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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2008

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GVP <strong>2008</strong> Nr. 43 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

eigentlich böswillige Handlungen nicht zu tolerieren (OGer ZH, ZR 2000 Nr. 17;<br />

Hegnauer/Breitschmid, Gr<strong>und</strong>riss des Eherechts, 4. Aufl., Bern 2000, Rz. 21.24c;<br />

A. Spycher, Unterhaltsleistungen bei Scheidung, Diss. Bern 1996, 80 f.; Sutter/Freiburghaus,<br />

Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, N 55 zu Art. 125 ZGB). Niemand<br />

soll aus dem von ihm selbst geschaffenen Unrecht einen Vorteil ableiten<br />

können (H. Merz, Berner Kommentar, N 582 ff. zu Art. 2 ZGB N 582 ff.; vgl. auch<br />

Pichonnaz/Rumo-Jungo, Neuere Entwicklungen im nachehelichen Unterhalt, in:<br />

dieselben [Hrsg.], Familienvermögensrecht, Bern 2003, S. 21; offen gelassen in<br />

BGE 128 III 4, 6). Das spricht dafür, dem missbräuchlich Handelnden das bewusst<br />

herbeigeführte Manko aufzubürden, statt es auf die von ihm vernachlässigte Familie<br />

abzuwälzen. Ein Ehegatte, der seine <strong>St</strong>elle gr<strong>und</strong>los kündigte, braucht gewiss<br />

keinen Anreiz zur Förderung seines Arbeitswillens. Er leistet eben nicht das, wozu<br />

er fähig wäre, <strong>und</strong> kann nicht erwarten, dass er trotzdem besser gestellt wird als<br />

der andere, der seine familiären Pflichten weiterhin erfüllt. Zwar muss er dann<br />

einen Eingriff in sein Existenzminimum hinnehmen. Dieser geht aber gemäss den<br />

Regeln des Betreibungsrechts (BGE 116 III 10; 111 II 13; 106 III 18) nur so weit,<br />

dass sich Schuldner <strong>und</strong> Gläubigerin im selben Verhältnis einschränken müssen,<br />

<strong>und</strong> das entspricht dem Gr<strong>und</strong>satz, dass Partner <strong>und</strong> Partnerin in einer noch bestehenden<br />

Ehe gleich berechtigt <strong>und</strong> gleich verpflichtet sind (Art. 163 Abs. 1 ZGB; Botschaft<br />

Eherecht, Ziff. 214.121). Nach Abzug der pfändbaren Quote für Unterhaltsansprüche<br />

(BGE 111 III 116; G. Vonder Mühll, SchKG-Kommentar, N 39 zu Art. 93)<br />

bleibt dem Ehemann von seinem Ersatzeinkommen immer noch erheblich mehr als<br />

der Betrag einer blossen Nothilfe <strong>und</strong> zumindest während einer Übergangszeit genug<br />

für ein zwar bescheidenes, aber immerhin menschenwürdiges Dasein. Damit<br />

ist er hinreichend geschützt. Eine Beschränkung des Unterhaltsbeitrags hätte zur<br />

Folge, dass die Ehefrau beim Sozialamt Schulden machen müsste, für die sie nach<br />

der Trennung persönlich haftet <strong>und</strong> die sie bei einer Scheidung als Rückschlag<br />

allein trägt (BGE 133 III 57, 59 f.), <strong>und</strong> das lässt sich hier auf keine Art mehr recht -<br />

fertigen.<br />

Im Übrigen ist die Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten <strong>und</strong> dem gemeinsamen<br />

Kind im Vergleich zu anderen Pflichten rechtlich privilegiert <strong>und</strong> moralisch<br />

qualifiziert. Ihre Erfüllung verlangt die Ausschöpfung aller finanziellen, intellektuellen<br />

<strong>und</strong> physischen Ressourcen (vgl. P. Breitschmid, Basler Kommentar, N 25 zu<br />

Art. 276 ZGB). Der Pflichtige muss namentlich seine Arbeitskraft voll ausnutzen<br />

<strong>und</strong> hat notfalls eine Beschäftigung in einem fremden Beruf oder an einem anderen<br />

Ort anzunehmen (vgl. C. Hegnauer, Berner Kommentar, N 56 zu Art. 285 ZGB).<br />

Falls ihm eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit trotz aller Anstrengungen<br />

nicht gelingt, ist er gehalten, auch sein Vermögen einzusetzen (BGE 129 III 7, 10 =<br />

Pra 2003 Nr. 85). Ein Vermögensverzehr ist gr<strong>und</strong>sätzlich zumutbar, wenn das laufende<br />

Einkommen nicht ausreicht, um die Familie vor Not zu bewahren (BGE 110<br />

II 321, 323 f.; BGer, FamPra.ch 2007, 396; 2006, 939 <strong>und</strong> 2002, 806; Hausheer/<br />

Brunner, Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, Rz. 03.109), es sei denn, eine<br />

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