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10 - Literatur<br />

BLICKLICHT - LITERATURTIPP<br />

ALLAH UNSER - Der Dialog<br />

Je weiter wir in <strong>de</strong>r Geschichte zurück blicken, um<br />

so mehr Phänomene unserer Welt erschienen <strong>de</strong>n<br />

Menschen unerklärlich und wun<strong>de</strong>rsam. Wo das<br />

Verständnis aufhörte, fing <strong>de</strong>r (Aber)Glaube an. Es<br />

mussten Wesen in vielfältiger Art existieren, die<br />

für all das verantwortlich waren, <strong>de</strong>ssen Ursachen<br />

unseren Vorfahren verborgen blieben. Der Mensch<br />

schuf die Götter, fürchtete und verehrte sie, versuchte<br />

sie mil<strong>de</strong> zu stimmen o<strong>de</strong>r auch gegen an<strong>de</strong>re<br />

Menschen und Völker aufzuwiegeln, die man als<br />

Fein<strong>de</strong> betrachtete.<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>m Wissen wur<strong>de</strong>n nun nicht etwa<br />

die Götter weniger, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Entstehung größerer<br />

Volksgruppen, von Herrschaft und Besitz, von<br />

Wissen<strong>de</strong>n und Nichtwissen<strong>de</strong>n, erhielten Götter<br />

und Glaube eine neue Be<strong>de</strong>utung - die Macht.<br />

Die Macht in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n möglichst weniger über die<br />

Vielen. Und die Wenigen behielten das zunehmen<strong>de</strong><br />

Wissen lieber für sich und kontrollierten <strong>de</strong>n Glauben,<br />

die Rituale und die Handlungen <strong>de</strong>r nun geschaffenen<br />

Religionen. Viele Götter und viele zu kontrollieren<strong>de</strong><br />

Priester erwiesen sich dabei als unpraktisch,<br />

weshalb bereits Echnaton - als politischer Herrscher<br />

- vor fast 3400 Jahren versuchte einen Gott, <strong>de</strong>nn Sonnengott<br />

Aton, auszurufen und sich selbst als <strong>de</strong>ssen<br />

Repräsentanten.<br />

Auch viel weiter im Osten, im Gebiet <strong>de</strong>s heutigen Indien,<br />

reformierte sich die Religion vor über 4000 Jahren<br />

mit <strong>de</strong>r Grundi<strong>de</strong>e einer Weltseele, eines Gottes<br />

o<strong>de</strong>r Schöpfers, Vishnu. Interessanterweise übrigens<br />

von Beginn an mit <strong>de</strong>m Bild eines unfassbar großen<br />

und Millionen Jahre alten Universums voller Sterne,<br />

Welten, kommen<strong>de</strong>r und vergehen<strong>de</strong>r Zeitalter. Als<br />

Zugeständnis an die Wissens- und Vorstellungswelt<br />

<strong>de</strong>r Menschen behielten alte Volksgottheiten partielle<br />

Be<strong>de</strong>utungen, beispielsweise als Halbgötter.<br />

In <strong>de</strong>r Mitte zwischen Afrika und Asien, im Vor<strong>de</strong>ren<br />

Orient, entstan<strong>de</strong>n später die ersten Metropolen<br />

<strong>de</strong>r neuen Welt und aus <strong>de</strong>m Wissen von Süd und<br />

Ost neue Glaubensrichtungen, so das Ju<strong>de</strong>ntum vor<br />

etwa 3000 Jahren. Und wie bei Echnaton bil<strong>de</strong>ten<br />

Staat und Kirche auch dort eine unselige und ganz<br />

ungöttliche Gemeinschaft <strong>de</strong>r Macht, die ein junger<br />

Wan<strong>de</strong>rprediger, selbst Ju<strong>de</strong>, genannt Jeschua, kritisierte.<br />

Ebenso wie einige Aussagen dieser Religion,<br />

die Hass und Vergeltung gegenüber an<strong>de</strong>ren Menschen,<br />

ja ganzen Völkern schürten. Massiv schritt er<br />

beispielsweise gegen „die Macht <strong>de</strong>r Banken“ seiner<br />

Zeit ein und zerstörte die Stän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geldwechsler<br />

im Tempel zu Jerusalem. Nicht nur diese Handlung<br />

zwang die Macht zum Eingreifen, zur Verhaftung,<br />

Verurteilung und Hinrichtung <strong>de</strong>s Mannes, <strong>de</strong>r als<br />

Jesus von Nazareth in die Geschichte einging und als<br />

Sohn Gottes<br />

zur Symbolfigur <strong>de</strong>s Christentums wur<strong>de</strong>. Diese<br />

Christen waren zunächst eine verfolgte Min<strong>de</strong>rheit,<br />

störten sie doch die Mächtigen und <strong>de</strong>n von diesen<br />

beherrschten Staatsglauben.<br />

Das än<strong>de</strong>rte sich 300 Jahre später, als Kaiser Flavius<br />

Valerius Constantinus (Konstantin <strong>de</strong>r Große) im<br />

Kampf um seine Macht die Chance ent<strong>de</strong>ckte, das<br />

im Volk beliebte Christentum zu nutzen, um die<br />

Menschen auf seine Seite zu ziehen. Nach erfolgreichen<br />

Schlachten glaubte Konstantin an göttliche<br />

Bestimmung und die eigene Berufung, diesen Gott<br />

<strong>de</strong>r Christen auf Er<strong>de</strong>n zu vertreten. Der Grundstein<br />

<strong>de</strong>r Römisch-Katholischen Kirche war gelegt.<br />

Konstantin hatte eine Sekte verstaatlicht, die zum<br />

Machtzentrum einer Elite wur<strong>de</strong>, die die Menschen<br />

im Diesseits in Furcht und Gehorsam hielt in<strong>de</strong>m sie<br />

Heil im Jenseits versprach. Die die Verbreitung von<br />

Wissen verhin<strong>de</strong>rte und im Machtmissbrauch um die<br />

Welt zog.<br />

Weiter im Sü<strong>de</strong>n, dort, wo einst die Pharaonen<br />

herrschten, wur<strong>de</strong> etwa 150 Jahre später in Mekka<br />

Mohammed geboren. Früh verlor er Vater und<br />

Mutter, wuchs bei Verwandten auf, arbeitete als<br />

Schafhirte und nahm an Han<strong>de</strong>lsreisen teil. Auf<br />

diesen wur<strong>de</strong> er mit <strong>de</strong>n Glaubenslehren <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n<br />

und Christen bekannt, die stark von <strong>de</strong>n Traditionen<br />

seiner Heimat abwichen, ihn jedoch fasziniert haben<br />

müssen. Nach muslimischer Überlieferung erkannte<br />

ihn ein christlicher Mönch als neuen Messias, also<br />

rechtmäßigen Nachfolger als Glaubensverkün<strong>de</strong>r,<br />

wie einst Jesus. Weiter wird gesagt, Mohammed traf<br />

auf <strong>de</strong>n Erzengel Gabriel, <strong>de</strong>r ihm neue religiöse Lehren<br />

für sein Volk und die Welt vermittelte. Deren Zusammenfassung<br />

bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Koran, die heilige Schrift<br />

<strong>de</strong>r Moslems.<br />

Verweltlicht (und wie in diesem gesamten Text<br />

stark vereinfacht) kann man sagen, dass diese muslimischen<br />

Lehren in wichtigen Teilen und vollkommen<br />

zu Recht das damals „real existieren<strong>de</strong>“ Christenund<br />

vor allem Ju<strong>de</strong>ntum kritisieren, Verbesserungen<br />

vorschlagen und an Belange <strong>de</strong>r arabischen Welt<br />

anpassen. Eine neue Weltreligion entstand und fand<br />

durch Überzeugung und durch Kriege eine schnelle<br />

Verbreitung.<br />

Herrscher <strong>de</strong>r Christen und Moslems legitimieren bis<br />

heute Gewalt mit <strong>de</strong>m jeweils gegenteiligen Auftrag<br />

zur Bekehrung An<strong>de</strong>rsgläubiger, wie auch die Ju<strong>de</strong>n<br />

sich als Gottes auserwähltes Volk mit <strong>de</strong>r Lizenz zum<br />

Töten sehen.<br />

Diese lange Vorre<strong>de</strong> erscheint wichtig angesichts<br />

<strong>de</strong>s Büchleins, das nun eine Muslimin und eine Christin,<br />

bei<strong>de</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen, herausgegeben haben. Der<br />

Pressetext sagt: „Britta Mühl und Alisa Ljajic trafen<br />

sich im Zug nach Budapest. Die eine will sich die<br />

Stadt ansehen, die an<strong>de</strong>re will weiter nach Belgrad<br />

zum Begräbnis ihrer Großmutter. Zwischen bei<strong>de</strong>n<br />

entspinnt sich ein sehr privates Gespräch über das<br />

Leben nach <strong>de</strong>m Tod, <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>s Lebens, die Liebe<br />

und über gegenseitige religiöse Vorbehalte. Trotz <strong>de</strong>r<br />

unterschiedlichen Welten, in <strong>de</strong>nen die bei<strong>de</strong>n jungen<br />

Frauen leben, ent<strong>de</strong>cken sie verblüffen<strong>de</strong> Übereinstimmungen.<br />

Ihre Erkenntnis aus <strong>de</strong>r Unterhaltung,<br />

die tatsächlich stattgefun<strong>de</strong>n hat: Der Weg zu<br />

Gott ist für je<strong>de</strong>n Menschen ein höchst persönlicher.<br />

Bibel und Koran wollen das Gleiche: auf diesem Weg<br />

inspirieren. Sie versuchen es bloß manchmal mit unterschiedlichen<br />

Mitteln. Ein heiteres, informatives<br />

und optimistisches Buch.“<br />

Ja, es ist ein lesenswertes Gespräch, das sicherlich<br />

für Viele interessant sein wird. Literarisch gesehen<br />

hoppeln ein paar Stellen, es war ja aber auch nicht<br />

die Absicht <strong>de</strong>r jungen Frauen, einen Roman zu<br />

verfassen. Ganz unabhängig davon stellten sich mir<br />

bei Lesen aber doch einige Fragen - bzw. lassen sich<br />

diese auf wenige (von mir vermutete) Ursachen eingrenzen.<br />

Da ist zum Einen mein Erstaunen über Bei<strong>de</strong>r, speziell<br />

Brittas Verwun<strong>de</strong>rung über Aspekte <strong>de</strong>s Islam<br />

und <strong>de</strong>r Moslems. Lei<strong>de</strong>r bestätigt dies ein von mir<br />

bereits häufig erlebtes Bild breiter Unwissenheit<br />

über An<strong>de</strong>rsgläubige, was bereits reformierte und<br />

freie Christen einschließt - mit einem Hang zum Desinteresse<br />

und pauschaler Ablehnung - und zwar stark<br />

zunehmend, je katholischer Herkunft, Umgang und<br />

Gewohnheiten geprägt sind.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer Punkt ist, dass Alisa Ljajic und Britta<br />

Mühl nicht im Ansatz an <strong>de</strong>n Punkt vorgedrungen<br />

seid, worin sich all die Gemeinsamkeiten, die sie<br />

gefun<strong>de</strong>n haben, vollkommen logisch begrün<strong>de</strong>n<br />

- in <strong>de</strong>n vorausgehend beschriebenen, gemeinsamen<br />

Quellen bei<strong>de</strong>r Religionen.<br />

Darauf angesprochen antwortete Britta Mühl: „Ich<br />

kenne mich sehr gut mit <strong>de</strong>m Islam aus und das war<br />

auch vor <strong>de</strong>m Buchprojekt schon so. Unser Theologiestudium<br />

ist nämlich ganz und gar nicht einseitig<br />

angelegt: Neben Vorlesungen zum Islam habe ich<br />

auch Vorlesungen über die asiatischen Religionen,<br />

das Ju<strong>de</strong>ntum etc. gehört. Dass ich nicht auf dieses<br />

Wissen zurückgreifen konnte und eher „Trivialfragen“<br />

besprechen musste liegt am Adressatenkreis<br />

<strong>de</strong>s Buches. Unser Verleger wollte die Leserschaft,<br />

die meistens nur profun<strong>de</strong> religiös gebil<strong>de</strong>t ist, nicht<br />

überfrachten. Hier geht es mehr um einen ersten Zugang<br />

zu <strong>de</strong>n Religionen, <strong>de</strong>r sehr emotional geprägt<br />

ist.“<br />

Ebenfalls nicht profund habe ich also eine solche Einleitung<br />

hier ergänzt und kann als Lesestoff in Folge<br />

empfehlen, wie Alisa und Britta sich in ihren Gedanken<br />

über Liebe, Leben, Sinn und Glauben begegnen.<br />

Jens Pittasch<br />

ALLAH UNSER - Der Dialog<br />

Britta Mühl, Alisa Ljajic<br />

edition a<br />

Gebun<strong>de</strong>ne Ausgabe: 208 Seiten<br />

ISBN: 978-3990010549<br />

Preis: 19,95 €

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