20.04.2014 Aufrufe

Hanö Poelzig, Berlin Festspielnaxis in Salzburg

Hanö Poelzig, Berlin Festspielnaxis in Salzburg

Hanö Poelzig, Berlin Festspielnaxis in Salzburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

macht aufmerksam, wie nahe beie<strong>in</strong>ander der Renaissance die Empf<strong>in</strong>dungen von Lust, Spiel und<br />

Frömmigkeit lagen. Auch Marcus Sittich, me<strong>in</strong>t sie, führte wohl se<strong>in</strong>e Gäste vom Schauspiel im<br />

Felsentheater wenige M<strong>in</strong>uten durch den Hirschgarten, wo weiße Hirsche gehalten wurden, zu se<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>siedelei. Er bewirtete sie <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Schlößchen Belvedere <strong>in</strong> dem bildergeschmückten Saale,<br />

aus dessen Fenster man die herrliche Aussicht über die Salzach nach Halle<strong>in</strong> hat, und führte sie zu<br />

den daneben gelegenen acht E<strong>in</strong>siedlerzellen, die er mit sechs kle<strong>in</strong>en Kapellen dort angesiedelt hatte.<br />

So etwa ist der Geist der örtlichkeit zu sehen, wo aufs neue Schauspiel und Oper, Mozartmusik<br />

und Mysterienspiel exekutiert werden sollen.<br />

Man ist noch nicht so 'weit, das Festspielhaus errichten zu können, man braucht noch Geld,<br />

noch Eifer, noch Opferwillen. Um weiter zu kommen, um das Ziel aufzeigen und aneifern zu<br />

können, hat man sich entschlossen, zu der letzten Generalversammlung, die im Herbst <strong>in</strong> <strong>Salzburg</strong><br />

stattfand, Bebauungsvorschläge von zwei Architekten machen zu lassen, nicht eigentlich fertige und<br />

bis <strong>in</strong>s E<strong>in</strong>zelne festgelegte Projekte, sondern Gestaltungsmöglichkeiten, etwas, was ich »Vorprojekt«<br />

bezeichnen möchte,<br />

Alfred Roller hat als Mitglied des Kunstrates e<strong>in</strong> Programm aufgestellt, das nicht im eigentlichen<br />

S<strong>in</strong>ne als e<strong>in</strong> Bauprogramm zu nehmen ist. Es stipuliert <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en Umrissen die idealen<br />

Forderungen, die die Vere<strong>in</strong>igung als Bauherr<strong>in</strong> stellt. Erwünscht wird e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, <strong>in</strong>times Spielhaus<br />

— das eigentliche Mozart-Spielhaus —, etwa 800 Personen fassend, e<strong>in</strong> großes Festspielhaus für<br />

2000 Personen, dazu die erforderlichen Nebengebäude, e<strong>in</strong> Haus für Proben und 'Werkstätten, e<strong>in</strong>e<br />

Restaurationsanlage usw. Zwei Architekten, Hans <strong>Poelzig</strong> und Josef Hoffmaim, wurden aufgefordert,<br />

ihre Ideen zu entwickeln und Vorschläge für die Anlage zu machen. Das Projekt Hoffmanns liegt<br />

noch nicht vor, <strong>Poelzig</strong> hat e<strong>in</strong>e Skizze ausgearbeitet, die wie das RoUersche Programm <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Umrissen, ohne sich im e<strong>in</strong>zelnen sachlich und künstlerisch festzulegen, e<strong>in</strong>en Begriff geben soll von<br />

der hier gegebenen architektonischen Möglichkeit. Vielleicht darf man sagen, es ist Paraphrase über<br />

e<strong>in</strong> Thema, das e<strong>in</strong>en Geist wie <strong>Poelzig</strong> erregen und reizen mußte.<br />

Luft des Rokoko umweht Idee und Ort. Wie die Renaissanceanlage da <strong>in</strong> <strong>Salzburg</strong> sich <strong>in</strong>s<br />

Leichte, Graziöse, Festlich-Heitere ausspielte, so muß auch der heutige Architekt hier zu etwas<br />

kommen, "was wie Rokoko kl<strong>in</strong>gt, was Leichtigkeit, Beschw<strong>in</strong>gtheit und Bewegtheit mit Anmut<br />

vere<strong>in</strong>t. Es durfte hier nichts gewollt werden, was monumental auf wuchtet. Die an sich großen<br />

Massen mußten flüssig und bewegt gemacht werden. Auch das Gelände verbietet jede herrische<br />

Geste. Es wellt sich <strong>in</strong> leichtem Fluß. Nach Norden erschließt sich das Land <strong>in</strong> bestrickendem<br />

Fernblick, im Südosten ragt, beträchtlich höher, der Untersberg,der gewissermaßen als e<strong>in</strong>e großeFelskulisse<br />

<strong>in</strong> die Anlage h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zubeziehen war. E<strong>in</strong>e Bodenwelle von etwa sieben Meter Höhe gliedert<br />

den Park. Hebung und Senkung ist schon von Natur aus da. Nach Norden ist e<strong>in</strong>e Ansteigung,<br />

e<strong>in</strong>e andere nach Osten. Fast <strong>in</strong> der Mitte ist die tiefste Stelle mit e<strong>in</strong>em Weiher. Die Vegetation,<br />

alter Baumbestand, wirkt durch die Bewegtheit der E<strong>in</strong>zelsilhouette nicht als geschlossene Masse,<br />

So war es das Gegebene, die Baumasse aufzuteilen <strong>in</strong> möglichst viele E<strong>in</strong>zelkompartimente, die, <strong>in</strong><br />

sich gestuft und gegliedert, diese Bewegtheit weiterführen. <strong>Poelzig</strong> legt großes Festspielhaus und<br />

kle<strong>in</strong>es Haus ause<strong>in</strong>ander, jedes für sich auf e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Erhebung, 'weit genug vone<strong>in</strong>ander, daß<br />

das große Haus das kle<strong>in</strong>e nicht erdrückt, das kle<strong>in</strong>e das große nicht zu gewaltig ersche<strong>in</strong>en läßt,<br />

Bogengänge, daneben und dazwischen angeordnete Kle<strong>in</strong>bauten vermitteln und geben zugleich Distanz;<br />

noch mehr hilft die Natur, die E<strong>in</strong>buchtung des Geländes wird benutzt, um beiden Häusern nebene<strong>in</strong>ander<br />

den 'wirkungsvollen Maßstab zu sichern. Wobei zu beachten bleibt, daß die Gruppierung<br />

darauf angelegt ist, daß der Blick eigentlich niemals beide Bauten zugleich umfaßt. Die Bilder, die sich<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Anlage ergeben, s<strong>in</strong>d wohl immer von der Art der Ansicht (vergl. nach S. 254). Das kle<strong>in</strong>e<br />

Haus -wird etwas gesteigert, die Tendenz ist vertikal, die Masse verhältnismäßig zusammengedrängt.<br />

Das große Haus, das über 2000 Personen fassen soll, mußte gewissermaßen durch die Formgebung<br />

abgeflacht, gegliedert, gestuft, gleichsam <strong>in</strong> das Gelände h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>bezogen werden, damit nicht e<strong>in</strong><br />

gigantisches Ungeheuer — Bismarck-Denkmal am Rhe<strong>in</strong>! — Geist und Bild der Landschaft zerstöre.<br />

Das Riesentheater als geschlossene Masse, so wie sie sich folgerichtig ergeben hatte, wäre e<strong>in</strong> Und<strong>in</strong>g<br />

gewesen. E<strong>in</strong> neuer, fremdartiger Koloß hätte die Silhouette der Landschaft zerstört. <strong>Poelzig</strong> mußte<br />

die Massigkeit dieses Baue« zu überw<strong>in</strong>den trachten, mußte ihn <strong>in</strong> der Struktur auflösen, dem Umriß<br />

e<strong>in</strong>e vielfältige, ab- und anschwellende, malerische Bewegtheit geben. Er mußte die Bewegtheit des<br />

Terra<strong>in</strong>s weiterführen, gewissermaßen über die ganze Baumasse h<strong>in</strong>weg. Dem Auftrieb der Masse<br />

begegnet er durch e<strong>in</strong>e kräftige Horizontalgliederung. Um die Ränge herum legt er breite Terrassen,<br />

auf die man während der Pausen — es handelt sich um e<strong>in</strong> Festspielhaus, <strong>in</strong> dem vor allem während<br />

des Sommers gespielt werden soll — aus den Logen heraustreten und das Schauspiel e<strong>in</strong>er selten<br />

reizvollen Natur genießen kann. H<strong>in</strong>ter diesen Terrassen, deren Brüstung lebhaft gegliedert ist, verschw<strong>in</strong>det<br />

der Kern des Gebäudes, wird er aufgelöst <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gewoge von mannigfach bewegten E<strong>in</strong>zel-<br />

246

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!