong>den</strong>es Fressen.<br />

Die beunruhigten Bürger wer<strong>den</strong> in Demokraten<br />

und in gewalttätige mutmaßliche Terroristen<br />

geteilt. Doch das Thema ist nicht<br />

„mit oder ohne Gewalt“ gegen die Faschisierung,<br />

sondern „entschie<strong>den</strong> dagegen oder<br />

nicht!“<br />

Wir, die zu dieser Resolution stehen, wer<strong>den</strong><br />

jede(n), der auf Hochschulebene in irgendeiner<br />

Art auch nur Sympathie zu nationalistischen,<br />

rassistischen Inhalten oder Aktionen<br />

zeigt, isolieren. Zum Beispiel Vereine wie der<br />

„Bund gegen Anpassung“ oder das „Schiller-<br />

Institut“ wie auch diverse reaktionäre, völkisch-nationalistische<br />

Verbindungen wer<strong>den</strong><br />

wir hier nicht dul<strong>den</strong>. Dazu fordern wir die<br />

Hochschulverwaltung auf, ihnen die Genehmigung<br />

zu verwehren und sich nicht schützend<br />

vor sie zu stellen.<br />

Es muß jegliche Aktivität, ob Treffen, Feier,<br />

Kandidatur etc. faschistischer Organisationen<br />

in Darmstadt und Umgebung mit allen<br />

Mitteln verhindert wer<strong>den</strong>.<br />

AStA der Fachhochschule Darmstadt<br />

Bitte rufen Sie mich doch an, wenn wieder so ein Fall<br />

ansteht. Ich möchte doch nicht in der ersten Reihe sitzen.<br />

Auch ein Schwarzfahrer. Telefon 7 57 24<br />

ten. Das ist notwendig und richtig. Aber es<br />

kann nicht angehen, aus dieser Andersartigkeit<br />

ein ideologisches Monstrum zu machen,<br />

in dessen Bann uns der Gedanke schon gar<br />

nicht mehr in <strong>den</strong> Sinn kommt, daß Menschen<br />

auf einer bestimmten Ebene auch Gleiche<br />

sind.<br />

Gegen diese simple Abstraktion aufklärerischen<br />

Denkens scheint heute eine Übermacht<br />

der unmittelbaren Wahrnehmung von<br />

Verschie<strong>den</strong>heit zu stehen, die offenbar auch<br />

bequem ist, weil sie vorweg Grenzen setzt<br />

und Begegnung und Auseinandersetzung<br />

erst gar nicht in Betracht zieht. Die Vorstellung<br />

in sich homogener Ethnien und Kulturen,<br />

die sich weder austauschen noch durch<br />

vielfältige gegenseitige Einflüsse verändern<br />

ist realitätsfremd, aber nichtsdestoweniger<br />

wirksam. Wird dies als für sich bestehende<br />

Grundtatsache aufgefaßt, so scheint ihr auch<br />

politisch Rechnung getragen wer<strong>den</strong> zu<br />

müssen. Argumente für ein verändertes<br />

Staatsbürgerrecht sind dann auch kaum<br />

noch zu fin<strong>den</strong>. Immerhin, mit linkem Selbstverständnis<br />

ist man eben dafür, auch wenn<br />

man auch in multikultureller Abgeklärtheit so<br />

seine Be<strong>den</strong>ken hat.<br />

Neue und alte Blocka<strong>den</strong><br />

Wer nicht dafür ist, hat auf diese Weise erst<br />

recht „Argumente“. Doch leider entsprechen<br />

sie nur zu genau ideologischen Postulaten,<br />

die neu-rechte Intellektuelle hervorgebracht<br />

haben: Indem sie auf ein „Recht auf Verschie<strong>den</strong>heit“<br />

pochen, fordern sie auch, verschie<strong>den</strong>e<br />

Kulturen nicht zu vermischen,<br />

<strong><strong>den</strong>n</strong> erst Vermischung produziere Aggression<br />

und Konflikte. Daß die in diesem Lager<br />

bewußt vorgenommene Modernisierung völkischen<br />

und rassistischen Denkens mit der<br />

gesellschaftlichen Normalisierung dieser<br />

Auffassungen inzwischen so breiten Erfolg<br />

hat, ist mehr als be<strong>den</strong>klich. Von <strong>den</strong> Verständnisbekundungen<br />

für die Brandstifter<br />

von Rostock und einigen Begründungen der<br />

Asylrechtsänderung bis hin zu Augsteins<br />

Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft<br />

dürfte dieses Phänomen inzwischen sattsam<br />

bekannt sein.<br />

Mit dem gelten<strong>den</strong>, an „Blut“, d.h. an<br />

Abstammung gebun<strong>den</strong>en deutschen<br />

Staatsangehörigkeitsrecht leistet man sich<br />

solche Schnörkel nicht. Wer „deutsches<br />

Egozentrisch, frustriert und verkrampft?<br />

Eine Abo-Kündigung, ihr Grund und eine engagierte Antwort<br />

Nach einem Vierteljahr „Zeitung für Darmstadt“<br />

im Abonnement möchte ich – symbolisch<br />

und rechtzeitig – zum nächstmöglichen<br />

Zeitpunkt kündigen.<br />

Warum? Mit jeder Ausgabe werde ich unzufrie<strong>den</strong>er<br />

mit dem Gebotenen. Zieht man die<br />

Anzeigen und <strong>den</strong> Terminkalender ab (da reichen<br />

mir die „Klappe“ und die „darmstädter<br />

nachrichten“), und läßt man die Parteien-<br />

Standpunkte links (bzw. rechts) liegen, so<br />

reduziert sich das Redaktionelle größtenteils<br />

auf die folgen<strong>den</strong> Hieb- und Stichworte: egozentrisch,<br />

frustriert und verkrampft.<br />

Anspruch und Wirklichkeit – was die Darmstädter<br />

Presselandschaft beleben sollte, verliert<br />

(gefällt?) sich in pseudorevolutionärer<br />

Aufgeregtheit und riecht sehr nach querulantiger<br />

Ein-Mann-Show (mit Pseudonym/en).<br />

Wenigstens die Karikaturen haben Qualität,<br />

das Layout ist allerdings unsäglich bieder –<br />

ZD experimentell?<br />

Insgesamt hat das Stu<strong>den</strong>ten-Zeitungs-<br />

Niveau, was sich vielleicht auch ein wenig<br />

auf die (noch) unbedeutende (verkaufte!)<br />

Auflage auswirkt?!<br />

Jürgen Müller-Stephan<br />

Sehr geehrter Herr Müller-Stephan,<br />

Ihre Abonnement-Kündigung ist ab sofort<br />

verzeich<strong>net</strong> und gleichzeitig eine Sperre registriert.<br />

Sie sind unser achter Abonnent, der<br />

dieses Jahr gekündigt hat, als einziger mit<br />

Begründung, deshalb setzen wir uns öffentlich<br />

mit Ihren Argumenten auseinander.<br />

Die Republik kennt viele, allzuviele Schlafmützen,<br />

die lediglich noch mit ihrer Unzufrie<strong>den</strong>heit<br />

zu Markte ziehen können. Ansonsten<br />

bleibt ihren Hirnen das Lesen von Kauf-Angebots-Bildchen<br />

vorbehalten – vom Denken<br />

ganz zu schweigen – siehe „Klappe“.<br />

Aus genau dem besagten Grunde kommen<br />

dann psychologisierende Argumente, die zwar<br />

Rationalität suggerieren sollen, aber lediglich<br />

Spiegel für geistige Unbekleckertheit sind.<br />

Blut“ nicht vorweisen kann, der soll sich<br />

wenigstens klar für Deutschland entschei<strong>den</strong><br />

und anpassen. Daß dies an der Situation der<br />

hier leben<strong>den</strong> AusländerInnen vorbeigeht, ist<br />

schon oft genug gesagt wor<strong>den</strong>. Wenn sie<br />

zunehmend befürchten müssen, Opfer von<br />

Terror und Gewalt zu wer<strong>den</strong>, wird die Aufforderung<br />

zu einer eindeutigen Entscheidung<br />

noch fragwürdiger.<br />

Gleichheit ohne Angleichung<br />

Ein gegenüber „Inhalten“ wie Rasse, Blut<br />

und Volk formalisiertes republikanisches<br />

Staatsbürgerrecht wäre auch für die Gegebenheiten<br />

einer de facto multikulturellen<br />

Gesellschaft offen. Mit einem formalen Bürgerstatus<br />

ist Assimilation ebenso möglich<br />

wie die Pflege oder <strong>den</strong> Rückzug auf ein<br />

anderes kulturelles Erbe und alle möglichen<br />

Lebensweisen und alle möglichen Lebensweisen<br />

und Begegnungsformen dazwischen.<br />

Offensichtlich ist, daß auf der politischen<br />

Ebene weiter Regelungen getroffen wer<strong>den</strong><br />

müßten, um die Möglichkeit tatsächlicher<br />

Integration zu eröffnen, wie auch die Sicherheit<br />

an Leib und Leben zu garantieren. Dazu<br />

gehören ein Antidiskriminierungsgesetz, die<br />

Förderung interkultureller Begegnungen,<br />

aber auch die Einstellung von Ausländern in<br />

<strong>den</strong> Polizeidienst. Wie sehr diese Möglichkeiten<br />

dann wahrgenommen wer<strong>den</strong>, bleibt<br />

unumgänglich eine Angelegenheit der einzelnen<br />

Betroffenen. Daß die Deutschen dabei<br />

genauso neue Anstöße erhalten können wie<br />

die Zugewanderten, sollte eigentlich nicht<br />

eigens erwähnt wer<strong>den</strong> müssen. Das gilt<br />

auch für die Tatsache, daß Konfliktpotentiale<br />

– wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen<br />

auch – niemals durch theoretische Harmoniesucht<br />

aufgelöst wer<strong>den</strong> können. Um<br />

Konflikte demokratisch auszutragen, kann<br />

die abgesicherte Gleichberechtigung aller<br />

Beteiligten aber nur förderlich sein.<br />

Ob und wie aber die Deutschen und die sogenannten<br />

Ausländer miteinander und nicht<br />

nur nebeneinander leben, bleibt eine Angelegenheit<br />

alltäglichen Verhalten, Re<strong>den</strong>s und<br />

Handelns für alle Seiten, die weder durch<br />

Trauer- und Protestkundgebungen noch<br />

durch politische Willensbildung ersetzt wer<strong>den</strong><br />

kann.<br />

Brigitte Gotthold<br />

Ist es <strong><strong>den</strong>n</strong> wirklich so schwer, neben dem verbrannten<br />

Ideal einer unerfüllbaren Objektivität<br />

verschie<strong>den</strong>e Wirklichkeiten zu erkennen?<br />

„Egozentrisch“: Hätten Sie selbst auch nur<br />

einmal Ihre treffsichere Urteilskraft verwandt,<br />

um informierend oder meinungsbil<strong>den</strong>d<br />

an die Öffentlichkeit zu treten – der mir<br />

unterschobene Egozentrismus wäre schon<br />

wieder um Ihren Standpunkt relativiert wor<strong>den</strong>.<br />

„Frustriert“: Den Wissenschaften sei Dank,<br />

daß wir dieses Vokabular zu unserem Arsenal<br />

zählen dürfen, <strong><strong>den</strong>n</strong> wie sonst sollten wir<br />

schwachbrüstige Vorurteile noch in Worte<br />

fassen? Wenn Sie auch nur ein einziges Mal<br />

ein Stück unseres Kampfgeistes in natura erlebt<br />

hätten, wür<strong>den</strong> Sie ob Ihrer Zeilen<br />

schamrot wer<strong>den</strong>.<br />

„Verkrampft“: Dieser Begriff kommt aus dem<br />

Medizinischen und soll wohl so etwas suggerieren<br />

wie geistige Starrheit, sprich festgefahrenen<br />

Standpunkt etc; am besten probieren<br />

Sie sich noch einmal im Lesen-Lernen.<br />

Danach dürfen Sie wieder in Korrespon<strong>den</strong>z<br />

mit mir treten.<br />

Angelegentlich Ihres in der ZD ersten publizistischen<br />

Auftretens müssen Sie sich ernsthaft<br />

der Frage unterziehen, was Sie unter revolutionär<br />

verstehen und daraus folgend,<br />

was für Sie „pseudorevolutionär“ ist. (Wo<br />

haben Sie die Worte bloß aufgepickt?) Sie<br />

ein Marxist? Wohl kaum, <strong><strong>den</strong>n</strong> wer von<br />

„Querulantentum“ dort spricht, wo ihm alle<br />

Argumente fehlen, gehört in die verstaubte<br />

Ecke des stockschlagen<strong>den</strong> wilhelminischen<br />

Oberlehrers (mit seinen Vorurteilen für die<br />

deutsche Rasse), der durch Prügel Disziplin<br />

erzwingen will.<br />

Daß für Sie aus Ihrer argument- und anspruchlosen<br />

Wirklichkeitsbetrachtung des<br />

Psychologisierens heraus, die Wirklichkeiten<br />

selbst verloren gehen und Wahrnehmungsdefizite<br />

greifen, stellen Sie plastisch bildhaft<br />

mit dem Begriff der „Ein-Mann-Show“ dar,<br />

das typisch deutsch-englische Vokabular der<br />

Nummer 51 · 25.6.1993 · Seite 14<br />

„Massenselbstmord<br />

auch in der<br />

BRD möglich“<br />

„Universelles Leben“<br />

lehnt jegliche Gewalt ab<br />

Da sind sie wieder, die selbsternannten<br />

Experten und Sektenjäger, die im Gewande<br />

der honorigen Pfarrer die unliebsame „Konkurrenz“<br />

bekämpfen, wie weiland die Inquisitoren.<br />

Daß freilich Pfarrer Behnk, der vor<br />

knapp zwei Jahren mit der Vorgabe antrat,<br />

<strong>den</strong> Dialog zu fördern, nun in völlig unsachlicher<br />

Weise die Tragödie in Texas dazu verwendet,<br />

ausgerech<strong>net</strong> die Urchristen im Universellen<br />

Leben anzuschwärzen, das mag<br />

doch etwas verwundern. Wer diese Gruppierung<br />

kennt, der weiß, daß ein Selbstmord<br />

(der übrigens in Texas noch längst nicht<br />

nachgewiesen ist) für diese Menschen völlig<br />

un<strong>den</strong>kbar wäre, da sie – im Gegensatz zu<br />

<strong>den</strong> Institutionen Kirche – jegliche Gewalt<br />

ablehnen, gleich, ob gegen sich selbst oder<br />

gegen andere. Was Herrn Behnk nun selbst<br />

betrifft: Wer Menschen, die er gar nicht<br />

kennt, unterstellt, sie hätten keine „Gewissensbildung“,<br />

der zeigt doch nur seine eigene<br />

Gewissenlosigkeit in der Ausführung des<br />

Rufmords in allen Variationen. Daß Herr<br />

Behnk <strong>den</strong> Urchristen noch dazu „jegliche<br />

Kritikfähigkeit“ absprechen möchte, ist<br />

wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß<br />

diese in einer sehr klaren Art und Weise<br />

immer wieder <strong>den</strong> Finger in die Wun<strong>den</strong><br />

kirchlicher Versäumnisse gelegt haben. Ist<br />

nicht gerade in <strong>den</strong> Kirchen Kritikfähigkeit<br />

unerwünscht, vor allem, wenn sie <strong>den</strong> Großsekten<br />

an <strong>den</strong> Geldbeutel zu gehen beginnt?<br />

Ähnlich fa<strong>den</strong>scheinig sind die Vorwürfe der<br />

„geschlossenen Ideologie“. Wer selbst <strong>den</strong><br />

freien Willen des Menschen mißachtet,<br />

indem er diesen schon als Säugling in seine<br />

eigenen Reihen rekrutiert und bei Zuwiderhandlungen<br />

die ewige Verdammnis androht,<br />

wie dies beide Kirchen tun, der kann doch<br />

anderen keinen Nachhilfeunterricht in Toleranz<br />

erteilen. Bleibt das Positive an solchen<br />

Rundumschlägen: Sicher wird es jetzt immer<br />

mehr Mitbürgern klar wer<strong>den</strong>, woher der<br />

Wind bei <strong>den</strong> Kirchen weht und welche knallharten<br />

Wirtschaftsinteressen hinter solchen<br />

unchristlichen Kampagnen stecken. Der<br />

Lack ist ab.<br />

Dieter Albrecht<br />

Fernsehfanatiker. Es ist wohl die Glotze, die<br />

so vernebelt, daß Sie die Welt, in der Sie leben,<br />

nur noch als Talkshow betrachten läßt?<br />

Der Informationsmarkt als Unterhaltungsund<br />

Belustigungsmedium, als Ort persönlich<br />

ausgetragener Eitelkeiten. Der Narziß entblößt<br />

seine Eigenliebe gar noch unbewußt im<br />

schreiben<strong>den</strong> Sich-äußern: Haben Sie heute<br />

schon vor dem Spiegel gestan<strong>den</strong> und überlegt,<br />

Ihre Haare einfärben zu lassen, weil<br />

grau alt macht? Haben Sie schon <strong>den</strong> Termin<br />

für das wöchentliche Solarium vormerken<br />

lassen? … Nicht zu vergessen, ein paar unfrisierte,<br />

laut gedachte Narziß-Probleme:<br />

welches Auto, welche Felgen, welcher Spoiler<br />

passen zu meiner Individualität, zu meinem<br />

Image? Und damit wären wir wieder am<br />

Anfang: Der Narziß im Konsumzeitalter. Viel<br />

Glück durch Kauf!<br />

A propos Frustration – gehen Sie nur ruhig<br />

kaufen, reisen und knabbern Sie ihre Chips-<br />

Nüsse-Ketchup-Frites vor der Fußball-flimmern<strong>den</strong><br />

Glotze und halten Sie so ihre Frust-<br />

Schwelle möglichst niedrig. Für Leute wie<br />

Sie bietet das Leben so wenigstens etwas<br />

Vergnügliches. Falls Sie Neues kennenlernen<br />

möchten: Das Hessische Kultusministerium<br />

informiert sie gern über die heute gebräuchlichen<br />

Lehrbücher.<br />

„Unbedeutende Auflage“: In der ZD schreiben<br />

derzeit 24 AutorInnen (ohne Pseudonyme),<br />

mit steigender Ten<strong>den</strong>z. Die gedruckte<br />

Auflage von 10.000 Exemplaren erreicht<br />

mehr als 8.000 LeserInnen. Das Stu<strong>den</strong>ten-<br />

Dasein ist übrigens nichts Negatives – im<br />

Gegenteil, so mancher wäre froh, er hätte<br />

dieses Niveau erreicht. Viele Stu<strong>den</strong>ten-Zeitungen<br />

sind interessanter als professionelle<br />

Machwerke – wir danken für das Kompliment.<br />

Für <strong>den</strong> Biedermann von heute ist alles<br />

Schwarz-Weiße langweilig, Farbe muß schon<br />

sein (deshalb die „Klappe“?) folglich ist das<br />

Bunte bieder und das Schwarz-weiße unsäglich.<br />

Gute Nacht Herr Müller-Stephan<br />

Michael Grimm

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!